Allgemeine Zeitung. Nr. 173. Augsburg, 21. Juni 1840.
Diese Sympathien bilden die Grundlage des deutschen Zollvereins, der die materiellen Interessen Preußens mit denen der constitutionellen Staaten Süddeutschlands auf eine so wohlthätige Weise identificirt hat. Auch hiebei verdankt man dem hochseligen König von Preußen, wenn nicht den ersten Vorgang, doch den gewichtigsten und folgenreichsten Antheil. Ohne ihn, wie wäre es möglich gewesen, dem Zollverband jene weite Ausdehnung zu geben, die den Verein zum Nationalverein erhob. Somit hat denn der verewigte König, der die preußische Monarchie in einer isolirten und feindseligen Stellung gegen Deutschland vorfand, während seiner Regierung ein ganz anderes, ein für Deutschland höchst erfreuliches System angenommen, das ehemals verschlossene Preußen gegen Deutschland geöffnet, das ehemals feindliche Preußen mit Deutschland aufs innigste befreundet. Obgleich wir hier nicht davon reden wollen, was Friedrich Wilhelm III für Preußen insbesondere gethan hat, indem wir dieß, wie oben bemerkt, zunächst preußischen Publicisten anheim gestellt seyn lassen und uns lediglich auf die Erörterung der Verhältnisse Preußens zu Deutschland beschränken, müssen wir doch einer großen Regierungsmaaßregel des Königs gedenken, weil sie unverkennbar im germanischen Sinn und Interesse durchgeführt worden ist, und wesentlich dazu beigetragen hat, die provinciellen Unterschiede zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland auszugleichen und die Nationalverwandtschaft beider zu accentuiren. Während der ganzen langen Regierung des Verewigten war es sichtbar und unausgesetzt sein Bestreben, das slavische Element, das sich noch in den östlichen Provinzen Preußens vorfand, auszustoßen und das rein germanische an dessen Stelle zu setzen. Von der Sprache ist hier nicht die Rede, denn die deutsche Sprache war längst die vorherrschende in jenen Provinzen, obgleich allerdings auch die Sprachgränze fortwährend sich noch erweitert hat. Was wir meinen, ist etwas ungleich Wichtigeres, nämlich die Emancipation des Bauernstandes und die Gemeindeverfassung der Städte. Durch diese beiden großen Institutionen Friedrich Wilhelms III, in Verbindung mit der ebenfalls von ihm eingeführten Heerverfassung, die alle Stände zur Vaterlandsvertheidigung verpflichtet, und Allen, auch dem Niedrigsten im Volk, die Waffenehre und die damit verbundene persönliche Würdigung sichert, - durch diese neuen Einrichtungen ist das Volk in den altpreußischen Provinzen ganz umgewandelt und eigentlich jetzt erst völlig germanisirt worden. Denn vorher, wenn auch von der persönlichen Leibeigenschaft schon frei, war der Landmann doch noch in der dinglichen befangen, der schmutzige Fröhner, noch in halbslavischer Weise, und auch der Bürger zurückgesetzt, ohne jenen Antheil an der städtischen Verwaltung, der den deutschen Bürgerstand sonst überall charakterisirt. Die vormals slavische Bevölkerung ist aber nun durch die Maaßregel des letzten preußischen Regenten mit der altdeutschen der constitutionellen Staaten auf gleichen Fuß gesetzt worden. Alle jene in so langer Dämmerung versunkenen Länder sind für die germanische Rechtsidee gewonnen, deren Licht nicht mehr verdunkelt werden kann. Welche Veränderung der Dinge, wenn man sich erinnert, daß noch Friedrich der Große den barbarischen Gebrauch des Stocks in seiner Armee damit entschuldigte, daß er denselben Stock, den der Edelmann daheim über dem Fröhner schwinge, dem adeligen Officier in den Händen lassen müsse, um jene Fröhner, wenn sie als Recruten ins Regiment träten, nicht aus der Gewohnheit kommen zu lassen. Ist somit in Preußen eine sichere Grundlage ächt germanischer bürgerlicher Freiheit gelegt worden, welche die ältern deutschen Stammländer nur mit Wohlgefallen betrachten können, so wird allerdings in den constitutionellen Staaten auch hinwiederum der Unterschied empfunden, der sich zwischen ihren Landesverfassungen und dem preußischen Provincialständewesen manifestirt hat. Indeß ist die Grundlegung eines Gebäudes das erste, was man an dem Baumeister zu loben hat, und wer mit dem Gange innerer Reformen in constitutionellen Staaten einigermaßen vertraut ist, der wird wohl kaum verkennen, daß der König von Preußen bei der Durchführung einer so großartigen und folgenreichen, die Interessen des Adels so tief berührenden Maaßregel, wie die Emancipation des Bauernstandes es gewesen ist, durch eine Pairskammer nicht wenig würde aufgehalten worden seyn. Mithin ist eine Verzögerung, über welche der Liberalismus sich beklagt hat, doch gerade im Interesse wahrer Volksfreiheit benützt worden. Augenfällig ist das große Resultat der 43jährigen Regierung Friedrich Wilhelms III, der Wiederanschluß Preußens an Deutschland gewesen, und wenn auch Deutschland noch manche Hoffnungen hegt, die erst noch von Preußen oder durch preußische Mitwirkung erfüllt werden können, so kommt in dieser Beziehung dem neuen Regenten ein schönes Vertrauen entgegen. Jene Hoffnungen sind ohne Zweifel: Frieden in der Kirche - Zufriedenheit mit dem öffentlichen Rechtszustand durch Gewährleistung bürgerlicher Freiheit in den Schranken der Ordnung, germanischer Nüchternheit und Mäßigung - Fortschreiten im Geiste des Zollvereins, mercantilische Eroberung - endlich, und dieß betrachten wir als die Hauptsache, kraftvolle Vertretung sowohl der preußischen Interessen insbesondere, als der deutschen im Allgemeinen gegen jedwede Beeinträchtigung, die sie von außen her erleiden oder noch erleiden könnten. Wenn in Bezug auf die erstgenannten Punkte Meinungsverschiedenheiten obwalten, so kann man sich doch in Bezug auf die letztern einer wesentlichen Uebereinstimmung der Interessen und Sympathien getrösten, und hierin liegt eine Heilkraft, welche, richtig benützt, manchem Krankheitssymptom der innern kirchlichen und politischen Zustände seine Gefährlichkeit nehmen kann. Cousin über Graf Santa Rosa. (Fortsetzung.) Wir übergehen hier die umständliche Schilderung, welche Cousin von dem engumgränzten Leben Santa-Rosa's in dem Gefängnisse St. Martin, in Alencon und Bourges entwirft. Er war von dem Pariser Gerichte, unter Debelleyme's Vorsitz, freigesprochen worden; dennoch verwies ihn Hr. v. Corbiere mit einigen seiner Landsleute nach Alencon. Einige Mitglieder der Opposition nahmen sich in der Deputirtenkammer der Proscribirten an; Hr. v. Corbiere entgegnete, die Flüchtlinge selbst seyen nicht der Ansicht ihrer Fürsprecher, sondern erkennten dankbar das Benehmen der französischen Regierung an. Gegen die Illoyalität dieser Versicherung protestirte Santa-Rosa in einem öffentlichen Briefe, dessen edle, stolze Sprache das Ministerium so erbitterte, daß eine weitere Verweisung nach Bourges und eine weit härtere Behandlung als in Alencon die Folge waren. Schon während seines Aufenthalts in Alencon hatte ihm Obrist Fabvier (der bekannte Philhellene) die Mittel geboten, nach England zu entfliehen; Santa-Rosa lehnte es ab, weil Flucht "ein Eingeständniß wäre, daß er an seinem guten Rechte zweifle." In Bourges aber - dem Orte, der jetzt statt der ehemaligen Proscribirten des spanischen und italienischen Liberalismus, Don Carlos als Gefangenen besitzt -
Diese Sympathien bilden die Grundlage des deutschen Zollvereins, der die materiellen Interessen Preußens mit denen der constitutionellen Staaten Süddeutschlands auf eine so wohlthätige Weise identificirt hat. Auch hiebei verdankt man dem hochseligen König von Preußen, wenn nicht den ersten Vorgang, doch den gewichtigsten und folgenreichsten Antheil. Ohne ihn, wie wäre es möglich gewesen, dem Zollverband jene weite Ausdehnung zu geben, die den Verein zum Nationalverein erhob. Somit hat denn der verewigte König, der die preußische Monarchie in einer isolirten und feindseligen Stellung gegen Deutschland vorfand, während seiner Regierung ein ganz anderes, ein für Deutschland höchst erfreuliches System angenommen, das ehemals verschlossene Preußen gegen Deutschland geöffnet, das ehemals feindliche Preußen mit Deutschland aufs innigste befreundet. Obgleich wir hier nicht davon reden wollen, was Friedrich Wilhelm III für Preußen insbesondere gethan hat, indem wir dieß, wie oben bemerkt, zunächst preußischen Publicisten anheim gestellt seyn lassen und uns lediglich auf die Erörterung der Verhältnisse Preußens zu Deutschland beschränken, müssen wir doch einer großen Regierungsmaaßregel des Königs gedenken, weil sie unverkennbar im germanischen Sinn und Interesse durchgeführt worden ist, und wesentlich dazu beigetragen hat, die provinciellen Unterschiede zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland auszugleichen und die Nationalverwandtschaft beider zu accentuiren. Während der ganzen langen Regierung des Verewigten war es sichtbar und unausgesetzt sein Bestreben, das slavische Element, das sich noch in den östlichen Provinzen Preußens vorfand, auszustoßen und das rein germanische an dessen Stelle zu setzen. Von der Sprache ist hier nicht die Rede, denn die deutsche Sprache war längst die vorherrschende in jenen Provinzen, obgleich allerdings auch die Sprachgränze fortwährend sich noch erweitert hat. Was wir meinen, ist etwas ungleich Wichtigeres, nämlich die Emancipation des Bauernstandes und die Gemeindeverfassung der Städte. Durch diese beiden großen Institutionen Friedrich Wilhelms III, in Verbindung mit der ebenfalls von ihm eingeführten Heerverfassung, die alle Stände zur Vaterlandsvertheidigung verpflichtet, und Allen, auch dem Niedrigsten im Volk, die Waffenehre und die damit verbundene persönliche Würdigung sichert, – durch diese neuen Einrichtungen ist das Volk in den altpreußischen Provinzen ganz umgewandelt und eigentlich jetzt erst völlig germanisirt worden. Denn vorher, wenn auch von der persönlichen Leibeigenschaft schon frei, war der Landmann doch noch in der dinglichen befangen, der schmutzige Fröhner, noch in halbslavischer Weise, und auch der Bürger zurückgesetzt, ohne jenen Antheil an der städtischen Verwaltung, der den deutschen Bürgerstand sonst überall charakterisirt. Die vormals slavische Bevölkerung ist aber nun durch die Maaßregel des letzten preußischen Regenten mit der altdeutschen der constitutionellen Staaten auf gleichen Fuß gesetzt worden. Alle jene in so langer Dämmerung versunkenen Länder sind für die germanische Rechtsidee gewonnen, deren Licht nicht mehr verdunkelt werden kann. Welche Veränderung der Dinge, wenn man sich erinnert, daß noch Friedrich der Große den barbarischen Gebrauch des Stocks in seiner Armee damit entschuldigte, daß er denselben Stock, den der Edelmann daheim über dem Fröhner schwinge, dem adeligen Officier in den Händen lassen müsse, um jene Fröhner, wenn sie als Recruten ins Regiment träten, nicht aus der Gewohnheit kommen zu lassen. Ist somit in Preußen eine sichere Grundlage ächt germanischer bürgerlicher Freiheit gelegt worden, welche die ältern deutschen Stammländer nur mit Wohlgefallen betrachten können, so wird allerdings in den constitutionellen Staaten auch hinwiederum der Unterschied empfunden, der sich zwischen ihren Landesverfassungen und dem preußischen Provincialständewesen manifestirt hat. Indeß ist die Grundlegung eines Gebäudes das erste, was man an dem Baumeister zu loben hat, und wer mit dem Gange innerer Reformen in constitutionellen Staaten einigermaßen vertraut ist, der wird wohl kaum verkennen, daß der König von Preußen bei der Durchführung einer so großartigen und folgenreichen, die Interessen des Adels so tief berührenden Maaßregel, wie die Emancipation des Bauernstandes es gewesen ist, durch eine Pairskammer nicht wenig würde aufgehalten worden seyn. Mithin ist eine Verzögerung, über welche der Liberalismus sich beklagt hat, doch gerade im Interesse wahrer Volksfreiheit benützt worden. Augenfällig ist das große Resultat der 43jährigen Regierung Friedrich Wilhelms III, der Wiederanschluß Preußens an Deutschland gewesen, und wenn auch Deutschland noch manche Hoffnungen hegt, die erst noch von Preußen oder durch preußische Mitwirkung erfüllt werden können, so kommt in dieser Beziehung dem neuen Regenten ein schönes Vertrauen entgegen. Jene Hoffnungen sind ohne Zweifel: Frieden in der Kirche – Zufriedenheit mit dem öffentlichen Rechtszustand durch Gewährleistung bürgerlicher Freiheit in den Schranken der Ordnung, germanischer Nüchternheit und Mäßigung – Fortschreiten im Geiste des Zollvereins, mercantilische Eroberung – endlich, und dieß betrachten wir als die Hauptsache, kraftvolle Vertretung sowohl der preußischen Interessen insbesondere, als der deutschen im Allgemeinen gegen jedwede Beeinträchtigung, die sie von außen her erleiden oder noch erleiden könnten. Wenn in Bezug auf die erstgenannten Punkte Meinungsverschiedenheiten obwalten, so kann man sich doch in Bezug auf die letztern einer wesentlichen Uebereinstimmung der Interessen und Sympathien getrösten, und hierin liegt eine Heilkraft, welche, richtig benützt, manchem Krankheitssymptom der innern kirchlichen und politischen Zustände seine Gefährlichkeit nehmen kann. Cousin über Graf Santa Rosa. (Fortsetzung.) Wir übergehen hier die umständliche Schilderung, welche Cousin von dem engumgränzten Leben Santa-Rosa's in dem Gefängnisse St. Martin, in Alençon und Bourges entwirft. Er war von dem Pariser Gerichte, unter Debelleyme's Vorsitz, freigesprochen worden; dennoch verwies ihn Hr. v. Corbière mit einigen seiner Landsleute nach Alençon. Einige Mitglieder der Opposition nahmen sich in der Deputirtenkammer der Proscribirten an; Hr. v. Corbière entgegnete, die Flüchtlinge selbst seyen nicht der Ansicht ihrer Fürsprecher, sondern erkennten dankbar das Benehmen der französischen Regierung an. Gegen die Illoyalität dieser Versicherung protestirte Santa-Rosa in einem öffentlichen Briefe, dessen edle, stolze Sprache das Ministerium so erbitterte, daß eine weitere Verweisung nach Bourges und eine weit härtere Behandlung als in Alençon die Folge waren. Schon während seines Aufenthalts in Alençon hatte ihm Obrist Fabvier (der bekannte Philhellene) die Mittel geboten, nach England zu entfliehen; Santa-Rosa lehnte es ab, weil Flucht „ein Eingeständniß wäre, daß er an seinem guten Rechte zweifle.“ In Bourges aber – dem Orte, der jetzt statt der ehemaligen Proscribirten des spanischen und italienischen Liberalismus, Don Carlos als Gefangenen besitzt – <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="1378"/><lb/> Waffen, entgegenkommend die deutschen Gesinnungen Friedrich Wilhelms III anerkennen sollen!</p><lb/> <p>Diese Sympathien bilden die Grundlage des deutschen Zollvereins, der die materiellen Interessen Preußens mit denen der constitutionellen Staaten Süddeutschlands auf eine so wohlthätige Weise identificirt hat. Auch hiebei verdankt man dem hochseligen König von Preußen, wenn nicht den ersten Vorgang, doch den gewichtigsten und folgenreichsten Antheil. Ohne ihn, wie wäre es möglich gewesen, dem Zollverband jene weite Ausdehnung zu geben, die den Verein zum Nationalverein erhob.</p><lb/> <p>Somit hat denn der verewigte König, der die preußische Monarchie in einer isolirten und feindseligen Stellung gegen Deutschland vorfand, während seiner Regierung ein ganz anderes, ein für Deutschland höchst erfreuliches System angenommen, das ehemals verschlossene Preußen gegen Deutschland geöffnet, das ehemals feindliche Preußen mit Deutschland aufs innigste befreundet.</p><lb/> <p>Obgleich wir hier nicht davon reden wollen, was Friedrich Wilhelm III für Preußen insbesondere gethan hat, indem wir dieß, wie oben bemerkt, zunächst preußischen Publicisten anheim gestellt seyn lassen und uns lediglich auf die Erörterung der Verhältnisse Preußens zu Deutschland beschränken, müssen wir doch einer großen Regierungsmaaßregel des Königs gedenken, weil sie unverkennbar im germanischen Sinn und Interesse durchgeführt worden ist, und wesentlich dazu beigetragen hat, die provinciellen Unterschiede zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland auszugleichen und die Nationalverwandtschaft beider zu accentuiren. Während der ganzen langen Regierung des Verewigten war es sichtbar und unausgesetzt sein Bestreben, das slavische Element, das sich noch in den östlichen Provinzen Preußens vorfand, auszustoßen und das rein germanische an dessen Stelle zu setzen. Von der Sprache ist hier nicht die Rede, denn die deutsche Sprache war längst die vorherrschende in jenen Provinzen, obgleich allerdings auch die Sprachgränze fortwährend sich noch erweitert hat. Was wir meinen, ist etwas ungleich Wichtigeres, nämlich die Emancipation des Bauernstandes und die Gemeindeverfassung der Städte. Durch diese beiden großen Institutionen Friedrich Wilhelms III, in Verbindung mit der ebenfalls von ihm eingeführten Heerverfassung, die alle Stände zur Vaterlandsvertheidigung verpflichtet, und Allen, auch dem Niedrigsten im Volk, die Waffenehre und die damit verbundene persönliche Würdigung sichert, – durch diese neuen Einrichtungen ist das Volk in den altpreußischen Provinzen ganz umgewandelt und eigentlich jetzt erst völlig germanisirt worden. Denn vorher, wenn auch von der persönlichen Leibeigenschaft schon frei, war der Landmann doch noch in der dinglichen befangen, der schmutzige Fröhner, noch in halbslavischer Weise, und auch der Bürger zurückgesetzt, ohne jenen Antheil an der städtischen Verwaltung, der den deutschen Bürgerstand sonst überall charakterisirt. Die vormals slavische Bevölkerung ist aber nun durch die Maaßregel des letzten preußischen Regenten mit der altdeutschen der constitutionellen Staaten auf gleichen Fuß gesetzt worden. Alle jene in so langer Dämmerung versunkenen Länder sind für die germanische Rechtsidee gewonnen, deren Licht nicht mehr verdunkelt werden kann. Welche Veränderung der Dinge, wenn man sich erinnert, daß noch Friedrich der Große den barbarischen Gebrauch des Stocks in seiner Armee damit entschuldigte, daß er denselben Stock, den der Edelmann daheim über dem Fröhner schwinge, dem adeligen Officier in den Händen lassen müsse, um jene Fröhner, wenn sie als Recruten ins Regiment träten, nicht aus der Gewohnheit kommen zu lassen.</p><lb/> <p>Ist somit in Preußen eine sichere Grundlage ächt germanischer bürgerlicher Freiheit gelegt worden, welche die ältern deutschen Stammländer nur mit Wohlgefallen betrachten können, so wird allerdings in den constitutionellen Staaten auch hinwiederum der Unterschied empfunden, der sich zwischen ihren Landesverfassungen und dem preußischen Provincialständewesen manifestirt hat. Indeß ist die Grundlegung eines Gebäudes das erste, was man an dem Baumeister zu loben hat, und wer mit dem Gange innerer Reformen in constitutionellen Staaten einigermaßen vertraut ist, der wird wohl kaum verkennen, daß der König von Preußen bei der Durchführung einer so großartigen und folgenreichen, die Interessen des Adels so tief berührenden Maaßregel, wie die Emancipation des Bauernstandes es gewesen ist, durch eine Pairskammer nicht wenig würde aufgehalten worden seyn. Mithin ist eine Verzögerung, über welche der Liberalismus sich beklagt hat, doch gerade im Interesse wahrer Volksfreiheit benützt worden.</p><lb/> <p>Augenfällig ist das große Resultat der 43jährigen Regierung Friedrich Wilhelms III, der Wiederanschluß Preußens an Deutschland gewesen, und wenn auch Deutschland noch manche Hoffnungen hegt, die erst noch von Preußen oder durch preußische Mitwirkung erfüllt werden können, so kommt in dieser Beziehung dem neuen Regenten ein schönes Vertrauen entgegen. Jene Hoffnungen sind ohne Zweifel: Frieden in der Kirche – Zufriedenheit mit dem öffentlichen Rechtszustand durch Gewährleistung bürgerlicher Freiheit in den Schranken der Ordnung, germanischer Nüchternheit und Mäßigung – Fortschreiten im Geiste des Zollvereins, mercantilische Eroberung – endlich, und dieß betrachten wir als die Hauptsache, kraftvolle Vertretung sowohl der preußischen Interessen insbesondere, als der deutschen im Allgemeinen gegen jedwede Beeinträchtigung, die sie von außen her erleiden oder noch erleiden könnten. Wenn in Bezug auf die erstgenannten Punkte Meinungsverschiedenheiten obwalten, so kann man sich doch in Bezug auf die letztern einer wesentlichen Uebereinstimmung der Interessen und Sympathien getrösten, und hierin liegt eine Heilkraft, welche, richtig benützt, manchem Krankheitssymptom der innern kirchlichen und politischen Zustände seine Gefährlichkeit nehmen kann.</p><lb/> </div> <div type="jArticle" n="1"> <head><hi rendition="#g">Cousin über Graf Santa Rosa</hi>.</head><lb/> <p>(Fortsetzung.)</p><lb/> <p>Wir übergehen hier die umständliche Schilderung, welche Cousin von dem engumgränzten Leben Santa-Rosa's in dem Gefängnisse St. Martin, in Alençon und Bourges entwirft. Er war von dem Pariser Gerichte, unter Debelleyme's Vorsitz, freigesprochen worden; dennoch verwies ihn Hr. v. Corbière mit einigen seiner Landsleute nach Alençon. Einige Mitglieder der Opposition nahmen sich in der Deputirtenkammer der Proscribirten an; Hr. v. Corbière entgegnete, die Flüchtlinge selbst seyen nicht der Ansicht ihrer Fürsprecher, sondern erkennten dankbar das Benehmen der französischen Regierung an. Gegen die Illoyalität dieser Versicherung protestirte Santa-Rosa in einem öffentlichen Briefe, dessen edle, stolze Sprache das Ministerium so erbitterte, daß eine weitere Verweisung nach Bourges und eine weit härtere Behandlung als in Alençon die Folge waren. Schon während seines Aufenthalts in Alençon hatte ihm Obrist Fabvier (der bekannte Philhellene) die Mittel geboten, nach England zu entfliehen; Santa-Rosa lehnte es ab, weil Flucht „ein Eingeständniß wäre, daß er an seinem guten Rechte zweifle.“ In Bourges aber – dem Orte, der jetzt statt der ehemaligen Proscribirten des spanischen und italienischen Liberalismus, Don Carlos als Gefangenen besitzt –<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1378/0011]
Waffen, entgegenkommend die deutschen Gesinnungen Friedrich Wilhelms III anerkennen sollen!
Diese Sympathien bilden die Grundlage des deutschen Zollvereins, der die materiellen Interessen Preußens mit denen der constitutionellen Staaten Süddeutschlands auf eine so wohlthätige Weise identificirt hat. Auch hiebei verdankt man dem hochseligen König von Preußen, wenn nicht den ersten Vorgang, doch den gewichtigsten und folgenreichsten Antheil. Ohne ihn, wie wäre es möglich gewesen, dem Zollverband jene weite Ausdehnung zu geben, die den Verein zum Nationalverein erhob.
Somit hat denn der verewigte König, der die preußische Monarchie in einer isolirten und feindseligen Stellung gegen Deutschland vorfand, während seiner Regierung ein ganz anderes, ein für Deutschland höchst erfreuliches System angenommen, das ehemals verschlossene Preußen gegen Deutschland geöffnet, das ehemals feindliche Preußen mit Deutschland aufs innigste befreundet.
Obgleich wir hier nicht davon reden wollen, was Friedrich Wilhelm III für Preußen insbesondere gethan hat, indem wir dieß, wie oben bemerkt, zunächst preußischen Publicisten anheim gestellt seyn lassen und uns lediglich auf die Erörterung der Verhältnisse Preußens zu Deutschland beschränken, müssen wir doch einer großen Regierungsmaaßregel des Königs gedenken, weil sie unverkennbar im germanischen Sinn und Interesse durchgeführt worden ist, und wesentlich dazu beigetragen hat, die provinciellen Unterschiede zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland auszugleichen und die Nationalverwandtschaft beider zu accentuiren. Während der ganzen langen Regierung des Verewigten war es sichtbar und unausgesetzt sein Bestreben, das slavische Element, das sich noch in den östlichen Provinzen Preußens vorfand, auszustoßen und das rein germanische an dessen Stelle zu setzen. Von der Sprache ist hier nicht die Rede, denn die deutsche Sprache war längst die vorherrschende in jenen Provinzen, obgleich allerdings auch die Sprachgränze fortwährend sich noch erweitert hat. Was wir meinen, ist etwas ungleich Wichtigeres, nämlich die Emancipation des Bauernstandes und die Gemeindeverfassung der Städte. Durch diese beiden großen Institutionen Friedrich Wilhelms III, in Verbindung mit der ebenfalls von ihm eingeführten Heerverfassung, die alle Stände zur Vaterlandsvertheidigung verpflichtet, und Allen, auch dem Niedrigsten im Volk, die Waffenehre und die damit verbundene persönliche Würdigung sichert, – durch diese neuen Einrichtungen ist das Volk in den altpreußischen Provinzen ganz umgewandelt und eigentlich jetzt erst völlig germanisirt worden. Denn vorher, wenn auch von der persönlichen Leibeigenschaft schon frei, war der Landmann doch noch in der dinglichen befangen, der schmutzige Fröhner, noch in halbslavischer Weise, und auch der Bürger zurückgesetzt, ohne jenen Antheil an der städtischen Verwaltung, der den deutschen Bürgerstand sonst überall charakterisirt. Die vormals slavische Bevölkerung ist aber nun durch die Maaßregel des letzten preußischen Regenten mit der altdeutschen der constitutionellen Staaten auf gleichen Fuß gesetzt worden. Alle jene in so langer Dämmerung versunkenen Länder sind für die germanische Rechtsidee gewonnen, deren Licht nicht mehr verdunkelt werden kann. Welche Veränderung der Dinge, wenn man sich erinnert, daß noch Friedrich der Große den barbarischen Gebrauch des Stocks in seiner Armee damit entschuldigte, daß er denselben Stock, den der Edelmann daheim über dem Fröhner schwinge, dem adeligen Officier in den Händen lassen müsse, um jene Fröhner, wenn sie als Recruten ins Regiment träten, nicht aus der Gewohnheit kommen zu lassen.
Ist somit in Preußen eine sichere Grundlage ächt germanischer bürgerlicher Freiheit gelegt worden, welche die ältern deutschen Stammländer nur mit Wohlgefallen betrachten können, so wird allerdings in den constitutionellen Staaten auch hinwiederum der Unterschied empfunden, der sich zwischen ihren Landesverfassungen und dem preußischen Provincialständewesen manifestirt hat. Indeß ist die Grundlegung eines Gebäudes das erste, was man an dem Baumeister zu loben hat, und wer mit dem Gange innerer Reformen in constitutionellen Staaten einigermaßen vertraut ist, der wird wohl kaum verkennen, daß der König von Preußen bei der Durchführung einer so großartigen und folgenreichen, die Interessen des Adels so tief berührenden Maaßregel, wie die Emancipation des Bauernstandes es gewesen ist, durch eine Pairskammer nicht wenig würde aufgehalten worden seyn. Mithin ist eine Verzögerung, über welche der Liberalismus sich beklagt hat, doch gerade im Interesse wahrer Volksfreiheit benützt worden.
Augenfällig ist das große Resultat der 43jährigen Regierung Friedrich Wilhelms III, der Wiederanschluß Preußens an Deutschland gewesen, und wenn auch Deutschland noch manche Hoffnungen hegt, die erst noch von Preußen oder durch preußische Mitwirkung erfüllt werden können, so kommt in dieser Beziehung dem neuen Regenten ein schönes Vertrauen entgegen. Jene Hoffnungen sind ohne Zweifel: Frieden in der Kirche – Zufriedenheit mit dem öffentlichen Rechtszustand durch Gewährleistung bürgerlicher Freiheit in den Schranken der Ordnung, germanischer Nüchternheit und Mäßigung – Fortschreiten im Geiste des Zollvereins, mercantilische Eroberung – endlich, und dieß betrachten wir als die Hauptsache, kraftvolle Vertretung sowohl der preußischen Interessen insbesondere, als der deutschen im Allgemeinen gegen jedwede Beeinträchtigung, die sie von außen her erleiden oder noch erleiden könnten. Wenn in Bezug auf die erstgenannten Punkte Meinungsverschiedenheiten obwalten, so kann man sich doch in Bezug auf die letztern einer wesentlichen Uebereinstimmung der Interessen und Sympathien getrösten, und hierin liegt eine Heilkraft, welche, richtig benützt, manchem Krankheitssymptom der innern kirchlichen und politischen Zustände seine Gefährlichkeit nehmen kann.
Cousin über Graf Santa Rosa.
(Fortsetzung.)
Wir übergehen hier die umständliche Schilderung, welche Cousin von dem engumgränzten Leben Santa-Rosa's in dem Gefängnisse St. Martin, in Alençon und Bourges entwirft. Er war von dem Pariser Gerichte, unter Debelleyme's Vorsitz, freigesprochen worden; dennoch verwies ihn Hr. v. Corbière mit einigen seiner Landsleute nach Alençon. Einige Mitglieder der Opposition nahmen sich in der Deputirtenkammer der Proscribirten an; Hr. v. Corbière entgegnete, die Flüchtlinge selbst seyen nicht der Ansicht ihrer Fürsprecher, sondern erkennten dankbar das Benehmen der französischen Regierung an. Gegen die Illoyalität dieser Versicherung protestirte Santa-Rosa in einem öffentlichen Briefe, dessen edle, stolze Sprache das Ministerium so erbitterte, daß eine weitere Verweisung nach Bourges und eine weit härtere Behandlung als in Alençon die Folge waren. Schon während seines Aufenthalts in Alençon hatte ihm Obrist Fabvier (der bekannte Philhellene) die Mittel geboten, nach England zu entfliehen; Santa-Rosa lehnte es ab, weil Flucht „ein Eingeständniß wäre, daß er an seinem guten Rechte zweifle.“ In Bourges aber – dem Orte, der jetzt statt der ehemaligen Proscribirten des spanischen und italienischen Liberalismus, Don Carlos als Gefangenen besitzt –
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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