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Allgemeine Zeitung. Nr. 177. Augsburg, 25. Juni 1840.

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einen großen Einfluß. Man wollte den Ueberfluß, dessen man sich erfreute, sehen lassen: prachtvolle Gebäude wurden aufgeführt, glänzende Spiele zogen selbst Fremde herbei, zahlreiche Feste boten erwünschte Gelegenheit zu fröhlicher Unterhaltung und heiterem Genusse; überall trat das Bild behaglicher Zufriedenheit entgegen. Aber in dieser Zeit des Wohlstandes war auch der Sinn für die edleren Künste erwacht, die das Leben verschönern und dem empfänglichen Gemüthe Freuden höherer Art gewähren. Mit besonderer Vorliebe wurden die Lieder des Sängers vernommen und die Werke der Dichter gelesen. Man sammelte sorgfältig, was aus der früheren sangreichen Zeit von den Erzeugnissen der romantischen Poesie sich erhalten hatte; eigene Vereine, nach dem Muster der zünftigen Genossenschaften gebildet, pflegten die Gabe der Dichtkunst; wer sich durch schöpferische Kraft oder durch Gewandtheit im Reimen auszeichnete, hatte nicht bloß unter den Genossen der Verbindung ein wohlbegründetes Ansehen, sein Talent gereichte ihm bei allen Ständen der Gesellschaft zur Empfehlung. So lebten hier die alten Sagen des Ritterthums und die bedeutsameren Ueberlieferungen der Minnesänger in der Erinnerung fort; so entstand manches neue Lied, das bis auf die spätern Zeiten aus dem Munde des Volks ertönte.

Von Augsburg aus verbreitete sich z. B. das alte Lied von den zwölf Meistern im Rosengarten; einer ganzen Sammlung der ältesten Volkslieder, die daselbst im Jahr 1512 veranstaltet wurde, erwähnt Docen in seinen Miscellaneen zur Geschichte der deutschen Litteratur Bd. I, p. 257. Auch die Leistungen der bildenden und zeichnenden Kunst fanden anerkennende Aufmunterung und reiche Belohnung. Manches Denkmal der Malerei und Xylographie verkündet jetzt noch das Lob des Meisters. Unsere Stadtbibliothek ist in dem Besitze mehrerer Miniaturgemälde eines Augsburger Malers aus dem Ende des 15ten Jahrhunderts, die mit zu dem Gelungensten gehören, was von den Deutschen in dieser Gattung geliefert wurde. Selbst ernsterer wissenschaftlicher Forschung blieben denkende Geister nicht fremd, besonders seitdem die Beschäftigung mit der classischen Litteratur der Alten einen freiern Sinn erzeugt hatte und anfing, eine den Mustern des gereinigten Geschmacks nachgebildete Litteratur zu schaffen. Bei solcher Regsamkeit der Bestrebungen mußte das gesellige und geistige Leben bedeutend gewinnen. Wie überhaupt das südliche Deutschland bis zu dem Ende des Mittelalters die Stammverwandten des Nordens an Cultur bei weitem übertraf, so war Augsburg der Mittelpunkt der höhern Bildung, in welchem sich das Gediegenste und Schönste concentrirte, was die Zeit zur Reife gebracht hatte. Es ist bekannt, daß der schwäbische Dialekt durch den Wohllaut, die Biegsamkeit und Fülle seiner Formen sich vor andern hervorthat; aber die Augsburger Mundart behauptete auch hier den Vorzug. Bücher, die in dieser geschrieben waren, wurden namentlich gern gelesen. Der Verleger einer Ausgabe der Predigten Taulers vom Jahr 1508 wußte sie nicht besser zu empfehlen, als indem er ausdrücklich in der Vorrede bemerkte, daß dieselben "neulich corrigirt und gezogen seind zu den merern Tail auf gut verstentlich Augspurger Sprach, die da unter andern teutschen Zungen gemeiniglich für die verstentlichste genommen und gehalten wirt." Je weiter indeß die Bildung unter Augsburgs Bürgern sich verbreitete, desto allgemeiner wurde das Verlangen nach den Werken der Schrift, aus welchen man die angeregte Wißbegierde befriedigen konnte.

Daher waren denn die Verhältnisse für die Buchdruckerkunst im 15ten Jahrhundert zu Augsburg ausnehmend günstig. Es ist auch die erste Stadt in Schwaben, in welcher von der neuen Erfindung Gutenbergs Gebrauch gemacht wurde. Denn wenn gleich die Behauptung, die nach dem Vorgange des Augsburger Chronisten Prim. Achilles Gasser sich oft wiederholte, daß nämlich schon 1466 und 1467 aus der Officin des Buchdruckers Johann Bämler eine vollständige lateinische und deutsche Bibel hervorgegangen sey, wie die deßfalls angestellten genauen Untersuchungen darthun, ganz unhaltbar ist, so ist doch eine Augsburger Incunabel vorhanden, die entschieden dem Jahr 1468 angehört.

Bald nachdem Günther Zainer, der erste unter den hiesigen Typographen, zu drucken angefangen hatte, waren mehrere Pressen zu gleicher Zeit in voller Thätigkeit. Von folgenden Augsburger Buchdruckern aus dem 15ten Jahrhundert sind bis jetzt Werke bekannt geworden: 1) Von dem obengenannten Günther Zainer (1468-1478), 2) von Johann Schüßler (1470-1473), 3) von Johann Bämler (1472-1493), 4) von Anton Sorg (1475-1493), 5) von Jodokus Pflanzmann, 6) von Johann Wiener (1477-1479), 7) von Johannes Keller (1478), 8) von Ambrosius Keller (1478), 9) von Hermann Kestlin (1481-1484), 10) von Anna Rügerin, 11) von Johannes Blaubierer, 12) von Johannes Schönsperger, dem älteren (1481-1524), 13) von Erhart Ratdolt (1486-1516), 14) von Johann Schobser (1488), 15) von Peter Berger (1488), 16) von Christoph Schaiter (1493), 17) von Johann Schauer (1493), 18) von Johann Froschauer (1494-1507), 19) von Lucas Zeissenmayer (1495-1502). Außerdem lieferte auch das Kloster St. Ulrich gedruckte Bücher.

Es war ein Vortheil für diese Drucker, daß sie die gut eingerichteten hiesigen Papiermühlen benutzen konnten, die schon in früherer Zeit, wahrscheinlich hier zuerst in Deutschland, erbaut worden waren; auch mußte es ihnen erwünscht seyn, geschickte Formschneider zu treffen, da die Arbeiten derselben mit ihrer eigenen Kunst in der engsten Verbindung standen.

Bei der Auswahl der Bücher nahmen sie auf das locale Bedürfniß vorzügliche Rücksicht. Es erschien gleich in den ersten Jahren eine beträchtliche Anzahl Schriften aus dem Kreise der damaligen belletristischen Litteratur. (Aus der Masse der bekanntgewordenen werden hier angeführt die Geschichten von Sigismunda, Melusina, Griseldis, Herzog Wilhelm von Oesterreich und Herzog Ernst von Bayern, Tristan und Isolde, eine Uebersetzung von Boccaz Novellen, und die erste gedruckte Ausgabe von Wolfram von Eschenbachs Parcival und Titurell.) Manches der vielgelesenen Volksbücher aus jener Zeit mag durch häufigen Gebrauch verloren gegangen seyn, ohne daß wir auch nur den Namen davon wissen. Daß theologische Schriften auch die hiesigen Pressen gleich vom Anfange an sehr beschäftigten, versteht sich von selbst; einige Werke darunter, wie z. B. das Leben der Heiligen, sind von bedeutendem Umfange. Vor Allem aber erwarben sich die hiesigen ersten Buchdrucker durch ihre Ausgaben der deutschen Bibeln hohen Ruhm. Es sind deren nicht weniger als sechs, die vom Jahre 1473-1490 in kurzen Zwischenräumen auf einander folgten; zwei Ausgaben bei Günther Zainer noch vor 1473; zwei bei Anton Sorg 1477 und 1480 und zwei bei Hans Schönsperger 1487 und 1490, über welch letztere sich indeß freilich noch Zweifel erheben ließen.

einen großen Einfluß. Man wollte den Ueberfluß, dessen man sich erfreute, sehen lassen: prachtvolle Gebäude wurden aufgeführt, glänzende Spiele zogen selbst Fremde herbei, zahlreiche Feste boten erwünschte Gelegenheit zu fröhlicher Unterhaltung und heiterem Genusse; überall trat das Bild behaglicher Zufriedenheit entgegen. Aber in dieser Zeit des Wohlstandes war auch der Sinn für die edleren Künste erwacht, die das Leben verschönern und dem empfänglichen Gemüthe Freuden höherer Art gewähren. Mit besonderer Vorliebe wurden die Lieder des Sängers vernommen und die Werke der Dichter gelesen. Man sammelte sorgfältig, was aus der früheren sangreichen Zeit von den Erzeugnissen der romantischen Poesie sich erhalten hatte; eigene Vereine, nach dem Muster der zünftigen Genossenschaften gebildet, pflegten die Gabe der Dichtkunst; wer sich durch schöpferische Kraft oder durch Gewandtheit im Reimen auszeichnete, hatte nicht bloß unter den Genossen der Verbindung ein wohlbegründetes Ansehen, sein Talent gereichte ihm bei allen Ständen der Gesellschaft zur Empfehlung. So lebten hier die alten Sagen des Ritterthums und die bedeutsameren Ueberlieferungen der Minnesänger in der Erinnerung fort; so entstand manches neue Lied, das bis auf die spätern Zeiten aus dem Munde des Volks ertönte.

Von Augsburg aus verbreitete sich z. B. das alte Lied von den zwölf Meistern im Rosengarten; einer ganzen Sammlung der ältesten Volkslieder, die daselbst im Jahr 1512 veranstaltet wurde, erwähnt Docen in seinen Miscellaneen zur Geschichte der deutschen Litteratur Bd. I, p. 257. Auch die Leistungen der bildenden und zeichnenden Kunst fanden anerkennende Aufmunterung und reiche Belohnung. Manches Denkmal der Malerei und Xylographie verkündet jetzt noch das Lob des Meisters. Unsere Stadtbibliothek ist in dem Besitze mehrerer Miniaturgemälde eines Augsburger Malers aus dem Ende des 15ten Jahrhunderts, die mit zu dem Gelungensten gehören, was von den Deutschen in dieser Gattung geliefert wurde. Selbst ernsterer wissenschaftlicher Forschung blieben denkende Geister nicht fremd, besonders seitdem die Beschäftigung mit der classischen Litteratur der Alten einen freiern Sinn erzeugt hatte und anfing, eine den Mustern des gereinigten Geschmacks nachgebildete Litteratur zu schaffen. Bei solcher Regsamkeit der Bestrebungen mußte das gesellige und geistige Leben bedeutend gewinnen. Wie überhaupt das südliche Deutschland bis zu dem Ende des Mittelalters die Stammverwandten des Nordens an Cultur bei weitem übertraf, so war Augsburg der Mittelpunkt der höhern Bildung, in welchem sich das Gediegenste und Schönste concentrirte, was die Zeit zur Reife gebracht hatte. Es ist bekannt, daß der schwäbische Dialekt durch den Wohllaut, die Biegsamkeit und Fülle seiner Formen sich vor andern hervorthat; aber die Augsburger Mundart behauptete auch hier den Vorzug. Bücher, die in dieser geschrieben waren, wurden namentlich gern gelesen. Der Verleger einer Ausgabe der Predigten Taulers vom Jahr 1508 wußte sie nicht besser zu empfehlen, als indem er ausdrücklich in der Vorrede bemerkte, daß dieselben „neulich corrigirt und gezogen seind zu den merern Tail auf gut verstentlich Augspurger Sprach, die da unter andern teutschen Zungen gemeiniglich für die verstentlichste genommen und gehalten wirt.“ Je weiter indeß die Bildung unter Augsburgs Bürgern sich verbreitete, desto allgemeiner wurde das Verlangen nach den Werken der Schrift, aus welchen man die angeregte Wißbegierde befriedigen konnte.

Daher waren denn die Verhältnisse für die Buchdruckerkunst im 15ten Jahrhundert zu Augsburg ausnehmend günstig. Es ist auch die erste Stadt in Schwaben, in welcher von der neuen Erfindung Gutenbergs Gebrauch gemacht wurde. Denn wenn gleich die Behauptung, die nach dem Vorgange des Augsburger Chronisten Prim. Achilles Gasser sich oft wiederholte, daß nämlich schon 1466 und 1467 aus der Officin des Buchdruckers Johann Bämler eine vollständige lateinische und deutsche Bibel hervorgegangen sey, wie die deßfalls angestellten genauen Untersuchungen darthun, ganz unhaltbar ist, so ist doch eine Augsburger Incunabel vorhanden, die entschieden dem Jahr 1468 angehört.

Bald nachdem Günther Zainer, der erste unter den hiesigen Typographen, zu drucken angefangen hatte, waren mehrere Pressen zu gleicher Zeit in voller Thätigkeit. Von folgenden Augsburger Buchdruckern aus dem 15ten Jahrhundert sind bis jetzt Werke bekannt geworden: 1) Von dem obengenannten Günther Zainer (1468-1478), 2) von Johann Schüßler (1470-1473), 3) von Johann Bämler (1472-1493), 4) von Anton Sorg (1475-1493), 5) von Jodokus Pflanzmann, 6) von Johann Wiener (1477-1479), 7) von Johannes Keller (1478), 8) von Ambrosius Keller (1478), 9) von Hermann Kestlin (1481-1484), 10) von Anna Rügerin, 11) von Johannes Blaubierer, 12) von Johannes Schönsperger, dem älteren (1481-1524), 13) von Erhart Ratdolt (1486-1516), 14) von Johann Schobser (1488), 15) von Peter Berger (1488), 16) von Christoph Schaiter (1493), 17) von Johann Schauer (1493), 18) von Johann Froschauer (1494-1507), 19) von Lucas Zeissenmayer (1495-1502). Außerdem lieferte auch das Kloster St. Ulrich gedruckte Bücher.

Es war ein Vortheil für diese Drucker, daß sie die gut eingerichteten hiesigen Papiermühlen benutzen konnten, die schon in früherer Zeit, wahrscheinlich hier zuerst in Deutschland, erbaut worden waren; auch mußte es ihnen erwünscht seyn, geschickte Formschneider zu treffen, da die Arbeiten derselben mit ihrer eigenen Kunst in der engsten Verbindung standen.

Bei der Auswahl der Bücher nahmen sie auf das locale Bedürfniß vorzügliche Rücksicht. Es erschien gleich in den ersten Jahren eine beträchtliche Anzahl Schriften aus dem Kreise der damaligen belletristischen Litteratur. (Aus der Masse der bekanntgewordenen werden hier angeführt die Geschichten von Sigismunda, Melusina, Griseldis, Herzog Wilhelm von Oesterreich und Herzog Ernst von Bayern, Tristan und Isolde, eine Uebersetzung von Boccaz Novellen, und die erste gedruckte Ausgabe von Wolfram von Eschenbachs Parcival und Titurell.) Manches der vielgelesenen Volksbücher aus jener Zeit mag durch häufigen Gebrauch verloren gegangen seyn, ohne daß wir auch nur den Namen davon wissen. Daß theologische Schriften auch die hiesigen Pressen gleich vom Anfange an sehr beschäftigten, versteht sich von selbst; einige Werke darunter, wie z. B. das Leben der Heiligen, sind von bedeutendem Umfange. Vor Allem aber erwarben sich die hiesigen ersten Buchdrucker durch ihre Ausgaben der deutschen Bibeln hohen Ruhm. Es sind deren nicht weniger als sechs, die vom Jahre 1473-1490 in kurzen Zwischenräumen auf einander folgten; zwei Ausgaben bei Günther Zainer noch vor 1473; zwei bei Anton Sorg 1477 und 1480 und zwei bei Hans Schönsperger 1487 und 1490, über welch letztere sich indeß freilich noch Zweifel erheben ließen.

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einen großen Einfluß. Man wollte den Ueberfluß, dessen man sich erfreute, sehen lassen: prachtvolle Gebäude wurden aufgeführt, glänzende Spiele zogen selbst Fremde herbei, zahlreiche Feste boten erwünschte Gelegenheit zu fröhlicher Unterhaltung und heiterem Genusse; überall trat das Bild behaglicher Zufriedenheit entgegen. Aber in dieser Zeit des Wohlstandes war auch der Sinn für die edleren Künste erwacht, die das Leben verschönern und dem empfänglichen Gemüthe Freuden höherer Art gewähren. Mit besonderer Vorliebe wurden die Lieder des Sängers vernommen und die Werke der Dichter gelesen. Man sammelte sorgfältig, was aus der früheren sangreichen Zeit von den Erzeugnissen der romantischen Poesie sich erhalten hatte; eigene Vereine, nach dem Muster der zünftigen Genossenschaften gebildet, pflegten die Gabe der Dichtkunst; wer sich durch schöpferische Kraft oder durch Gewandtheit im Reimen auszeichnete, hatte nicht bloß unter den Genossen der Verbindung ein wohlbegründetes Ansehen, sein Talent gereichte ihm bei allen Ständen der Gesellschaft zur Empfehlung. So lebten hier die alten Sagen des Ritterthums und die bedeutsameren Ueberlieferungen der Minnesänger in der Erinnerung fort; so entstand manches neue Lied, das bis auf die spätern Zeiten aus dem Munde des Volks ertönte.</p><lb/>
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[1410/0003] einen großen Einfluß. Man wollte den Ueberfluß, dessen man sich erfreute, sehen lassen: prachtvolle Gebäude wurden aufgeführt, glänzende Spiele zogen selbst Fremde herbei, zahlreiche Feste boten erwünschte Gelegenheit zu fröhlicher Unterhaltung und heiterem Genusse; überall trat das Bild behaglicher Zufriedenheit entgegen. Aber in dieser Zeit des Wohlstandes war auch der Sinn für die edleren Künste erwacht, die das Leben verschönern und dem empfänglichen Gemüthe Freuden höherer Art gewähren. Mit besonderer Vorliebe wurden die Lieder des Sängers vernommen und die Werke der Dichter gelesen. Man sammelte sorgfältig, was aus der früheren sangreichen Zeit von den Erzeugnissen der romantischen Poesie sich erhalten hatte; eigene Vereine, nach dem Muster der zünftigen Genossenschaften gebildet, pflegten die Gabe der Dichtkunst; wer sich durch schöpferische Kraft oder durch Gewandtheit im Reimen auszeichnete, hatte nicht bloß unter den Genossen der Verbindung ein wohlbegründetes Ansehen, sein Talent gereichte ihm bei allen Ständen der Gesellschaft zur Empfehlung. So lebten hier die alten Sagen des Ritterthums und die bedeutsameren Ueberlieferungen der Minnesänger in der Erinnerung fort; so entstand manches neue Lied, das bis auf die spätern Zeiten aus dem Munde des Volks ertönte. Von Augsburg aus verbreitete sich z. B. das alte Lied von den zwölf Meistern im Rosengarten; einer ganzen Sammlung der ältesten Volkslieder, die daselbst im Jahr 1512 veranstaltet wurde, erwähnt Docen in seinen Miscellaneen zur Geschichte der deutschen Litteratur Bd. I, p. 257. Auch die Leistungen der bildenden und zeichnenden Kunst fanden anerkennende Aufmunterung und reiche Belohnung. Manches Denkmal der Malerei und Xylographie verkündet jetzt noch das Lob des Meisters. Unsere Stadtbibliothek ist in dem Besitze mehrerer Miniaturgemälde eines Augsburger Malers aus dem Ende des 15ten Jahrhunderts, die mit zu dem Gelungensten gehören, was von den Deutschen in dieser Gattung geliefert wurde. Selbst ernsterer wissenschaftlicher Forschung blieben denkende Geister nicht fremd, besonders seitdem die Beschäftigung mit der classischen Litteratur der Alten einen freiern Sinn erzeugt hatte und anfing, eine den Mustern des gereinigten Geschmacks nachgebildete Litteratur zu schaffen. Bei solcher Regsamkeit der Bestrebungen mußte das gesellige und geistige Leben bedeutend gewinnen. Wie überhaupt das südliche Deutschland bis zu dem Ende des Mittelalters die Stammverwandten des Nordens an Cultur bei weitem übertraf, so war Augsburg der Mittelpunkt der höhern Bildung, in welchem sich das Gediegenste und Schönste concentrirte, was die Zeit zur Reife gebracht hatte. Es ist bekannt, daß der schwäbische Dialekt durch den Wohllaut, die Biegsamkeit und Fülle seiner Formen sich vor andern hervorthat; aber die Augsburger Mundart behauptete auch hier den Vorzug. Bücher, die in dieser geschrieben waren, wurden namentlich gern gelesen. Der Verleger einer Ausgabe der Predigten Taulers vom Jahr 1508 wußte sie nicht besser zu empfehlen, als indem er ausdrücklich in der Vorrede bemerkte, daß dieselben „neulich corrigirt und gezogen seind zu den merern Tail auf gut verstentlich Augspurger Sprach, die da unter andern teutschen Zungen gemeiniglich für die verstentlichste genommen und gehalten wirt.“ Je weiter indeß die Bildung unter Augsburgs Bürgern sich verbreitete, desto allgemeiner wurde das Verlangen nach den Werken der Schrift, aus welchen man die angeregte Wißbegierde befriedigen konnte. Daher waren denn die Verhältnisse für die Buchdruckerkunst im 15ten Jahrhundert zu Augsburg ausnehmend günstig. Es ist auch die erste Stadt in Schwaben, in welcher von der neuen Erfindung Gutenbergs Gebrauch gemacht wurde. Denn wenn gleich die Behauptung, die nach dem Vorgange des Augsburger Chronisten Prim. Achilles Gasser sich oft wiederholte, daß nämlich schon 1466 und 1467 aus der Officin des Buchdruckers Johann Bämler eine vollständige lateinische und deutsche Bibel hervorgegangen sey, wie die deßfalls angestellten genauen Untersuchungen darthun, ganz unhaltbar ist, so ist doch eine Augsburger Incunabel vorhanden, die entschieden dem Jahr 1468 angehört. Bald nachdem Günther Zainer, der erste unter den hiesigen Typographen, zu drucken angefangen hatte, waren mehrere Pressen zu gleicher Zeit in voller Thätigkeit. Von folgenden Augsburger Buchdruckern aus dem 15ten Jahrhundert sind bis jetzt Werke bekannt geworden: 1) Von dem obengenannten Günther Zainer (1468-1478), 2) von Johann Schüßler (1470-1473), 3) von Johann Bämler (1472-1493), 4) von Anton Sorg (1475-1493), 5) von Jodokus Pflanzmann, 6) von Johann Wiener (1477-1479), 7) von Johannes Keller (1478), 8) von Ambrosius Keller (1478), 9) von Hermann Kestlin (1481-1484), 10) von Anna Rügerin, 11) von Johannes Blaubierer, 12) von Johannes Schönsperger, dem älteren (1481-1524), 13) von Erhart Ratdolt (1486-1516), 14) von Johann Schobser (1488), 15) von Peter Berger (1488), 16) von Christoph Schaiter (1493), 17) von Johann Schauer (1493), 18) von Johann Froschauer (1494-1507), 19) von Lucas Zeissenmayer (1495-1502). Außerdem lieferte auch das Kloster St. Ulrich gedruckte Bücher. Es war ein Vortheil für diese Drucker, daß sie die gut eingerichteten hiesigen Papiermühlen benutzen konnten, die schon in früherer Zeit, wahrscheinlich hier zuerst in Deutschland, erbaut worden waren; auch mußte es ihnen erwünscht seyn, geschickte Formschneider zu treffen, da die Arbeiten derselben mit ihrer eigenen Kunst in der engsten Verbindung standen. Bei der Auswahl der Bücher nahmen sie auf das locale Bedürfniß vorzügliche Rücksicht. Es erschien gleich in den ersten Jahren eine beträchtliche Anzahl Schriften aus dem Kreise der damaligen belletristischen Litteratur. (Aus der Masse der bekanntgewordenen werden hier angeführt die Geschichten von Sigismunda, Melusina, Griseldis, Herzog Wilhelm von Oesterreich und Herzog Ernst von Bayern, Tristan und Isolde, eine Uebersetzung von Boccaz Novellen, und die erste gedruckte Ausgabe von Wolfram von Eschenbachs Parcival und Titurell.) Manches der vielgelesenen Volksbücher aus jener Zeit mag durch häufigen Gebrauch verloren gegangen seyn, ohne daß wir auch nur den Namen davon wissen. Daß theologische Schriften auch die hiesigen Pressen gleich vom Anfange an sehr beschäftigten, versteht sich von selbst; einige Werke darunter, wie z. B. das Leben der Heiligen, sind von bedeutendem Umfange. Vor Allem aber erwarben sich die hiesigen ersten Buchdrucker durch ihre Ausgaben der deutschen Bibeln hohen Ruhm. Es sind deren nicht weniger als sechs, die vom Jahre 1473-1490 in kurzen Zwischenräumen auf einander folgten; zwei Ausgaben bei Günther Zainer noch vor 1473; zwei bei Anton Sorg 1477 und 1480 und zwei bei Hans Schönsperger 1487 und 1490, über welch letztere sich indeß freilich noch Zweifel erheben ließen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 177. Augsburg, 25. Juni 1840, S. 1410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_177_18400625/3>, abgerufen am 23.11.2024.