Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

um jene Zeit durchaus keine solche Untersuchung angestellt worden
ist. Ebenso wenig findet sich eine Spur bei andern baseler Chro-
nisten oder in den Quellen, welche Dr. L. A. Burckhardt zu Basel
in seiner schätzbaren Abhandlung über den "Kolenberg bei Basel"
in Sträuber's "Baseler Taschenbuch von 1851" ausgebeutet hat.
Hoffmann von Fallersleben hat nun den Heumann-Ebener'schen
Text mit dem Schreiber-Burckhardt'schen (nach Knebel) zusammen
verschmolzen und verhochdeutscht "da -- wie er sagt -- in beiden
Texten die Schreibung sehr ungleich, mundartlich und verwildert
ist, wobei er den Lesarten folgt, welche ihm die bessern zu sein
scheinen, und zugleich die bedeutendern unter dem Texte an-
merkt, worunter freilich sehr viele Lesefehler sind." Ob und wie-
viel bei diesem Verfahren gewonnen ist, mag dahingestellt sein.
Jedenfalls wird es aber auch schon bei der Vergleichung mit den
andern beiden Drucken interessant sein, die Bekanntmachung nach
dem seltenern sehr wenig bekannten Brückner'schen Druck, welcher
alle Spuren des unmittelbaren Ausflusses aus der ältesten Quelle
an sich trägt, hier zu geben:

"Diß ist die Betrügnisse, damitte die Gilen und die Lamen
umbe gand und besunder von allen Nahrungen, wil sie die nen-
nent, damite sie sich begant.

Grautener.

Zu dem ersten die Grautener die mit dem Sprung umbe-
gant, wenne die sehent, das man den Segen in der Kirchen gibt,
es sye Abends oder Morgens, so man gesungen hat, so nemmen
sie Seyffen in den Mund und stechent sich mit eim Halm in die
Naßlöcher das sy bluten, und schumit werdent und vallent den
vor den Lüten nider, als ob si den Siechtagen haben.

So sint ein teil, die mit der Letschen und mit der Schwinen
umbegand, die nemment ein blutig Tuch und bindent das umbe
die Stirnen, als ob si gevallen wären, darnach so walgerent si
sich in dem Bache glich als werent sie von den Siechtagen wegen
also gevallen.

So nemment ein teil Salb, die machent sy uß meigewunne

um jene Zeit durchaus keine ſolche Unterſuchung angeſtellt worden
iſt. Ebenſo wenig findet ſich eine Spur bei andern baſeler Chro-
niſten oder in den Quellen, welche Dr. L. A. Burckhardt zu Baſel
in ſeiner ſchätzbaren Abhandlung über den „Kolenberg bei Baſel“
in Sträuber’s „Baſeler Taſchenbuch von 1851“ ausgebeutet hat.
Hoffmann von Fallersleben hat nun den Heumann-Ebener’ſchen
Text mit dem Schreiber-Burckhardt’ſchen (nach Knebel) zuſammen
verſchmolzen und verhochdeutſcht „da — wie er ſagt — in beiden
Texten die Schreibung ſehr ungleich, mundartlich und verwildert
iſt, wobei er den Lesarten folgt, welche ihm die beſſern zu ſein
ſcheinen, und zugleich die bedeutendern unter dem Texte an-
merkt, worunter freilich ſehr viele Leſefehler ſind.“ Ob und wie-
viel bei dieſem Verfahren gewonnen iſt, mag dahingeſtellt ſein.
Jedenfalls wird es aber auch ſchon bei der Vergleichung mit den
andern beiden Drucken intereſſant ſein, die Bekanntmachung nach
dem ſeltenern ſehr wenig bekannten Brückner’ſchen Druck, welcher
alle Spuren des unmittelbaren Ausfluſſes aus der älteſten Quelle
an ſich trägt, hier zu geben:

„Diß iſt die Betrügniſſe, damitte die Gilen und die Lamen
umbe gand und beſunder von allen Nahrungen, wil ſie die nen-
nent, damite ſie ſich begant.

Grautener.

Zu dem erſten die Grautener die mit dem Sprung umbe-
gant, wenne die ſehent, das man den Segen in der Kirchen gibt,
es ſye Abends oder Morgens, ſo man geſungen hat, ſo nemmen
ſie Seyffen in den Mund und ſtechent ſich mit eim Halm in die
Naßlöcher das ſy bluten, und ſchumit werdent und vallent den
vor den Lüten nider, als ob ſi den Siechtagen haben.

So ſint ein teil, die mit der Letſchen und mit der Schwinen
umbegand, die nemment ein blutig Tuch und bindent das umbe
die Stirnen, als ob ſi gevallen wären, darnach ſo walgerent ſi
ſich in dem Bache glich als werent ſie von den Siechtagen wegen
alſo gevallen.

So nemment ein teil Salb, die machent ſy uß meigewunne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="125"/>
um jene Zeit durchaus keine &#x017F;olche Unter&#x017F;uchung ange&#x017F;tellt worden<lb/>
i&#x017F;t. Eben&#x017F;o wenig findet &#x017F;ich eine Spur bei andern ba&#x017F;eler Chro-<lb/>
ni&#x017F;ten oder in den Quellen, welche <hi rendition="#aq">Dr.</hi> L. A. Burckhardt zu Ba&#x017F;el<lb/>
in &#x017F;einer &#x017F;chätzbaren Abhandlung über den &#x201E;Kolenberg bei Ba&#x017F;el&#x201C;<lb/>
in Sträuber&#x2019;s &#x201E;Ba&#x017F;eler Ta&#x017F;chenbuch von 1851&#x201C; ausgebeutet hat.<lb/>
Hoffmann von Fallersleben hat nun den Heumann-Ebener&#x2019;&#x017F;chen<lb/>
Text mit dem Schreiber-Burckhardt&#x2019;&#x017F;chen (nach Knebel) zu&#x017F;ammen<lb/>
ver&#x017F;chmolzen und verhochdeut&#x017F;cht &#x201E;da &#x2014; wie er &#x017F;agt &#x2014; in beiden<lb/>
Texten die Schreibung &#x017F;ehr ungleich, mundartlich und verwildert<lb/>
i&#x017F;t, wobei er den Lesarten folgt, welche ihm die be&#x017F;&#x017F;ern zu &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;cheinen, und zugleich die bedeutendern unter dem Texte an-<lb/>
merkt, worunter freilich &#x017F;ehr viele Le&#x017F;efehler &#x017F;ind.&#x201C; Ob und wie-<lb/>
viel bei die&#x017F;em Verfahren gewonnen i&#x017F;t, mag dahinge&#x017F;tellt &#x017F;ein.<lb/>
Jedenfalls wird es aber auch &#x017F;chon bei der Vergleichung mit den<lb/>
andern beiden Drucken intere&#x017F;&#x017F;ant &#x017F;ein, die Bekanntmachung nach<lb/>
dem &#x017F;eltenern &#x017F;ehr wenig bekannten Brückner&#x2019;&#x017F;chen Druck, welcher<lb/>
alle Spuren des unmittelbaren Ausflu&#x017F;&#x017F;es aus der älte&#x017F;ten Quelle<lb/>
an &#x017F;ich trägt, hier zu geben:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Diß i&#x017F;t die Betrügni&#x017F;&#x017F;e, damitte die Gilen und die Lamen<lb/>
umbe gand und be&#x017F;under von allen Nahrungen, wil &#x017F;ie die nen-<lb/>
nent, damite &#x017F;ie &#x017F;ich begant.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Grautener</hi>.</hi> </p><lb/>
          <p>Zu dem er&#x017F;ten die Grautener die mit dem Sprung umbe-<lb/>
gant, wenne die &#x017F;ehent, das man den Segen in der Kirchen gibt,<lb/>
es &#x017F;ye Abends oder Morgens, &#x017F;o man ge&#x017F;ungen hat, &#x017F;o nemmen<lb/>
&#x017F;ie Seyffen in den Mund und &#x017F;techent &#x017F;ich mit eim Halm in die<lb/>
Naßlöcher das &#x017F;y bluten, und &#x017F;chumit werdent und vallent den<lb/>
vor den Lüten nider, als ob &#x017F;i den Siechtagen haben.</p><lb/>
          <p>So &#x017F;int ein teil, die mit der Let&#x017F;chen und mit der Schwinen<lb/>
umbegand, die nemment ein blutig Tuch und bindent das umbe<lb/>
die Stirnen, als ob &#x017F;i gevallen wären, darnach &#x017F;o walgerent &#x017F;i<lb/>
&#x017F;ich in dem Bache glich als werent &#x017F;ie von den Siechtagen wegen<lb/>
al&#x017F;o gevallen.</p><lb/>
          <p>So nemment ein teil Salb, die machent &#x017F;y uß meigewunne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0141] um jene Zeit durchaus keine ſolche Unterſuchung angeſtellt worden iſt. Ebenſo wenig findet ſich eine Spur bei andern baſeler Chro- niſten oder in den Quellen, welche Dr. L. A. Burckhardt zu Baſel in ſeiner ſchätzbaren Abhandlung über den „Kolenberg bei Baſel“ in Sträuber’s „Baſeler Taſchenbuch von 1851“ ausgebeutet hat. Hoffmann von Fallersleben hat nun den Heumann-Ebener’ſchen Text mit dem Schreiber-Burckhardt’ſchen (nach Knebel) zuſammen verſchmolzen und verhochdeutſcht „da — wie er ſagt — in beiden Texten die Schreibung ſehr ungleich, mundartlich und verwildert iſt, wobei er den Lesarten folgt, welche ihm die beſſern zu ſein ſcheinen, und zugleich die bedeutendern unter dem Texte an- merkt, worunter freilich ſehr viele Leſefehler ſind.“ Ob und wie- viel bei dieſem Verfahren gewonnen iſt, mag dahingeſtellt ſein. Jedenfalls wird es aber auch ſchon bei der Vergleichung mit den andern beiden Drucken intereſſant ſein, die Bekanntmachung nach dem ſeltenern ſehr wenig bekannten Brückner’ſchen Druck, welcher alle Spuren des unmittelbaren Ausfluſſes aus der älteſten Quelle an ſich trägt, hier zu geben: „Diß iſt die Betrügniſſe, damitte die Gilen und die Lamen umbe gand und beſunder von allen Nahrungen, wil ſie die nen- nent, damite ſie ſich begant. Grautener. Zu dem erſten die Grautener die mit dem Sprung umbe- gant, wenne die ſehent, das man den Segen in der Kirchen gibt, es ſye Abends oder Morgens, ſo man geſungen hat, ſo nemmen ſie Seyffen in den Mund und ſtechent ſich mit eim Halm in die Naßlöcher das ſy bluten, und ſchumit werdent und vallent den vor den Lüten nider, als ob ſi den Siechtagen haben. So ſint ein teil, die mit der Letſchen und mit der Schwinen umbegand, die nemment ein blutig Tuch und bindent das umbe die Stirnen, als ob ſi gevallen wären, darnach ſo walgerent ſi ſich in dem Bache glich als werent ſie von den Siechtagen wegen alſo gevallen. So nemment ein teil Salb, die machent ſy uß meigewunne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/141
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/141>, abgerufen am 23.11.2024.