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Allgemeine Zeitung. Nr. 163. Augsburg, 11. Juni 1840.

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Vergehen ließ er hängen, spießen, durch eine vor seiner Wohnung aufgepflanzte Kanone erschießen, ja selbst zwischen Bretter zersägen, wie er es vor noch nicht langer Zeit, ehe er zur Galeerenstrafe, zum Scheine, verurtheilt wurde, gethan. Dieser Mensch hat den Fellahs dieser Provinz nichts mehr gelassen, und da es der Pascha weiß, so verlangt er jetzt von ihm zwei Millionen Piaster. Bezahlt er diese, so wird er wahrscheinlich wiederum Gouverneur einer Provinz, aus der andere Gouverneure nichts mehr herauspressen können. - Ein unruhiger aufrührerischer Geist zeigt sich immer mehr unter den Arabern. Im Said fallen partielle Aufstände vor. Nicht weit von hier, bei Damanhur, erschoß dieser Tage ein Araber den Scheik seines Dorfes. Dieß war früher beinahe unerhört. Es kann aber auch nicht anders kommen bei dem unermeßlichen Elend dieser Leute; sie haben nichts mehr zu verlieren, das Fiscalsystem läßt ihnen keine andere Ressource als die Regierung zu bestehlen, und wenn ihnen dieses zu sehr erschwert wird, so suchen sie sich auf andere Art Luft zu machen. Eine ganze Familie kann nicht mit zwei Piaster (12 kr.) per Tag auskommen, darum stehlen Vater, Mutter und Kinder von den Nahrungsmitteln, die sie für Rechnung der Regierung ernten, und wer kann ihnen dieses verdenken, da ja 30,000 Ardep Korn diesen Augenblick in den Magazinen von Atfe verfaulen! Kann man etwas Schändlicheres ausdenken als den Dörfern dieses Jahr doppelte Abgaben aufzulegen, weil der Fiscus ausgefunden, daß, da man wie gebräuchlich das türkische Jahr nur zu zwölf Monden berechnet hat, derselbe in 30 Jahren um ein Jahr zu kurz gekommen! Man hätte den armen Teufeln ja diese Berechnung seit dem Jahr der Flucht Mohammeds machen können. Dieses ist buchstäblich wahr, und glauben Sie nicht, daß es den bei dem Pascha angestellten Ausländern viel besser ergehe. Viele derselben, die ihr rückständiges Geld nicht erhalten können, sind genöthigt Korn an Zahlungsstatt anzunehmen, welches sie dann um Geld zu machen mit 30 Proc. Verlust an die Bäcker verkaufen; sie nehmen das Korn zum Preis der Regierung, 50 Piaster per Ardep, an. Gäbe man ihnen zum wenigsten gutes Korn so könnten sie es zu 43 bis 45 Piaster zur Ausfuhr verkaufen, so aber erhalten sie nur halb verfaultes, welches sie zu Spottpreisen sogleich abgeben müssen. Alles dieses kann sich anders gestalten, wenn Mehemed Ali einmal Ruhe von außen hat, für den Augenblick aber ist das Elend des Landes aufs höchste gestiegen. - Aus Syrien haben wir nichts besonderes Neues. Soliman Pascha (Colonel Selves), soll sich bei Ibrahim Pascha in Marasch befinden, um mit ihm einen Plan zur gänzlichen Beruhigung Syriens und zur Befestigung der nördlichen Gränze desselben zu berathen. Im Horan glimmt es noch immer unter der Asche. Die Bergbewohner wollen die ihnen früher verliehenen Waffen nicht herausgeben; Emir Beschir kann und will sie auch wahrscheinlich nicht dazu zwingen. - In Arabien sind die daselbst zurück gelassenen Truppen kaum hinlänglich, um die Beduinen im Zaum zu halten, und es würde mich nicht wundern, wenn letztere in kurzem Vortheile errängen, besonders im südlichen Theil des Yemen. - Der vor 15 Tagen im russischen Consulate stattgefundene Pestfall wurde durch einen griechischen Ausreißer der türkischen Flotte verursacht; derselbe, von der Pest angesteckt, flüchtete sich mit fünf seiner Cameraden ins russische Consulat und fand daselbst Asyl; er theilte die Pest dem Bruder des Kammerdieners des Grafen Medem mit, welchen man ins Lazareth brachte, er selbst verheimlichte sie aber, aus Furcht, bis zum letzten Augenblick, wo dann sämmtliche sechs Ausreißer, die zusammen in einem Zimmer gewohnt, nach dem Lazareth abgeführt wurden, und so von neuem in die Hände des Pascha's kamen. Dieß war nun eine kitzliche Sache für den Consul: er verlangte, daß ihm diese Leute nach der Quarantäne wieder ins Consulat geliefert würden, was der Pascha rund abschlug. Der Consul drohte, sie officiell zu reclamiren, und da der Pascha alle Unannehmlichkeiten mit den fremden Mächten unter den gegenwärtigen Umständen zu vermeiden sucht, so schlug er selbst einen Mezzo termine vor, "diese Leute sollten ins Consulat zurückgeführt, alsdann aber wieder auf der Flotte angestellt und ihnen alle Strafe erlassen werden, auch sollte es ihnen gestattet seyn, sich wöchentlich im Consulat zu zeigen, um sich beklagen zu können, im Fall man ihnen nicht Wort halte." Da der Pascha dafür sein Ehrenwort gab, so wurde die Sache auch so abgemacht. Die fünf Griechen befinden sich heute von neuem auf der Flotte, den sechsten hat die Pest davon befreit. - Nachschrift. Die Pest läßt noch nicht nach, die täglichen Pestfälle haben aber immer noch nicht 32 überstiegen; heute 28 Pestfälle. Die französischen Dampfpaketboote nehmen keine Passagiere mehr an, seitdem die Pest sich an Bord des englischen Dampfbootes bei seiner Ankunft in Malta und an Bord des türkischen Steamer Hadschi Baba bei seiner Ankunft von hier in Smyrna gezeigt hat. Ein französischer Arzt befindet sich seit einigen Tagen hier, Hr. de la Porte, der sich zum Studium der Pest ins Lazareth einsperren will, man sucht ihn davon abzuhalten; es befinden sich beiläufig 200 Pestkranke im Lazareth. Hr. de la Porte war Arzt an Bord des französischen Kriegsdampfboots Le Lavoisier, die französische Regierung hat ihm ihre Einwilligung zu seinem Unternehmen durch Urlaub gegeben.

Vergehen ließ er hängen, spießen, durch eine vor seiner Wohnung aufgepflanzte Kanone erschießen, ja selbst zwischen Bretter zersägen, wie er es vor noch nicht langer Zeit, ehe er zur Galeerenstrafe, zum Scheine, verurtheilt wurde, gethan. Dieser Mensch hat den Fellahs dieser Provinz nichts mehr gelassen, und da es der Pascha weiß, so verlangt er jetzt von ihm zwei Millionen Piaster. Bezahlt er diese, so wird er wahrscheinlich wiederum Gouverneur einer Provinz, aus der andere Gouverneure nichts mehr herauspressen können. – Ein unruhiger aufrührerischer Geist zeigt sich immer mehr unter den Arabern. Im Said fallen partielle Aufstände vor. Nicht weit von hier, bei Damanhur, erschoß dieser Tage ein Araber den Scheik seines Dorfes. Dieß war früher beinahe unerhört. Es kann aber auch nicht anders kommen bei dem unermeßlichen Elend dieser Leute; sie haben nichts mehr zu verlieren, das Fiscalsystem läßt ihnen keine andere Ressource als die Regierung zu bestehlen, und wenn ihnen dieses zu sehr erschwert wird, so suchen sie sich auf andere Art Luft zu machen. Eine ganze Familie kann nicht mit zwei Piaster (12 kr.) per Tag auskommen, darum stehlen Vater, Mutter und Kinder von den Nahrungsmitteln, die sie für Rechnung der Regierung ernten, und wer kann ihnen dieses verdenken, da ja 30,000 Ardep Korn diesen Augenblick in den Magazinen von Atfé verfaulen! Kann man etwas Schändlicheres ausdenken als den Dörfern dieses Jahr doppelte Abgaben aufzulegen, weil der Fiscus ausgefunden, daß, da man wie gebräuchlich das türkische Jahr nur zu zwölf Monden berechnet hat, derselbe in 30 Jahren um ein Jahr zu kurz gekommen! Man hätte den armen Teufeln ja diese Berechnung seit dem Jahr der Flucht Mohammeds machen können. Dieses ist buchstäblich wahr, und glauben Sie nicht, daß es den bei dem Pascha angestellten Ausländern viel besser ergehe. Viele derselben, die ihr rückständiges Geld nicht erhalten können, sind genöthigt Korn an Zahlungsstatt anzunehmen, welches sie dann um Geld zu machen mit 30 Proc. Verlust an die Bäcker verkaufen; sie nehmen das Korn zum Preis der Regierung, 50 Piaster per Ardep, an. Gäbe man ihnen zum wenigsten gutes Korn so könnten sie es zu 43 bis 45 Piaster zur Ausfuhr verkaufen, so aber erhalten sie nur halb verfaultes, welches sie zu Spottpreisen sogleich abgeben müssen. Alles dieses kann sich anders gestalten, wenn Mehemed Ali einmal Ruhe von außen hat, für den Augenblick aber ist das Elend des Landes aufs höchste gestiegen. – Aus Syrien haben wir nichts besonderes Neues. Soliman Pascha (Colonel Selves), soll sich bei Ibrahim Pascha in Marasch befinden, um mit ihm einen Plan zur gänzlichen Beruhigung Syriens und zur Befestigung der nördlichen Gränze desselben zu berathen. Im Horan glimmt es noch immer unter der Asche. Die Bergbewohner wollen die ihnen früher verliehenen Waffen nicht herausgeben; Emir Beschir kann und will sie auch wahrscheinlich nicht dazu zwingen. – In Arabien sind die daselbst zurück gelassenen Truppen kaum hinlänglich, um die Beduinen im Zaum zu halten, und es würde mich nicht wundern, wenn letztere in kurzem Vortheile errängen, besonders im südlichen Theil des Yemen. – Der vor 15 Tagen im russischen Consulate stattgefundene Pestfall wurde durch einen griechischen Ausreißer der türkischen Flotte verursacht; derselbe, von der Pest angesteckt, flüchtete sich mit fünf seiner Cameraden ins russische Consulat und fand daselbst Asyl; er theilte die Pest dem Bruder des Kammerdieners des Grafen Medem mit, welchen man ins Lazareth brachte, er selbst verheimlichte sie aber, aus Furcht, bis zum letzten Augenblick, wo dann sämmtliche sechs Ausreißer, die zusammen in einem Zimmer gewohnt, nach dem Lazareth abgeführt wurden, und so von neuem in die Hände des Pascha's kamen. Dieß war nun eine kitzliche Sache für den Consul: er verlangte, daß ihm diese Leute nach der Quarantäne wieder ins Consulat geliefert würden, was der Pascha rund abschlug. Der Consul drohte, sie officiell zu reclamiren, und da der Pascha alle Unannehmlichkeiten mit den fremden Mächten unter den gegenwärtigen Umständen zu vermeiden sucht, so schlug er selbst einen Mezzo termine vor, „diese Leute sollten ins Consulat zurückgeführt, alsdann aber wieder auf der Flotte angestellt und ihnen alle Strafe erlassen werden, auch sollte es ihnen gestattet seyn, sich wöchentlich im Consulat zu zeigen, um sich beklagen zu können, im Fall man ihnen nicht Wort halte.“ Da der Pascha dafür sein Ehrenwort gab, so wurde die Sache auch so abgemacht. Die fünf Griechen befinden sich heute von neuem auf der Flotte, den sechsten hat die Pest davon befreit. – Nachschrift. Die Pest läßt noch nicht nach, die täglichen Pestfälle haben aber immer noch nicht 32 überstiegen; heute 28 Pestfälle. Die französischen Dampfpaketboote nehmen keine Passagiere mehr an, seitdem die Pest sich an Bord des englischen Dampfbootes bei seiner Ankunft in Malta und an Bord des türkischen Steamer Hadschi Baba bei seiner Ankunft von hier in Smyrna gezeigt hat. Ein französischer Arzt befindet sich seit einigen Tagen hier, Hr. de la Porte, der sich zum Studium der Pest ins Lazareth einsperren will, man sucht ihn davon abzuhalten; es befinden sich beiläufig 200 Pestkranke im Lazareth. Hr. de la Porte war Arzt an Bord des französischen Kriegsdampfboots Le Lavoisier, die französische Regierung hat ihm ihre Einwilligung zu seinem Unternehmen durch Urlaub gegeben.

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Es kann aber auch nicht anders kommen bei dem unermeßlichen Elend dieser Leute; sie haben nichts mehr zu verlieren, das Fiscalsystem läßt ihnen keine andere Ressource als die Regierung zu bestehlen, und wenn ihnen dieses zu sehr erschwert wird, so suchen sie sich auf andere Art Luft zu machen. Eine ganze Familie kann nicht mit zwei Piaster (12 kr.) per Tag auskommen, darum stehlen Vater, Mutter und Kinder von den Nahrungsmitteln, die sie für Rechnung der Regierung ernten, und wer kann ihnen dieses verdenken, da ja 30,000 Ardep Korn diesen Augenblick in den Magazinen von Atfé verfaulen! Kann man etwas Schändlicheres ausdenken als den Dörfern dieses Jahr doppelte Abgaben aufzulegen, weil der Fiscus ausgefunden, daß, da man wie gebräuchlich das türkische Jahr nur zu zwölf Monden berechnet hat, derselbe in 30 Jahren um ein Jahr zu kurz gekommen! Man hätte den armen Teufeln ja diese Berechnung seit dem Jahr der Flucht Mohammeds machen können. Dieses ist buchstäblich wahr, und glauben Sie nicht, daß es den bei dem Pascha angestellten Ausländern viel besser ergehe. Viele derselben, die ihr rückständiges Geld nicht erhalten können, sind genöthigt Korn an Zahlungsstatt anzunehmen, welches sie dann um Geld zu machen mit 30 Proc. Verlust an die Bäcker verkaufen; sie nehmen das Korn zum Preis der Regierung, 50 Piaster per Ardep, an. Gäbe man ihnen zum wenigsten gutes Korn so könnten sie es zu 43 bis 45 Piaster zur Ausfuhr verkaufen, so aber erhalten sie nur halb verfaultes, welches sie zu Spottpreisen sogleich abgeben müssen. Alles dieses kann sich anders gestalten, wenn Mehemed Ali einmal Ruhe von außen hat, für den Augenblick aber ist das Elend des Landes aufs höchste gestiegen. &#x2013; Aus Syrien haben wir nichts besonderes Neues. Soliman Pascha (Colonel Selves), soll sich bei Ibrahim Pascha in Marasch befinden, um mit ihm einen Plan zur gänzlichen Beruhigung Syriens und zur Befestigung der nördlichen Gränze desselben zu berathen. Im Horan glimmt es noch immer unter der Asche. Die Bergbewohner wollen die ihnen früher verliehenen Waffen nicht herausgeben; Emir Beschir kann und will sie auch wahrscheinlich nicht dazu zwingen. &#x2013; In Arabien sind die daselbst zurück gelassenen Truppen kaum hinlänglich, um die Beduinen im Zaum zu halten, und es würde mich nicht wundern, wenn letztere in kurzem Vortheile errängen, besonders im südlichen Theil des Yemen. &#x2013; Der vor 15 Tagen im russischen Consulate stattgefundene Pestfall wurde durch einen griechischen Ausreißer der türkischen Flotte verursacht; derselbe, von der Pest angesteckt, flüchtete sich mit fünf seiner Cameraden ins russische Consulat und fand daselbst Asyl; er theilte die Pest dem Bruder des Kammerdieners des Grafen Medem mit, welchen man ins Lazareth brachte, er selbst verheimlichte sie aber, aus Furcht, bis zum letzten Augenblick, wo dann sämmtliche sechs Ausreißer, die zusammen in einem Zimmer gewohnt, nach dem Lazareth abgeführt wurden, und so von neuem in die Hände des Pascha's kamen. Dieß war nun eine kitzliche Sache für den Consul: er verlangte, daß ihm diese Leute nach der Quarantäne wieder ins Consulat geliefert würden, was der Pascha rund abschlug. Der Consul drohte, sie officiell zu reclamiren, und da der Pascha alle Unannehmlichkeiten mit den fremden Mächten unter den gegenwärtigen Umständen zu vermeiden sucht, so schlug er selbst einen Mezzo termine vor, &#x201E;diese Leute sollten ins Consulat zurückgeführt, alsdann aber wieder auf der Flotte angestellt und ihnen alle Strafe erlassen werden, auch sollte es ihnen gestattet seyn, sich wöchentlich im Consulat zu zeigen, um sich beklagen zu können, im Fall man ihnen nicht Wort halte.&#x201C; Da der Pascha dafür sein Ehrenwort gab, so wurde die Sache auch so abgemacht. Die fünf Griechen befinden sich heute von neuem auf der Flotte, den sechsten hat die Pest davon befreit. &#x2013; <hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. Die Pest läßt noch nicht nach, die täglichen Pestfälle haben aber immer noch nicht 32 überstiegen; heute 28 Pestfälle. Die französischen Dampfpaketboote nehmen keine Passagiere mehr an, seitdem die Pest sich an Bord des englischen Dampfbootes bei seiner Ankunft in Malta und an Bord des türkischen Steamer Hadschi Baba bei seiner Ankunft von hier in Smyrna gezeigt hat. Ein französischer Arzt befindet sich seit einigen Tagen hier, Hr. de la Porte, der sich zum Studium der Pest ins Lazareth einsperren will, man sucht ihn davon abzuhalten; es befinden sich beiläufig 200 Pestkranke im Lazareth. Hr. de la Porte war Arzt an Bord des französischen Kriegsdampfboots Le Lavoisier, die französische Regierung hat ihm ihre Einwilligung zu seinem Unternehmen durch Urlaub gegeben.</p>
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[1304/0008] Vergehen ließ er hängen, spießen, durch eine vor seiner Wohnung aufgepflanzte Kanone erschießen, ja selbst zwischen Bretter zersägen, wie er es vor noch nicht langer Zeit, ehe er zur Galeerenstrafe, zum Scheine, verurtheilt wurde, gethan. Dieser Mensch hat den Fellahs dieser Provinz nichts mehr gelassen, und da es der Pascha weiß, so verlangt er jetzt von ihm zwei Millionen Piaster. Bezahlt er diese, so wird er wahrscheinlich wiederum Gouverneur einer Provinz, aus der andere Gouverneure nichts mehr herauspressen können. – Ein unruhiger aufrührerischer Geist zeigt sich immer mehr unter den Arabern. Im Said fallen partielle Aufstände vor. Nicht weit von hier, bei Damanhur, erschoß dieser Tage ein Araber den Scheik seines Dorfes. Dieß war früher beinahe unerhört. Es kann aber auch nicht anders kommen bei dem unermeßlichen Elend dieser Leute; sie haben nichts mehr zu verlieren, das Fiscalsystem läßt ihnen keine andere Ressource als die Regierung zu bestehlen, und wenn ihnen dieses zu sehr erschwert wird, so suchen sie sich auf andere Art Luft zu machen. Eine ganze Familie kann nicht mit zwei Piaster (12 kr.) per Tag auskommen, darum stehlen Vater, Mutter und Kinder von den Nahrungsmitteln, die sie für Rechnung der Regierung ernten, und wer kann ihnen dieses verdenken, da ja 30,000 Ardep Korn diesen Augenblick in den Magazinen von Atfé verfaulen! Kann man etwas Schändlicheres ausdenken als den Dörfern dieses Jahr doppelte Abgaben aufzulegen, weil der Fiscus ausgefunden, daß, da man wie gebräuchlich das türkische Jahr nur zu zwölf Monden berechnet hat, derselbe in 30 Jahren um ein Jahr zu kurz gekommen! Man hätte den armen Teufeln ja diese Berechnung seit dem Jahr der Flucht Mohammeds machen können. Dieses ist buchstäblich wahr, und glauben Sie nicht, daß es den bei dem Pascha angestellten Ausländern viel besser ergehe. Viele derselben, die ihr rückständiges Geld nicht erhalten können, sind genöthigt Korn an Zahlungsstatt anzunehmen, welches sie dann um Geld zu machen mit 30 Proc. Verlust an die Bäcker verkaufen; sie nehmen das Korn zum Preis der Regierung, 50 Piaster per Ardep, an. Gäbe man ihnen zum wenigsten gutes Korn so könnten sie es zu 43 bis 45 Piaster zur Ausfuhr verkaufen, so aber erhalten sie nur halb verfaultes, welches sie zu Spottpreisen sogleich abgeben müssen. Alles dieses kann sich anders gestalten, wenn Mehemed Ali einmal Ruhe von außen hat, für den Augenblick aber ist das Elend des Landes aufs höchste gestiegen. – Aus Syrien haben wir nichts besonderes Neues. Soliman Pascha (Colonel Selves), soll sich bei Ibrahim Pascha in Marasch befinden, um mit ihm einen Plan zur gänzlichen Beruhigung Syriens und zur Befestigung der nördlichen Gränze desselben zu berathen. Im Horan glimmt es noch immer unter der Asche. Die Bergbewohner wollen die ihnen früher verliehenen Waffen nicht herausgeben; Emir Beschir kann und will sie auch wahrscheinlich nicht dazu zwingen. – In Arabien sind die daselbst zurück gelassenen Truppen kaum hinlänglich, um die Beduinen im Zaum zu halten, und es würde mich nicht wundern, wenn letztere in kurzem Vortheile errängen, besonders im südlichen Theil des Yemen. – Der vor 15 Tagen im russischen Consulate stattgefundene Pestfall wurde durch einen griechischen Ausreißer der türkischen Flotte verursacht; derselbe, von der Pest angesteckt, flüchtete sich mit fünf seiner Cameraden ins russische Consulat und fand daselbst Asyl; er theilte die Pest dem Bruder des Kammerdieners des Grafen Medem mit, welchen man ins Lazareth brachte, er selbst verheimlichte sie aber, aus Furcht, bis zum letzten Augenblick, wo dann sämmtliche sechs Ausreißer, die zusammen in einem Zimmer gewohnt, nach dem Lazareth abgeführt wurden, und so von neuem in die Hände des Pascha's kamen. Dieß war nun eine kitzliche Sache für den Consul: er verlangte, daß ihm diese Leute nach der Quarantäne wieder ins Consulat geliefert würden, was der Pascha rund abschlug. Der Consul drohte, sie officiell zu reclamiren, und da der Pascha alle Unannehmlichkeiten mit den fremden Mächten unter den gegenwärtigen Umständen zu vermeiden sucht, so schlug er selbst einen Mezzo termine vor, „diese Leute sollten ins Consulat zurückgeführt, alsdann aber wieder auf der Flotte angestellt und ihnen alle Strafe erlassen werden, auch sollte es ihnen gestattet seyn, sich wöchentlich im Consulat zu zeigen, um sich beklagen zu können, im Fall man ihnen nicht Wort halte.“ Da der Pascha dafür sein Ehrenwort gab, so wurde die Sache auch so abgemacht. Die fünf Griechen befinden sich heute von neuem auf der Flotte, den sechsten hat die Pest davon befreit. – Nachschrift. Die Pest läßt noch nicht nach, die täglichen Pestfälle haben aber immer noch nicht 32 überstiegen; heute 28 Pestfälle. Die französischen Dampfpaketboote nehmen keine Passagiere mehr an, seitdem die Pest sich an Bord des englischen Dampfbootes bei seiner Ankunft in Malta und an Bord des türkischen Steamer Hadschi Baba bei seiner Ankunft von hier in Smyrna gezeigt hat. Ein französischer Arzt befindet sich seit einigen Tagen hier, Hr. de la Porte, der sich zum Studium der Pest ins Lazareth einsperren will, man sucht ihn davon abzuhalten; es befinden sich beiläufig 200 Pestkranke im Lazareth. Hr. de la Porte war Arzt an Bord des französischen Kriegsdampfboots Le Lavoisier, die französische Regierung hat ihm ihre Einwilligung zu seinem Unternehmen durch Urlaub gegeben.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 163. Augsburg, 11. Juni 1840, S. 1304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_163_18400611/8>, abgerufen am 22.11.2024.