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Allgemeine Zeitung. Nr. 177. Augsburg, 25. Juni 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 177.
25 Junius 1840.

Das vierte Jubelfest der Erfindung der Buchdruckerkunst.

Der heutige Säculartag der Presse wird in den Städten Bayerns, so weit uns bekannt, nicht mit öffentlicher Feier begangen. Wir enthalten uns deßwegen auch, von der öffentlichen Rednerbühne unsers Blattes aus, vor der wir täglich ein zahlreicheres Publicum versammelt sehen, als in diesem Augenblick den Rednern horchen mag, die in Stuttgart und Leipzig, in Mainz und Straßburg zu dem freudig versammelten Volke reden - wir enthalten uns, von den frohen und trüben Rückblicken, von den Wünschen und Klagen, dem Dank und den Hoffnungen zu sprechen, die der heutige Abschluß vier bedeutungsvoller Jahrhunderte hervorruft. Jedem Manne von unbefangenem Auge und redlichem Streben steht das Alles lebendig vor der Seele. Wer zurückblickt auf die Bahn, die in den letzten hundert Jahren besonders in Deutschland Geist und Bildung und öffentliches Bewußtseyn durchlaufen, der wird dem kommenden Jahrhundert nicht muthlos entgegenschauen, sondern erkennen, wie sich Herders Ausspruch immer mehr verwirklicht: "daß durch die Erfindung der Buchdruckerkunst die Gesellschaft aller Denkenden in allen Welttheilen eine gesammelte und sichtbare Kirche geworden." - Deutschland allein feiert dieses Fest, denn es ist sein eigenstes; wie bei keinem Volke hängen an ihm alle seine Freuden und alle seine Schmerzen, ja so sehr geht dieses Gefühl durch alle deutschen Stämme, daß selbst die Stadt, die politisch ganz ihrem Mutterlande entfremdet ist, heute zum erstenmale wieder stolz sich ihres Ursprungs erinnert, und indem sie Guttenberg eine Denksäule errichtet *), wie in halbem Traume der Zeiten sich erinnert, wo Erwin von Steinbach ihren Münster baute, Gottfried von Straßburg sein Lied von Tristan und Isolde sang und Königshoven seine Chronik schrieb: "Gott und dem Vaterland zu Ehren!" **) Ein einziger Blick über Deutschlands Städte, wie sie am heutigen Tage sich zeigen - alle, ohne Ausnahme, mögen sie den Tag leise oder laut begehen - ein einziger Blick auf diese Einstimmigkeit, wie sie in keiner früheren Zeit mit so rauschendem Siegesgefühle des Geistes hervorgetreten, zeigt, was wir errungen, und was uns zu entreißen von nun an unmöglich geworden ist, jetzt, wo das Wort, wie vom Winde getragen, über Länder und Meere fliegt, und in noch höherem Sinne die Glocke geworden ist, welche Franklin sagen ließ: Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango!

Darum dürfen wir, der Zukunft getröstet, wohl mit ruhiger Betrachtung und Pietät zurückkehren zu jenen ersten Zeiten, wo der Grundstein zu dem gelegt wurde, was die letzten fünfzig Jahre als ewige Monumente den kommenden Geschlechtern übergeben. Wie München sich 1940 berühmen wird, daß es 1840 unter königlichem Schirme die Verjünger deutscher Kunst und unter den Männern der Wissenschaft den ersten Repräsentanten deutscher Philosophie in sich schloß, so dürfen die beiden Glanzpunkte Oberdeutschlands - Nürnberg und Augsburg - denen sich das vielverwandte Ulm anschließt, mit Stolz auf die Wahrzeichen ihrer Gewerbsamkeit und Kunst in den letzten vier Jahrhunderten weisen. Wir lassen die beiden andern Städte für sich selber reden - vorab Ulm, zu dessen öffentlichen Festen auch ein großer Theil der hiesigen Gewerbsgenossen gezogen. Für Augsburg aber heben wir nur das Wesentlichste einer kurzen Geschichte seiner Druckereien und seines Buchhandels aus, wie sie in einem eben erschienenen, so verdienstvollen als schön ausgestatteten Werke ***)***) vor uns liegt. Man wird daraus erkennen, daß um das zu Stande zu bringen, was geschah, Alles zusammenwirken mußte - Patricier, Gelehrte, Künstler, Buchhändler und Drucker. Fragt man, ob das Jetzt sich dem Ehemals würdig anschließe, so können wir nicht besser antworten, als indem wir auf die 25 Buchhandlungen und Druckereien unserer Stadt weisen, von welch letztern eine einzige acht von Dampfkraft getriebene Pressen beschäftigt. Von ihnen ging in den letzten fünfzehn Jahren eine unabsehliche Menge von Exemplaren der Meisterwerke deutscher Zunge aus: Goethe, Schiller, Johannes Müller, Wieland, Thümmel, Herder, Alexander v. Humboldt und Ludwig Uhland. Tag für Tag können diese Pressen über sechzigtausend Druckbogen liefern, wovon beinahe neunzehntausend Bogen täglich der Allgemeinen Zeitung angehören. Die Leser derselben aber werden es ihr verzeihen, wenn sie heute bloß die Hälfte ihres gewöhnlichen Raumes einnimmt, da dieser Tag der Feier seit ihrem Bestehen der erste Feiertag für ihre Arbeiter ist.

Kurze Geschichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels in Augsburg.

Aeneas Sylvius, aus dem Geschlechte der Piccolomini, als Papst Pius der II genannt, der sich in der Mitte des 15ten Jahrhunderts öfters zu Augsburg aufhielt, nannte dasselbe ohne Bedenken die reichste Stadt der Welt. Darf dieses Lob auch nicht gerade buchstäblich genommen werden, so ist doch jedenfalls gewiß, daß Augsburgs Handel damals noch in der vollsten Blüthe stand, und daß in seinen Gewerben eine vielseitige Thätigkeit sich zeigte, die mit reichlichem Gewinne belohnt wurde. **)

*) Die französische Akademie beschloß in ihrer Sitzung vom 19 Jun. sich bei dem Guttenbergfeste in Straßburg durch Hrn. v. Salvandy und Hrn. Dupin repräsentiren zu lassen.
**) Zuerst im Auszug in Augsburg gedruckt, 1474, 1476 und 1480, bis sie, erst 1698, in Straßburg selbst, vollständig, herauskam.
***) Augsburgs älteste Druckdenkmale und Formschneidearbeiten, von dem k. Professor und Bibliothekar Mezger. Mit 37 Abdrücken von Originalholzschnitten aus dem 15ten und 16ten Jahrhundert. Verlag von J. P. Himmer (Firma M. Riegersche Buchhandlung). Druck der Wilh. Reichelschen Buchdruckerei.
**) cf. Fischers Geschichte des deutschen Handels II. p. 647 u. f.
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 177.
25 Junius 1840.

Das vierte Jubelfest der Erfindung der Buchdruckerkunst.

Der heutige Säculartag der Presse wird in den Städten Bayerns, so weit uns bekannt, nicht mit öffentlicher Feier begangen. Wir enthalten uns deßwegen auch, von der öffentlichen Rednerbühne unsers Blattes aus, vor der wir täglich ein zahlreicheres Publicum versammelt sehen, als in diesem Augenblick den Rednern horchen mag, die in Stuttgart und Leipzig, in Mainz und Straßburg zu dem freudig versammelten Volke reden – wir enthalten uns, von den frohen und trüben Rückblicken, von den Wünschen und Klagen, dem Dank und den Hoffnungen zu sprechen, die der heutige Abschluß vier bedeutungsvoller Jahrhunderte hervorruft. Jedem Manne von unbefangenem Auge und redlichem Streben steht das Alles lebendig vor der Seele. Wer zurückblickt auf die Bahn, die in den letzten hundert Jahren besonders in Deutschland Geist und Bildung und öffentliches Bewußtseyn durchlaufen, der wird dem kommenden Jahrhundert nicht muthlos entgegenschauen, sondern erkennen, wie sich Herders Ausspruch immer mehr verwirklicht: „daß durch die Erfindung der Buchdruckerkunst die Gesellschaft aller Denkenden in allen Welttheilen eine gesammelte und sichtbare Kirche geworden.“ – Deutschland allein feiert dieses Fest, denn es ist sein eigenstes; wie bei keinem Volke hängen an ihm alle seine Freuden und alle seine Schmerzen, ja so sehr geht dieses Gefühl durch alle deutschen Stämme, daß selbst die Stadt, die politisch ganz ihrem Mutterlande entfremdet ist, heute zum erstenmale wieder stolz sich ihres Ursprungs erinnert, und indem sie Guttenberg eine Denksäule errichtet *), wie in halbem Traume der Zeiten sich erinnert, wo Erwin von Steinbach ihren Münster baute, Gottfried von Straßburg sein Lied von Tristan und Isolde sang und Königshoven seine Chronik schrieb: „Gott und dem Vaterland zu Ehren!“ **) Ein einziger Blick über Deutschlands Städte, wie sie am heutigen Tage sich zeigen – alle, ohne Ausnahme, mögen sie den Tag leise oder laut begehen – ein einziger Blick auf diese Einstimmigkeit, wie sie in keiner früheren Zeit mit so rauschendem Siegesgefühle des Geistes hervorgetreten, zeigt, was wir errungen, und was uns zu entreißen von nun an unmöglich geworden ist, jetzt, wo das Wort, wie vom Winde getragen, über Länder und Meere fliegt, und in noch höherem Sinne die Glocke geworden ist, welche Franklin sagen ließ: Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango!

Darum dürfen wir, der Zukunft getröstet, wohl mit ruhiger Betrachtung und Pietät zurückkehren zu jenen ersten Zeiten, wo der Grundstein zu dem gelegt wurde, was die letzten fünfzig Jahre als ewige Monumente den kommenden Geschlechtern übergeben. Wie München sich 1940 berühmen wird, daß es 1840 unter königlichem Schirme die Verjünger deutscher Kunst und unter den Männern der Wissenschaft den ersten Repräsentanten deutscher Philosophie in sich schloß, so dürfen die beiden Glanzpunkte Oberdeutschlands – Nürnberg und Augsburg – denen sich das vielverwandte Ulm anschließt, mit Stolz auf die Wahrzeichen ihrer Gewerbsamkeit und Kunst in den letzten vier Jahrhunderten weisen. Wir lassen die beiden andern Städte für sich selber reden – vorab Ulm, zu dessen öffentlichen Festen auch ein großer Theil der hiesigen Gewerbsgenossen gezogen. Für Augsburg aber heben wir nur das Wesentlichste einer kurzen Geschichte seiner Druckereien und seines Buchhandels aus, wie sie in einem eben erschienenen, so verdienstvollen als schön ausgestatteten Werke ***)***) vor uns liegt. Man wird daraus erkennen, daß um das zu Stande zu bringen, was geschah, Alles zusammenwirken mußte – Patricier, Gelehrte, Künstler, Buchhändler und Drucker. Fragt man, ob das Jetzt sich dem Ehemals würdig anschließe, so können wir nicht besser antworten, als indem wir auf die 25 Buchhandlungen und Druckereien unserer Stadt weisen, von welch letztern eine einzige acht von Dampfkraft getriebene Pressen beschäftigt. Von ihnen ging in den letzten fünfzehn Jahren eine unabsehliche Menge von Exemplaren der Meisterwerke deutscher Zunge aus: Goethe, Schiller, Johannes Müller, Wieland, Thümmel, Herder, Alexander v. Humboldt und Ludwig Uhland. Tag für Tag können diese Pressen über sechzigtausend Druckbogen liefern, wovon beinahe neunzehntausend Bogen täglich der Allgemeinen Zeitung angehören. Die Leser derselben aber werden es ihr verzeihen, wenn sie heute bloß die Hälfte ihres gewöhnlichen Raumes einnimmt, da dieser Tag der Feier seit ihrem Bestehen der erste Feiertag für ihre Arbeiter ist.

Kurze Geschichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels in Augsburg.

Aeneas Sylvius, aus dem Geschlechte der Piccolomini, als Papst Pius der II genannt, der sich in der Mitte des 15ten Jahrhunderts öfters zu Augsburg aufhielt, nannte dasselbe ohne Bedenken die reichste Stadt der Welt. Darf dieses Lob auch nicht gerade buchstäblich genommen werden, so ist doch jedenfalls gewiß, daß Augsburgs Handel damals noch in der vollsten Blüthe stand, und daß in seinen Gewerben eine vielseitige Thätigkeit sich zeigte, die mit reichlichem Gewinne belohnt wurde. **)

*) Die französische Akademie beschloß in ihrer Sitzung vom 19 Jun. sich bei dem Guttenbergfeste in Straßburg durch Hrn. v. Salvandy und Hrn. Dupin repräsentiren zu lassen.
**) Zuerst im Auszug in Augsburg gedruckt, 1474, 1476 und 1480, bis sie, erst 1698, in Straßburg selbst, vollständig, herauskam.
***) Augsburgs älteste Druckdenkmale und Formschneidearbeiten, von dem k. Professor und Bibliothekar Mezger. Mit 37 Abdrücken von Originalholzschnitten aus dem 15ten und 16ten Jahrhundert. Verlag von J. P. Himmer (Firma M. Riegersche Buchhandlung). Druck der Wilh. Reichelschen Buchdruckerei.
**) cf. Fischers Geschichte des deutschen Handels II. p. 647 u. f.
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[1409/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Donnerstag Nr. 177. 25 Junius 1840. Das vierte Jubelfest der Erfindung der Buchdruckerkunst. _ Augsburg, 24 Jun. Der heutige Säculartag der Presse wird in den Städten Bayerns, so weit uns bekannt, nicht mit öffentlicher Feier begangen. Wir enthalten uns deßwegen auch, von der öffentlichen Rednerbühne unsers Blattes aus, vor der wir täglich ein zahlreicheres Publicum versammelt sehen, als in diesem Augenblick den Rednern horchen mag, die in Stuttgart und Leipzig, in Mainz und Straßburg zu dem freudig versammelten Volke reden – wir enthalten uns, von den frohen und trüben Rückblicken, von den Wünschen und Klagen, dem Dank und den Hoffnungen zu sprechen, die der heutige Abschluß vier bedeutungsvoller Jahrhunderte hervorruft. Jedem Manne von unbefangenem Auge und redlichem Streben steht das Alles lebendig vor der Seele. Wer zurückblickt auf die Bahn, die in den letzten hundert Jahren besonders in Deutschland Geist und Bildung und öffentliches Bewußtseyn durchlaufen, der wird dem kommenden Jahrhundert nicht muthlos entgegenschauen, sondern erkennen, wie sich Herders Ausspruch immer mehr verwirklicht: „daß durch die Erfindung der Buchdruckerkunst die Gesellschaft aller Denkenden in allen Welttheilen eine gesammelte und sichtbare Kirche geworden.“ – Deutschland allein feiert dieses Fest, denn es ist sein eigenstes; wie bei keinem Volke hängen an ihm alle seine Freuden und alle seine Schmerzen, ja so sehr geht dieses Gefühl durch alle deutschen Stämme, daß selbst die Stadt, die politisch ganz ihrem Mutterlande entfremdet ist, heute zum erstenmale wieder stolz sich ihres Ursprungs erinnert, und indem sie Guttenberg eine Denksäule errichtet *), wie in halbem Traume der Zeiten sich erinnert, wo Erwin von Steinbach ihren Münster baute, Gottfried von Straßburg sein Lied von Tristan und Isolde sang und Königshoven seine Chronik schrieb: „Gott und dem Vaterland zu Ehren!“ **) Ein einziger Blick über Deutschlands Städte, wie sie am heutigen Tage sich zeigen – alle, ohne Ausnahme, mögen sie den Tag leise oder laut begehen – ein einziger Blick auf diese Einstimmigkeit, wie sie in keiner früheren Zeit mit so rauschendem Siegesgefühle des Geistes hervorgetreten, zeigt, was wir errungen, und was uns zu entreißen von nun an unmöglich geworden ist, jetzt, wo das Wort, wie vom Winde getragen, über Länder und Meere fliegt, und in noch höherem Sinne die Glocke geworden ist, welche Franklin sagen ließ: Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango! Darum dürfen wir, der Zukunft getröstet, wohl mit ruhiger Betrachtung und Pietät zurückkehren zu jenen ersten Zeiten, wo der Grundstein zu dem gelegt wurde, was die letzten fünfzig Jahre als ewige Monumente den kommenden Geschlechtern übergeben. Wie München sich 1940 berühmen wird, daß es 1840 unter königlichem Schirme die Verjünger deutscher Kunst und unter den Männern der Wissenschaft den ersten Repräsentanten deutscher Philosophie in sich schloß, so dürfen die beiden Glanzpunkte Oberdeutschlands – Nürnberg und Augsburg – denen sich das vielverwandte Ulm anschließt, mit Stolz auf die Wahrzeichen ihrer Gewerbsamkeit und Kunst in den letzten vier Jahrhunderten weisen. Wir lassen die beiden andern Städte für sich selber reden – vorab Ulm, zu dessen öffentlichen Festen auch ein großer Theil der hiesigen Gewerbsgenossen gezogen. Für Augsburg aber heben wir nur das Wesentlichste einer kurzen Geschichte seiner Druckereien und seines Buchhandels aus, wie sie in einem eben erschienenen, so verdienstvollen als schön ausgestatteten Werke ***) ***) vor uns liegt. Man wird daraus erkennen, daß um das zu Stande zu bringen, was geschah, Alles zusammenwirken mußte – Patricier, Gelehrte, Künstler, Buchhändler und Drucker. Fragt man, ob das Jetzt sich dem Ehemals würdig anschließe, so können wir nicht besser antworten, als indem wir auf die 25 Buchhandlungen und Druckereien unserer Stadt weisen, von welch letztern eine einzige acht von Dampfkraft getriebene Pressen beschäftigt. Von ihnen ging in den letzten fünfzehn Jahren eine unabsehliche Menge von Exemplaren der Meisterwerke deutscher Zunge aus: Goethe, Schiller, Johannes Müller, Wieland, Thümmel, Herder, Alexander v. Humboldt und Ludwig Uhland. Tag für Tag können diese Pressen über sechzigtausend Druckbogen liefern, wovon beinahe neunzehntausend Bogen täglich der Allgemeinen Zeitung angehören. Die Leser derselben aber werden es ihr verzeihen, wenn sie heute bloß die Hälfte ihres gewöhnlichen Raumes einnimmt, da dieser Tag der Feier seit ihrem Bestehen der erste Feiertag für ihre Arbeiter ist. Kurze Geschichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels in Augsburg. Aeneas Sylvius, aus dem Geschlechte der Piccolomini, als Papst Pius der II genannt, der sich in der Mitte des 15ten Jahrhunderts öfters zu Augsburg aufhielt, nannte dasselbe ohne Bedenken die reichste Stadt der Welt. Darf dieses Lob auch nicht gerade buchstäblich genommen werden, so ist doch jedenfalls gewiß, daß Augsburgs Handel damals noch in der vollsten Blüthe stand, und daß in seinen Gewerben eine vielseitige Thätigkeit sich zeigte, die mit reichlichem Gewinne belohnt wurde. **) *) Die französische Akademie beschloß in ihrer Sitzung vom 19 Jun. sich bei dem Guttenbergfeste in Straßburg durch Hrn. v. Salvandy und Hrn. Dupin repräsentiren zu lassen. **) Zuerst im Auszug in Augsburg gedruckt, 1474, 1476 und 1480, bis sie, erst 1698, in Straßburg selbst, vollständig, herauskam. ***) Augsburgs älteste Druckdenkmale und Formschneidearbeiten, von dem k. Professor und Bibliothekar Mezger. Mit 37 Abdrücken von Originalholzschnitten aus dem 15ten und 16ten Jahrhundert. Verlag von J. P. Himmer (Firma M. Riegersche Buchhandlung). Druck der Wilh. Reichelschen Buchdruckerei. **) cf. Fischers Geschichte des deutschen Handels II. p. 647 u. f.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 177. Augsburg, 25. Juni 1840, S. 1409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_177_18400625/1>, abgerufen am 28.03.2024.