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Allgemeine Zeitung. Nr. 160. Augsburg, 8. Juni 1840.

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Deutsche Emigranten in Guiana.

Ich habe Ihnen vor einiger Zeit geschrieben, um meine Besorgnisse über die Versuche auszudrücken, welche die westindischen Pflanzer machen würden, deutsche Emigranten in Havre, Rotterdam und Hamburg nach den Inseln zu ziehen. Daß der Versuch gemacht werden würde, war leicht mit Gewißheit vorauszusehen, wenn man die Debatten über die Mittel, die Zahl der Arbeiter zu vermehren, in allen westindischen Journalen las, und den Anfang des Systems bemerkt hatte, der vor mehr als einem Jahr in Hamburg gemacht wurde. Seitdem haben die Pflanzer von Trinidad, wie es scheint, einen Agenten nach Havre geschickt, und man sieht in französischen Zeitungen die Nachricht, daß zwei Elsässer in Martinique angekommen seyen, der Rest einer Partie von 123, die aus Havre nach Trinidad ausgewandert war, und theils aus Deutschen, theils aus Elsässern bestand. Havre ist von armen deutschen Emigranten überschwemmt, welche großentheils die Mittel nicht haben, ihre Passage nach Nordamerika zu bezahlen, und sich daher leicht von westindischen Agenten überreden lassen, in die Inseln auszuwandern, wenn sie eine freie Ueberfahrt dahin erhalten, und dieß sind die Pflanzer sehr willig ihnen zu gewähren. Der Agent von Trinidad scheint durch goldene Versprechungen diese 123 Auswanderer nach der Insel gelockt zu haben, wo nach der Aussage der zwei nach Martinique gekommenen die meisten bald dem Klima erlegen waren. Der bekannte Reisende Schomburgh, der kürzlich aus Demerara hier ankam, hat eine Beschreibung von Guiana drucken lassen, in welcher er zu beweisen sucht, daß das Klima Europäern nicht schädlich sey, und diese Behauptung suchen die Pflanzer von Guiana zu benützen, um europäische Arbeiter anzulocken. Die Colonie war bisher mit dem Gouvernement im Streit über die Verwendung der Colonialeinnahmen zur Beförderung der Einwanderung; aber nach den neuesten Nachrichten wird wahrscheinlich eine Uebereinkunft getroffen werden, und die Colonie künftig sehr bedeutende Summen, man sagt 70,000 Pfd. St. jährlich, darauf verwenden können. Jedenfalls aber sind die Pflanzer sehr entschlossen, die Sache auch ohne Hülfe der Regierung zu thun. Sie haben durch eine erste Subscription 6000 Pfd. zusammengeschossen und 1500 davon ihrem Agenten in Baltimore geschickt, um Schiffe für den Transport freier Neger und Mulatten aus den Vereinigten Staaten zu nehmen. Sie wollen um jeden Preis ihre Zuckercultur vermehren und die Abnahme der Ausfuhr aus Jamaica und Barbados, welche im letzten Jahre 683,000 Centner betragen hat, ersetzen, da sie Ueberfluß an Land haben, und es ihnen nur an Arbeitern fehlt. Dieser Ueberfluß an Land macht, daß die Neger sich schneller als in den stärker bevölkerten Colonien im Stande sehen, selbst Land anzukaufen, und ob sie gleich darum nicht aufhören, sich an die Pflanzer zu verdingen, so geben sie doch natürlich den Pflanzern nur noch einen Theil ihrer Zeit, und diese brauchen eine beständige Einfuhr neuer Arbeiter. Die Neger kaufen gewöhnlich einen Morgen Land, sobald sie können, bezahlen dafür im Durchschnitt 18 Pfd. St. und errichten darauf eine Wohnung, die sie 40 bis 50 Pfd. St. kostet. Die Zahl der auf diese Art sich etablirenden Negerfamilien betrug vom 1 August 1838 bis zum 1 Nov. 1839 in den Districten, von denen man Berichte hatte, 267, aber in der neuesten Zeit haben sie vortheilhafter gefunden, zusammenzustehen und ganze Pflanzungen zu kaufen, die sie denn unter sich zerschlagen. So haben z. B. 63 Neger die Pflanzung North Brook, die aus 500 Morgen besteht, um 10,000 Dollars gekauft, und an den Gouverneur geschrieben, daß sie ihr aus Dankbarkeit gegen die Königin, unter deren Regierung sie ihre Freiheit erhalten hätten, den Namen Victoria beilegen. Sie erklärten ihm zugleich, daß sie fortfahren würden, auf den Pflanzungen, zu denen sie bisher gehörten, zu arbeiten. Sie wollen ein Schulhaus und eine Kirche auf ihrer Pflanzung errichten, und bitten den Gouverneur, ihr Land vermessen zu lassen, damit alle Streitigkeiten in der Vertheilung desselben wegfallen. In dem Guiana-Chronicle vom 6 April findet man eine neue Anzeige eines ähnlichen Kaufs. Die Neger der Pflanzungen Annadole und Lusignan haben die Pflanzung New-Orange Nassau von dem Besitzer A. Holmes um 50,000 Dollars gekauft, und sich anheischig gemacht, die ganze Summe in vierzehn Tagen baar zu bezahlen; sie wollen die Pflanzung, auf der gegenwärtig Baumwolle und Bananen producirt werden, in eine Zuckerpflanzung verwandeln. Dieser Ankauf ist äußerst merkwürdig, nicht nur wegen der Größe der Summe, welche die Neger baar bezahlen, sondern wegen der Organisation, welche der Plan voraussetzt, indem eine Zuckerplantage, durch das gemeinschaftliche Capital der Arbeiter selbst betrieben, eine ganz neue Erscheinung ist. Es ist daher vollkommen klar, daß dieser Geist, der in den Negern lebt, die europäischen Pflanzer in nicht langer Zeit des besten Theils ihrer bisherigen Arbeiter berauben muß, und sie daher nach und nach gezwungen seyn werden, der Einführung neuer Arbeiter Opfer zu bringen, und daher eine immer dringendere Pflicht wird, deutsche Auswanderer gegen sie zu warnen, denn Feldarbeit in dem Klima von Westindien ist ihnen in nicht langer Zeit tödtlich. Der Arbeitslohn ist keineswegs sehr hoch, wie man aus den Ankäufen der Neger schließen sollte, denn er beträgt für Arbeit in den Zuckerpflanzungen nur einen holländischen Gulden täglich, was bei der Theurung der Lebensmittel nicht viel ist. Es ist wahrscheinlich, daß das Geld der Neger zum Theil von ihnen schon vor der Emancipation durch den Erlös aus ihren Gärten zusammengebracht war, und daß es zum Theil auf Hypothek der Güter entlehnt ist, woraus sich auch erklärt, daß sie fortfahren, sich zu verdingen, ohne Zweifel nur so lang, bis die Schulden bezahlt sind. Die Pflanzer lügen aufs unverschämteste über die Preise der Arbeit, die sie bezahlen, wie in der letzten Versammlung der Antislavery-Society von Liverpool zur Genüge bewiesen worden ist. Man kann daher deutsche Emigranten nie genug warnen, sich nicht von ihnen bethören zu lassen, und ehemalige Sklavencolonien, so wie alle tropischen Länder durchaus und unter jeder Bedingung zu vermeiden.

Ueber die dermaligen politischen Zustände der Schweiz.

I. Die Kantone.

Zwei Correspondenten der Allg. Zeitung haben schon vor einiger Zeit umfassende Bilder der schweizerischen Zustände gezeichnet, der eine von St. Gallen aus ein glänzend helles, der andere von Bern aus ein schattig düsteres. In beiden Bildern war Wahrheit; aber mehr noch in der Beschränkung und Ergänzung des einen durch das andere. Wenn ich ein drittes Bild diesen beiden frühern hinzufüge, so wird es mir leicht, ohne in eine Kritik der Vorgänger näher einzugehen, von einem andern Gesichtspunkt aus eine neue Darstellung zu geben. Ließen sich doch mannichfaltige

Deutsche Emigranten in Guiana.

Ich habe Ihnen vor einiger Zeit geschrieben, um meine Besorgnisse über die Versuche auszudrücken, welche die westindischen Pflanzer machen würden, deutsche Emigranten in Havre, Rotterdam und Hamburg nach den Inseln zu ziehen. Daß der Versuch gemacht werden würde, war leicht mit Gewißheit vorauszusehen, wenn man die Debatten über die Mittel, die Zahl der Arbeiter zu vermehren, in allen westindischen Journalen las, und den Anfang des Systems bemerkt hatte, der vor mehr als einem Jahr in Hamburg gemacht wurde. Seitdem haben die Pflanzer von Trinidad, wie es scheint, einen Agenten nach Havre geschickt, und man sieht in französischen Zeitungen die Nachricht, daß zwei Elsässer in Martinique angekommen seyen, der Rest einer Partie von 123, die aus Havre nach Trinidad ausgewandert war, und theils aus Deutschen, theils aus Elsässern bestand. Havre ist von armen deutschen Emigranten überschwemmt, welche großentheils die Mittel nicht haben, ihre Passage nach Nordamerika zu bezahlen, und sich daher leicht von westindischen Agenten überreden lassen, in die Inseln auszuwandern, wenn sie eine freie Ueberfahrt dahin erhalten, und dieß sind die Pflanzer sehr willig ihnen zu gewähren. Der Agent von Trinidad scheint durch goldene Versprechungen diese 123 Auswanderer nach der Insel gelockt zu haben, wo nach der Aussage der zwei nach Martinique gekommenen die meisten bald dem Klima erlegen waren. Der bekannte Reisende Schomburgh, der kürzlich aus Demerara hier ankam, hat eine Beschreibung von Guiana drucken lassen, in welcher er zu beweisen sucht, daß das Klima Europäern nicht schädlich sey, und diese Behauptung suchen die Pflanzer von Guiana zu benützen, um europäische Arbeiter anzulocken. Die Colonie war bisher mit dem Gouvernement im Streit über die Verwendung der Colonialeinnahmen zur Beförderung der Einwanderung; aber nach den neuesten Nachrichten wird wahrscheinlich eine Uebereinkunft getroffen werden, und die Colonie künftig sehr bedeutende Summen, man sagt 70,000 Pfd. St. jährlich, darauf verwenden können. Jedenfalls aber sind die Pflanzer sehr entschlossen, die Sache auch ohne Hülfe der Regierung zu thun. Sie haben durch eine erste Subscription 6000 Pfd. zusammengeschossen und 1500 davon ihrem Agenten in Baltimore geschickt, um Schiffe für den Transport freier Neger und Mulatten aus den Vereinigten Staaten zu nehmen. Sie wollen um jeden Preis ihre Zuckercultur vermehren und die Abnahme der Ausfuhr aus Jamaica und Barbados, welche im letzten Jahre 683,000 Centner betragen hat, ersetzen, da sie Ueberfluß an Land haben, und es ihnen nur an Arbeitern fehlt. Dieser Ueberfluß an Land macht, daß die Neger sich schneller als in den stärker bevölkerten Colonien im Stande sehen, selbst Land anzukaufen, und ob sie gleich darum nicht aufhören, sich an die Pflanzer zu verdingen, so geben sie doch natürlich den Pflanzern nur noch einen Theil ihrer Zeit, und diese brauchen eine beständige Einfuhr neuer Arbeiter. Die Neger kaufen gewöhnlich einen Morgen Land, sobald sie können, bezahlen dafür im Durchschnitt 18 Pfd. St. und errichten darauf eine Wohnung, die sie 40 bis 50 Pfd. St. kostet. Die Zahl der auf diese Art sich etablirenden Negerfamilien betrug vom 1 August 1838 bis zum 1 Nov. 1839 in den Districten, von denen man Berichte hatte, 267, aber in der neuesten Zeit haben sie vortheilhafter gefunden, zusammenzustehen und ganze Pflanzungen zu kaufen, die sie denn unter sich zerschlagen. So haben z. B. 63 Neger die Pflanzung North Brook, die aus 500 Morgen besteht, um 10,000 Dollars gekauft, und an den Gouverneur geschrieben, daß sie ihr aus Dankbarkeit gegen die Königin, unter deren Regierung sie ihre Freiheit erhalten hätten, den Namen Victoria beilegen. Sie erklärten ihm zugleich, daß sie fortfahren würden, auf den Pflanzungen, zu denen sie bisher gehörten, zu arbeiten. Sie wollen ein Schulhaus und eine Kirche auf ihrer Pflanzung errichten, und bitten den Gouverneur, ihr Land vermessen zu lassen, damit alle Streitigkeiten in der Vertheilung desselben wegfallen. In dem Guiana-Chronicle vom 6 April findet man eine neue Anzeige eines ähnlichen Kaufs. Die Neger der Pflanzungen Annadole und Lusignan haben die Pflanzung New-Orange Nassau von dem Besitzer A. Holmes um 50,000 Dollars gekauft, und sich anheischig gemacht, die ganze Summe in vierzehn Tagen baar zu bezahlen; sie wollen die Pflanzung, auf der gegenwärtig Baumwolle und Bananen producirt werden, in eine Zuckerpflanzung verwandeln. Dieser Ankauf ist äußerst merkwürdig, nicht nur wegen der Größe der Summe, welche die Neger baar bezahlen, sondern wegen der Organisation, welche der Plan voraussetzt, indem eine Zuckerplantage, durch das gemeinschaftliche Capital der Arbeiter selbst betrieben, eine ganz neue Erscheinung ist. Es ist daher vollkommen klar, daß dieser Geist, der in den Negern lebt, die europäischen Pflanzer in nicht langer Zeit des besten Theils ihrer bisherigen Arbeiter berauben muß, und sie daher nach und nach gezwungen seyn werden, der Einführung neuer Arbeiter Opfer zu bringen, und daher eine immer dringendere Pflicht wird, deutsche Auswanderer gegen sie zu warnen, denn Feldarbeit in dem Klima von Westindien ist ihnen in nicht langer Zeit tödtlich. Der Arbeitslohn ist keineswegs sehr hoch, wie man aus den Ankäufen der Neger schließen sollte, denn er beträgt für Arbeit in den Zuckerpflanzungen nur einen holländischen Gulden täglich, was bei der Theurung der Lebensmittel nicht viel ist. Es ist wahrscheinlich, daß das Geld der Neger zum Theil von ihnen schon vor der Emancipation durch den Erlös aus ihren Gärten zusammengebracht war, und daß es zum Theil auf Hypothek der Güter entlehnt ist, woraus sich auch erklärt, daß sie fortfahren, sich zu verdingen, ohne Zweifel nur so lang, bis die Schulden bezahlt sind. Die Pflanzer lügen aufs unverschämteste über die Preise der Arbeit, die sie bezahlen, wie in der letzten Versammlung der Antislavery-Society von Liverpool zur Genüge bewiesen worden ist. Man kann daher deutsche Emigranten nie genug warnen, sich nicht von ihnen bethören zu lassen, und ehemalige Sklavencolonien, so wie alle tropischen Länder durchaus und unter jeder Bedingung zu vermeiden.

Ueber die dermaligen politischen Zustände der Schweiz.

I. Die Kantone.

Zwei Correspondenten der Allg. Zeitung haben schon vor einiger Zeit umfassende Bilder der schweizerischen Zustände gezeichnet, der eine von St. Gallen aus ein glänzend helles, der andere von Bern aus ein schattig düsteres. In beiden Bildern war Wahrheit; aber mehr noch in der Beschränkung und Ergänzung des einen durch das andere. Wenn ich ein drittes Bild diesen beiden frühern hinzufüge, so wird es mir leicht, ohne in eine Kritik der Vorgänger näher einzugehen, von einem andern Gesichtspunkt aus eine neue Darstellung zu geben. Ließen sich doch mannichfaltige

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Havre ist von armen deutschen Emigranten überschwemmt, welche großentheils die Mittel nicht haben, ihre Passage nach Nordamerika zu bezahlen, und sich daher leicht von westindischen Agenten überreden lassen, in die Inseln auszuwandern, wenn sie eine freie Ueberfahrt dahin erhalten, und dieß sind die Pflanzer sehr willig ihnen zu gewähren. Der Agent von Trinidad scheint durch goldene Versprechungen diese 123 Auswanderer nach der Insel gelockt zu haben, wo nach der Aussage der zwei nach Martinique gekommenen die meisten bald dem Klima erlegen waren. Der bekannte Reisende Schomburgh, der kürzlich aus Demerara hier ankam, hat eine Beschreibung von Guiana drucken lassen, in welcher er zu beweisen sucht, daß das Klima Europäern nicht schädlich sey, und diese Behauptung suchen die Pflanzer von Guiana zu benützen, um europäische Arbeiter anzulocken. Die Colonie war bisher mit dem Gouvernement im Streit über die Verwendung der Colonialeinnahmen zur Beförderung der Einwanderung; aber nach den neuesten Nachrichten wird wahrscheinlich eine Uebereinkunft getroffen werden, und die Colonie künftig sehr bedeutende Summen, man sagt 70,000 Pfd. St. jährlich, darauf verwenden können. Jedenfalls aber sind die Pflanzer sehr entschlossen, die Sache auch ohne Hülfe der Regierung zu thun. Sie haben durch eine erste Subscription 6000 Pfd. zusammengeschossen und 1500 davon ihrem Agenten in Baltimore geschickt, um Schiffe für den Transport freier Neger und Mulatten aus den Vereinigten Staaten zu nehmen. Sie wollen um jeden Preis ihre Zuckercultur vermehren und die Abnahme der Ausfuhr aus Jamaica und Barbados, welche im letzten Jahre 683,000 Centner betragen hat, ersetzen, da sie Ueberfluß an Land haben, und es ihnen nur an Arbeitern fehlt. Dieser Ueberfluß an Land macht, daß die Neger sich schneller als in den stärker bevölkerten Colonien im Stande sehen, selbst Land anzukaufen, und ob sie gleich darum nicht aufhören, sich an die Pflanzer zu verdingen, so geben sie doch natürlich den Pflanzern nur noch einen Theil ihrer Zeit, und diese brauchen eine beständige Einfuhr neuer Arbeiter. Die Neger kaufen gewöhnlich einen Morgen Land, sobald sie können, bezahlen dafür im Durchschnitt 18 Pfd. St. und errichten darauf eine Wohnung, die sie 40 bis 50 Pfd. St. kostet. Die Zahl der auf diese Art sich etablirenden Negerfamilien betrug vom 1 August 1838 bis zum 1 Nov. 1839 in den Districten, von denen man Berichte hatte, 267, aber in der neuesten Zeit haben sie vortheilhafter gefunden, zusammenzustehen und ganze Pflanzungen zu kaufen, die sie denn unter sich zerschlagen. So haben z. B. 63 Neger die Pflanzung North Brook, die aus 500 Morgen besteht, um 10,000 Dollars gekauft, und an den Gouverneur geschrieben, daß sie ihr aus Dankbarkeit gegen die Königin, unter deren Regierung sie ihre Freiheit erhalten hätten, den Namen Victoria beilegen. Sie erklärten ihm zugleich, daß sie fortfahren würden, auf den Pflanzungen, zu denen sie bisher gehörten, zu arbeiten. Sie wollen ein Schulhaus und eine Kirche auf ihrer Pflanzung errichten, und bitten den Gouverneur, ihr Land vermessen zu lassen, damit alle Streitigkeiten in der Vertheilung desselben wegfallen. In dem Guiana-Chronicle vom 6 April findet man eine neue Anzeige eines ähnlichen Kaufs. Die Neger der Pflanzungen Annadole und Lusignan haben die Pflanzung New-Orange Nassau von dem Besitzer A. Holmes um 50,000 Dollars gekauft, und sich anheischig gemacht, die ganze Summe in vierzehn Tagen baar zu bezahlen; sie wollen die Pflanzung, auf der gegenwärtig Baumwolle und Bananen producirt werden, in eine Zuckerpflanzung verwandeln. Dieser Ankauf ist äußerst merkwürdig, nicht nur wegen der Größe der Summe, welche die Neger baar bezahlen, sondern wegen der Organisation, welche der Plan voraussetzt, indem eine Zuckerplantage, durch das gemeinschaftliche Capital der Arbeiter selbst betrieben, eine ganz neue Erscheinung ist. Es ist daher vollkommen klar, daß dieser Geist, der in den Negern lebt, die europäischen Pflanzer in nicht langer Zeit des besten Theils ihrer bisherigen Arbeiter berauben muß, und sie daher nach und nach gezwungen seyn werden, der Einführung neuer Arbeiter Opfer zu bringen, und daher eine immer dringendere Pflicht wird, deutsche Auswanderer gegen sie zu warnen, denn Feldarbeit in dem Klima von Westindien ist ihnen in nicht langer Zeit tödtlich. Der Arbeitslohn ist keineswegs sehr hoch, wie man aus den Ankäufen der Neger schließen sollte, denn er beträgt für Arbeit in den Zuckerpflanzungen nur einen holländischen Gulden täglich, was bei der Theurung der Lebensmittel nicht viel ist. Es ist wahrscheinlich, daß das Geld der Neger zum Theil von ihnen schon vor der Emancipation durch den Erlös aus ihren Gärten zusammengebracht war, und daß es zum Theil auf Hypothek der Güter entlehnt ist, woraus sich auch erklärt, daß sie fortfahren, sich zu verdingen, ohne Zweifel nur so lang, bis die Schulden bezahlt sind. Die Pflanzer lügen aufs unverschämteste über die Preise der Arbeit, die sie bezahlen, wie in der letzten Versammlung der Antislavery-Society von Liverpool zur Genüge bewiesen worden ist. Man kann daher deutsche Emigranten nie genug warnen, sich nicht von ihnen bethören zu lassen, und ehemalige Sklavencolonien, so wie alle tropischen Länder durchaus und unter jeder Bedingung zu vermeiden.</p><lb/>
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[1273/0009] Deutsche Emigranten in Guiana. _ London, 29 April. Ich habe Ihnen vor einiger Zeit geschrieben, um meine Besorgnisse über die Versuche auszudrücken, welche die westindischen Pflanzer machen würden, deutsche Emigranten in Havre, Rotterdam und Hamburg nach den Inseln zu ziehen. Daß der Versuch gemacht werden würde, war leicht mit Gewißheit vorauszusehen, wenn man die Debatten über die Mittel, die Zahl der Arbeiter zu vermehren, in allen westindischen Journalen las, und den Anfang des Systems bemerkt hatte, der vor mehr als einem Jahr in Hamburg gemacht wurde. Seitdem haben die Pflanzer von Trinidad, wie es scheint, einen Agenten nach Havre geschickt, und man sieht in französischen Zeitungen die Nachricht, daß zwei Elsässer in Martinique angekommen seyen, der Rest einer Partie von 123, die aus Havre nach Trinidad ausgewandert war, und theils aus Deutschen, theils aus Elsässern bestand. Havre ist von armen deutschen Emigranten überschwemmt, welche großentheils die Mittel nicht haben, ihre Passage nach Nordamerika zu bezahlen, und sich daher leicht von westindischen Agenten überreden lassen, in die Inseln auszuwandern, wenn sie eine freie Ueberfahrt dahin erhalten, und dieß sind die Pflanzer sehr willig ihnen zu gewähren. Der Agent von Trinidad scheint durch goldene Versprechungen diese 123 Auswanderer nach der Insel gelockt zu haben, wo nach der Aussage der zwei nach Martinique gekommenen die meisten bald dem Klima erlegen waren. Der bekannte Reisende Schomburgh, der kürzlich aus Demerara hier ankam, hat eine Beschreibung von Guiana drucken lassen, in welcher er zu beweisen sucht, daß das Klima Europäern nicht schädlich sey, und diese Behauptung suchen die Pflanzer von Guiana zu benützen, um europäische Arbeiter anzulocken. Die Colonie war bisher mit dem Gouvernement im Streit über die Verwendung der Colonialeinnahmen zur Beförderung der Einwanderung; aber nach den neuesten Nachrichten wird wahrscheinlich eine Uebereinkunft getroffen werden, und die Colonie künftig sehr bedeutende Summen, man sagt 70,000 Pfd. St. jährlich, darauf verwenden können. Jedenfalls aber sind die Pflanzer sehr entschlossen, die Sache auch ohne Hülfe der Regierung zu thun. Sie haben durch eine erste Subscription 6000 Pfd. zusammengeschossen und 1500 davon ihrem Agenten in Baltimore geschickt, um Schiffe für den Transport freier Neger und Mulatten aus den Vereinigten Staaten zu nehmen. Sie wollen um jeden Preis ihre Zuckercultur vermehren und die Abnahme der Ausfuhr aus Jamaica und Barbados, welche im letzten Jahre 683,000 Centner betragen hat, ersetzen, da sie Ueberfluß an Land haben, und es ihnen nur an Arbeitern fehlt. Dieser Ueberfluß an Land macht, daß die Neger sich schneller als in den stärker bevölkerten Colonien im Stande sehen, selbst Land anzukaufen, und ob sie gleich darum nicht aufhören, sich an die Pflanzer zu verdingen, so geben sie doch natürlich den Pflanzern nur noch einen Theil ihrer Zeit, und diese brauchen eine beständige Einfuhr neuer Arbeiter. Die Neger kaufen gewöhnlich einen Morgen Land, sobald sie können, bezahlen dafür im Durchschnitt 18 Pfd. St. und errichten darauf eine Wohnung, die sie 40 bis 50 Pfd. St. kostet. Die Zahl der auf diese Art sich etablirenden Negerfamilien betrug vom 1 August 1838 bis zum 1 Nov. 1839 in den Districten, von denen man Berichte hatte, 267, aber in der neuesten Zeit haben sie vortheilhafter gefunden, zusammenzustehen und ganze Pflanzungen zu kaufen, die sie denn unter sich zerschlagen. So haben z. B. 63 Neger die Pflanzung North Brook, die aus 500 Morgen besteht, um 10,000 Dollars gekauft, und an den Gouverneur geschrieben, daß sie ihr aus Dankbarkeit gegen die Königin, unter deren Regierung sie ihre Freiheit erhalten hätten, den Namen Victoria beilegen. Sie erklärten ihm zugleich, daß sie fortfahren würden, auf den Pflanzungen, zu denen sie bisher gehörten, zu arbeiten. Sie wollen ein Schulhaus und eine Kirche auf ihrer Pflanzung errichten, und bitten den Gouverneur, ihr Land vermessen zu lassen, damit alle Streitigkeiten in der Vertheilung desselben wegfallen. In dem Guiana-Chronicle vom 6 April findet man eine neue Anzeige eines ähnlichen Kaufs. Die Neger der Pflanzungen Annadole und Lusignan haben die Pflanzung New-Orange Nassau von dem Besitzer A. Holmes um 50,000 Dollars gekauft, und sich anheischig gemacht, die ganze Summe in vierzehn Tagen baar zu bezahlen; sie wollen die Pflanzung, auf der gegenwärtig Baumwolle und Bananen producirt werden, in eine Zuckerpflanzung verwandeln. Dieser Ankauf ist äußerst merkwürdig, nicht nur wegen der Größe der Summe, welche die Neger baar bezahlen, sondern wegen der Organisation, welche der Plan voraussetzt, indem eine Zuckerplantage, durch das gemeinschaftliche Capital der Arbeiter selbst betrieben, eine ganz neue Erscheinung ist. Es ist daher vollkommen klar, daß dieser Geist, der in den Negern lebt, die europäischen Pflanzer in nicht langer Zeit des besten Theils ihrer bisherigen Arbeiter berauben muß, und sie daher nach und nach gezwungen seyn werden, der Einführung neuer Arbeiter Opfer zu bringen, und daher eine immer dringendere Pflicht wird, deutsche Auswanderer gegen sie zu warnen, denn Feldarbeit in dem Klima von Westindien ist ihnen in nicht langer Zeit tödtlich. Der Arbeitslohn ist keineswegs sehr hoch, wie man aus den Ankäufen der Neger schließen sollte, denn er beträgt für Arbeit in den Zuckerpflanzungen nur einen holländischen Gulden täglich, was bei der Theurung der Lebensmittel nicht viel ist. Es ist wahrscheinlich, daß das Geld der Neger zum Theil von ihnen schon vor der Emancipation durch den Erlös aus ihren Gärten zusammengebracht war, und daß es zum Theil auf Hypothek der Güter entlehnt ist, woraus sich auch erklärt, daß sie fortfahren, sich zu verdingen, ohne Zweifel nur so lang, bis die Schulden bezahlt sind. Die Pflanzer lügen aufs unverschämteste über die Preise der Arbeit, die sie bezahlen, wie in der letzten Versammlung der Antislavery-Society von Liverpool zur Genüge bewiesen worden ist. Man kann daher deutsche Emigranten nie genug warnen, sich nicht von ihnen bethören zu lassen, und ehemalige Sklavencolonien, so wie alle tropischen Länder durchaus und unter jeder Bedingung zu vermeiden. Ueber die dermaligen politischen Zustände der Schweiz. I. Die Kantone. _ Zürich, 1 Junius. Zwei Correspondenten der Allg. Zeitung haben schon vor einiger Zeit umfassende Bilder der schweizerischen Zustände gezeichnet, der eine von St. Gallen aus ein glänzend helles, der andere von Bern aus ein schattig düsteres. In beiden Bildern war Wahrheit; aber mehr noch in der Beschränkung und Ergänzung des einen durch das andere. Wenn ich ein drittes Bild diesen beiden frühern hinzufüge, so wird es mir leicht, ohne in eine Kritik der Vorgänger näher einzugehen, von einem andern Gesichtspunkt aus eine neue Darstellung zu geben. Ließen sich doch mannichfaltige

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 160. Augsburg, 8. Juni 1840, S. 1273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_160_18400608/9>, abgerufen am 24.11.2024.