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Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840.

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die Sache weiter einzugehen, sey uns vorläufig nur eine Bemerkung erlaubt. Zur Durchführung dieser wohlfeilen Regierungstheorie ist nur eine Kleinigkeit nothwendig, nämlich - daß man immer stark genug sey, "sie mit grimmiger Faust anzupacken;" der beste Beleg für den endlichen Erfolg dieser vortrefflichen Theorie ist das Ende des gefeierten Helden dieser Theorie selbst.

Der Baron de los Valles sagt: "Der Graf von Espanna hat als Generalcapitän von Catalonien Ferdinand VII wesentliche Dienste geleistet, indem er die unsinnigen Entwürfe einiger Revolutionäre vereitelte. Ich rede nicht von seinem Benehmen bei der Insurrection des Bessieres, und von den Vorwürfen, welche ihm ein großer Theil Royalisten bei der Hinrichtung dieses Generals, Vidals und seiner Cameraden machten, weil über diese ganze Sache ein undurchdringliches Geheimniß schwebt.... Ich habe die Frage nicht zu entscheiden, ein Royalist hat ein Ereigniß nicht zu beurtheilen, welches das Andenken eines Königs so sehr comprommittiren würde; ich überlasse das den Feinden des Königthums; ich begnüge mich zu sagen,... daß der Graf von Espanna nur auf des Königs Befehl gehandelt. Ich bin jedoch weit entfernt, die barbarischen Executionen, die in Barcelona und auf verschiedenen Punkten Cataloniens während des Aufenthalts des Monarchen in dieser Provinz stattgefunden haben, zu billigen."

Der Baron de los Valles mißbilligt doch wenigstens die "barbarischen Executionen," worin unser Verfasser nichts weiter zu erblicken scheint als ein ganz ordinäres Mittel, Respect einzuflößen. Mit welcher Gewissenhaftigkeit übrigens der Graf in der Verwaltung der Provinz Catalonien zu Werke ging, selbst lange nachdem die seltsamen Insurrectionsversuche von 1827 unterdrückt waren, ersehen wir aus den Berichten seines Amtsnachfolgers, des Generals Llauder, welche uns in einer so eben erschienenen höchst interessanten Schrift *) in die Hände fallen, und welche es uns möglich machen, die "Meisterhand, womit der Graf Catalonien zügelte," wie sein Bewunderer sich ausdrückt, zu würdigen. Der General Llauder langt am 19 Dec. 1832 in Barcelona an, um den Grafen als Generalcapitän der Provinz abzulösen. Als der Mann mit der "Meisterhand" dem Amtsnachfolger seinen Besuch abstattet, muß er empfinden, welche Eindrücke seine Verwaltung zurück gelassen. "Bekannt ist, berichtet der General Llauder, die Gewaltthätigkeit und Willkür, womit der Graf diese Provinz gouvernirte, und die Mißhandlungen und Ungesetzlichkeiten, womit er Tausende von Familien ins Elend und den größten Jammer brachte, indem er die Hinrichtungen vervielfältigte, und die Zuchthäuser vollstopfte, konnten nicht anders als einen lang verhaltenen tiefen Haß zur Folge haben, um am ersten Tage, wo die souveräne Gerechtigkeit und Gnade leuchten würde, loszubrechen. Der Graf ging, obgleich er mir Tags zuvor geschrieben hatte, daß er unpäßlich sey und noch nicht ausgehen könne, in diesem kritischen Momente über die Straße. Auf dem Wege zu mir vernahm er grobe Aeußerungen, die bei einer Volksmasse, welche beim Anblick des Urhebers ihrer Drangsale entrüstet war, nicht unterdrückt werden konnten. Diese Vorwürfe waren ihnen durch das erduldete Leiden entlockt, und man sagt, der eine hätte den Vater, andere den Gatten, Sohn oder Bruder, das in Proceßkosten oder durch den schmutzigen Geiz seiner Agenten verlorene Vermögen, ja einer sogar das Hemd zurück verlangt, das er verkaufen mußte, um die unglücklichen Opfer solcher Willkür im Kerker zu ernähren. In jeder andern weniger friedlich gesinnten Stadt als Barcelona würde die Gegenwart des Grafen einen unseligen Exceß veranlaßt haben; allein hier begnügte man sich mit dieser Demonstration. Die ungeheure Volksmasse, die mein Haus umgab und wiederholt in Acclamationen ausbrach, flößte dem Grafen große Furcht ein, und voll von einer außerordentlichen Kleinmüthigkeit, obgleich er keinen Grund mehr dazu hatte, da ich ihn durch meinen Adjutanten begleiten zu lassen versprach, wollte er doch vor Einbruch der Nacht das Haus nicht verlassen. Er bat mich, sich in die Citadelle zurückziehen zu dürfen, weil er sich nirgend anderswo für sicher hielt, obgleich die größte Ruhe herrschte. Er begab sich endlich in die Citadelle, und Morgens 5 Uhr ging er auf der Kriegsbrigg Mahonesa nach Majorca unter Segel." In einem andern Berichte sagt der neue Generalcapitän: "Ich sammle alle Reclamationen, die mir von vielen Personen zukommen, welche ohne irgend eine gerichtliche Form verwiesen wurden, und in den Schooß ihrer Familien zurückkehren zu dürfen bitten. Der Graf de Espanna verweigerte ihnen diese Erlaubniß unter dem Vorwande, daß diese Classe von Leuten in der Amnestie nicht mitbegriffen sey, und daß er gegründete Ursache gehabt habe, sie von ihrer Heimath entfernt zu halten. Da ich im Secretariat die Acten verlangte, war nichts vorhanden, und der Secretär sagte mir, es seyen keine geführt und die Decrete auf besondern Befehl des Generals ausgefertigt worden." So verwaltete, nach den amtlichen Berichten seines bekanntlich nicht gerade sehr sentimentalen Amtsnachfolgers, Graf de Espanna die ihm anvertraute Provinz. Und in einem solchen Pascha sollen wir einen würdigen Kämpfer für "Thron und Altar" erkennen? Und die Gräuel, welche er verübte, wären weniger Gräuel, wenn er sie in "allerhöchstem Auftrage" verübt hätte? Und sie zu tadeln, stünde nur "den Feinden des Königthums" zu? Man könnte den Völkern, dünkt mich, keine bessere Anweisung, sich "an die Feinde des Königthums" zu wenden, geben, als durch eine solche Seiden-Theorie.

Portugal.

(Nach den Correspondenzen englischer Blätter.) Die Kammern haben sich bis jetzt nur mit Präliminarien, namentlich Untersuchungen über streitige Wahlen beschäftigt. Man hat dabei vielfache, von der Regierung angewandte Bestechungen nachgewiesen, doch ist die Oppositionspartei so wenig zahlreich, daß mit Ausnahme derer für Feira, alle übrigen Wahlen bestätigt worden sind. Der Marquis v. Saldanha hat vor seiner Abreise nach England auf seinen Platz im Senat aus denselben Gründen wie voriges Jahr Verzicht geleistet; deßgleichen haben die Cartisten Deputirten für Lissabon, die Ex-Minister des Kriegs und des Innern, die Obristen Loureiro und Albuquerque, so wie der Septembristische Deputirte für Guarda, Souza-Saraiva, aus verschiedenen Gründen die Senatorswürde abgelehnt. Die Deputirten sind gestern privatim zu Ernennung eines Präsidenten zusammengekommen; der ministerielle Candidat ist Joao de Pinto Souza Magalhaes. Zugleich ward in dieser Sitzung ein Brief des Marquis v. Saldanha vorgelesen, in welchem die Hoffnung ausgedrückt ist, daß die Streitigkeiten mit England in kurzem ausgeglichen werden würden. Die Nachricht von Unterwerfung der Räuberhäuplinge in Algarbien war voreilig; nur sehr wenige

*) Annalen des spanischen Bürgerkrieges. Aus dem Spanischen übersetzt von Albrecht Eggenberg. I Lieferung. Mainz, 1840. - Wir halten dieß Werk für eine ungemein interessante Erscheinung, da es nicht bloß frei von allen Declamationen ist, sondern sogar sich jedes Urtheils über Menschen und Dinge enthält, und bloß Thatsachen und Actenstücke liefert.

die Sache weiter einzugehen, sey uns vorläufig nur eine Bemerkung erlaubt. Zur Durchführung dieser wohlfeilen Regierungstheorie ist nur eine Kleinigkeit nothwendig, nämlich – daß man immer stark genug sey, „sie mit grimmiger Faust anzupacken;“ der beste Beleg für den endlichen Erfolg dieser vortrefflichen Theorie ist das Ende des gefeierten Helden dieser Theorie selbst.

Der Baron de los Valles sagt: „Der Graf von España hat als Generalcapitän von Catalonien Ferdinand VII wesentliche Dienste geleistet, indem er die unsinnigen Entwürfe einiger Revolutionäre vereitelte. Ich rede nicht von seinem Benehmen bei der Insurrection des Bessières, und von den Vorwürfen, welche ihm ein großer Theil Royalisten bei der Hinrichtung dieses Generals, Vidals und seiner Cameraden machten, weil über diese ganze Sache ein undurchdringliches Geheimniß schwebt.... Ich habe die Frage nicht zu entscheiden, ein Royalist hat ein Ereigniß nicht zu beurtheilen, welches das Andenken eines Königs so sehr comprommittiren würde; ich überlasse das den Feinden des Königthums; ich begnüge mich zu sagen,... daß der Graf von España nur auf des Königs Befehl gehandelt. Ich bin jedoch weit entfernt, die barbarischen Executionen, die in Barcelona und auf verschiedenen Punkten Cataloniens während des Aufenthalts des Monarchen in dieser Provinz stattgefunden haben, zu billigen.“

Der Baron de los Valles mißbilligt doch wenigstens die „barbarischen Executionen,“ worin unser Verfasser nichts weiter zu erblicken scheint als ein ganz ordinäres Mittel, Respect einzuflößen. Mit welcher Gewissenhaftigkeit übrigens der Graf in der Verwaltung der Provinz Catalonien zu Werke ging, selbst lange nachdem die seltsamen Insurrectionsversuche von 1827 unterdrückt waren, ersehen wir aus den Berichten seines Amtsnachfolgers, des Generals Llauder, welche uns in einer so eben erschienenen höchst interessanten Schrift *) in die Hände fallen, und welche es uns möglich machen, die „Meisterhand, womit der Graf Catalonien zügelte,“ wie sein Bewunderer sich ausdrückt, zu würdigen. Der General Llauder langt am 19 Dec. 1832 in Barcelona an, um den Grafen als Generalcapitän der Provinz abzulösen. Als der Mann mit der „Meisterhand“ dem Amtsnachfolger seinen Besuch abstattet, muß er empfinden, welche Eindrücke seine Verwaltung zurück gelassen. „Bekannt ist, berichtet der General Llauder, die Gewaltthätigkeit und Willkür, womit der Graf diese Provinz gouvernirte, und die Mißhandlungen und Ungesetzlichkeiten, womit er Tausende von Familien ins Elend und den größten Jammer brachte, indem er die Hinrichtungen vervielfältigte, und die Zuchthäuser vollstopfte, konnten nicht anders als einen lang verhaltenen tiefen Haß zur Folge haben, um am ersten Tage, wo die souveräne Gerechtigkeit und Gnade leuchten würde, loszubrechen. Der Graf ging, obgleich er mir Tags zuvor geschrieben hatte, daß er unpäßlich sey und noch nicht ausgehen könne, in diesem kritischen Momente über die Straße. Auf dem Wege zu mir vernahm er grobe Aeußerungen, die bei einer Volksmasse, welche beim Anblick des Urhebers ihrer Drangsale entrüstet war, nicht unterdrückt werden konnten. Diese Vorwürfe waren ihnen durch das erduldete Leiden entlockt, und man sagt, der eine hätte den Vater, andere den Gatten, Sohn oder Bruder, das in Proceßkosten oder durch den schmutzigen Geiz seiner Agenten verlorene Vermögen, ja einer sogar das Hemd zurück verlangt, das er verkaufen mußte, um die unglücklichen Opfer solcher Willkür im Kerker zu ernähren. In jeder andern weniger friedlich gesinnten Stadt als Barcelona würde die Gegenwart des Grafen einen unseligen Exceß veranlaßt haben; allein hier begnügte man sich mit dieser Demonstration. Die ungeheure Volksmasse, die mein Haus umgab und wiederholt in Acclamationen ausbrach, flößte dem Grafen große Furcht ein, und voll von einer außerordentlichen Kleinmüthigkeit, obgleich er keinen Grund mehr dazu hatte, da ich ihn durch meinen Adjutanten begleiten zu lassen versprach, wollte er doch vor Einbruch der Nacht das Haus nicht verlassen. Er bat mich, sich in die Citadelle zurückziehen zu dürfen, weil er sich nirgend anderswo für sicher hielt, obgleich die größte Ruhe herrschte. Er begab sich endlich in die Citadelle, und Morgens 5 Uhr ging er auf der Kriegsbrigg Mahonesa nach Majorca unter Segel.“ In einem andern Berichte sagt der neue Generalcapitän: „Ich sammle alle Reclamationen, die mir von vielen Personen zukommen, welche ohne irgend eine gerichtliche Form verwiesen wurden, und in den Schooß ihrer Familien zurückkehren zu dürfen bitten. Der Graf de España verweigerte ihnen diese Erlaubniß unter dem Vorwande, daß diese Classe von Leuten in der Amnestie nicht mitbegriffen sey, und daß er gegründete Ursache gehabt habe, sie von ihrer Heimath entfernt zu halten. Da ich im Secretariat die Acten verlangte, war nichts vorhanden, und der Secretär sagte mir, es seyen keine geführt und die Decrete auf besondern Befehl des Generals ausgefertigt worden.“ So verwaltete, nach den amtlichen Berichten seines bekanntlich nicht gerade sehr sentimentalen Amtsnachfolgers, Graf de España die ihm anvertraute Provinz. Und in einem solchen Pascha sollen wir einen würdigen Kämpfer für „Thron und Altar“ erkennen? Und die Gräuel, welche er verübte, wären weniger Gräuel, wenn er sie in „allerhöchstem Auftrage“ verübt hätte? Und sie zu tadeln, stünde nur „den Feinden des Königthums“ zu? Man könnte den Völkern, dünkt mich, keine bessere Anweisung, sich „an die Feinde des Königthums“ zu wenden, geben, als durch eine solche Seïden-Theorie.

Portugal.

(Nach den Correspondenzen englischer Blätter.) Die Kammern haben sich bis jetzt nur mit Präliminarien, namentlich Untersuchungen über streitige Wahlen beschäftigt. Man hat dabei vielfache, von der Regierung angewandte Bestechungen nachgewiesen, doch ist die Oppositionspartei so wenig zahlreich, daß mit Ausnahme derer für Feira, alle übrigen Wahlen bestätigt worden sind. Der Marquis v. Saldanha hat vor seiner Abreise nach England auf seinen Platz im Senat aus denselben Gründen wie voriges Jahr Verzicht geleistet; deßgleichen haben die Cartisten Deputirten für Lissabon, die Ex-Minister des Kriegs und des Innern, die Obristen Loureiro und Albuquerque, so wie der Septembristische Deputirte für Guarda, Souza-Saraiva, aus verschiedenen Gründen die Senatorswürde abgelehnt. Die Deputirten sind gestern privatim zu Ernennung eines Präsidenten zusammengekommen; der ministerielle Candidat ist Joao de Pinto Souza Magalhaes. Zugleich ward in dieser Sitzung ein Brief des Marquis v. Saldanha vorgelesen, in welchem die Hoffnung ausgedrückt ist, daß die Streitigkeiten mit England in kurzem ausgeglichen werden würden. Die Nachricht von Unterwerfung der Räuberhäuplinge in Algarbien war voreilig; nur sehr wenige

*) Annalen des spanischen Bürgerkrieges. Aus dem Spanischen übersetzt von Albrecht Eggenberg. I Lieferung. Mainz, 1840. – Wir halten dieß Werk für eine ungemein interessante Erscheinung, da es nicht bloß frei von allen Declamationen ist, sondern sogar sich jedes Urtheils über Menschen und Dinge enthält, und bloß Thatsachen und Actenstücke liefert.
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Auf dem Wege zu mir vernahm er grobe Aeußerungen, die bei einer Volksmasse, welche beim Anblick des Urhebers ihrer Drangsale entrüstet war, nicht unterdrückt werden konnten. Diese Vorwürfe waren ihnen durch das erduldete Leiden entlockt, und man sagt, der eine hätte den Vater, andere den Gatten, Sohn oder Bruder, das in Proceßkosten oder durch den schmutzigen Geiz seiner Agenten verlorene Vermögen, ja einer sogar das Hemd zurück verlangt, das er verkaufen mußte, um die unglücklichen Opfer solcher Willkür im Kerker zu ernähren. In jeder andern weniger friedlich gesinnten Stadt als Barcelona würde die Gegenwart des Grafen einen unseligen Exceß veranlaßt haben; allein hier begnügte man sich mit dieser Demonstration. 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[1346/0010] die Sache weiter einzugehen, sey uns vorläufig nur eine Bemerkung erlaubt. Zur Durchführung dieser wohlfeilen Regierungstheorie ist nur eine Kleinigkeit nothwendig, nämlich – daß man immer stark genug sey, „sie mit grimmiger Faust anzupacken;“ der beste Beleg für den endlichen Erfolg dieser vortrefflichen Theorie ist das Ende des gefeierten Helden dieser Theorie selbst. Der Baron de los Valles sagt: „Der Graf von España hat als Generalcapitän von Catalonien Ferdinand VII wesentliche Dienste geleistet, indem er die unsinnigen Entwürfe einiger Revolutionäre vereitelte. Ich rede nicht von seinem Benehmen bei der Insurrection des Bessières, und von den Vorwürfen, welche ihm ein großer Theil Royalisten bei der Hinrichtung dieses Generals, Vidals und seiner Cameraden machten, weil über diese ganze Sache ein undurchdringliches Geheimniß schwebt.... Ich habe die Frage nicht zu entscheiden, ein Royalist hat ein Ereigniß nicht zu beurtheilen, welches das Andenken eines Königs so sehr comprommittiren würde; ich überlasse das den Feinden des Königthums; ich begnüge mich zu sagen,... daß der Graf von España nur auf des Königs Befehl gehandelt. Ich bin jedoch weit entfernt, die barbarischen Executionen, die in Barcelona und auf verschiedenen Punkten Cataloniens während des Aufenthalts des Monarchen in dieser Provinz stattgefunden haben, zu billigen.“ Der Baron de los Valles mißbilligt doch wenigstens die „barbarischen Executionen,“ worin unser Verfasser nichts weiter zu erblicken scheint als ein ganz ordinäres Mittel, Respect einzuflößen. Mit welcher Gewissenhaftigkeit übrigens der Graf in der Verwaltung der Provinz Catalonien zu Werke ging, selbst lange nachdem die seltsamen Insurrectionsversuche von 1827 unterdrückt waren, ersehen wir aus den Berichten seines Amtsnachfolgers, des Generals Llauder, welche uns in einer so eben erschienenen höchst interessanten Schrift *) in die Hände fallen, und welche es uns möglich machen, die „Meisterhand, womit der Graf Catalonien zügelte,“ wie sein Bewunderer sich ausdrückt, zu würdigen. Der General Llauder langt am 19 Dec. 1832 in Barcelona an, um den Grafen als Generalcapitän der Provinz abzulösen. Als der Mann mit der „Meisterhand“ dem Amtsnachfolger seinen Besuch abstattet, muß er empfinden, welche Eindrücke seine Verwaltung zurück gelassen. „Bekannt ist, berichtet der General Llauder, die Gewaltthätigkeit und Willkür, womit der Graf diese Provinz gouvernirte, und die Mißhandlungen und Ungesetzlichkeiten, womit er Tausende von Familien ins Elend und den größten Jammer brachte, indem er die Hinrichtungen vervielfältigte, und die Zuchthäuser vollstopfte, konnten nicht anders als einen lang verhaltenen tiefen Haß zur Folge haben, um am ersten Tage, wo die souveräne Gerechtigkeit und Gnade leuchten würde, loszubrechen. Der Graf ging, obgleich er mir Tags zuvor geschrieben hatte, daß er unpäßlich sey und noch nicht ausgehen könne, in diesem kritischen Momente über die Straße. Auf dem Wege zu mir vernahm er grobe Aeußerungen, die bei einer Volksmasse, welche beim Anblick des Urhebers ihrer Drangsale entrüstet war, nicht unterdrückt werden konnten. Diese Vorwürfe waren ihnen durch das erduldete Leiden entlockt, und man sagt, der eine hätte den Vater, andere den Gatten, Sohn oder Bruder, das in Proceßkosten oder durch den schmutzigen Geiz seiner Agenten verlorene Vermögen, ja einer sogar das Hemd zurück verlangt, das er verkaufen mußte, um die unglücklichen Opfer solcher Willkür im Kerker zu ernähren. In jeder andern weniger friedlich gesinnten Stadt als Barcelona würde die Gegenwart des Grafen einen unseligen Exceß veranlaßt haben; allein hier begnügte man sich mit dieser Demonstration. Die ungeheure Volksmasse, die mein Haus umgab und wiederholt in Acclamationen ausbrach, flößte dem Grafen große Furcht ein, und voll von einer außerordentlichen Kleinmüthigkeit, obgleich er keinen Grund mehr dazu hatte, da ich ihn durch meinen Adjutanten begleiten zu lassen versprach, wollte er doch vor Einbruch der Nacht das Haus nicht verlassen. Er bat mich, sich in die Citadelle zurückziehen zu dürfen, weil er sich nirgend anderswo für sicher hielt, obgleich die größte Ruhe herrschte. Er begab sich endlich in die Citadelle, und Morgens 5 Uhr ging er auf der Kriegsbrigg Mahonesa nach Majorca unter Segel.“ In einem andern Berichte sagt der neue Generalcapitän: „Ich sammle alle Reclamationen, die mir von vielen Personen zukommen, welche ohne irgend eine gerichtliche Form verwiesen wurden, und in den Schooß ihrer Familien zurückkehren zu dürfen bitten. Der Graf de España verweigerte ihnen diese Erlaubniß unter dem Vorwande, daß diese Classe von Leuten in der Amnestie nicht mitbegriffen sey, und daß er gegründete Ursache gehabt habe, sie von ihrer Heimath entfernt zu halten. Da ich im Secretariat die Acten verlangte, war nichts vorhanden, und der Secretär sagte mir, es seyen keine geführt und die Decrete auf besondern Befehl des Generals ausgefertigt worden.“ So verwaltete, nach den amtlichen Berichten seines bekanntlich nicht gerade sehr sentimentalen Amtsnachfolgers, Graf de España die ihm anvertraute Provinz. Und in einem solchen Pascha sollen wir einen würdigen Kämpfer für „Thron und Altar“ erkennen? Und die Gräuel, welche er verübte, wären weniger Gräuel, wenn er sie in „allerhöchstem Auftrage“ verübt hätte? Und sie zu tadeln, stünde nur „den Feinden des Königthums“ zu? Man könnte den Völkern, dünkt mich, keine bessere Anweisung, sich „an die Feinde des Königthums“ zu wenden, geben, als durch eine solche Seïden-Theorie. Portugal. _ Lissabon, 1 Jun. (Nach den Correspondenzen englischer Blätter.) Die Kammern haben sich bis jetzt nur mit Präliminarien, namentlich Untersuchungen über streitige Wahlen beschäftigt. Man hat dabei vielfache, von der Regierung angewandte Bestechungen nachgewiesen, doch ist die Oppositionspartei so wenig zahlreich, daß mit Ausnahme derer für Feira, alle übrigen Wahlen bestätigt worden sind. Der Marquis v. Saldanha hat vor seiner Abreise nach England auf seinen Platz im Senat aus denselben Gründen wie voriges Jahr Verzicht geleistet; deßgleichen haben die Cartisten Deputirten für Lissabon, die Ex-Minister des Kriegs und des Innern, die Obristen Loureiro und Albuquerque, so wie der Septembristische Deputirte für Guarda, Souza-Saraiva, aus verschiedenen Gründen die Senatorswürde abgelehnt. Die Deputirten sind gestern privatim zu Ernennung eines Präsidenten zusammengekommen; der ministerielle Candidat ist Joao de Pinto Souza Magalhaes. Zugleich ward in dieser Sitzung ein Brief des Marquis v. Saldanha vorgelesen, in welchem die Hoffnung ausgedrückt ist, daß die Streitigkeiten mit England in kurzem ausgeglichen werden würden. Die Nachricht von Unterwerfung der Räuberhäuplinge in Algarbien war voreilig; nur sehr wenige *) Annalen des spanischen Bürgerkrieges. Aus dem Spanischen übersetzt von Albrecht Eggenberg. I Lieferung. Mainz, 1840. – Wir halten dieß Werk für eine ungemein interessante Erscheinung, da es nicht bloß frei von allen Declamationen ist, sondern sogar sich jedes Urtheils über Menschen und Dinge enthält, und bloß Thatsachen und Actenstücke liefert.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840, S. 1346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_169_18400617/10>, abgerufen am 27.04.2024.