Allgemeine Zeitung. Nr. 175. Augsburg, 23. Juni 1840.bildet. Die Gründung des College de France hat den Zweck, neue Lehrstühle für jeden Unterricht zu eröffnen, welcher wissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht. Das russische Reich ist slavisch; Oestreich hat 15 Millionen slavische Unterthanen, Preußen 3 Mill., die Türkei 2 Millionen. Gegen 70 Millionen sprechen die verschiedenen Verzweigungen dieser Sprache. Wenn man auch nur ihre politische Wichtigkeit erwägt, so läßt sich der Nutzen des Studiums derselben nicht bezweifeln." Man ruft zur Abstimmung und der Entwurf ward mit 198 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Die Kammer erörterte dann einen Beschluß in Betreff eines Ankaufs für das Palais Bourbon, wo die Kammer und ihr Präsident ihren Sitz haben sollen. Der Herzog von Aumale ist nämlich Besitzer eines vorbehaltenen Theils dieses Palastes. Der Vormundschaftsrath des Prinzen hat zur Veräußerung dieses Theils ermächtigt, und die Kammer würde sich dann willkürlichen Forderungen der neuen Käufer ausgesetzt sehen. Hr. Duprat sprach gegen den Ankauf. Hr. Thiers: "Der größte Theil des Palais Bourbon ist nicht vermiethbar. Es wird ohne Zweifel der Industrie der Bauten unterworfen werden. Der Würde der Nationalpräsentation wäre es nicht angemessen eine solche Verwirrung neben ihrem Palaste eintreten zu lassen. Das Cabinet überläßt aber die Erwägung der Nothwendigkeit und der Schicklichkeit ganz der Kammer." Bei der Abstimmung ward der Entwurf des Beschlusses angenommen. Die Kammer ging endlich zur Erörterung des Einnahmen-Budgets von 1841 über. Bevor diese noch beginnt, trägt Hr. l'Herbette darauf an, die Zusammenberufung der Kammer früher vorzunehmen. Die Berathungszeit würde dadurch länger werden, und nicht so viele Gesetzesentwürfe unerörtert liegen bleiben. (Abgang der Post.) Hr. Edmund Köchlin hat zu dem Denkmale, das man auf der Insel Napoleon bei Mühlhausen dem Kaiser Napoleon als Begründer des Canals zwischen Rhone und Rhein errichten will, dem Industriel alsacien 200 Fr. in seinem Namen und 100 Fr. im Namen seines Sohnes Napoleon überschickt, mit einem Billet, worin er sagt, daß die Dankbarkeit dem Elsaß die Pflicht auferlege, dem Gedächtniß des Mannes ein Denkmal zu errichten, der durch diesen Canal dem Elsaß neue Quellen des Glücks und der Wohlfahrt eröffnet habe. Paris, 15 Jan. Die Tagespresse hat fast einstimmig anerkannt, daß die Regierung nach den Launen und Leidenschaften der Deputirtenkammer hin und her schwankt. Man macht dem Ministerium ein Verbrechen daraus, ohne zu bedenken, daß es die nothwendige Folge der von der Coalition geschaffenen neuen Politik ist. Diese große und merkwürdige Intrigue hat der Kammer das ganze Geheimniß der Stärke offenbart, und so ist es ganz natürlich, daß sie es benutzt, die Macht an sich zu reißen und Minister zu wählen, welche nach ihrem Willen sich lenken lassen. Unglücklicherweise ist diese Versammlung, mit Ausnahme von etwa zwanzig Mitgliedern, aus unwissenden, leidenschaftlichen und für öffentliche Geschäfte unfähigen Männern zusammengesetzt; dazu kommt noch Eitelkeit, beschränkte Ansichten, ein kleinlicher, neidischer Sinn, der den Spießbürgern stets eigen, endlich die Sucht zu regieren und Verordnungen zu machen, wie bei allen kleinen Geistern. Wenn eine solche Versammlung die Leitung der Geschäfte erhält, dann ist die Stellung der Minister sehr schwierig, sie können nur als Sklaven oder als Höflinge handeln, die ihre Herren täuschen, indem sie ihnen schmeicheln, und sie zuweilen in Schrecken setzen. Wenige Staatsmänner wären fähig, eine so wenig stolze Stellung anzunehmen. Nur Hrn. Thiers ist es möglich. Ohne Grundsätze und ohne Würde, hat er keinen Ruf aufs Spiel zu setzen; sein geschmeidiger Geist, sein Rednertalent weiß sich allen Launen, allen Forderungen dieser bizarren Versammlung zu fügen. Er unterhält sie, schmeichelt ihr, stößt sie nie geradezu vor den Kopf, flößt ihr weder Haß, noch Furcht ein, und wenn er zuweilen den Schein annimmt, als gebe er ihr nach, so erhält er doch am Ende durch seine Geschicklichkeit und sein Geschwätz Alles, was er will. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Kammer, ihrer eigenen Unmacht überdrüssig, ihm eines Tags alle Macht zurückgäbe, und ihm die Sorge der Leitung der Geschäfte gänzlich überließe. So würde er auf einem Wege, der ihn am weitesten davon zu entfernen schien, doch zur Dictatur gelangen. Welchen Gebrauch Hr. Thiers von einer solchen Gewalt machen würde, weiß ich nicht, aber besser wäre es immer, als dieses negative Gouvernement, das man das parlamentarische getauft hat. Die Deputirtenkammer verfährt mit Hrn. Thiers nach Art jener Fürsten der frühern Zeit, die ihren Günstlingen alle Macht ließen, wenn sie nur das Talent besaßen, sie zu unterhalten und sich in alle ihre Launen zu fügen. So ist denn Hr. Thiers in Wahrheit vorzugsweise der Mann der Umstände, der einzige Minister, der für diese Kammer paßt. Alles, was einem andern Staatsmann die Achtung nehmen und Haß bereiten würde, dient ihm als Stufe für seinen Ehrgeiz. Sein vertraulicher Ton, sein schmiegsamer und leichter Charakter, sein Wohlwollen gegen alle Welt, seine Nachsicht gegen menschliche Schwächen, seine laxe Moral, seine Affectation über nichts feste Grundsätze zu haben, sein Cynismus, sind der allmächtigen Kammer gegenüber eben so viele Momente, ihm einen glücklichen Erfolg zu sichern. Und für Hrn. Thiers ist der Erfolg Alles - zu welchem Preis, mit welchen Mitteln - das kümmert ihn nicht. Paris, 18 Jun. Gestern hat die Kammer das Ausgabebudget beendigt. Dasselbe gab am Schlusse Anlaß zu einer langwierigen Debatte über ein Amendement des Hrn. Tascherau, das dahin zielte, die Liste derjenigen Litteraten zu veröffentlichen, die von dem Minister des öffentlichen Unterrichts oder vom Minister des Innern Unterstützungen aus den hiezu bestimmten Fonds erhalten. Aus der Debatte erhellte, daß diese Unterstützungen großentheils in die Taschen solcher Leute fließen, die keinen Anspruch darauf haben, und daß nur die Gunst hier die Entscheidungsnorm abgibt. Der Deputirte Jouffroy sah sich genöthigt, über sich selbst ein Geständniß in diesem Sinne abzulegen. Mehrere Redner forderten nach und nach bald die Oeffentlichkeit bloß für die Zukunft, bald auch für die Vergangenheit; am Ende verwarf die Kammer den ganzen Vorschlag, so daß der Mißbrauch seine Fortdauer behält. - Nach der Ansicht der Deputirten gehen mit dieser Woche ihre Arbeiten zu Ende. Die Prüfung des Einnahmebudgets bedarf nur ein paar Stunden Zeit, weil nichts Neues darin vorkommt, denn Hr. Tesnieres hat, auf den Rath verschiedener Minister, sein bekanntes Amendement zurückgezogen, welches das Cabinet ermächtigen sollte, in der Zwischenzeit der Kammersessionen die Eingangsgebühren auf ausländische Naturproducte herabzusetzen, während bisher, nach einem Gesetz von 1814, dem Cabinet in dieser Zwischenzeit nur die Befugniß der Erhöhung dieser Eingangsgebühren zustand. Die Minister fürchten, diejenigen Mitglieder der Pairskammer, welche große Viehzucht besitzen, würden sich diesem Vorschlag widersetzen, der unter andern, wie ich bereits bemerkte, eine Erleichterung der Einfuhr des ausländischen Viehes nach sich gezogen haben würde. Die müde Deputirtenkammer ist in dieses System der Furcht eingegangen, und so verschwindet denn vor der nächsten Session die Hoffnung von Handelstractaten mit England, Holland und Deutschland, deren nothwendige Bedingung die Herabsetzung der Eingangsgebühren auf ausländische Producte ist. bildet. Die Gründung des Collège de France hat den Zweck, neue Lehrstühle für jeden Unterricht zu eröffnen, welcher wissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht. Das russische Reich ist slavisch; Oestreich hat 15 Millionen slavische Unterthanen, Preußen 3 Mill., die Türkei 2 Millionen. Gegen 70 Millionen sprechen die verschiedenen Verzweigungen dieser Sprache. Wenn man auch nur ihre politische Wichtigkeit erwägt, so läßt sich der Nutzen des Studiums derselben nicht bezweifeln.“ Man ruft zur Abstimmung und der Entwurf ward mit 198 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Die Kammer erörterte dann einen Beschluß in Betreff eines Ankaufs für das Palais Bourbon, wo die Kammer und ihr Präsident ihren Sitz haben sollen. Der Herzog von Aumale ist nämlich Besitzer eines vorbehaltenen Theils dieses Palastes. Der Vormundschaftsrath des Prinzen hat zur Veräußerung dieses Theils ermächtigt, und die Kammer würde sich dann willkürlichen Forderungen der neuen Käufer ausgesetzt sehen. Hr. Duprat sprach gegen den Ankauf. Hr. Thiers: „Der größte Theil des Palais Bourbon ist nicht vermiethbar. Es wird ohne Zweifel der Industrie der Bauten unterworfen werden. Der Würde der Nationalpräsentation wäre es nicht angemessen eine solche Verwirrung neben ihrem Palaste eintreten zu lassen. Das Cabinet überläßt aber die Erwägung der Nothwendigkeit und der Schicklichkeit ganz der Kammer.“ Bei der Abstimmung ward der Entwurf des Beschlusses angenommen. Die Kammer ging endlich zur Erörterung des Einnahmen-Budgets von 1841 über. Bevor diese noch beginnt, trägt Hr. l'Herbette darauf an, die Zusammenberufung der Kammer früher vorzunehmen. Die Berathungszeit würde dadurch länger werden, und nicht so viele Gesetzesentwürfe unerörtert liegen bleiben. (Abgang der Post.) Hr. Edmund Köchlin hat zu dem Denkmale, das man auf der Insel Napoleon bei Mühlhausen dem Kaiser Napoleon als Begründer des Canals zwischen Rhone und Rhein errichten will, dem Industriel alsacien 200 Fr. in seinem Namen und 100 Fr. im Namen seines Sohnes Napoleon überschickt, mit einem Billet, worin er sagt, daß die Dankbarkeit dem Elsaß die Pflicht auferlege, dem Gedächtniß des Mannes ein Denkmal zu errichten, der durch diesen Canal dem Elsaß neue Quellen des Glücks und der Wohlfahrt eröffnet habe. Paris, 15 Jan. Die Tagespresse hat fast einstimmig anerkannt, daß die Regierung nach den Launen und Leidenschaften der Deputirtenkammer hin und her schwankt. Man macht dem Ministerium ein Verbrechen daraus, ohne zu bedenken, daß es die nothwendige Folge der von der Coalition geschaffenen neuen Politik ist. Diese große und merkwürdige Intrigue hat der Kammer das ganze Geheimniß der Stärke offenbart, und so ist es ganz natürlich, daß sie es benutzt, die Macht an sich zu reißen und Minister zu wählen, welche nach ihrem Willen sich lenken lassen. Unglücklicherweise ist diese Versammlung, mit Ausnahme von etwa zwanzig Mitgliedern, aus unwissenden, leidenschaftlichen und für öffentliche Geschäfte unfähigen Männern zusammengesetzt; dazu kommt noch Eitelkeit, beschränkte Ansichten, ein kleinlicher, neidischer Sinn, der den Spießbürgern stets eigen, endlich die Sucht zu regieren und Verordnungen zu machen, wie bei allen kleinen Geistern. Wenn eine solche Versammlung die Leitung der Geschäfte erhält, dann ist die Stellung der Minister sehr schwierig, sie können nur als Sklaven oder als Höflinge handeln, die ihre Herren täuschen, indem sie ihnen schmeicheln, und sie zuweilen in Schrecken setzen. Wenige Staatsmänner wären fähig, eine so wenig stolze Stellung anzunehmen. Nur Hrn. Thiers ist es möglich. Ohne Grundsätze und ohne Würde, hat er keinen Ruf aufs Spiel zu setzen; sein geschmeidiger Geist, sein Rednertalent weiß sich allen Launen, allen Forderungen dieser bizarren Versammlung zu fügen. Er unterhält sie, schmeichelt ihr, stößt sie nie geradezu vor den Kopf, flößt ihr weder Haß, noch Furcht ein, und wenn er zuweilen den Schein annimmt, als gebe er ihr nach, so erhält er doch am Ende durch seine Geschicklichkeit und sein Geschwätz Alles, was er will. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Kammer, ihrer eigenen Unmacht überdrüssig, ihm eines Tags alle Macht zurückgäbe, und ihm die Sorge der Leitung der Geschäfte gänzlich überließe. So würde er auf einem Wege, der ihn am weitesten davon zu entfernen schien, doch zur Dictatur gelangen. Welchen Gebrauch Hr. Thiers von einer solchen Gewalt machen würde, weiß ich nicht, aber besser wäre es immer, als dieses negative Gouvernement, das man das parlamentarische getauft hat. Die Deputirtenkammer verfährt mit Hrn. Thiers nach Art jener Fürsten der frühern Zeit, die ihren Günstlingen alle Macht ließen, wenn sie nur das Talent besaßen, sie zu unterhalten und sich in alle ihre Launen zu fügen. So ist denn Hr. Thiers in Wahrheit vorzugsweise der Mann der Umstände, der einzige Minister, der für diese Kammer paßt. Alles, was einem andern Staatsmann die Achtung nehmen und Haß bereiten würde, dient ihm als Stufe für seinen Ehrgeiz. Sein vertraulicher Ton, sein schmiegsamer und leichter Charakter, sein Wohlwollen gegen alle Welt, seine Nachsicht gegen menschliche Schwächen, seine laxe Moral, seine Affectation über nichts feste Grundsätze zu haben, sein Cynismus, sind der allmächtigen Kammer gegenüber eben so viele Momente, ihm einen glücklichen Erfolg zu sichern. Und für Hrn. Thiers ist der Erfolg Alles – zu welchem Preis, mit welchen Mitteln – das kümmert ihn nicht. Paris, 18 Jun. Gestern hat die Kammer das Ausgabebudget beendigt. Dasselbe gab am Schlusse Anlaß zu einer langwierigen Debatte über ein Amendement des Hrn. Tascherau, das dahin zielte, die Liste derjenigen Litteraten zu veröffentlichen, die von dem Minister des öffentlichen Unterrichts oder vom Minister des Innern Unterstützungen aus den hiezu bestimmten Fonds erhalten. Aus der Debatte erhellte, daß diese Unterstützungen großentheils in die Taschen solcher Leute fließen, die keinen Anspruch darauf haben, und daß nur die Gunst hier die Entscheidungsnorm abgibt. Der Deputirte Jouffroy sah sich genöthigt, über sich selbst ein Geständniß in diesem Sinne abzulegen. Mehrere Redner forderten nach und nach bald die Oeffentlichkeit bloß für die Zukunft, bald auch für die Vergangenheit; am Ende verwarf die Kammer den ganzen Vorschlag, so daß der Mißbrauch seine Fortdauer behält. – Nach der Ansicht der Deputirten gehen mit dieser Woche ihre Arbeiten zu Ende. Die Prüfung des Einnahmebudgets bedarf nur ein paar Stunden Zeit, weil nichts Neues darin vorkommt, denn Hr. Tesnières hat, auf den Rath verschiedener Minister, sein bekanntes Amendement zurückgezogen, welches das Cabinet ermächtigen sollte, in der Zwischenzeit der Kammersessionen die Eingangsgebühren auf ausländische Naturproducte herabzusetzen, während bisher, nach einem Gesetz von 1814, dem Cabinet in dieser Zwischenzeit nur die Befugniß der Erhöhung dieser Eingangsgebühren zustand. Die Minister fürchten, diejenigen Mitglieder der Pairskammer, welche große Viehzucht besitzen, würden sich diesem Vorschlag widersetzen, der unter andern, wie ich bereits bemerkte, eine Erleichterung der Einfuhr des ausländischen Viehes nach sich gezogen haben würde. Die müde Deputirtenkammer ist in dieses System der Furcht eingegangen, und so verschwindet denn vor der nächsten Session die Hoffnung von Handelstractaten mit England, Holland und Deutschland, deren nothwendige Bedingung die Herabsetzung der Eingangsgebühren auf ausländische Producte ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="1396"/> bildet. Die Gründung des Collège de France hat den Zweck, neue Lehrstühle für jeden Unterricht zu eröffnen, welcher wissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht. Das russische Reich ist slavisch; Oestreich hat 15 Millionen slavische Unterthanen, Preußen 3 Mill., die Türkei 2 Millionen. Gegen 70 Millionen sprechen die verschiedenen Verzweigungen dieser Sprache. Wenn man auch nur ihre politische Wichtigkeit erwägt, so läßt sich der Nutzen des Studiums derselben nicht bezweifeln.“ Man ruft zur Abstimmung und der Entwurf ward mit 198 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Die Kammer erörterte dann einen Beschluß in Betreff eines Ankaufs für das Palais Bourbon, wo die Kammer und ihr Präsident ihren Sitz haben sollen. Der Herzog von Aumale ist nämlich Besitzer eines vorbehaltenen Theils dieses Palastes. Der Vormundschaftsrath des Prinzen hat zur Veräußerung dieses Theils ermächtigt, und die Kammer würde sich dann willkürlichen Forderungen der neuen Käufer ausgesetzt sehen. Hr. <hi rendition="#g">Duprat</hi> sprach gegen den Ankauf. Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi>: „Der größte Theil des Palais Bourbon ist nicht vermiethbar. Es wird ohne Zweifel der Industrie der Bauten unterworfen werden. Der Würde der Nationalpräsentation wäre es nicht angemessen eine solche Verwirrung neben ihrem Palaste eintreten zu lassen. Das Cabinet überläßt aber die Erwägung der Nothwendigkeit und der Schicklichkeit ganz der Kammer.“ Bei der Abstimmung ward der Entwurf des Beschlusses angenommen. Die Kammer ging endlich zur Erörterung des Einnahmen-Budgets von 1841 über. Bevor diese noch beginnt, trägt Hr. l'<hi rendition="#g">Herbette</hi> darauf an, die Zusammenberufung der Kammer früher vorzunehmen. Die Berathungszeit würde dadurch länger werden, und nicht so viele Gesetzesentwürfe unerörtert liegen bleiben. (Abgang der Post.)</p><lb/> <p>Hr. Edmund Köchlin hat zu dem Denkmale, das man auf der Insel Napoleon bei Mühlhausen dem Kaiser Napoleon als Begründer des Canals zwischen Rhone und Rhein errichten will, dem Industriel alsacien 200 Fr. in seinem Namen und 100 Fr. im Namen seines Sohnes Napoleon überschickt, mit einem Billet, worin er sagt, daß die Dankbarkeit dem Elsaß die Pflicht auferlege, dem Gedächtniß des Mannes ein Denkmal zu errichten, der durch diesen Canal dem Elsaß neue Quellen des Glücks und der Wohlfahrt eröffnet habe.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 15 Jan.</dateline> <p> Die Tagespresse hat fast einstimmig anerkannt, daß die Regierung nach den Launen und Leidenschaften der Deputirtenkammer hin und her schwankt. Man macht dem Ministerium ein Verbrechen daraus, ohne zu bedenken, daß es die nothwendige Folge der von der Coalition geschaffenen neuen Politik ist. Diese große und merkwürdige Intrigue hat der Kammer das ganze Geheimniß der Stärke offenbart, und so ist es ganz natürlich, daß sie es benutzt, die Macht an sich zu reißen und Minister zu wählen, welche nach ihrem Willen sich lenken lassen. Unglücklicherweise ist diese Versammlung, mit Ausnahme von etwa zwanzig Mitgliedern, aus unwissenden, leidenschaftlichen und für öffentliche Geschäfte unfähigen Männern zusammengesetzt; dazu kommt noch Eitelkeit, beschränkte Ansichten, ein kleinlicher, neidischer Sinn, der den Spießbürgern stets eigen, endlich die Sucht zu regieren und Verordnungen zu machen, wie bei allen kleinen Geistern. Wenn eine solche Versammlung die Leitung der Geschäfte erhält, dann ist die Stellung der Minister sehr schwierig, sie können nur als Sklaven oder als Höflinge handeln, die ihre Herren täuschen, indem sie ihnen schmeicheln, und sie zuweilen in Schrecken setzen. Wenige Staatsmänner wären fähig, eine so wenig stolze Stellung anzunehmen. Nur Hrn. Thiers ist es möglich. Ohne Grundsätze und ohne Würde, hat er keinen Ruf aufs Spiel zu setzen; sein geschmeidiger Geist, sein Rednertalent weiß sich allen Launen, allen Forderungen dieser bizarren Versammlung zu fügen. Er unterhält sie, schmeichelt ihr, stößt sie nie geradezu vor den Kopf, flößt ihr weder Haß, noch Furcht ein, und wenn er zuweilen den Schein annimmt, als gebe er ihr nach, so erhält er doch am Ende durch seine Geschicklichkeit und sein Geschwätz Alles, was er will. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Kammer, ihrer eigenen Unmacht überdrüssig, ihm eines Tags alle Macht zurückgäbe, und ihm die Sorge der Leitung der Geschäfte gänzlich überließe. So würde er auf einem Wege, der ihn am weitesten davon zu entfernen schien, doch zur Dictatur gelangen. Welchen Gebrauch Hr. Thiers von einer solchen Gewalt machen würde, weiß ich nicht, aber besser wäre es immer, als dieses negative Gouvernement, das man das parlamentarische getauft hat. Die Deputirtenkammer verfährt mit Hrn. Thiers nach Art jener Fürsten der frühern Zeit, die ihren Günstlingen alle Macht ließen, wenn sie nur das Talent besaßen, sie zu unterhalten und sich in alle ihre Launen zu fügen. So ist denn Hr. Thiers in Wahrheit vorzugsweise der Mann der Umstände, der einzige Minister, der für diese Kammer paßt. Alles, was einem andern Staatsmann die Achtung nehmen und Haß bereiten würde, dient ihm als Stufe für seinen Ehrgeiz. Sein vertraulicher Ton, sein schmiegsamer und leichter Charakter, sein Wohlwollen gegen alle Welt, seine Nachsicht gegen menschliche Schwächen, seine laxe Moral, seine Affectation über nichts feste Grundsätze zu haben, sein Cynismus, sind der allmächtigen Kammer gegenüber eben so viele Momente, ihm einen glücklichen Erfolg zu sichern. Und für Hrn. 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Mehrere Redner forderten nach und nach bald die Oeffentlichkeit bloß für die Zukunft, bald auch für die Vergangenheit; am Ende verwarf die Kammer den ganzen Vorschlag, so daß der Mißbrauch seine Fortdauer behält. – Nach der Ansicht der Deputirten gehen mit dieser Woche ihre Arbeiten zu Ende. Die Prüfung des Einnahmebudgets bedarf nur ein paar Stunden Zeit, weil nichts Neues darin vorkommt, denn Hr. Tesnières hat, auf den Rath verschiedener Minister, sein bekanntes Amendement zurückgezogen, welches das Cabinet ermächtigen sollte, in der Zwischenzeit der Kammersessionen die Eingangsgebühren auf ausländische Naturproducte herabzusetzen, während bisher, nach einem Gesetz von 1814, dem Cabinet in dieser Zwischenzeit nur die Befugniß der Erhöhung dieser Eingangsgebühren zustand. Die Minister fürchten, diejenigen Mitglieder der Pairskammer, welche große Viehzucht besitzen, würden sich diesem Vorschlag widersetzen, der unter andern, wie ich bereits bemerkte, eine Erleichterung der Einfuhr des ausländischen Viehes nach sich gezogen haben würde. Die müde Deputirtenkammer ist in dieses System der Furcht eingegangen, und so verschwindet denn vor der nächsten Session die Hoffnung von Handelstractaten mit England, Holland und Deutschland, deren nothwendige Bedingung die Herabsetzung der Eingangsgebühren auf ausländische Producte ist.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [1396/0004]
bildet. Die Gründung des Collège de France hat den Zweck, neue Lehrstühle für jeden Unterricht zu eröffnen, welcher wissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht. Das russische Reich ist slavisch; Oestreich hat 15 Millionen slavische Unterthanen, Preußen 3 Mill., die Türkei 2 Millionen. Gegen 70 Millionen sprechen die verschiedenen Verzweigungen dieser Sprache. Wenn man auch nur ihre politische Wichtigkeit erwägt, so läßt sich der Nutzen des Studiums derselben nicht bezweifeln.“ Man ruft zur Abstimmung und der Entwurf ward mit 198 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Die Kammer erörterte dann einen Beschluß in Betreff eines Ankaufs für das Palais Bourbon, wo die Kammer und ihr Präsident ihren Sitz haben sollen. Der Herzog von Aumale ist nämlich Besitzer eines vorbehaltenen Theils dieses Palastes. Der Vormundschaftsrath des Prinzen hat zur Veräußerung dieses Theils ermächtigt, und die Kammer würde sich dann willkürlichen Forderungen der neuen Käufer ausgesetzt sehen. Hr. Duprat sprach gegen den Ankauf. Hr. Thiers: „Der größte Theil des Palais Bourbon ist nicht vermiethbar. Es wird ohne Zweifel der Industrie der Bauten unterworfen werden. Der Würde der Nationalpräsentation wäre es nicht angemessen eine solche Verwirrung neben ihrem Palaste eintreten zu lassen. Das Cabinet überläßt aber die Erwägung der Nothwendigkeit und der Schicklichkeit ganz der Kammer.“ Bei der Abstimmung ward der Entwurf des Beschlusses angenommen. Die Kammer ging endlich zur Erörterung des Einnahmen-Budgets von 1841 über. Bevor diese noch beginnt, trägt Hr. l'Herbette darauf an, die Zusammenberufung der Kammer früher vorzunehmen. Die Berathungszeit würde dadurch länger werden, und nicht so viele Gesetzesentwürfe unerörtert liegen bleiben. (Abgang der Post.)
Hr. Edmund Köchlin hat zu dem Denkmale, das man auf der Insel Napoleon bei Mühlhausen dem Kaiser Napoleon als Begründer des Canals zwischen Rhone und Rhein errichten will, dem Industriel alsacien 200 Fr. in seinem Namen und 100 Fr. im Namen seines Sohnes Napoleon überschickt, mit einem Billet, worin er sagt, daß die Dankbarkeit dem Elsaß die Pflicht auferlege, dem Gedächtniß des Mannes ein Denkmal zu errichten, der durch diesen Canal dem Elsaß neue Quellen des Glücks und der Wohlfahrt eröffnet habe.
_ Paris, 15 Jan. Die Tagespresse hat fast einstimmig anerkannt, daß die Regierung nach den Launen und Leidenschaften der Deputirtenkammer hin und her schwankt. Man macht dem Ministerium ein Verbrechen daraus, ohne zu bedenken, daß es die nothwendige Folge der von der Coalition geschaffenen neuen Politik ist. Diese große und merkwürdige Intrigue hat der Kammer das ganze Geheimniß der Stärke offenbart, und so ist es ganz natürlich, daß sie es benutzt, die Macht an sich zu reißen und Minister zu wählen, welche nach ihrem Willen sich lenken lassen. Unglücklicherweise ist diese Versammlung, mit Ausnahme von etwa zwanzig Mitgliedern, aus unwissenden, leidenschaftlichen und für öffentliche Geschäfte unfähigen Männern zusammengesetzt; dazu kommt noch Eitelkeit, beschränkte Ansichten, ein kleinlicher, neidischer Sinn, der den Spießbürgern stets eigen, endlich die Sucht zu regieren und Verordnungen zu machen, wie bei allen kleinen Geistern. Wenn eine solche Versammlung die Leitung der Geschäfte erhält, dann ist die Stellung der Minister sehr schwierig, sie können nur als Sklaven oder als Höflinge handeln, die ihre Herren täuschen, indem sie ihnen schmeicheln, und sie zuweilen in Schrecken setzen. Wenige Staatsmänner wären fähig, eine so wenig stolze Stellung anzunehmen. Nur Hrn. Thiers ist es möglich. Ohne Grundsätze und ohne Würde, hat er keinen Ruf aufs Spiel zu setzen; sein geschmeidiger Geist, sein Rednertalent weiß sich allen Launen, allen Forderungen dieser bizarren Versammlung zu fügen. Er unterhält sie, schmeichelt ihr, stößt sie nie geradezu vor den Kopf, flößt ihr weder Haß, noch Furcht ein, und wenn er zuweilen den Schein annimmt, als gebe er ihr nach, so erhält er doch am Ende durch seine Geschicklichkeit und sein Geschwätz Alles, was er will. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Kammer, ihrer eigenen Unmacht überdrüssig, ihm eines Tags alle Macht zurückgäbe, und ihm die Sorge der Leitung der Geschäfte gänzlich überließe. So würde er auf einem Wege, der ihn am weitesten davon zu entfernen schien, doch zur Dictatur gelangen. Welchen Gebrauch Hr. Thiers von einer solchen Gewalt machen würde, weiß ich nicht, aber besser wäre es immer, als dieses negative Gouvernement, das man das parlamentarische getauft hat. Die Deputirtenkammer verfährt mit Hrn. Thiers nach Art jener Fürsten der frühern Zeit, die ihren Günstlingen alle Macht ließen, wenn sie nur das Talent besaßen, sie zu unterhalten und sich in alle ihre Launen zu fügen. So ist denn Hr. Thiers in Wahrheit vorzugsweise der Mann der Umstände, der einzige Minister, der für diese Kammer paßt. Alles, was einem andern Staatsmann die Achtung nehmen und Haß bereiten würde, dient ihm als Stufe für seinen Ehrgeiz. Sein vertraulicher Ton, sein schmiegsamer und leichter Charakter, sein Wohlwollen gegen alle Welt, seine Nachsicht gegen menschliche Schwächen, seine laxe Moral, seine Affectation über nichts feste Grundsätze zu haben, sein Cynismus, sind der allmächtigen Kammer gegenüber eben so viele Momente, ihm einen glücklichen Erfolg zu sichern. Und für Hrn. Thiers ist der Erfolg Alles – zu welchem Preis, mit welchen Mitteln – das kümmert ihn nicht.
_ Paris, 18 Jun. Gestern hat die Kammer das Ausgabebudget beendigt. Dasselbe gab am Schlusse Anlaß zu einer langwierigen Debatte über ein Amendement des Hrn. Tascherau, das dahin zielte, die Liste derjenigen Litteraten zu veröffentlichen, die von dem Minister des öffentlichen Unterrichts oder vom Minister des Innern Unterstützungen aus den hiezu bestimmten Fonds erhalten. Aus der Debatte erhellte, daß diese Unterstützungen großentheils in die Taschen solcher Leute fließen, die keinen Anspruch darauf haben, und daß nur die Gunst hier die Entscheidungsnorm abgibt. Der Deputirte Jouffroy sah sich genöthigt, über sich selbst ein Geständniß in diesem Sinne abzulegen. Mehrere Redner forderten nach und nach bald die Oeffentlichkeit bloß für die Zukunft, bald auch für die Vergangenheit; am Ende verwarf die Kammer den ganzen Vorschlag, so daß der Mißbrauch seine Fortdauer behält. – Nach der Ansicht der Deputirten gehen mit dieser Woche ihre Arbeiten zu Ende. Die Prüfung des Einnahmebudgets bedarf nur ein paar Stunden Zeit, weil nichts Neues darin vorkommt, denn Hr. Tesnières hat, auf den Rath verschiedener Minister, sein bekanntes Amendement zurückgezogen, welches das Cabinet ermächtigen sollte, in der Zwischenzeit der Kammersessionen die Eingangsgebühren auf ausländische Naturproducte herabzusetzen, während bisher, nach einem Gesetz von 1814, dem Cabinet in dieser Zwischenzeit nur die Befugniß der Erhöhung dieser Eingangsgebühren zustand. Die Minister fürchten, diejenigen Mitglieder der Pairskammer, welche große Viehzucht besitzen, würden sich diesem Vorschlag widersetzen, der unter andern, wie ich bereits bemerkte, eine Erleichterung der Einfuhr des ausländischen Viehes nach sich gezogen haben würde. Die müde Deputirtenkammer ist in dieses System der Furcht eingegangen, und so verschwindet denn vor der nächsten Session die Hoffnung von Handelstractaten mit England, Holland und Deutschland, deren nothwendige Bedingung die Herabsetzung der Eingangsgebühren auf ausländische Producte ist.
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