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Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840.

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den über den Thatbestand abgegebenen Zeugenaussagen kein Zweifel bestehe, der Knabe sey im Judenquartier verschwunden. Der Kadi von Rhodus ist, von der Regierung berufen, bereits in Konstantinopel angekommen, und es wird eine eigene Untersuchungscommission ernannt werden. Das Resultat ist ohne Zweifel gleich Null.

Aegypten.

Schwerlich hat Mehemed Ali je sich beruhigter über seine Lage gefühlt als gerade in diesem Moment, wo ihm von Frankreich der Besitz aller Länder verbürgt zu werden scheint, die sich factisch in seiner Gewalt befinden. Denn Hr. Cochelet, der in Aegypten ein unbedingtes Vertrauen genießt, hat die unumwundene Erklärung gethan, daß Frankreichs Politik mit den von dem französischen Conseilpräsidenten in der Pairskammer gegebenen Aeußerungen vollkommen übereinstimme, daß jene Aeußerungen kein Dementi durch die That erhalten sollen, endlich daß Hr. Thiers die Macht des Vicekönigs mit Rücksicht auf die Beschaffenheit seines Landes für hinlänglich erachte, dem Uebelwollen anderer Mächte einen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, Mehemed Ali scheint bereit, auf seine Art die Dankbarkeit gegen Frankreich, das solchen Antheil an seinem Schicksal nimmt, an den Tag zu legen. Gewiß durfte der Augenblick zur Benutzung einer so dankbaren Stimmung von Seite Frankreichs nicht übersehen werden. Wirklich that Hr. Cochelet Schritte in diesem Sinn, die von dem Vicekönig nicht ungünstig aufgenommen wurden. Der nächste Gegenstand, nach welchem der französische Ehrgeiz strebt, ist die Beherrschung des Mittelmeers; er betrachtet dieß als einen französischen See und möchte gern jede überwiegende Macht aus demselben verdrängen. Die wichtigste Insel in den levantischen Gewässern ist unstreitig das glückliche Kreta der Alten, welches den Archipel, Kleinasien, die afrikanische und syrische Küste dominirt, die günstigste Lage besitzt, um von da aus in drei verschiedenen Richtungen weitere Eroberungen zu machen und auf sämmtliche Länder des Orients einen sehr ausgedehnten Einfluß zu üben. Ich kann Ihnen melden, daß die Besetzung dieser Insel durch die Franzosen - in gewissen, festgesetzten Fällen - in der letzten Zeit einen Gegenstand von interessanten Unterhandlungen zwischen dem Vicekönig und dem französischen Consul abgegeben hat. Es kam bei diesen Unterhandlungen nur darauf an, Mehemed Ali dahin zu bringen, daß ihm die eventuelle Besetzung Candia's durch die Franzosen sogar als ein Act der Freundschaft erscheinen müsse. Dieß glückte Hrn. Cochelet vollkommen, indem er dem Vicekönig die Ueberzeugung beibrachte, daß zwischen der Pforte und Lord Ponsonby ein ähnliches Uebereinkommen hinsichtlich der Besetzung Candia's durch die Engländer getroffen worden sey. Wie weit übrigens Hr. Cochelet in dieser Unterhandlung fortgeschritten ist, bis zu welchem Punkte Mehemed Ali und unter welchen Restrictionen er in den französischen Plan einzugehen für gut gefunden, bin ich nicht im Stande anzugeben; gewiß ist aber, daß Frankreich den Vorschlag gemacht und die Unterhandlungen mit dem Vicekönig eine für diesen Plan günstige Wendung genommen haben. Die Sache ist von hoher Wichtigkeit und verdient die größte Aufmerksamkeit. - Die kriegerischen Vorbereitungen gehen hier in diesem Augenblick einen minder raschen Gang als früher, da das Augenmerk des Vicekönigs sich mehr auf die Wiederherstellung seiner erschöpften Cassen gerichtet hat. Obgleich nämlich die heurige Ernte noch unversehrt ist, wird ihr Ertrag schwerlich hinreichen zur Berichtigung der angehäuften Rückstände, zur Bestreitung der enormen Auslagen, denen man sich in letzter Zeit unterzogen hat. Daher die in alle Provinzen ergangenen Befehle, mit unnachsichtlicher Strenge die Steuern und Abgaben einzutreiben, die Ibrahim Pascha seinerseits, selbst in den jenseits des Euphrats und im taurischen Gebirg besetzten Districten, mit Härte vollzieht. Nach den Nachrichten, die aus Marasch hier eingegangen, scheint Ibrahim auf den Kopf und auf das Vermögen des überreichen Scheichs Abdurrhaman speculirt zu haben. Die Speculation mißlang aber, denn der Scheich erschien zwar in dem Hauptquartier, jedoch mit einem so zahlreichen Gefolge, daß Ibrahim es nicht für gerathen fand, seinen Plan zur Ausführung zu bringen. Ein anderer Versuch gegen denselben Scheich scheint deßhalb zu keinem gewünschten Resultat geführt zu haben, weil er ohne das größte Aufsehen, das man doch vermeiden wollte, nicht hätte vollzogen werden können.

den über den Thatbestand abgegebenen Zeugenaussagen kein Zweifel bestehe, der Knabe sey im Judenquartier verschwunden. Der Kadi von Rhodus ist, von der Regierung berufen, bereits in Konstantinopel angekommen, und es wird eine eigene Untersuchungscommission ernannt werden. Das Resultat ist ohne Zweifel gleich Null.

Aegypten.

Schwerlich hat Mehemed Ali je sich beruhigter über seine Lage gefühlt als gerade in diesem Moment, wo ihm von Frankreich der Besitz aller Länder verbürgt zu werden scheint, die sich factisch in seiner Gewalt befinden. Denn Hr. Cochelet, der in Aegypten ein unbedingtes Vertrauen genießt, hat die unumwundene Erklärung gethan, daß Frankreichs Politik mit den von dem französischen Conseilpräsidenten in der Pairskammer gegebenen Aeußerungen vollkommen übereinstimme, daß jene Aeußerungen kein Dementi durch die That erhalten sollen, endlich daß Hr. Thiers die Macht des Vicekönigs mit Rücksicht auf die Beschaffenheit seines Landes für hinlänglich erachte, dem Uebelwollen anderer Mächte einen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, Mehemed Ali scheint bereit, auf seine Art die Dankbarkeit gegen Frankreich, das solchen Antheil an seinem Schicksal nimmt, an den Tag zu legen. Gewiß durfte der Augenblick zur Benutzung einer so dankbaren Stimmung von Seite Frankreichs nicht übersehen werden. Wirklich that Hr. Cochelet Schritte in diesem Sinn, die von dem Vicekönig nicht ungünstig aufgenommen wurden. Der nächste Gegenstand, nach welchem der französische Ehrgeiz strebt, ist die Beherrschung des Mittelmeers; er betrachtet dieß als einen französischen See und möchte gern jede überwiegende Macht aus demselben verdrängen. Die wichtigste Insel in den levantischen Gewässern ist unstreitig das glückliche Kreta der Alten, welches den Archipel, Kleinasien, die afrikanische und syrische Küste dominirt, die günstigste Lage besitzt, um von da aus in drei verschiedenen Richtungen weitere Eroberungen zu machen und auf sämmtliche Länder des Orients einen sehr ausgedehnten Einfluß zu üben. Ich kann Ihnen melden, daß die Besetzung dieser Insel durch die Franzosen – in gewissen, festgesetzten Fällen – in der letzten Zeit einen Gegenstand von interessanten Unterhandlungen zwischen dem Vicekönig und dem französischen Consul abgegeben hat. Es kam bei diesen Unterhandlungen nur darauf an, Mehemed Ali dahin zu bringen, daß ihm die eventuelle Besetzung Candia's durch die Franzosen sogar als ein Act der Freundschaft erscheinen müsse. Dieß glückte Hrn. Cochelet vollkommen, indem er dem Vicekönig die Ueberzeugung beibrachte, daß zwischen der Pforte und Lord Ponsonby ein ähnliches Uebereinkommen hinsichtlich der Besetzung Candia's durch die Engländer getroffen worden sey. Wie weit übrigens Hr. Cochelet in dieser Unterhandlung fortgeschritten ist, bis zu welchem Punkte Mehemed Ali und unter welchen Restrictionen er in den französischen Plan einzugehen für gut gefunden, bin ich nicht im Stande anzugeben; gewiß ist aber, daß Frankreich den Vorschlag gemacht und die Unterhandlungen mit dem Vicekönig eine für diesen Plan günstige Wendung genommen haben. Die Sache ist von hoher Wichtigkeit und verdient die größte Aufmerksamkeit. – Die kriegerischen Vorbereitungen gehen hier in diesem Augenblick einen minder raschen Gang als früher, da das Augenmerk des Vicekönigs sich mehr auf die Wiederherstellung seiner erschöpften Cassen gerichtet hat. Obgleich nämlich die heurige Ernte noch unversehrt ist, wird ihr Ertrag schwerlich hinreichen zur Berichtigung der angehäuften Rückstände, zur Bestreitung der enormen Auslagen, denen man sich in letzter Zeit unterzogen hat. Daher die in alle Provinzen ergangenen Befehle, mit unnachsichtlicher Strenge die Steuern und Abgaben einzutreiben, die Ibrahim Pascha seinerseits, selbst in den jenseits des Euphrats und im taurischen Gebirg besetzten Districten, mit Härte vollzieht. Nach den Nachrichten, die aus Marasch hier eingegangen, scheint Ibrahim auf den Kopf und auf das Vermögen des überreichen Scheichs Abdurrhaman speculirt zu haben. Die Speculation mißlang aber, denn der Scheich erschien zwar in dem Hauptquartier, jedoch mit einem so zahlreichen Gefolge, daß Ibrahim es nicht für gerathen fand, seinen Plan zur Ausführung zu bringen. Ein anderer Versuch gegen denselben Scheich scheint deßhalb zu keinem gewünschten Resultat geführt zu haben, weil er ohne das größte Aufsehen, das man doch vermeiden wollte, nicht hätte vollzogen werden können.

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[1352/0008] den über den Thatbestand abgegebenen Zeugenaussagen kein Zweifel bestehe, der Knabe sey im Judenquartier verschwunden. Der Kadi von Rhodus ist, von der Regierung berufen, bereits in Konstantinopel angekommen, und es wird eine eigene Untersuchungscommission ernannt werden. Das Resultat ist ohne Zweifel gleich Null. Aegypten. _ Alexandria, 20 Mai. Schwerlich hat Mehemed Ali je sich beruhigter über seine Lage gefühlt als gerade in diesem Moment, wo ihm von Frankreich der Besitz aller Länder verbürgt zu werden scheint, die sich factisch in seiner Gewalt befinden. Denn Hr. Cochelet, der in Aegypten ein unbedingtes Vertrauen genießt, hat die unumwundene Erklärung gethan, daß Frankreichs Politik mit den von dem französischen Conseilpräsidenten in der Pairskammer gegebenen Aeußerungen vollkommen übereinstimme, daß jene Aeußerungen kein Dementi durch die That erhalten sollen, endlich daß Hr. Thiers die Macht des Vicekönigs mit Rücksicht auf die Beschaffenheit seines Landes für hinlänglich erachte, dem Uebelwollen anderer Mächte einen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, Mehemed Ali scheint bereit, auf seine Art die Dankbarkeit gegen Frankreich, das solchen Antheil an seinem Schicksal nimmt, an den Tag zu legen. Gewiß durfte der Augenblick zur Benutzung einer so dankbaren Stimmung von Seite Frankreichs nicht übersehen werden. Wirklich that Hr. Cochelet Schritte in diesem Sinn, die von dem Vicekönig nicht ungünstig aufgenommen wurden. Der nächste Gegenstand, nach welchem der französische Ehrgeiz strebt, ist die Beherrschung des Mittelmeers; er betrachtet dieß als einen französischen See und möchte gern jede überwiegende Macht aus demselben verdrängen. Die wichtigste Insel in den levantischen Gewässern ist unstreitig das glückliche Kreta der Alten, welches den Archipel, Kleinasien, die afrikanische und syrische Küste dominirt, die günstigste Lage besitzt, um von da aus in drei verschiedenen Richtungen weitere Eroberungen zu machen und auf sämmtliche Länder des Orients einen sehr ausgedehnten Einfluß zu üben. Ich kann Ihnen melden, daß die Besetzung dieser Insel durch die Franzosen – in gewissen, festgesetzten Fällen – in der letzten Zeit einen Gegenstand von interessanten Unterhandlungen zwischen dem Vicekönig und dem französischen Consul abgegeben hat. Es kam bei diesen Unterhandlungen nur darauf an, Mehemed Ali dahin zu bringen, daß ihm die eventuelle Besetzung Candia's durch die Franzosen sogar als ein Act der Freundschaft erscheinen müsse. Dieß glückte Hrn. Cochelet vollkommen, indem er dem Vicekönig die Ueberzeugung beibrachte, daß zwischen der Pforte und Lord Ponsonby ein ähnliches Uebereinkommen hinsichtlich der Besetzung Candia's durch die Engländer getroffen worden sey. Wie weit übrigens Hr. Cochelet in dieser Unterhandlung fortgeschritten ist, bis zu welchem Punkte Mehemed Ali und unter welchen Restrictionen er in den französischen Plan einzugehen für gut gefunden, bin ich nicht im Stande anzugeben; gewiß ist aber, daß Frankreich den Vorschlag gemacht und die Unterhandlungen mit dem Vicekönig eine für diesen Plan günstige Wendung genommen haben. Die Sache ist von hoher Wichtigkeit und verdient die größte Aufmerksamkeit. – Die kriegerischen Vorbereitungen gehen hier in diesem Augenblick einen minder raschen Gang als früher, da das Augenmerk des Vicekönigs sich mehr auf die Wiederherstellung seiner erschöpften Cassen gerichtet hat. Obgleich nämlich die heurige Ernte noch unversehrt ist, wird ihr Ertrag schwerlich hinreichen zur Berichtigung der angehäuften Rückstände, zur Bestreitung der enormen Auslagen, denen man sich in letzter Zeit unterzogen hat. Daher die in alle Provinzen ergangenen Befehle, mit unnachsichtlicher Strenge die Steuern und Abgaben einzutreiben, die Ibrahim Pascha seinerseits, selbst in den jenseits des Euphrats und im taurischen Gebirg besetzten Districten, mit Härte vollzieht. Nach den Nachrichten, die aus Marasch hier eingegangen, scheint Ibrahim auf den Kopf und auf das Vermögen des überreichen Scheichs Abdurrhaman speculirt zu haben. Die Speculation mißlang aber, denn der Scheich erschien zwar in dem Hauptquartier, jedoch mit einem so zahlreichen Gefolge, daß Ibrahim es nicht für gerathen fand, seinen Plan zur Ausführung zu bringen. Ein anderer Versuch gegen denselben Scheich scheint deßhalb zu keinem gewünschten Resultat geführt zu haben, weil er ohne das größte Aufsehen, das man doch vermeiden wollte, nicht hätte vollzogen werden können.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840, S. 1352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_169_18400617/8>, abgerufen am 09.11.2024.