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Allgemeine Zeitung. Nr. 173. Augsburg, 21. Juni 1840.

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die Unfälle der Russen. Neuerdings verbreitet sich das Gerücht von einer vom General Saß erlittenen Schlappe. Da nun dieser General, wie behauptet wird, in der Gegend des Forts Nikolaus ein kleines russisches Corps commandirt, so erneuern sich die Besorgnisse, die schon früher über dieses Fort gehegt wurden. St. Nikolaus, ein kleiner Seehafen an der tscherkessischen Küste, scheint noch immer in der Gewalt der Bergvölker zu seyn. Die Beute, welche die Tscherkessen in den Forts Lazareff, Rajewski, Welleaminow etc. gemacht haben, besteht größtentheils in Munition und Waffen. In dem großen Depot von Tschausch (Dschasch?) allein sollen die Tscherkessen mehr als 200 Centner Pulver erbeutet haben. Bei dem Bestreben der russischen Behörde, alle Vorfälle in Kaukasien geheim zu halten, ist wohl möglich, daß in den Berichten, die man von andern Seiten erhält, einige Uebertreibung herrscht; doch daß die Sachen an den tscherkessischen und abchasischen Küsten eine für Rußland höchst ungünstige Wendung genommen, ist außer allem Zweifel. Die russischen Expeditionstruppen werden bei Tuabs und bei Besouab in zwei Abtheilungen die Landung bewerkstelligen.

Oesterreich.

Se. Maj. der Kaiser haben den Feldzeugmeister Grafen v. Nugent, bisher Commandirenden in Mähren, zum commandirenden General in Kroatien zu ernennen geruht. Sein Vorgänger, Frhr. v. Vlasitz, verband mit dieser Stelle die Würde eines Banus von Kroatien, welche jetzt davon getrennt worden, und wahrscheinlich einem kaiserlichen Erzherzoge übertragen werden wird. - Die Inhaberstelle des 5ten Artillerieregiments ist dem Feldmarschall-Lieutenant Berwaldo-Bianchini verliehen worden. - Hr. Walter ist auf der Durchreise von Odessa nach Berlin hier eingetroffen.

Türkei.

Seit dem 1 d. folgen sich ununterbrochen die Feierlichkeiten wegen der am 31 Mai erfolgten Geburt einer Prinzessin, der man den Namen Mehribe Sultana gegeben hat. Die Beleuchtung der Stadt, des Bospors und des Hafens aller großherrlichen Palais und der unzähligen Schiffe, die sich hier befinden, übersteigt an Effect Alles, was ich bisher gesehen. Ein unangenehmer Vorfall, der sich gestern ereignete, hätte leicht üble Folgen haben können und kann als Beweis dienen, wie gereizt der Zustand der Christen in der Türkei ist. Ein Grieche, der bei dem ungeheuern Menschengewühl unweit des Hafens einem Türken einiges Geld aus der Tasche gestohlen hatte, sollte von der Polizei verhaftet werden. In einem Nu eilten mehrere hundert Menschen von seiner Nation herbei und suchten die türkische Polizei durch Geschrei und Drohungen einzuschüchtern. "Wartet nur, ihr Kerle," schrien die Griechen der Wache nach, die sie mit Steinwürfen verfolgten, "euer Spiel ist ausgespielt, wartet nur bis die Russen vor Konstantinopel sind, dann wollen wir mit euch bald fertig werden!" Die bewunderungswürdige Mäßigung der Türken verhinderte jeden weitern Auftritt. - Der bisherige Pascha von Janina, Mustapha, nunmehr Seriasker, ist vorgestern hier angekommen, und wird ohne Verzug sein neues Amt antreten.


Ueber den Schicksalen der Pforte schein ein Unglücksstern zu walten, der Alles mißlingen macht, was ihr zu Gunsten begonnen wird. Wenn es Lord Ponsonby nicht darum zu thun war, die projectirte Blokade der ägyptischen Häfen wieder rückgängig zu machen, ohne dabei die Consequenz der englischen Politik gänzlich bloßzustellen, so muß man gestehen, daß er sich einen argen Mißgriff zu Schulden kommen ließ, indem er die Cooperation der türkischen Armee gegen den Vicekönig verlangte, bevor noch jene Blokade begonnen oder auch die englische Kriegsmacht im Mittelmeere nur eine Bewegung gemacht hätte, die auf baldige Eröffnung jener Maaßregel hindeutete. Lord Ponsonby konnte leicht berechnen, welche Aufnahme seine Zumuthung finden werde. Denn da die Umstände bei dem Beginn der feindseligen Demonstration gegen den Vicekönig, die der Lord heuer von der Türkei fordert, ganz dieselben wären, wie bei der Lage der Dinge im vorigen Jahr unmittelbar vor dem feindlichen Zusammenstoß der beiden Heere bei Nisib, wo auch zum Beistand der Pforte fast kein englisches Schiff in den levantischen Gewässern sich vorfand, wie konnte der großbritannische Botschafter mit Grund erwarten, daß die Pforte, uneingedenk der erst erlittenen Unfälle, eine Handlungsweise adoptiren könne, die wahrscheinlich ähnliche Folgen nach sich ziehen und die Türkei ihrem Untergange näher rücken müßte? Selbst wenn die projectirten Operationen der Engländer zur See bereits eröffnet wären, hätte man, so wie die Sachen jetzt stehen, Ursache an der Mitwirkung der Pforte zu zweifeln, denn das Vertrauen, welches die letztere auf Großbritannien setzte, war einerseits durch die Vereinigung dieser Macht mit Rußland bedingt, eine Vereinigung, die von Tag zu Tag problematischer wird, andererseits schwächte sich jenes Vertrauen von selbst durch die lange Dauer der Schwankungen des brittischen Cabinets, dann aber auch durch das geringe Gewicht, das der trotzige Mehemed ungestraft auf dessen Erklärungen setzte, und durch die Successe, mit denen die französische Politik gekrönt wurde. Zwar minderte sich der Glaube an den guten Willen Großbritanniens nicht im geringsten, um desto mehr der Glaube an dessen unwiderstehliche politische Macht. Nun droht wirklich die moralische Stütze, die das vorausgesetzte Verständniß zwischen dem Londoner und dem Petersburger Hofe dem erstern gewährte, völlig zu brechen, denn das unfreundliche Verhältniß zwischen Hrn. v. Ponsonby und Butenieff ist bereits unverkennbar. Zu der feindseligen Stellung aber, welche sich gerade hier und im Osten des schwarzen Meeres, vom kaspischen See bis an die Tartarei hin zwischen jenen zwei Mächten allmählich entwickelt, kommt noch zum Ueberfluß die neue Spannung hinzu, die zwischen Konstantinopel und Petersburg sich eingestellt hat wegen der in den Provinzen der europäischen Türkei stattfindenden Vorgänge, deren Veranlassung man in geheimnißvollen russischen Projecten sucht. Man sollte glauben, daß dieß ein engeres Anschließen der Pforte an England bewirken müsse, indessen dient es zu nichts Anderm als die Pforte gänzlich zu demoralisiren. Unbeweglich wird sie für die Zukunft da stehen und zusehen, was man für sie thun will. Reschid Pascha appellirt jetzt wieder, nachdem er die Leistung der Cooperation refusirt hat, an sämmtliche Mächte in einer neuen Note, worin er den bedauerlichen Zwiespalt, der unter den osmanischen Ministern und im Divan herrscht, die Symptome der Unordnung in den Provinzen, die Vorzeichen bevorstehender Katastrophen in grellen Farben darstellt und dann mit der eindringlichen Bitte schließt, daß die Conferenz in London sich beeilen möge, zu irgend einem Resultate zu gelangen. Auch wurden vor einigen Tagen dem an Nuri's Stelle als Bevollmächtigten in London fungirenden Schekib Effendi neue Instructionen zugefertigt, in denen Schekib angewiesen wird, durch alle ihm zu Gebot stehenden Mittel ein endliches Resultat bei der Conferenz zu bewirken, und jedem, wie immer gearteten Beschlusse ohne alle Bedingung und ohne Verzug im Namen der Pforte beizutreten. Aus dem Ganzen ist leicht zu ersehen, daß der letzte Schimmer jenes Vertrauens, das die Pforte bald dieser, bald jener Macht vorzugsweise zu schenken gewohnt war, nunmehr bloß auf der


die Unfälle der Russen. Neuerdings verbreitet sich das Gerücht von einer vom General Saß erlittenen Schlappe. Da nun dieser General, wie behauptet wird, in der Gegend des Forts Nikolaus ein kleines russisches Corps commandirt, so erneuern sich die Besorgnisse, die schon früher über dieses Fort gehegt wurden. St. Nikolaus, ein kleiner Seehafen an der tscherkessischen Küste, scheint noch immer in der Gewalt der Bergvölker zu seyn. Die Beute, welche die Tscherkessen in den Forts Lazareff, Rajewski, Welleaminow etc. gemacht haben, besteht größtentheils in Munition und Waffen. In dem großen Depot von Tschausch (Dschasch?) allein sollen die Tscherkessen mehr als 200 Centner Pulver erbeutet haben. Bei dem Bestreben der russischen Behörde, alle Vorfälle in Kaukasien geheim zu halten, ist wohl möglich, daß in den Berichten, die man von andern Seiten erhält, einige Uebertreibung herrscht; doch daß die Sachen an den tscherkessischen und abchasischen Küsten eine für Rußland höchst ungünstige Wendung genommen, ist außer allem Zweifel. Die russischen Expeditionstruppen werden bei Tuabs und bei Besouab in zwei Abtheilungen die Landung bewerkstelligen.

Oesterreich.

Se. Maj. der Kaiser haben den Feldzeugmeister Grafen v. Nugent, bisher Commandirenden in Mähren, zum commandirenden General in Kroatien zu ernennen geruht. Sein Vorgänger, Frhr. v. Vlasitz, verband mit dieser Stelle die Würde eines Banus von Kroatien, welche jetzt davon getrennt worden, und wahrscheinlich einem kaiserlichen Erzherzoge übertragen werden wird. – Die Inhaberstelle des 5ten Artillerieregiments ist dem Feldmarschall-Lieutenant Berwaldo-Bianchini verliehen worden. – Hr. Walter ist auf der Durchreise von Odessa nach Berlin hier eingetroffen.

Türkei.

Seit dem 1 d. folgen sich ununterbrochen die Feierlichkeiten wegen der am 31 Mai erfolgten Geburt einer Prinzessin, der man den Namen Mehribe Sultana gegeben hat. Die Beleuchtung der Stadt, des Bospors und des Hafens aller großherrlichen Palais und der unzähligen Schiffe, die sich hier befinden, übersteigt an Effect Alles, was ich bisher gesehen. Ein unangenehmer Vorfall, der sich gestern ereignete, hätte leicht üble Folgen haben können und kann als Beweis dienen, wie gereizt der Zustand der Christen in der Türkei ist. Ein Grieche, der bei dem ungeheuern Menschengewühl unweit des Hafens einem Türken einiges Geld aus der Tasche gestohlen hatte, sollte von der Polizei verhaftet werden. In einem Nu eilten mehrere hundert Menschen von seiner Nation herbei und suchten die türkische Polizei durch Geschrei und Drohungen einzuschüchtern. „Wartet nur, ihr Kerle,“ schrien die Griechen der Wache nach, die sie mit Steinwürfen verfolgten, „euer Spiel ist ausgespielt, wartet nur bis die Russen vor Konstantinopel sind, dann wollen wir mit euch bald fertig werden!“ Die bewunderungswürdige Mäßigung der Türken verhinderte jeden weitern Auftritt. – Der bisherige Pascha von Janina, Mustapha, nunmehr Seriasker, ist vorgestern hier angekommen, und wird ohne Verzug sein neues Amt antreten.


Ueber den Schicksalen der Pforte schein ein Unglücksstern zu walten, der Alles mißlingen macht, was ihr zu Gunsten begonnen wird. Wenn es Lord Ponsonby nicht darum zu thun war, die projectirte Blokade der ägyptischen Häfen wieder rückgängig zu machen, ohne dabei die Consequenz der englischen Politik gänzlich bloßzustellen, so muß man gestehen, daß er sich einen argen Mißgriff zu Schulden kommen ließ, indem er die Cooperation der türkischen Armee gegen den Vicekönig verlangte, bevor noch jene Blokade begonnen oder auch die englische Kriegsmacht im Mittelmeere nur eine Bewegung gemacht hätte, die auf baldige Eröffnung jener Maaßregel hindeutete. Lord Ponsonby konnte leicht berechnen, welche Aufnahme seine Zumuthung finden werde. Denn da die Umstände bei dem Beginn der feindseligen Demonstration gegen den Vicekönig, die der Lord heuer von der Türkei fordert, ganz dieselben wären, wie bei der Lage der Dinge im vorigen Jahr unmittelbar vor dem feindlichen Zusammenstoß der beiden Heere bei Nisib, wo auch zum Beistand der Pforte fast kein englisches Schiff in den levantischen Gewässern sich vorfand, wie konnte der großbritannische Botschafter mit Grund erwarten, daß die Pforte, uneingedenk der erst erlittenen Unfälle, eine Handlungsweise adoptiren könne, die wahrscheinlich ähnliche Folgen nach sich ziehen und die Türkei ihrem Untergange näher rücken müßte? Selbst wenn die projectirten Operationen der Engländer zur See bereits eröffnet wären, hätte man, so wie die Sachen jetzt stehen, Ursache an der Mitwirkung der Pforte zu zweifeln, denn das Vertrauen, welches die letztere auf Großbritannien setzte, war einerseits durch die Vereinigung dieser Macht mit Rußland bedingt, eine Vereinigung, die von Tag zu Tag problematischer wird, andererseits schwächte sich jenes Vertrauen von selbst durch die lange Dauer der Schwankungen des brittischen Cabinets, dann aber auch durch das geringe Gewicht, das der trotzige Mehemed ungestraft auf dessen Erklärungen setzte, und durch die Successe, mit denen die französische Politik gekrönt wurde. Zwar minderte sich der Glaube an den guten Willen Großbritanniens nicht im geringsten, um desto mehr der Glaube an dessen unwiderstehliche politische Macht. Nun droht wirklich die moralische Stütze, die das vorausgesetzte Verständniß zwischen dem Londoner und dem Petersburger Hofe dem erstern gewährte, völlig zu brechen, denn das unfreundliche Verhältniß zwischen Hrn. v. Ponsonby und Butenieff ist bereits unverkennbar. Zu der feindseligen Stellung aber, welche sich gerade hier und im Osten des schwarzen Meeres, vom kaspischen See bis an die Tartarei hin zwischen jenen zwei Mächten allmählich entwickelt, kommt noch zum Ueberfluß die neue Spannung hinzu, die zwischen Konstantinopel und Petersburg sich eingestellt hat wegen der in den Provinzen der europäischen Türkei stattfindenden Vorgänge, deren Veranlassung man in geheimnißvollen russischen Projecten sucht. Man sollte glauben, daß dieß ein engeres Anschließen der Pforte an England bewirken müsse, indessen dient es zu nichts Anderm als die Pforte gänzlich zu demoralisiren. Unbeweglich wird sie für die Zukunft da stehen und zusehen, was man für sie thun will. Reschid Pascha appellirt jetzt wieder, nachdem er die Leistung der Cooperation refusirt hat, an sämmtliche Mächte in einer neuen Note, worin er den bedauerlichen Zwiespalt, der unter den osmanischen Ministern und im Divan herrscht, die Symptome der Unordnung in den Provinzen, die Vorzeichen bevorstehender Katastrophen in grellen Farben darstellt und dann mit der eindringlichen Bitte schließt, daß die Conferenz in London sich beeilen möge, zu irgend einem Resultate zu gelangen. Auch wurden vor einigen Tagen dem an Nuri's Stelle als Bevollmächtigten in London fungirenden Schekib Effendi neue Instructionen zugefertigt, in denen Schekib angewiesen wird, durch alle ihm zu Gebot stehenden Mittel ein endliches Resultat bei der Conferenz zu bewirken, und jedem, wie immer gearteten Beschlusse ohne alle Bedingung und ohne Verzug im Namen der Pforte beizutreten. Aus dem Ganzen ist leicht zu ersehen, daß der letzte Schimmer jenes Vertrauens, das die Pforte bald dieser, bald jener Macht vorzugsweise zu schenken gewohnt war, nunmehr bloß auf der

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[1383/0008] die Unfälle der Russen. Neuerdings verbreitet sich das Gerücht von einer vom General Saß erlittenen Schlappe. Da nun dieser General, wie behauptet wird, in der Gegend des Forts Nikolaus ein kleines russisches Corps commandirt, so erneuern sich die Besorgnisse, die schon früher über dieses Fort gehegt wurden. St. Nikolaus, ein kleiner Seehafen an der tscherkessischen Küste, scheint noch immer in der Gewalt der Bergvölker zu seyn. Die Beute, welche die Tscherkessen in den Forts Lazareff, Rajewski, Welleaminow etc. gemacht haben, besteht größtentheils in Munition und Waffen. In dem großen Depot von Tschausch (Dschasch?) allein sollen die Tscherkessen mehr als 200 Centner Pulver erbeutet haben. Bei dem Bestreben der russischen Behörde, alle Vorfälle in Kaukasien geheim zu halten, ist wohl möglich, daß in den Berichten, die man von andern Seiten erhält, einige Uebertreibung herrscht; doch daß die Sachen an den tscherkessischen und abchasischen Küsten eine für Rußland höchst ungünstige Wendung genommen, ist außer allem Zweifel. Die russischen Expeditionstruppen werden bei Tuabs und bei Besouab in zwei Abtheilungen die Landung bewerkstelligen. _ Oesterreich. Wien, 16 Mai. Se. Maj. der Kaiser haben den Feldzeugmeister Grafen v. Nugent, bisher Commandirenden in Mähren, zum commandirenden General in Kroatien zu ernennen geruht. Sein Vorgänger, Frhr. v. Vlasitz, verband mit dieser Stelle die Würde eines Banus von Kroatien, welche jetzt davon getrennt worden, und wahrscheinlich einem kaiserlichen Erzherzoge übertragen werden wird. – Die Inhaberstelle des 5ten Artillerieregiments ist dem Feldmarschall-Lieutenant Berwaldo-Bianchini verliehen worden. – Hr. Walter ist auf der Durchreise von Odessa nach Berlin hier eingetroffen. _ Türkei. Konstantinopel, 3 Jun. Seit dem 1 d. folgen sich ununterbrochen die Feierlichkeiten wegen der am 31 Mai erfolgten Geburt einer Prinzessin, der man den Namen Mehribe Sultana gegeben hat. Die Beleuchtung der Stadt, des Bospors und des Hafens aller großherrlichen Palais und der unzähligen Schiffe, die sich hier befinden, übersteigt an Effect Alles, was ich bisher gesehen. Ein unangenehmer Vorfall, der sich gestern ereignete, hätte leicht üble Folgen haben können und kann als Beweis dienen, wie gereizt der Zustand der Christen in der Türkei ist. Ein Grieche, der bei dem ungeheuern Menschengewühl unweit des Hafens einem Türken einiges Geld aus der Tasche gestohlen hatte, sollte von der Polizei verhaftet werden. In einem Nu eilten mehrere hundert Menschen von seiner Nation herbei und suchten die türkische Polizei durch Geschrei und Drohungen einzuschüchtern. „Wartet nur, ihr Kerle,“ schrien die Griechen der Wache nach, die sie mit Steinwürfen verfolgten, „euer Spiel ist ausgespielt, wartet nur bis die Russen vor Konstantinopel sind, dann wollen wir mit euch bald fertig werden!“ Die bewunderungswürdige Mäßigung der Türken verhinderte jeden weitern Auftritt. – Der bisherige Pascha von Janina, Mustapha, nunmehr Seriasker, ist vorgestern hier angekommen, und wird ohne Verzug sein neues Amt antreten. _ Konstantinopel, 3 Jun. Ueber den Schicksalen der Pforte schein ein Unglücksstern zu walten, der Alles mißlingen macht, was ihr zu Gunsten begonnen wird. Wenn es Lord Ponsonby nicht darum zu thun war, die projectirte Blokade der ägyptischen Häfen wieder rückgängig zu machen, ohne dabei die Consequenz der englischen Politik gänzlich bloßzustellen, so muß man gestehen, daß er sich einen argen Mißgriff zu Schulden kommen ließ, indem er die Cooperation der türkischen Armee gegen den Vicekönig verlangte, bevor noch jene Blokade begonnen oder auch die englische Kriegsmacht im Mittelmeere nur eine Bewegung gemacht hätte, die auf baldige Eröffnung jener Maaßregel hindeutete. Lord Ponsonby konnte leicht berechnen, welche Aufnahme seine Zumuthung finden werde. Denn da die Umstände bei dem Beginn der feindseligen Demonstration gegen den Vicekönig, die der Lord heuer von der Türkei fordert, ganz dieselben wären, wie bei der Lage der Dinge im vorigen Jahr unmittelbar vor dem feindlichen Zusammenstoß der beiden Heere bei Nisib, wo auch zum Beistand der Pforte fast kein englisches Schiff in den levantischen Gewässern sich vorfand, wie konnte der großbritannische Botschafter mit Grund erwarten, daß die Pforte, uneingedenk der erst erlittenen Unfälle, eine Handlungsweise adoptiren könne, die wahrscheinlich ähnliche Folgen nach sich ziehen und die Türkei ihrem Untergange näher rücken müßte? Selbst wenn die projectirten Operationen der Engländer zur See bereits eröffnet wären, hätte man, so wie die Sachen jetzt stehen, Ursache an der Mitwirkung der Pforte zu zweifeln, denn das Vertrauen, welches die letztere auf Großbritannien setzte, war einerseits durch die Vereinigung dieser Macht mit Rußland bedingt, eine Vereinigung, die von Tag zu Tag problematischer wird, andererseits schwächte sich jenes Vertrauen von selbst durch die lange Dauer der Schwankungen des brittischen Cabinets, dann aber auch durch das geringe Gewicht, das der trotzige Mehemed ungestraft auf dessen Erklärungen setzte, und durch die Successe, mit denen die französische Politik gekrönt wurde. Zwar minderte sich der Glaube an den guten Willen Großbritanniens nicht im geringsten, um desto mehr der Glaube an dessen unwiderstehliche politische Macht. Nun droht wirklich die moralische Stütze, die das vorausgesetzte Verständniß zwischen dem Londoner und dem Petersburger Hofe dem erstern gewährte, völlig zu brechen, denn das unfreundliche Verhältniß zwischen Hrn. v. Ponsonby und Butenieff ist bereits unverkennbar. Zu der feindseligen Stellung aber, welche sich gerade hier und im Osten des schwarzen Meeres, vom kaspischen See bis an die Tartarei hin zwischen jenen zwei Mächten allmählich entwickelt, kommt noch zum Ueberfluß die neue Spannung hinzu, die zwischen Konstantinopel und Petersburg sich eingestellt hat wegen der in den Provinzen der europäischen Türkei stattfindenden Vorgänge, deren Veranlassung man in geheimnißvollen russischen Projecten sucht. Man sollte glauben, daß dieß ein engeres Anschließen der Pforte an England bewirken müsse, indessen dient es zu nichts Anderm als die Pforte gänzlich zu demoralisiren. Unbeweglich wird sie für die Zukunft da stehen und zusehen, was man für sie thun will. Reschid Pascha appellirt jetzt wieder, nachdem er die Leistung der Cooperation refusirt hat, an sämmtliche Mächte in einer neuen Note, worin er den bedauerlichen Zwiespalt, der unter den osmanischen Ministern und im Divan herrscht, die Symptome der Unordnung in den Provinzen, die Vorzeichen bevorstehender Katastrophen in grellen Farben darstellt und dann mit der eindringlichen Bitte schließt, daß die Conferenz in London sich beeilen möge, zu irgend einem Resultate zu gelangen. Auch wurden vor einigen Tagen dem an Nuri's Stelle als Bevollmächtigten in London fungirenden Schekib Effendi neue Instructionen zugefertigt, in denen Schekib angewiesen wird, durch alle ihm zu Gebot stehenden Mittel ein endliches Resultat bei der Conferenz zu bewirken, und jedem, wie immer gearteten Beschlusse ohne alle Bedingung und ohne Verzug im Namen der Pforte beizutreten. Aus dem Ganzen ist leicht zu ersehen, daß der letzte Schimmer jenes Vertrauens, das die Pforte bald dieser, bald jener Macht vorzugsweise zu schenken gewohnt war, nunmehr bloß auf der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 173. Augsburg, 21. Juni 1840, S. 1383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_173_18400621/8>, abgerufen am 24.11.2024.