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Allgemeine Zeitung. Nr. 166. Augsburg, 14. Juni 1840.

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Preußen, die "deutsche Macht" im eminenten Sinne, wird fortwährend unter dem Schein wohlmeinender Treuherzigkeit mit widerlichem Lobqualm angeräuchert, gleichzeitig aber auch kein Mittel gespart, es den übrigen deutschen Regierungen verhaßt und verdächtig zu machen. Der Pentarchist macht (S. 62) auf die Nothwendigkeit aufmerksam, daß Preußen auf Vergrößerung im Innern Deutschlands denken müsse, um seinen europäischen Rang behaupten zu können. Bei Preußen "scheine die Arrondirung sogar das Gebot einer politischen Nothwendigkeit, eine Lebensbedingung zu seyn. Welche Garantie besäßen aber die Mittelstaaten für ihre fernere Integrität neben dieser Politik!" (S. 105) "Durch seine Hierarchie der Beamten, welche in keinem andern deutschen Staat in gleicher Weise wie in Preußen auf die Spitze getrieben ist, scheidet sich auch letzteres von den übrigen Mittel- und kleinen Staaten Deutschlands ab. Denn gewann auch der preußische Staat, als solcher, durch diese bureaukratische Constitution unermeßlich an intensiver Kraft, so verlor doch das deutsche Volksleben dabei unvermeidlich."

Trotz dessen wird Preußen daran gemahnt, in dem heutigen kirchlichen Conflict sich "als den ersten deutschen Staat aufs neue zu documentiren. Freilich hätte letzteres in derselben Art und Weise schon früher geschehen können, - - - wenn solches die preußisch-österreichische Allianz (sie ist aus nahe liegenden Gründen dem Pentarchisten ein Dorn im Auge!) nicht verhindert hätte; eine Allianz, welche auch noch gegenwärtig die energische Entfaltung ganz preußischer, protestantischer, fortschreitender Politik hemmt und beengt."

Während hier in solcher Weise die Saiten preußenthümlicher Eitelkeit angeklungen werden, um diese Macht wo möglich zu verleiten, daß sie sich selbst ihr Grab grabe, ist es nöthig, die Minen gegen Oesterreich anders anzulegen. Hier gilt es das Vertrauen zu erschüttern, welches Deutschland zu dem guten Willen, zur treuen Rechtlichkeit, wie zur Kraft des österreichischen Kaiserhauses (ohne Zweifel zum großen Verdruß des Pentarchisten und der von ihm verfochtenen Interessen!) hegt. Daher mit der diesem Schriftsteller eigenen Heimtücke die Hinweisung (S. 24), wie im Frieden von Campo Formio "über fremdes Gut verfügt worden" (sey es! war es doch nicht, wie zu Tilsit, das eines Verbündeten!), daher die Wiederaufwärmung der längst widerlegten Behauptung Dohm's: die Theilung Polens sey von Oesterreich ausgegangen (seltsamer Vorwurf in diesem Munde!); daher der immer wieder hervorbrechende Aerger über die Mailänder Amnestie, weil sie die Stimmung der Lombarden für Oesterreich günstig gestellt, und die freundnachbarliche Anweisung, welche die Carbonaria erhält, in England die Schutzherrschaft der revolutionären Einheit Italiens zu suchen, wobei, wenn der Vorschlag nach allen Seiten hin einleuchtete, der doppelte Zweck erreicht wäre, Oesterreichs linken Arm zu lähmen, und gleichzeitig diese Macht mit England in den Tod zu verfeinden; daher (S. 73) die Insinuation: "daß Oesterreich die zu Bayern bezeigte Lust, beim Vertrage zu Ried, allein in der Hoffnung auf einst günstigere politische Constellationen, auf Umstände, die doch noch eine Befriedigung dieser Tendenz gewähren würden," niedergekämpft habe; daher der auf das deutsch patriotische Interesse berechnete, doppelte Vorwurf gegen Oesterreich, "daß es ein magyarisch-slavischer Staat geworden und aufgehört habe, ein deutscher zu seyn (S. 191), und daß es nach dem ersten Pariser Frieden die deutsche Kaiserkrone nicht wieder aufgehoben" (S. 199), daher wird endlich mit einer Naivetät der Unverschämtheit, die kaum in den rohesten Producten des Bonapartischen Uebermuths ihres Gleichen hat, von "russisch(!)-griechischen Glaubensgenossen" (S. 244) und von einer österreichischen Gewaltherrschaft in Ungarn gesprochen, welche letztere allein Kara Mustapha vor Wien geführt habe (S. 277).

Ist es genug der Perfidie, des heuchlerischen Aneinanderhetzens der deutschen Stämme, des Aussäens von Mißtrauen und Haß nach allen Seiten hin? haben die Feinde der Ehre und Selbstständigkeit unsers Volks das Wasser hinreichend getrübt, worin sie zu fischen gedenken? Leider nein! den wirksamsten Hebel, welchen dieser Autor mit nicht geringerer Treulosigkeit als Gewandtheit anzulegen weiß, haben wir Deutschen selbst seit 300 Jahren ihm in die Hand gegeben, und der Pentarchist thut, wie der Franzose und der Schwede seit den Unheilstagen der deutschen Glaubenskriege gethan. Es ließ sich vermuthen, daß er den neu erregten Glaubenszwist nicht ungenützt lassen würde.... Der Pentarchist, der Verfechter der rohesten, gewaltthätigsten Tyrannei, stellt sich auf die Seite der "Gewissensfreiheit", ein Wort, welches in seinem System gleichbedeutend ist mit Ausrottung des katholischen Glaubens, mit Zertretung der heiligsten, wohlbegründetsten Rechte der Katholiken, mit Verhöhnung alles dessen, was ächte, wahre Gewissensfreiheit für alle Theile wäre.... Aber in welchem Interesse spricht er? Ist er Protestant, wie Gustav Adolf, als ihn nach einem deutschen Reichslande gelüstete? oder versteckt er etwa wie der gallische Nachbar den Hunger und Durst nach der Rheingränze, die Ländergier unter dem Deckmantel des Eifers für katholische Interessen? Nichts weniger! Dieser Protector des Protestantismus ist in dieser Rolle wenigstens noch nicht aufgetreten; es ist gerathen, ihn auch auf diesen Wegen nicht aus den Augen zu lassen. - Des Pentarchisten eigener Standpunkt ist nämlich in der schismatisch-griechischen Kirche. Diese ist ihm die "christliche Urkirche" (S. 333), für welche "das durch kein Papstthum und keinen Primat (!) bestochene Zeugniß der Bischöfe" spricht. - Natürlich ist diese Primatlosigkeit nur so zu verstehen, daß die Kirche kein eigenes Haupt, sondern ihren Herrn in dem weltlichen Selbstherrscher hat. "Dem Kaiser steht der stärkste und bindendste Einfluß auf das Volk in der Religion desselben zu Gebote, als dem sichtbaren Oberhaupte der orthodoxen Kirche, gegen welches aufrichtiger, ganzer Gehorsam religiöse Pflicht, eine Bedingung des Glaubens, ein Gebot Gottes des Allmächtigen ist." (S. 326.) Der Pentarchist denkt nicht so engherzig, daß er die Wohlthat und das Heil der Erlösung auf das russische Volk beschränken sollte. Nein! er ladet alle Völker des Erdbodens in ihren Schooß. "Wahrlich die Zeit naht, wo das Abendland die Losscheidung Roms von der orthodoxen Kirche segnen und das Christenthum auf neue vom Orient gläubig sich holen wird! Daß das griechische Schisma den Protestantismus von seinem Entstehen an als eine verabscheuenswerthe, verächtliche Irrlehre behandelt habe, findet der Pentarchist dermalen noch gerathen, mit Stillschweigen zu übergehen, die Kralle einzuziehen, und dem Protestantismus mit süßer Schmeichelrede zu nahen. Was könnte ihm gelegener kommen, als wenn beide Gegner der "triumphirenden orthodoxen Kirche" (S. 249) sich recht ingrimmig hassen, und wo möglich wieder wie vor zweihundert Jahren handgemein werden wollten! zu diesem Zwecke ist seine Partie genommen..... "Preußen und die akatholische Sache sind das Gleiche. England, Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland, die Schweiz, das protestantische Deutschland und selbst das griechische Rußland stehen um Preußen, für Preußen, alle geeinigt und gerüstet gegen die hierarchischen Umgriffe, gegen das neu auftauchende Reich des Jesuitismus."

Preußen, die „deutsche Macht“ im eminenten Sinne, wird fortwährend unter dem Schein wohlmeinender Treuherzigkeit mit widerlichem Lobqualm angeräuchert, gleichzeitig aber auch kein Mittel gespart, es den übrigen deutschen Regierungen verhaßt und verdächtig zu machen. Der Pentarchist macht (S. 62) auf die Nothwendigkeit aufmerksam, daß Preußen auf Vergrößerung im Innern Deutschlands denken müsse, um seinen europäischen Rang behaupten zu können. Bei Preußen „scheine die Arrondirung sogar das Gebot einer politischen Nothwendigkeit, eine Lebensbedingung zu seyn. Welche Garantie besäßen aber die Mittelstaaten für ihre fernere Integrität neben dieser Politik!“ (S. 105) „Durch seine Hierarchie der Beamten, welche in keinem andern deutschen Staat in gleicher Weise wie in Preußen auf die Spitze getrieben ist, scheidet sich auch letzteres von den übrigen Mittel- und kleinen Staaten Deutschlands ab. Denn gewann auch der preußische Staat, als solcher, durch diese bureaukratische Constitution unermeßlich an intensiver Kraft, so verlor doch das deutsche Volksleben dabei unvermeidlich.“

Trotz dessen wird Preußen daran gemahnt, in dem heutigen kirchlichen Conflict sich „als den ersten deutschen Staat aufs neue zu documentiren. Freilich hätte letzteres in derselben Art und Weise schon früher geschehen können, – – – wenn solches die preußisch-österreichische Allianz (sie ist aus nahe liegenden Gründen dem Pentarchisten ein Dorn im Auge!) nicht verhindert hätte; eine Allianz, welche auch noch gegenwärtig die energische Entfaltung ganz preußischer, protestantischer, fortschreitender Politik hemmt und beengt.“

Während hier in solcher Weise die Saiten preußenthümlicher Eitelkeit angeklungen werden, um diese Macht wo möglich zu verleiten, daß sie sich selbst ihr Grab grabe, ist es nöthig, die Minen gegen Oesterreich anders anzulegen. Hier gilt es das Vertrauen zu erschüttern, welches Deutschland zu dem guten Willen, zur treuen Rechtlichkeit, wie zur Kraft des österreichischen Kaiserhauses (ohne Zweifel zum großen Verdruß des Pentarchisten und der von ihm verfochtenen Interessen!) hegt. Daher mit der diesem Schriftsteller eigenen Heimtücke die Hinweisung (S. 24), wie im Frieden von Campo Formio „über fremdes Gut verfügt worden“ (sey es! war es doch nicht, wie zu Tilsit, das eines Verbündeten!), daher die Wiederaufwärmung der längst widerlegten Behauptung Dohm's: die Theilung Polens sey von Oesterreich ausgegangen (seltsamer Vorwurf in diesem Munde!); daher der immer wieder hervorbrechende Aerger über die Mailänder Amnestie, weil sie die Stimmung der Lombarden für Oesterreich günstig gestellt, und die freundnachbarliche Anweisung, welche die Carbonaria erhält, in England die Schutzherrschaft der revolutionären Einheit Italiens zu suchen, wobei, wenn der Vorschlag nach allen Seiten hin einleuchtete, der doppelte Zweck erreicht wäre, Oesterreichs linken Arm zu lähmen, und gleichzeitig diese Macht mit England in den Tod zu verfeinden; daher (S. 73) die Insinuation: „daß Oesterreich die zu Bayern bezeigte Lust, beim Vertrage zu Ried, allein in der Hoffnung auf einst günstigere politische Constellationen, auf Umstände, die doch noch eine Befriedigung dieser Tendenz gewähren würden,“ niedergekämpft habe; daher der auf das deutsch patriotische Interesse berechnete, doppelte Vorwurf gegen Oesterreich, „daß es ein magyarisch-slavischer Staat geworden und aufgehört habe, ein deutscher zu seyn (S. 191), und daß es nach dem ersten Pariser Frieden die deutsche Kaiserkrone nicht wieder aufgehoben“ (S. 199), daher wird endlich mit einer Naivetät der Unverschämtheit, die kaum in den rohesten Producten des Bonapartischen Uebermuths ihres Gleichen hat, von „russisch(!)-griechischen Glaubensgenossen“ (S. 244) und von einer österreichischen Gewaltherrschaft in Ungarn gesprochen, welche letztere allein Kara Mustapha vor Wien geführt habe (S. 277).

Ist es genug der Perfidie, des heuchlerischen Aneinanderhetzens der deutschen Stämme, des Aussäens von Mißtrauen und Haß nach allen Seiten hin? haben die Feinde der Ehre und Selbstständigkeit unsers Volks das Wasser hinreichend getrübt, worin sie zu fischen gedenken? Leider nein! den wirksamsten Hebel, welchen dieser Autor mit nicht geringerer Treulosigkeit als Gewandtheit anzulegen weiß, haben wir Deutschen selbst seit 300 Jahren ihm in die Hand gegeben, und der Pentarchist thut, wie der Franzose und der Schwede seit den Unheilstagen der deutschen Glaubenskriege gethan. Es ließ sich vermuthen, daß er den neu erregten Glaubenszwist nicht ungenützt lassen würde.... Der Pentarchist, der Verfechter der rohesten, gewaltthätigsten Tyrannei, stellt sich auf die Seite der „Gewissensfreiheit“, ein Wort, welches in seinem System gleichbedeutend ist mit Ausrottung des katholischen Glaubens, mit Zertretung der heiligsten, wohlbegründetsten Rechte der Katholiken, mit Verhöhnung alles dessen, was ächte, wahre Gewissensfreiheit für alle Theile wäre.... Aber in welchem Interesse spricht er? Ist er Protestant, wie Gustav Adolf, als ihn nach einem deutschen Reichslande gelüstete? oder versteckt er etwa wie der gallische Nachbar den Hunger und Durst nach der Rheingränze, die Ländergier unter dem Deckmantel des Eifers für katholische Interessen? Nichts weniger! Dieser Protector des Protestantismus ist in dieser Rolle wenigstens noch nicht aufgetreten; es ist gerathen, ihn auch auf diesen Wegen nicht aus den Augen zu lassen. – Des Pentarchisten eigener Standpunkt ist nämlich in der schismatisch-griechischen Kirche. Diese ist ihm die „christliche Urkirche“ (S. 333), für welche „das durch kein Papstthum und keinen Primat (!) bestochene Zeugniß der Bischöfe“ spricht. – Natürlich ist diese Primatlosigkeit nur so zu verstehen, daß die Kirche kein eigenes Haupt, sondern ihren Herrn in dem weltlichen Selbstherrscher hat. „Dem Kaiser steht der stärkste und bindendste Einfluß auf das Volk in der Religion desselben zu Gebote, als dem sichtbaren Oberhaupte der orthodoxen Kirche, gegen welches aufrichtiger, ganzer Gehorsam religiöse Pflicht, eine Bedingung des Glaubens, ein Gebot Gottes des Allmächtigen ist.“ (S. 326.) Der Pentarchist denkt nicht so engherzig, daß er die Wohlthat und das Heil der Erlösung auf das russische Volk beschränken sollte. Nein! er ladet alle Völker des Erdbodens in ihren Schooß. „Wahrlich die Zeit naht, wo das Abendland die Losscheidung Roms von der orthodoxen Kirche segnen und das Christenthum auf neue vom Orient gläubig sich holen wird! Daß das griechische Schisma den Protestantismus von seinem Entstehen an als eine verabscheuenswerthe, verächtliche Irrlehre behandelt habe, findet der Pentarchist dermalen noch gerathen, mit Stillschweigen zu übergehen, die Kralle einzuziehen, und dem Protestantismus mit süßer Schmeichelrede zu nahen. Was könnte ihm gelegener kommen, als wenn beide Gegner der „triumphirenden orthodoxen Kirche“ (S. 249) sich recht ingrimmig hassen, und wo möglich wieder wie vor zweihundert Jahren handgemein werden wollten! zu diesem Zwecke ist seine Partie genommen..... „Preußen und die akatholische Sache sind das Gleiche. England, Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland, die Schweiz, das protestantische Deutschland und selbst das griechische Rußland stehen um Preußen, für Preußen, alle geeinigt und gerüstet gegen die hierarchischen Umgriffe, gegen das neu auftauchende Reich des Jesuitismus.“

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[1325/0013] Preußen, die „deutsche Macht“ im eminenten Sinne, wird fortwährend unter dem Schein wohlmeinender Treuherzigkeit mit widerlichem Lobqualm angeräuchert, gleichzeitig aber auch kein Mittel gespart, es den übrigen deutschen Regierungen verhaßt und verdächtig zu machen. Der Pentarchist macht (S. 62) auf die Nothwendigkeit aufmerksam, daß Preußen auf Vergrößerung im Innern Deutschlands denken müsse, um seinen europäischen Rang behaupten zu können. Bei Preußen „scheine die Arrondirung sogar das Gebot einer politischen Nothwendigkeit, eine Lebensbedingung zu seyn. Welche Garantie besäßen aber die Mittelstaaten für ihre fernere Integrität neben dieser Politik!“ (S. 105) „Durch seine Hierarchie der Beamten, welche in keinem andern deutschen Staat in gleicher Weise wie in Preußen auf die Spitze getrieben ist, scheidet sich auch letzteres von den übrigen Mittel- und kleinen Staaten Deutschlands ab. Denn gewann auch der preußische Staat, als solcher, durch diese bureaukratische Constitution unermeßlich an intensiver Kraft, so verlor doch das deutsche Volksleben dabei unvermeidlich.“ Trotz dessen wird Preußen daran gemahnt, in dem heutigen kirchlichen Conflict sich „als den ersten deutschen Staat aufs neue zu documentiren. Freilich hätte letzteres in derselben Art und Weise schon früher geschehen können, – – – wenn solches die preußisch-österreichische Allianz (sie ist aus nahe liegenden Gründen dem Pentarchisten ein Dorn im Auge!) nicht verhindert hätte; eine Allianz, welche auch noch gegenwärtig die energische Entfaltung ganz preußischer, protestantischer, fortschreitender Politik hemmt und beengt.“ Während hier in solcher Weise die Saiten preußenthümlicher Eitelkeit angeklungen werden, um diese Macht wo möglich zu verleiten, daß sie sich selbst ihr Grab grabe, ist es nöthig, die Minen gegen Oesterreich anders anzulegen. Hier gilt es das Vertrauen zu erschüttern, welches Deutschland zu dem guten Willen, zur treuen Rechtlichkeit, wie zur Kraft des österreichischen Kaiserhauses (ohne Zweifel zum großen Verdruß des Pentarchisten und der von ihm verfochtenen Interessen!) hegt. Daher mit der diesem Schriftsteller eigenen Heimtücke die Hinweisung (S. 24), wie im Frieden von Campo Formio „über fremdes Gut verfügt worden“ (sey es! war es doch nicht, wie zu Tilsit, das eines Verbündeten!), daher die Wiederaufwärmung der längst widerlegten Behauptung Dohm's: die Theilung Polens sey von Oesterreich ausgegangen (seltsamer Vorwurf in diesem Munde!); daher der immer wieder hervorbrechende Aerger über die Mailänder Amnestie, weil sie die Stimmung der Lombarden für Oesterreich günstig gestellt, und die freundnachbarliche Anweisung, welche die Carbonaria erhält, in England die Schutzherrschaft der revolutionären Einheit Italiens zu suchen, wobei, wenn der Vorschlag nach allen Seiten hin einleuchtete, der doppelte Zweck erreicht wäre, Oesterreichs linken Arm zu lähmen, und gleichzeitig diese Macht mit England in den Tod zu verfeinden; daher (S. 73) die Insinuation: „daß Oesterreich die zu Bayern bezeigte Lust, beim Vertrage zu Ried, allein in der Hoffnung auf einst günstigere politische Constellationen, auf Umstände, die doch noch eine Befriedigung dieser Tendenz gewähren würden,“ niedergekämpft habe; daher der auf das deutsch patriotische Interesse berechnete, doppelte Vorwurf gegen Oesterreich, „daß es ein magyarisch-slavischer Staat geworden und aufgehört habe, ein deutscher zu seyn (S. 191), und daß es nach dem ersten Pariser Frieden die deutsche Kaiserkrone nicht wieder aufgehoben“ (S. 199), daher wird endlich mit einer Naivetät der Unverschämtheit, die kaum in den rohesten Producten des Bonapartischen Uebermuths ihres Gleichen hat, von „russisch(!)-griechischen Glaubensgenossen“ (S. 244) und von einer österreichischen Gewaltherrschaft in Ungarn gesprochen, welche letztere allein Kara Mustapha vor Wien geführt habe (S. 277). Ist es genug der Perfidie, des heuchlerischen Aneinanderhetzens der deutschen Stämme, des Aussäens von Mißtrauen und Haß nach allen Seiten hin? haben die Feinde der Ehre und Selbstständigkeit unsers Volks das Wasser hinreichend getrübt, worin sie zu fischen gedenken? Leider nein! den wirksamsten Hebel, welchen dieser Autor mit nicht geringerer Treulosigkeit als Gewandtheit anzulegen weiß, haben wir Deutschen selbst seit 300 Jahren ihm in die Hand gegeben, und der Pentarchist thut, wie der Franzose und der Schwede seit den Unheilstagen der deutschen Glaubenskriege gethan. Es ließ sich vermuthen, daß er den neu erregten Glaubenszwist nicht ungenützt lassen würde.... Der Pentarchist, der Verfechter der rohesten, gewaltthätigsten Tyrannei, stellt sich auf die Seite der „Gewissensfreiheit“, ein Wort, welches in seinem System gleichbedeutend ist mit Ausrottung des katholischen Glaubens, mit Zertretung der heiligsten, wohlbegründetsten Rechte der Katholiken, mit Verhöhnung alles dessen, was ächte, wahre Gewissensfreiheit für alle Theile wäre.... Aber in welchem Interesse spricht er? Ist er Protestant, wie Gustav Adolf, als ihn nach einem deutschen Reichslande gelüstete? oder versteckt er etwa wie der gallische Nachbar den Hunger und Durst nach der Rheingränze, die Ländergier unter dem Deckmantel des Eifers für katholische Interessen? Nichts weniger! Dieser Protector des Protestantismus ist in dieser Rolle wenigstens noch nicht aufgetreten; es ist gerathen, ihn auch auf diesen Wegen nicht aus den Augen zu lassen. – Des Pentarchisten eigener Standpunkt ist nämlich in der schismatisch-griechischen Kirche. Diese ist ihm die „christliche Urkirche“ (S. 333), für welche „das durch kein Papstthum und keinen Primat (!) bestochene Zeugniß der Bischöfe“ spricht. – Natürlich ist diese Primatlosigkeit nur so zu verstehen, daß die Kirche kein eigenes Haupt, sondern ihren Herrn in dem weltlichen Selbstherrscher hat. „Dem Kaiser steht der stärkste und bindendste Einfluß auf das Volk in der Religion desselben zu Gebote, als dem sichtbaren Oberhaupte der orthodoxen Kirche, gegen welches aufrichtiger, ganzer Gehorsam religiöse Pflicht, eine Bedingung des Glaubens, ein Gebot Gottes des Allmächtigen ist.“ (S. 326.) Der Pentarchist denkt nicht so engherzig, daß er die Wohlthat und das Heil der Erlösung auf das russische Volk beschränken sollte. Nein! er ladet alle Völker des Erdbodens in ihren Schooß. „Wahrlich die Zeit naht, wo das Abendland die Losscheidung Roms von der orthodoxen Kirche segnen und das Christenthum auf neue vom Orient gläubig sich holen wird! Daß das griechische Schisma den Protestantismus von seinem Entstehen an als eine verabscheuenswerthe, verächtliche Irrlehre behandelt habe, findet der Pentarchist dermalen noch gerathen, mit Stillschweigen zu übergehen, die Kralle einzuziehen, und dem Protestantismus mit süßer Schmeichelrede zu nahen. Was könnte ihm gelegener kommen, als wenn beide Gegner der „triumphirenden orthodoxen Kirche“ (S. 249) sich recht ingrimmig hassen, und wo möglich wieder wie vor zweihundert Jahren handgemein werden wollten! zu diesem Zwecke ist seine Partie genommen..... „Preußen und die akatholische Sache sind das Gleiche. England, Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland, die Schweiz, das protestantische Deutschland und selbst das griechische Rußland stehen um Preußen, für Preußen, alle geeinigt und gerüstet gegen die hierarchischen Umgriffe, gegen das neu auftauchende Reich des Jesuitismus.“

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 166. Augsburg, 14. Juni 1840, S. 1325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_166_18400614/13>, abgerufen am 26.04.2024.