Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840.Arfwidson, der eine sehr gute Feder hatte, und besonders auch mitunter werthvolle litterarische Artikel lieferte, sich der Redaction und aller Theilnahme an dem Blatt entzogen hat. Er ist mit Dalman verschwägert; allein er war nach dessen Gesinnungen nicht radical genug, und so geschah es zuweilen, daß der eine Redacteur die Urtheile seines Mitredacteurs mit Reservationen in den Noten begleitete, bis endlich eine völlige Trennung entstand. Eine dritte Oppositionszeitung, die den Namen Freya führt, zählt als ihre vorzüglichsten Mitarbeiter den Exredacteur vom Argus, Johansson, und einen Prediger Namens Mellin. Der erstere gilt für den kenntnißreichsten unter den schwedischen Publicisten, und kann gewissermaßen als ihr Chorführer betrachtet werden, indem er wenigstens der erste war, der vor ungefähr fünfzehn Jahren durch die Gründung des (längst eingegangenen) Argus den ersten Impuls zu der neuen Bewegung in der schwedischen Presse gab, aber er ist ebenso, wenn auch in einem gemäßigtern Sinne, von Gallomanie besessen, wie die übrigen, nur durch seinen schwerfälligen, prätentiösen und docirenden Styl etwas langweiliger. Mellin ist derselbe, der als Novellendichter auch in Deutschland durch Uebersetzungen bekannt ist; er schreibt öfters in diese Zeitung unterhaltende Erzählungen, hat aber als Politiker wenig Bedeutung. Der Einfluß dieser verschiedenen Organe der Opposition auf die öffentliche Meinung war anfangs nicht sehr bedeutend. Man las die Zeitungen als eine Unterhaltung, aber man hegte gegen ihre Urtheile und Behauptungen das größte Mißtrauen. Die große Mehrzahl der Zeitungsleser gab noch vor zehn Jahren gern im voraus der Regierung Recht, schrieb ihren Gegnern nur Uebelwollen zu und glaubte, daß die etwa dargebrachten Beweise von den Fehlgriffen oder der Ungeschicklichkeit der Regierung bloß auf Sophismen beruhten. Diese Stimmung hat sich sehr verändert. Man kann behaupten, daß die Präsumtion bei der großen Mehrzahl der Zeitungsleser jetzt gegen die Regierung ist, und die Oppositionspresse ist in der That zu einer furchtbaren Macht geworden. Die Maaßregeln, welche die Regierung vor ungefähr zwei Jahren gegen die damaligen Crusenstolpe'schen Auftritte ergriff, scheinen nicht wenig zu dieser veränderten Stellung des Publicums der Oppositionspresse gegenüber beigetragen zu haben. Die Stockholmer können nicht vergessen, daß man glaubte, sich mit Kanonen gegen sie vertheidigen zu müssen. Seitdem das Mißtrauen so erst von oben her gegen das Volk gezeigt wurde, ist auch dieses seinerseits viel bereitwilliger geworden, den Einflüsterungen der Gegner der Regierung das Ohr zu leihen. Ein anderer Grund zu dem schnell gestiegenen Einfluß der Oppositionspresse liegt aber wesentlich in dem bisherigen Mangel eines ihr gewachsenen Gegengewichts in der periodischen Presse. Denn die Art, wie die Regierung bisher ihre Sache vertheidigen ließ, war gewiß viel schlechter als diese Sache selbst. (Beschluß folgt.) Ungarn und Croatien. Wien, 14 Jun. In einem Artikel der Allg. Zeitung vom 28 April l. J.: "die Resultate des Landtags in Ungarn" wird unter Anderm des Kampfes um die Nationalität zwischen Ungarn und Croatien, der sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen entspann, und der ein würdiger Gegenstand für die Berathungen der nächsten Legislation bleibt, auf eine Weise erwähnt, die das mit ungarischen Zuständen weniger bekannte Ausland rücksichtlich der Croaten leicht irreleiten und ein ungünstiges Licht auf ein Land werfen könnte, das, wie bis in die neuern Zeiten Ungarn selbst, einem großen Theil der gebildeten Welt wenig mehr als den Namen nach bekannt war. Dieser Gesichtspunkt möge daher eine umständlichere Beleuchtung der obigen Andeutung - sine ira et studio - und der über Croatien angeführten Daten rechtfertigen. Vor Allem scheint der Ausdruck "Kampf um die Nationalität" nicht richtig gewählt, denn ein Kampf ohne möglichen Sieg oder Untergang der einen oder der andern Nationalität, ist wohl nicht denkbar. Nicht um die Nationalität, sondern um die staatsrechtlichen Beziehungen zweier blut- und rechtsverwandter Nationen handelt es sich, die durch eine Reihe von Jahrhunderten - die Geschichte Europa's liefert kein Beispiel eines engern oder längern Völkerverbandes - unter denselben Gesetzen und Herrschern vereint, aber nie so verschmolzen waren, daß die Nationalität der einen in jene der andern über- oder wohl gar in ihr untergegangen wäre; die beiderseitigen Zeitungen mögen daher einen ähnlichen unfruchtbaren Kampf fortsetzen, Gegenstand der Legislation kann er nie werden, weil diese sich, wie gesagt, wohl über die staatsrechtlichen Beziehungen Croatiens zu Ungarn, nicht aber über dessen Daseyn und ferneres Bestehen berathen kann. Dieß weiß und fühlt der Croat! Aus diesem Bewußtseyn und Selbstgefühl "unvergänglicher Nationalität" erhebt sich nun auch der Illyrismus, nicht im angeblichen Gegensatz zur ungarischen Sprache, sondern nach dem Beispiel derselben und als natürliche Folge der Verbannung der lateinischen. Im großen ungarischen Vaterlande durch diese Sprache Jahrhunderte lang einheimisch, suchte und fand der Croat keine Ursache, seine eigene Nationalität zu wahren oder geltend zu machen; als aber mit dem Landtage vom Jahr 1836 auch die letzten Hoffnungen schwanden, jenes gesetzliche und das ungarische Staatsleben seit undenklichen Zeiten bedingende Mittel gegenseitiger Verständigung der verschiedenen Nationalitäten Ungarns erhalten zu sehen, da mußte in dem der rein ungarischen Nationalität rücksichtlich der Sprache nun auf lange Zeit wenigstens entfremdeten Croaten das Gefühl "eigener Nationalität" und mit ihm der Wunsch und das Bestreben erwachen, auch seine Sprache zu bilden und zu vervollkommnen. Mag man dieses immerhin mit dem Namen "Illyrismus" bezeichnen, so liegt doch in dessen Erhebung kein Gegensatz zur ungarischen Sprache, deren gründliche Aneignung viele gebildete Croaten mit Vorliebe betreiben, alle für die Zukunft als unerläßlich betrachten, sondern nur eben jenes Gefühl der Nationalität, welches sich in den Maaßregeln und Vorschlägen zur Beförderung des Magyarismus - freilich unter günstigern Verhältnissen - so lebendig, folgerecht und mitunter sogar gebieterisch ausspricht. Dem Erwachen, der Pflege, dem Gedeihen dieser letztern Tendenz umständlicher auf den Grund zu sehen und ihre muthmaßlichen Folgen zu entwickeln, liegt außer der Absicht dieser Zeilen, nicht aber die Beleuchtung jener Angabe, "daß in Croatien mit mittelalterlicher Engherzigkeit den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert werde." Wenn auch ersteres als Folge ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen nicht in Abrede gestellt werden kann noch will, so genüge es doch zur Berichtigung des letztern, auf die Diöcesan-Schematismen der betreffenden Bisthümer Agram, Diakovar und Zengg hinzuweisen, welche die Anzahl der in jedem dieser croatischen Sprengeln lebenden protestantischen Seelen ersichtlich machen. Dem Vorwurf "mittelalterlicher Engherzigkeit" dürfte ferner die Bemerkung begegnen, daß der Wunsch, Ruhe und Eintracht zu bewahren, im 19ten Jahrhundert wohl noch eben so zeitgemäß erscheint, als er es im Mittelalter gewesen seyn mag. Auch kann nicht "Engherzigkeit" die alleinige Triebfeder einer Weigerung seyn, die weniger in den Herzen als in den Köpfen der Croaten zu suchen ist. Im frischen Andenken leben ihnen geschichtliche Arfwidson, der eine sehr gute Feder hatte, und besonders auch mitunter werthvolle litterarische Artikel lieferte, sich der Redaction und aller Theilnahme an dem Blatt entzogen hat. Er ist mit Dalman verschwägert; allein er war nach dessen Gesinnungen nicht radical genug, und so geschah es zuweilen, daß der eine Redacteur die Urtheile seines Mitredacteurs mit Reservationen in den Noten begleitete, bis endlich eine völlige Trennung entstand. Eine dritte Oppositionszeitung, die den Namen Freya führt, zählt als ihre vorzüglichsten Mitarbeiter den Exredacteur vom Argus, Johansson, und einen Prediger Namens Mellin. Der erstere gilt für den kenntnißreichsten unter den schwedischen Publicisten, und kann gewissermaßen als ihr Chorführer betrachtet werden, indem er wenigstens der erste war, der vor ungefähr fünfzehn Jahren durch die Gründung des (längst eingegangenen) Argus den ersten Impuls zu der neuen Bewegung in der schwedischen Presse gab, aber er ist ebenso, wenn auch in einem gemäßigtern Sinne, von Gallomanie besessen, wie die übrigen, nur durch seinen schwerfälligen, prätentiösen und docirenden Styl etwas langweiliger. Mellin ist derselbe, der als Novellendichter auch in Deutschland durch Uebersetzungen bekannt ist; er schreibt öfters in diese Zeitung unterhaltende Erzählungen, hat aber als Politiker wenig Bedeutung. Der Einfluß dieser verschiedenen Organe der Opposition auf die öffentliche Meinung war anfangs nicht sehr bedeutend. Man las die Zeitungen als eine Unterhaltung, aber man hegte gegen ihre Urtheile und Behauptungen das größte Mißtrauen. Die große Mehrzahl der Zeitungsleser gab noch vor zehn Jahren gern im voraus der Regierung Recht, schrieb ihren Gegnern nur Uebelwollen zu und glaubte, daß die etwa dargebrachten Beweise von den Fehlgriffen oder der Ungeschicklichkeit der Regierung bloß auf Sophismen beruhten. Diese Stimmung hat sich sehr verändert. Man kann behaupten, daß die Präsumtion bei der großen Mehrzahl der Zeitungsleser jetzt gegen die Regierung ist, und die Oppositionspresse ist in der That zu einer furchtbaren Macht geworden. Die Maaßregeln, welche die Regierung vor ungefähr zwei Jahren gegen die damaligen Crusenstolpe'schen Auftritte ergriff, scheinen nicht wenig zu dieser veränderten Stellung des Publicums der Oppositionspresse gegenüber beigetragen zu haben. Die Stockholmer können nicht vergessen, daß man glaubte, sich mit Kanonen gegen sie vertheidigen zu müssen. Seitdem das Mißtrauen so erst von oben her gegen das Volk gezeigt wurde, ist auch dieses seinerseits viel bereitwilliger geworden, den Einflüsterungen der Gegner der Regierung das Ohr zu leihen. Ein anderer Grund zu dem schnell gestiegenen Einfluß der Oppositionspresse liegt aber wesentlich in dem bisherigen Mangel eines ihr gewachsenen Gegengewichts in der periodischen Presse. Denn die Art, wie die Regierung bisher ihre Sache vertheidigen ließ, war gewiß viel schlechter als diese Sache selbst. (Beschluß folgt.) Ungarn und Croatien. Wien, 14 Jun. In einem Artikel der Allg. Zeitung vom 28 April l. J.: „die Resultate des Landtags in Ungarn“ wird unter Anderm des Kampfes um die Nationalität zwischen Ungarn und Croatien, der sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen entspann, und der ein würdiger Gegenstand für die Berathungen der nächsten Legislation bleibt, auf eine Weise erwähnt, die das mit ungarischen Zuständen weniger bekannte Ausland rücksichtlich der Croaten leicht irreleiten und ein ungünstiges Licht auf ein Land werfen könnte, das, wie bis in die neuern Zeiten Ungarn selbst, einem großen Theil der gebildeten Welt wenig mehr als den Namen nach bekannt war. Dieser Gesichtspunkt möge daher eine umständlichere Beleuchtung der obigen Andeutung – sine ira et studio – und der über Croatien angeführten Daten rechtfertigen. Vor Allem scheint der Ausdruck „Kampf um die Nationalität“ nicht richtig gewählt, denn ein Kampf ohne möglichen Sieg oder Untergang der einen oder der andern Nationalität, ist wohl nicht denkbar. Nicht um die Nationalität, sondern um die staatsrechtlichen Beziehungen zweier blut- und rechtsverwandter Nationen handelt es sich, die durch eine Reihe von Jahrhunderten – die Geschichte Europa's liefert kein Beispiel eines engern oder längern Völkerverbandes – unter denselben Gesetzen und Herrschern vereint, aber nie so verschmolzen waren, daß die Nationalität der einen in jene der andern über- oder wohl gar in ihr untergegangen wäre; die beiderseitigen Zeitungen mögen daher einen ähnlichen unfruchtbaren Kampf fortsetzen, Gegenstand der Legislation kann er nie werden, weil diese sich, wie gesagt, wohl über die staatsrechtlichen Beziehungen Croatiens zu Ungarn, nicht aber über dessen Daseyn und ferneres Bestehen berathen kann. Dieß weiß und fühlt der Croat! Aus diesem Bewußtseyn und Selbstgefühl „unvergänglicher Nationalität“ erhebt sich nun auch der Illyrismus, nicht im angeblichen Gegensatz zur ungarischen Sprache, sondern nach dem Beispiel derselben und als natürliche Folge der Verbannung der lateinischen. Im großen ungarischen Vaterlande durch diese Sprache Jahrhunderte lang einheimisch, suchte und fand der Croat keine Ursache, seine eigene Nationalität zu wahren oder geltend zu machen; als aber mit dem Landtage vom Jahr 1836 auch die letzten Hoffnungen schwanden, jenes gesetzliche und das ungarische Staatsleben seit undenklichen Zeiten bedingende Mittel gegenseitiger Verständigung der verschiedenen Nationalitäten Ungarns erhalten zu sehen, da mußte in dem der rein ungarischen Nationalität rücksichtlich der Sprache nun auf lange Zeit wenigstens entfremdeten Croaten das Gefühl „eigener Nationalität“ und mit ihm der Wunsch und das Bestreben erwachen, auch seine Sprache zu bilden und zu vervollkommnen. Mag man dieses immerhin mit dem Namen „Illyrismus“ bezeichnen, so liegt doch in dessen Erhebung kein Gegensatz zur ungarischen Sprache, deren gründliche Aneignung viele gebildete Croaten mit Vorliebe betreiben, alle für die Zukunft als unerläßlich betrachten, sondern nur eben jenes Gefühl der Nationalität, welches sich in den Maaßregeln und Vorschlägen zur Beförderung des Magyarismus – freilich unter günstigern Verhältnissen – so lebendig, folgerecht und mitunter sogar gebieterisch ausspricht. Dem Erwachen, der Pflege, dem Gedeihen dieser letztern Tendenz umständlicher auf den Grund zu sehen und ihre muthmaßlichen Folgen zu entwickeln, liegt außer der Absicht dieser Zeilen, nicht aber die Beleuchtung jener Angabe, „daß in Croatien mit mittelalterlicher Engherzigkeit den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert werde.“ Wenn auch ersteres als Folge ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen nicht in Abrede gestellt werden kann noch will, so genüge es doch zur Berichtigung des letztern, auf die Diöcesan-Schematismen der betreffenden Bisthümer Agram, Diákovár und Zengg hinzuweisen, welche die Anzahl der in jedem dieser croatischen Sprengeln lebenden protestantischen Seelen ersichtlich machen. Dem Vorwurf „mittelalterlicher Engherzigkeit“ dürfte ferner die Bemerkung begegnen, daß der Wunsch, Ruhe und Eintracht zu bewahren, im 19ten Jahrhundert wohl noch eben so zeitgemäß erscheint, als er es im Mittelalter gewesen seyn mag. 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Die große Mehrzahl der Zeitungsleser gab noch vor zehn Jahren gern im voraus der Regierung Recht, schrieb ihren Gegnern nur Uebelwollen zu und glaubte, daß die etwa dargebrachten Beweise von den Fehlgriffen oder der Ungeschicklichkeit der Regierung bloß auf Sophismen beruhten. Diese Stimmung hat sich sehr verändert. Man kann behaupten, daß die Präsumtion bei der großen Mehrzahl der Zeitungsleser jetzt gegen die Regierung ist, und die Oppositionspresse ist in der That zu einer furchtbaren Macht geworden.</p><lb/> <p>Die Maaßregeln, welche die Regierung vor ungefähr zwei Jahren gegen die damaligen Crusenstolpe'schen Auftritte ergriff, scheinen nicht wenig zu dieser veränderten Stellung des Publicums der Oppositionspresse gegenüber beigetragen zu haben. Die Stockholmer können nicht vergessen, daß man glaubte, sich mit Kanonen gegen sie vertheidigen zu müssen. Seitdem das Mißtrauen so erst von oben her gegen das Volk gezeigt wurde, ist auch dieses seinerseits viel bereitwilliger geworden, den Einflüsterungen der Gegner der Regierung das Ohr zu leihen. Ein anderer Grund zu dem schnell gestiegenen Einfluß der Oppositionspresse liegt aber wesentlich in dem bisherigen Mangel eines ihr gewachsenen Gegengewichts in der periodischen Presse. Denn die Art, wie die Regierung bisher ihre Sache vertheidigen ließ, war gewiß viel schlechter als diese Sache selbst.</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Ungarn und Croatien.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 14 Jun.</dateline> <p> In einem Artikel der Allg. Zeitung vom 28 April l. J.: „die Resultate des Landtags in Ungarn“ wird unter Anderm des Kampfes um die Nationalität zwischen Ungarn und Croatien, der sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen entspann, und der ein würdiger Gegenstand für die Berathungen der nächsten Legislation bleibt, auf eine Weise erwähnt, die das mit ungarischen Zuständen weniger bekannte Ausland rücksichtlich der Croaten leicht irreleiten und ein ungünstiges Licht auf ein Land werfen könnte, das, wie bis in die neuern Zeiten Ungarn selbst, einem großen Theil der gebildeten Welt wenig mehr als den Namen nach bekannt war. Dieser Gesichtspunkt möge daher eine umständlichere Beleuchtung der obigen Andeutung – sine ira et studio – und der über Croatien angeführten Daten rechtfertigen. Vor Allem scheint der Ausdruck „Kampf um die Nationalität“ nicht richtig gewählt, denn ein Kampf ohne möglichen Sieg oder Untergang der einen oder der andern Nationalität, ist wohl nicht denkbar. Nicht um die Nationalität, sondern um die staatsrechtlichen Beziehungen zweier blut- und rechtsverwandter Nationen handelt es sich, die durch eine Reihe von Jahrhunderten – die Geschichte Europa's liefert kein Beispiel eines engern oder längern Völkerverbandes – unter denselben Gesetzen und Herrschern vereint, aber nie so verschmolzen waren, daß die Nationalität der einen in jene der andern über- oder wohl gar in ihr untergegangen wäre; die beiderseitigen Zeitungen mögen daher einen ähnlichen unfruchtbaren Kampf fortsetzen, Gegenstand der Legislation kann er nie werden, weil diese sich, wie gesagt, wohl über die staatsrechtlichen Beziehungen Croatiens zu Ungarn, nicht aber über dessen Daseyn und ferneres Bestehen berathen kann. Dieß weiß und fühlt der Croat! Aus diesem Bewußtseyn und Selbstgefühl „unvergänglicher Nationalität“ erhebt sich nun auch der Illyrismus, nicht im angeblichen Gegensatz zur ungarischen Sprache, sondern nach dem Beispiel derselben und als natürliche Folge der Verbannung der lateinischen. Im großen ungarischen Vaterlande durch diese Sprache Jahrhunderte lang einheimisch, suchte und fand der Croat keine Ursache, seine eigene Nationalität zu wahren oder geltend zu machen; als aber mit dem Landtage vom Jahr 1836 auch die letzten Hoffnungen schwanden, jenes gesetzliche und das ungarische Staatsleben seit undenklichen Zeiten bedingende Mittel gegenseitiger Verständigung der verschiedenen Nationalitäten Ungarns erhalten zu sehen, da mußte in dem der rein ungarischen Nationalität rücksichtlich der Sprache nun auf lange Zeit wenigstens entfremdeten Croaten das Gefühl „eigener Nationalität“ und mit ihm der Wunsch und das Bestreben erwachen, auch seine Sprache zu bilden und zu vervollkommnen. Mag man dieses immerhin mit dem Namen „Illyrismus“ bezeichnen, so liegt doch in dessen Erhebung kein Gegensatz zur ungarischen Sprache, deren gründliche Aneignung viele gebildete Croaten mit Vorliebe betreiben, alle für die Zukunft als unerläßlich betrachten, sondern nur eben jenes Gefühl der Nationalität, welches sich in den Maaßregeln und Vorschlägen zur Beförderung des Magyarismus – freilich unter günstigern Verhältnissen – so lebendig, folgerecht und mitunter sogar gebieterisch ausspricht.</p><lb/> <p>Dem Erwachen, der Pflege, dem Gedeihen dieser letztern Tendenz umständlicher auf den Grund zu sehen und ihre muthmaßlichen Folgen zu entwickeln, liegt außer der Absicht dieser Zeilen, nicht aber die Beleuchtung jener Angabe, „daß in Croatien mit mittelalterlicher Engherzigkeit den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert werde.“ Wenn auch ersteres als Folge ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen nicht in Abrede gestellt werden kann noch will, so genüge es doch zur Berichtigung des letztern, auf die Diöcesan-Schematismen der betreffenden Bisthümer Agram, Diákovár und Zengg hinzuweisen, welche die Anzahl der in jedem dieser croatischen Sprengeln lebenden protestantischen Seelen ersichtlich machen. Dem Vorwurf „mittelalterlicher Engherzigkeit“ dürfte ferner die Bemerkung begegnen, daß der Wunsch, Ruhe und Eintracht zu bewahren, im 19ten Jahrhundert wohl noch eben so zeitgemäß erscheint, als er es im Mittelalter gewesen seyn mag. Auch kann nicht „Engherzigkeit“ die alleinige Triebfeder einer Weigerung seyn, die weniger in den Herzen als in den Köpfen der Croaten zu suchen ist. Im frischen Andenken leben ihnen geschichtliche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1405/0013]
Arfwidson, der eine sehr gute Feder hatte, und besonders auch mitunter werthvolle litterarische Artikel lieferte, sich der Redaction und aller Theilnahme an dem Blatt entzogen hat. Er ist mit Dalman verschwägert; allein er war nach dessen Gesinnungen nicht radical genug, und so geschah es zuweilen, daß der eine Redacteur die Urtheile seines Mitredacteurs mit Reservationen in den Noten begleitete, bis endlich eine völlige Trennung entstand.
Eine dritte Oppositionszeitung, die den Namen Freya führt, zählt als ihre vorzüglichsten Mitarbeiter den Exredacteur vom Argus, Johansson, und einen Prediger Namens Mellin. Der erstere gilt für den kenntnißreichsten unter den schwedischen Publicisten, und kann gewissermaßen als ihr Chorführer betrachtet werden, indem er wenigstens der erste war, der vor ungefähr fünfzehn Jahren durch die Gründung des (längst eingegangenen) Argus den ersten Impuls zu der neuen Bewegung in der schwedischen Presse gab, aber er ist ebenso, wenn auch in einem gemäßigtern Sinne, von Gallomanie besessen, wie die übrigen, nur durch seinen schwerfälligen, prätentiösen und docirenden Styl etwas langweiliger. Mellin ist derselbe, der als Novellendichter auch in Deutschland durch Uebersetzungen bekannt ist; er schreibt öfters in diese Zeitung unterhaltende Erzählungen, hat aber als Politiker wenig Bedeutung.
Der Einfluß dieser verschiedenen Organe der Opposition auf die öffentliche Meinung war anfangs nicht sehr bedeutend. Man las die Zeitungen als eine Unterhaltung, aber man hegte gegen ihre Urtheile und Behauptungen das größte Mißtrauen. Die große Mehrzahl der Zeitungsleser gab noch vor zehn Jahren gern im voraus der Regierung Recht, schrieb ihren Gegnern nur Uebelwollen zu und glaubte, daß die etwa dargebrachten Beweise von den Fehlgriffen oder der Ungeschicklichkeit der Regierung bloß auf Sophismen beruhten. Diese Stimmung hat sich sehr verändert. Man kann behaupten, daß die Präsumtion bei der großen Mehrzahl der Zeitungsleser jetzt gegen die Regierung ist, und die Oppositionspresse ist in der That zu einer furchtbaren Macht geworden.
Die Maaßregeln, welche die Regierung vor ungefähr zwei Jahren gegen die damaligen Crusenstolpe'schen Auftritte ergriff, scheinen nicht wenig zu dieser veränderten Stellung des Publicums der Oppositionspresse gegenüber beigetragen zu haben. Die Stockholmer können nicht vergessen, daß man glaubte, sich mit Kanonen gegen sie vertheidigen zu müssen. Seitdem das Mißtrauen so erst von oben her gegen das Volk gezeigt wurde, ist auch dieses seinerseits viel bereitwilliger geworden, den Einflüsterungen der Gegner der Regierung das Ohr zu leihen. Ein anderer Grund zu dem schnell gestiegenen Einfluß der Oppositionspresse liegt aber wesentlich in dem bisherigen Mangel eines ihr gewachsenen Gegengewichts in der periodischen Presse. Denn die Art, wie die Regierung bisher ihre Sache vertheidigen ließ, war gewiß viel schlechter als diese Sache selbst.
(Beschluß folgt.)
Ungarn und Croatien.
_ Wien, 14 Jun. In einem Artikel der Allg. Zeitung vom 28 April l. J.: „die Resultate des Landtags in Ungarn“ wird unter Anderm des Kampfes um die Nationalität zwischen Ungarn und Croatien, der sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen entspann, und der ein würdiger Gegenstand für die Berathungen der nächsten Legislation bleibt, auf eine Weise erwähnt, die das mit ungarischen Zuständen weniger bekannte Ausland rücksichtlich der Croaten leicht irreleiten und ein ungünstiges Licht auf ein Land werfen könnte, das, wie bis in die neuern Zeiten Ungarn selbst, einem großen Theil der gebildeten Welt wenig mehr als den Namen nach bekannt war. Dieser Gesichtspunkt möge daher eine umständlichere Beleuchtung der obigen Andeutung – sine ira et studio – und der über Croatien angeführten Daten rechtfertigen. Vor Allem scheint der Ausdruck „Kampf um die Nationalität“ nicht richtig gewählt, denn ein Kampf ohne möglichen Sieg oder Untergang der einen oder der andern Nationalität, ist wohl nicht denkbar. Nicht um die Nationalität, sondern um die staatsrechtlichen Beziehungen zweier blut- und rechtsverwandter Nationen handelt es sich, die durch eine Reihe von Jahrhunderten – die Geschichte Europa's liefert kein Beispiel eines engern oder längern Völkerverbandes – unter denselben Gesetzen und Herrschern vereint, aber nie so verschmolzen waren, daß die Nationalität der einen in jene der andern über- oder wohl gar in ihr untergegangen wäre; die beiderseitigen Zeitungen mögen daher einen ähnlichen unfruchtbaren Kampf fortsetzen, Gegenstand der Legislation kann er nie werden, weil diese sich, wie gesagt, wohl über die staatsrechtlichen Beziehungen Croatiens zu Ungarn, nicht aber über dessen Daseyn und ferneres Bestehen berathen kann. Dieß weiß und fühlt der Croat! Aus diesem Bewußtseyn und Selbstgefühl „unvergänglicher Nationalität“ erhebt sich nun auch der Illyrismus, nicht im angeblichen Gegensatz zur ungarischen Sprache, sondern nach dem Beispiel derselben und als natürliche Folge der Verbannung der lateinischen. Im großen ungarischen Vaterlande durch diese Sprache Jahrhunderte lang einheimisch, suchte und fand der Croat keine Ursache, seine eigene Nationalität zu wahren oder geltend zu machen; als aber mit dem Landtage vom Jahr 1836 auch die letzten Hoffnungen schwanden, jenes gesetzliche und das ungarische Staatsleben seit undenklichen Zeiten bedingende Mittel gegenseitiger Verständigung der verschiedenen Nationalitäten Ungarns erhalten zu sehen, da mußte in dem der rein ungarischen Nationalität rücksichtlich der Sprache nun auf lange Zeit wenigstens entfremdeten Croaten das Gefühl „eigener Nationalität“ und mit ihm der Wunsch und das Bestreben erwachen, auch seine Sprache zu bilden und zu vervollkommnen. Mag man dieses immerhin mit dem Namen „Illyrismus“ bezeichnen, so liegt doch in dessen Erhebung kein Gegensatz zur ungarischen Sprache, deren gründliche Aneignung viele gebildete Croaten mit Vorliebe betreiben, alle für die Zukunft als unerläßlich betrachten, sondern nur eben jenes Gefühl der Nationalität, welches sich in den Maaßregeln und Vorschlägen zur Beförderung des Magyarismus – freilich unter günstigern Verhältnissen – so lebendig, folgerecht und mitunter sogar gebieterisch ausspricht.
Dem Erwachen, der Pflege, dem Gedeihen dieser letztern Tendenz umständlicher auf den Grund zu sehen und ihre muthmaßlichen Folgen zu entwickeln, liegt außer der Absicht dieser Zeilen, nicht aber die Beleuchtung jener Angabe, „daß in Croatien mit mittelalterlicher Engherzigkeit den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert werde.“ Wenn auch ersteres als Folge ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen nicht in Abrede gestellt werden kann noch will, so genüge es doch zur Berichtigung des letztern, auf die Diöcesan-Schematismen der betreffenden Bisthümer Agram, Diákovár und Zengg hinzuweisen, welche die Anzahl der in jedem dieser croatischen Sprengeln lebenden protestantischen Seelen ersichtlich machen. Dem Vorwurf „mittelalterlicher Engherzigkeit“ dürfte ferner die Bemerkung begegnen, daß der Wunsch, Ruhe und Eintracht zu bewahren, im 19ten Jahrhundert wohl noch eben so zeitgemäß erscheint, als er es im Mittelalter gewesen seyn mag. Auch kann nicht „Engherzigkeit“ die alleinige Triebfeder einer Weigerung seyn, die weniger in den Herzen als in den Köpfen der Croaten zu suchen ist. Im frischen Andenken leben ihnen geschichtliche
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