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Allgemeine Zeitung. Nr. 160. Augsburg, 8. Juni 1840.

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von Constantine und anderwärts waren, hat noch nie ein Tag in diesem Lande so viel gekostet, und das nur wegen der Nachlässigkeit und Unfähigkeit des Führers. Die regulären Truppen Abd-El-Kaders, 2000 Mann stark, die Kabylen ungefähr 4000 Mann, und die abgesessenen Reiter gegen 5000 Mann stark, haben die 5000 Mann, die uns noch blieben, so gedrängt, daß man genöthigt war, die Verwundeten zurückzulassen, denen in Gegenwart ihrer Cameraden die Köpfe abgeschnitten wurden. Die übrigen vertheilen sich ungefähr also: 1000 Mann wurden auf diesem Spaziergang nutzlos verloren, 7500 Mann im Lager von Muzaya, 2000 in den Engpässen und 2300 sehr unklug in Medeah gelassen. So oft man Medeah wird aufs neue verproviantiren wollen, muß man wieder einen Feldzug unternehmen, der wenigstens eben so theuer wie der letzte zu stehen kommen wird, da die Zahl, das Vertrauen, die Taktik und der Muth der Araber sich mit jedem für sie vortheilhaften Gefecht verhundertfacht. Ich versichere Sie, sie halten sich gut, sehr gut. Ich habe sie unsere Truppen mit dem Bajonnette angreifen sehen; sie hätten uns fast ein Feldstück genommen; ihre Wuth ist so groß, daß sie unsere Todten ausgegraben haben, um ihnen den Kopf abzuschneiden, während sie die Leichen unserer Officiere rösteten. Man hat aber die Gräber vor ihnen verborgen gehalten und Feuer darauf angemacht, um nicht sehen zu lassen, daß die Erde aufgelockert war. Die Araber haben uns viermal so viel Menschen getödtet als wir ihnen; das begreift sich leicht: der Marschall hat, während seines 1 1/2 stündigen Frühstücks, ihnen Zeit gelassen, sich einzeln oder in Massen in Hinterhalt zu legen, da sie die Oertlichkeit trefflich kennen. Von den Höhen haben sie auf unsere in der Ebene stehenden Massen, oder auf die einzeln und langsam in den engen und schwierigen Fußpfaden Dahinziehenden geschossen. Alle Welt befiehlt uns; aber Niemand sorgt für uns. In einer Stunde zehn widersprechende Befehle, Marsch, Rückzug, Befehl, Gegenbefehl, immer und zu jeder Zeit; dem sind wir stets ausgesetzt. Leben Sie wohl, lieber Freund. In einigen Tagen müssen wir einen neuen Feldzug beginnen, aber womit? Wenn das Ministerium nicht Ordnung macht, so fürchtet man für diese Expedition wahre und nicht wieder gut zu machende Unglücksfälle. Will man die Colonie behalten, so eile man, Gouverneur und Regierungsart zu ändern."

Italien.

Morgen wird ein großes Fest an Bord des englischen Admiralsschiffes statt finden, dem, wie es heißt, Se. Maj. der König beiwohnen wird. Die Rente ist in Folge dessen bis auf 106 1/2 und 107 gestiegen. Admiral Stopford hat von Sr. Maj. die Einladung erhalten, der am 30 d. M. stattfindenden feierlichen Wiedereröffnung des Theaters San Carlo beizuwohnen. Die neue Gesellschaft findet von Seite der Censur große Schwierigkeiten. Mehrere Opern, die früher sehr oft hier gegeben worden sind, wie Anna Bolena, Ines di Castro, Parisina wurden vom Repertorium gestrichen; ebenso wurde die für hier neue Oper von Meyerbeer mit dem Wiener Libretto, die Guelfen und Ghibelinen, nicht gestattet. Es war eine Zeit lang die Rede, San Carlo niederzureißen, um die Facade der k. Residenz auch von dieser Seite frei zu machen; der Minister des Innern hat Sr. Maj., der an den Theatern keine Freude hat, diesen Plan jedoch wieder ausgeredet.

Man sagt schon seit längerer Zeit, die Regierung beabsichtige eine Verminderung des Militäretats vorzunehmen. Es wurde dieß wohl einmal in Vorschlag gebracht, aber unsers Wissens nie angenommen. Im Gegentheil vernimmt man, daß das Artilleriecorps vervollständigt wird, welches schon vor einiger Zeit eine Anzahl neuer Kanonen aus Piemont erhielt. Eine andere Zahl Kanonen ist zur Armirung der päpstlichen Festungen eingetroffen und die Wiederherstellung der Marine angeordnet, welche aus mehrern kleinen Kriegsschiffen bestehen soll. - Dr. Böhmer aus Frankfurt a. M. befindet sich gegenwärtig hier, und beschäftigt sich mit Aussuchung von Urkunden zum Behuf der Monumenta historiae germanicae.

In Palermo ist der König von Neapel mit wenig Enthusiasmus empfangen worden. Es herrscht auf Sicilien im Geheimen noch immer ein Geist der Unbehaglichkeit und Unruhe, der jede freudige Regung erstickt. Der Prinz von Capua, welcher bekanntlich sich nach Malta begeben wollte, ist von Lord Palmerston aufmerksam gemacht worden, daß diese Veränderung seines Aufenthalts unter den dermaligen Verhältnissen des Königreichs Neapel sehr auffallen und seinen Feinden Stoff geben würde, die bereits versuchten Anschwärzungen zu erneuern. Hierauf ertheilte der Prinz eine höchst befriedigende Antwort, worin er die größte Ergebenheit und Unterwürfigkeit gegen seinen königlichen Bruder betheuerte, die bis jetzt über ihn ausgestreuten Gerüchte als das Machwerk von Verleumdern, Betrügern und Revolutionärs bezeichnete, und versicherte, daß er nur aus ökonomischen Rücksichten an eine Verlegung seines Aufenthalts nach Malta gedacht habe, daß er übrigens hierauf bereits verzichtet u. s. w. Besonders eifrig verwahrte sich der Prinz gegen die in seinem Namen ausgestreute Proclamation. - Man glaubt allgemein, daß Frankreich durch die übernommene Vermittlung zu viel Einfluß auf die Regierung Neapels gewinnen und diesen zu Gunsten liberaler Institutionen benützen werde. Briefe aus Rom drücken sogar die (doch wohl höchst gewagte) Meinung aus, daß der König sich mit dem Plane trage, seinem Reiche eine Constitution zu geben und eine Repräsentativverfassung einzuführen. (?) Oesterreich, welches bisher das Benehmen Englands in dem fraglichen Streite ungünstig beurtheilt hatte, neigt sich jetzt zu dieser Macht hin. - Man erwartet in Rom einen der Bischöfe Ungarns, der es mit Genehmigung der österreichischen Regierung versuchen soll, vom päpstlichen Stuhl hinsichtlich der gemischten Ehen eine definitive Entscheidung zu erwirken.

Deutschland.

Gestern ist Se. K. H. der Kronprinz von seiner Burg Hohenschwangau zurückgekehrt, begibt sich aber übermorgen wieder dahin, um Ihre K. H. die Herzogin von Leuchtenberg zu empfangen, die Montags der Passionsvorstellung in Oberammergau beiwohnt und denselben Abend noch zum Besuche in Hohenschwangau eintrifft. Die Beleuchtung des Schlosses, die bei günstiger Witterung stattfinden soll, dürfte einen feenhaften Anblick gewähren. Auch J. K. H. die Kurfürstin von Bayern ist gestern wieder hier eingetroffen. - Wie bis jetzt verlautet, werden II. HH. der Erbgroßherzog und die Prinzessin Marie von Hessen Sonnabend den 13 Juni unsre Stadt verlassen und sich nach Darmstadt zurückbegeben, da in jenen Tagen I. M. die Kaiserin von Rußland in Frankfurt eintreffen soll, die sich von da nach Ems begibt, und wie es heißt erst nach ihrem Aufenthalt daselbst Darmstadt besuchen will. - Heute wurde das Personal der hiesigen Kreisregierung und der Localbehörden dem neuen Regierungspräsidenten für Oberbayern, Staatsrath v. Hörmann, vorgestellt, der wie man sagt demnächst seine Visitationsreise durch den Kreis antreten wird. - Gestern wurde, wie alljährlich, in Ebenhausen das von Hofrath Martius gestiftete Linnensfest heiter und fröhlich begangen.

von Constantine und anderwärts waren, hat noch nie ein Tag in diesem Lande so viel gekostet, und das nur wegen der Nachlässigkeit und Unfähigkeit des Führers. Die regulären Truppen Abd-El-Kaders, 2000 Mann stark, die Kabylen ungefähr 4000 Mann, und die abgesessenen Reiter gegen 5000 Mann stark, haben die 5000 Mann, die uns noch blieben, so gedrängt, daß man genöthigt war, die Verwundeten zurückzulassen, denen in Gegenwart ihrer Cameraden die Köpfe abgeschnitten wurden. Die übrigen vertheilen sich ungefähr also: 1000 Mann wurden auf diesem Spaziergang nutzlos verloren, 7500 Mann im Lager von Muzaya, 2000 in den Engpässen und 2300 sehr unklug in Medeah gelassen. So oft man Medeah wird aufs neue verproviantiren wollen, muß man wieder einen Feldzug unternehmen, der wenigstens eben so theuer wie der letzte zu stehen kommen wird, da die Zahl, das Vertrauen, die Taktik und der Muth der Araber sich mit jedem für sie vortheilhaften Gefecht verhundertfacht. Ich versichere Sie, sie halten sich gut, sehr gut. Ich habe sie unsere Truppen mit dem Bajonnette angreifen sehen; sie hätten uns fast ein Feldstück genommen; ihre Wuth ist so groß, daß sie unsere Todten ausgegraben haben, um ihnen den Kopf abzuschneiden, während sie die Leichen unserer Officiere rösteten. Man hat aber die Gräber vor ihnen verborgen gehalten und Feuer darauf angemacht, um nicht sehen zu lassen, daß die Erde aufgelockert war. Die Araber haben uns viermal so viel Menschen getödtet als wir ihnen; das begreift sich leicht: der Marschall hat, während seines 1 1/2 stündigen Frühstücks, ihnen Zeit gelassen, sich einzeln oder in Massen in Hinterhalt zu legen, da sie die Oertlichkeit trefflich kennen. Von den Höhen haben sie auf unsere in der Ebene stehenden Massen, oder auf die einzeln und langsam in den engen und schwierigen Fußpfaden Dahinziehenden geschossen. Alle Welt befiehlt uns; aber Niemand sorgt für uns. In einer Stunde zehn widersprechende Befehle, Marsch, Rückzug, Befehl, Gegenbefehl, immer und zu jeder Zeit; dem sind wir stets ausgesetzt. Leben Sie wohl, lieber Freund. In einigen Tagen müssen wir einen neuen Feldzug beginnen, aber womit? Wenn das Ministerium nicht Ordnung macht, so fürchtet man für diese Expedition wahre und nicht wieder gut zu machende Unglücksfälle. Will man die Colonie behalten, so eile man, Gouverneur und Regierungsart zu ändern.“

Italien.

Morgen wird ein großes Fest an Bord des englischen Admiralsschiffes statt finden, dem, wie es heißt, Se. Maj. der König beiwohnen wird. Die Rente ist in Folge dessen bis auf 106 1/2 und 107 gestiegen. Admiral Stopford hat von Sr. Maj. die Einladung erhalten, der am 30 d. M. stattfindenden feierlichen Wiedereröffnung des Theaters San Carlo beizuwohnen. Die neue Gesellschaft findet von Seite der Censur große Schwierigkeiten. Mehrere Opern, die früher sehr oft hier gegeben worden sind, wie Anna Bolena, Ines di Castro, Parisina wurden vom Repertorium gestrichen; ebenso wurde die für hier neue Oper von Meyerbeer mit dem Wiener Libretto, die Guelfen und Ghibelinen, nicht gestattet. Es war eine Zeit lang die Rede, San Carlo niederzureißen, um die Façade der k. Residenz auch von dieser Seite frei zu machen; der Minister des Innern hat Sr. Maj., der an den Theatern keine Freude hat, diesen Plan jedoch wieder ausgeredet.

Man sagt schon seit längerer Zeit, die Regierung beabsichtige eine Verminderung des Militäretats vorzunehmen. Es wurde dieß wohl einmal in Vorschlag gebracht, aber unsers Wissens nie angenommen. Im Gegentheil vernimmt man, daß das Artilleriecorps vervollständigt wird, welches schon vor einiger Zeit eine Anzahl neuer Kanonen aus Piemont erhielt. Eine andere Zahl Kanonen ist zur Armirung der päpstlichen Festungen eingetroffen und die Wiederherstellung der Marine angeordnet, welche aus mehrern kleinen Kriegsschiffen bestehen soll. – Dr. Böhmer aus Frankfurt a. M. befindet sich gegenwärtig hier, und beschäftigt sich mit Aussuchung von Urkunden zum Behuf der Monumenta historiae germanicae.

In Palermo ist der König von Neapel mit wenig Enthusiasmus empfangen worden. Es herrscht auf Sicilien im Geheimen noch immer ein Geist der Unbehaglichkeit und Unruhe, der jede freudige Regung erstickt. Der Prinz von Capua, welcher bekanntlich sich nach Malta begeben wollte, ist von Lord Palmerston aufmerksam gemacht worden, daß diese Veränderung seines Aufenthalts unter den dermaligen Verhältnissen des Königreichs Neapel sehr auffallen und seinen Feinden Stoff geben würde, die bereits versuchten Anschwärzungen zu erneuern. Hierauf ertheilte der Prinz eine höchst befriedigende Antwort, worin er die größte Ergebenheit und Unterwürfigkeit gegen seinen königlichen Bruder betheuerte, die bis jetzt über ihn ausgestreuten Gerüchte als das Machwerk von Verleumdern, Betrügern und Revolutionärs bezeichnete, und versicherte, daß er nur aus ökonomischen Rücksichten an eine Verlegung seines Aufenthalts nach Malta gedacht habe, daß er übrigens hierauf bereits verzichtet u. s. w. Besonders eifrig verwahrte sich der Prinz gegen die in seinem Namen ausgestreute Proclamation. – Man glaubt allgemein, daß Frankreich durch die übernommene Vermittlung zu viel Einfluß auf die Regierung Neapels gewinnen und diesen zu Gunsten liberaler Institutionen benützen werde. Briefe aus Rom drücken sogar die (doch wohl höchst gewagte) Meinung aus, daß der König sich mit dem Plane trage, seinem Reiche eine Constitution zu geben und eine Repräsentativverfassung einzuführen. (?) Oesterreich, welches bisher das Benehmen Englands in dem fraglichen Streite ungünstig beurtheilt hatte, neigt sich jetzt zu dieser Macht hin. – Man erwartet in Rom einen der Bischöfe Ungarns, der es mit Genehmigung der österreichischen Regierung versuchen soll, vom päpstlichen Stuhl hinsichtlich der gemischten Ehen eine definitive Entscheidung zu erwirken.

Deutschland.

Gestern ist Se. K. H. der Kronprinz von seiner Burg Hohenschwangau zurückgekehrt, begibt sich aber übermorgen wieder dahin, um Ihre K. H. die Herzogin von Leuchtenberg zu empfangen, die Montags der Passionsvorstellung in Oberammergau beiwohnt und denselben Abend noch zum Besuche in Hohenschwangau eintrifft. Die Beleuchtung des Schlosses, die bei günstiger Witterung stattfinden soll, dürfte einen feenhaften Anblick gewähren. Auch J. K. H. die Kurfürstin von Bayern ist gestern wieder hier eingetroffen. – Wie bis jetzt verlautet, werden II. HH. der Erbgroßherzog und die Prinzessin Marie von Hessen Sonnabend den 13 Juni unsre Stadt verlassen und sich nach Darmstadt zurückbegeben, da in jenen Tagen I. M. die Kaiserin von Rußland in Frankfurt eintreffen soll, die sich von da nach Ems begibt, und wie es heißt erst nach ihrem Aufenthalt daselbst Darmstadt besuchen will. – Heute wurde das Personal der hiesigen Kreisregierung und der Localbehörden dem neuen Regierungspräsidenten für Oberbayern, Staatsrath v. Hörmann, vorgestellt, der wie man sagt demnächst seine Visitationsreise durch den Kreis antreten wird. – Gestern wurde, wie alljährlich, in Ebenhausen das von Hofrath Martius gestiftete Linnensfest heiter und fröhlich begangen.

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von Constantine und anderwärts waren, hat noch nie ein Tag in diesem Lande so viel gekostet, und das nur wegen der Nachlässigkeit und Unfähigkeit des Führers. Die regulären Truppen Abd-El-Kaders, 2000 Mann stark, die Kabylen ungefähr 4000 Mann, und die abgesessenen Reiter gegen 5000 Mann stark, haben die 5000 Mann, die uns noch blieben, so gedrängt, daß man genöthigt war, die Verwundeten zurückzulassen, denen in Gegenwart ihrer Cameraden die Köpfe abgeschnitten wurden. Die übrigen vertheilen sich ungefähr also: 1000 Mann wurden auf diesem Spaziergang nutzlos verloren, 7500 Mann im Lager von Muzaya, 2000 in den Engpässen und 2300 sehr unklug in Medeah gelassen. So oft man Medeah wird aufs neue verproviantiren wollen, muß man wieder einen Feldzug unternehmen, der wenigstens eben so theuer wie der letzte zu stehen kommen wird, da die Zahl, das Vertrauen, die Taktik und der Muth der Araber sich mit jedem für sie vortheilhaften Gefecht verhundertfacht. Ich versichere Sie, sie halten sich gut, sehr gut. Ich habe sie unsere Truppen mit dem Bajonnette angreifen sehen; sie hätten uns fast ein Feldstück genommen; ihre Wuth ist so groß, daß sie unsere Todten ausgegraben haben, um ihnen den Kopf abzuschneiden, während sie die Leichen unserer Officiere rösteten. Man hat aber die Gräber vor ihnen verborgen gehalten und Feuer darauf angemacht, um nicht sehen zu lassen, daß die Erde aufgelockert war. Die Araber haben uns viermal so viel Menschen getödtet als wir ihnen; das begreift sich leicht: der Marschall hat, während seines 1 1/2 stündigen Frühstücks, ihnen Zeit gelassen, sich einzeln oder in Massen in Hinterhalt zu legen, da sie die Oertlichkeit trefflich kennen. Von den Höhen haben sie auf unsere in der Ebene stehenden Massen, oder auf die einzeln und langsam in den engen und schwierigen Fußpfaden Dahinziehenden geschossen. Alle Welt befiehlt uns; aber Niemand sorgt für uns. In einer Stunde zehn widersprechende Befehle, Marsch, Rückzug, Befehl, Gegenbefehl, immer und zu jeder Zeit; dem sind wir stets ausgesetzt. Leben Sie wohl, lieber Freund. In einigen Tagen müssen wir einen neuen Feldzug beginnen, aber womit? Wenn das Ministerium nicht Ordnung macht, so fürchtet man für diese Expedition wahre und nicht wieder gut zu machende Unglücksfälle. Will man die Colonie behalten, so eile man, Gouverneur und Regierungsart zu ändern.&#x201C;</p><lb/>
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[1277/0005] von Constantine und anderwärts waren, hat noch nie ein Tag in diesem Lande so viel gekostet, und das nur wegen der Nachlässigkeit und Unfähigkeit des Führers. Die regulären Truppen Abd-El-Kaders, 2000 Mann stark, die Kabylen ungefähr 4000 Mann, und die abgesessenen Reiter gegen 5000 Mann stark, haben die 5000 Mann, die uns noch blieben, so gedrängt, daß man genöthigt war, die Verwundeten zurückzulassen, denen in Gegenwart ihrer Cameraden die Köpfe abgeschnitten wurden. Die übrigen vertheilen sich ungefähr also: 1000 Mann wurden auf diesem Spaziergang nutzlos verloren, 7500 Mann im Lager von Muzaya, 2000 in den Engpässen und 2300 sehr unklug in Medeah gelassen. So oft man Medeah wird aufs neue verproviantiren wollen, muß man wieder einen Feldzug unternehmen, der wenigstens eben so theuer wie der letzte zu stehen kommen wird, da die Zahl, das Vertrauen, die Taktik und der Muth der Araber sich mit jedem für sie vortheilhaften Gefecht verhundertfacht. Ich versichere Sie, sie halten sich gut, sehr gut. Ich habe sie unsere Truppen mit dem Bajonnette angreifen sehen; sie hätten uns fast ein Feldstück genommen; ihre Wuth ist so groß, daß sie unsere Todten ausgegraben haben, um ihnen den Kopf abzuschneiden, während sie die Leichen unserer Officiere rösteten. Man hat aber die Gräber vor ihnen verborgen gehalten und Feuer darauf angemacht, um nicht sehen zu lassen, daß die Erde aufgelockert war. Die Araber haben uns viermal so viel Menschen getödtet als wir ihnen; das begreift sich leicht: der Marschall hat, während seines 1 1/2 stündigen Frühstücks, ihnen Zeit gelassen, sich einzeln oder in Massen in Hinterhalt zu legen, da sie die Oertlichkeit trefflich kennen. Von den Höhen haben sie auf unsere in der Ebene stehenden Massen, oder auf die einzeln und langsam in den engen und schwierigen Fußpfaden Dahinziehenden geschossen. Alle Welt befiehlt uns; aber Niemand sorgt für uns. In einer Stunde zehn widersprechende Befehle, Marsch, Rückzug, Befehl, Gegenbefehl, immer und zu jeder Zeit; dem sind wir stets ausgesetzt. Leben Sie wohl, lieber Freund. In einigen Tagen müssen wir einen neuen Feldzug beginnen, aber womit? Wenn das Ministerium nicht Ordnung macht, so fürchtet man für diese Expedition wahre und nicht wieder gut zu machende Unglücksfälle. Will man die Colonie behalten, so eile man, Gouverneur und Regierungsart zu ändern.“ Italien. _ Neapel, 28 Mai. Morgen wird ein großes Fest an Bord des englischen Admiralsschiffes statt finden, dem, wie es heißt, Se. Maj. der König beiwohnen wird. Die Rente ist in Folge dessen bis auf 106 1/2 und 107 gestiegen. Admiral Stopford hat von Sr. Maj. die Einladung erhalten, der am 30 d. M. stattfindenden feierlichen Wiedereröffnung des Theaters San Carlo beizuwohnen. Die neue Gesellschaft findet von Seite der Censur große Schwierigkeiten. Mehrere Opern, die früher sehr oft hier gegeben worden sind, wie Anna Bolena, Ines di Castro, Parisina wurden vom Repertorium gestrichen; ebenso wurde die für hier neue Oper von Meyerbeer mit dem Wiener Libretto, die Guelfen und Ghibelinen, nicht gestattet. Es war eine Zeit lang die Rede, San Carlo niederzureißen, um die Façade der k. Residenz auch von dieser Seite frei zu machen; der Minister des Innern hat Sr. Maj., der an den Theatern keine Freude hat, diesen Plan jedoch wieder ausgeredet. _ Rom, 30 Mai. Man sagt schon seit längerer Zeit, die Regierung beabsichtige eine Verminderung des Militäretats vorzunehmen. Es wurde dieß wohl einmal in Vorschlag gebracht, aber unsers Wissens nie angenommen. Im Gegentheil vernimmt man, daß das Artilleriecorps vervollständigt wird, welches schon vor einiger Zeit eine Anzahl neuer Kanonen aus Piemont erhielt. Eine andere Zahl Kanonen ist zur Armirung der päpstlichen Festungen eingetroffen und die Wiederherstellung der Marine angeordnet, welche aus mehrern kleinen Kriegsschiffen bestehen soll. – Dr. Böhmer aus Frankfurt a. M. befindet sich gegenwärtig hier, und beschäftigt sich mit Aussuchung von Urkunden zum Behuf der Monumenta historiae germanicae. *Von der italienischen Gränze, 29 Mai. In Palermo ist der König von Neapel mit wenig Enthusiasmus empfangen worden. Es herrscht auf Sicilien im Geheimen noch immer ein Geist der Unbehaglichkeit und Unruhe, der jede freudige Regung erstickt. Der Prinz von Capua, welcher bekanntlich sich nach Malta begeben wollte, ist von Lord Palmerston aufmerksam gemacht worden, daß diese Veränderung seines Aufenthalts unter den dermaligen Verhältnissen des Königreichs Neapel sehr auffallen und seinen Feinden Stoff geben würde, die bereits versuchten Anschwärzungen zu erneuern. Hierauf ertheilte der Prinz eine höchst befriedigende Antwort, worin er die größte Ergebenheit und Unterwürfigkeit gegen seinen königlichen Bruder betheuerte, die bis jetzt über ihn ausgestreuten Gerüchte als das Machwerk von Verleumdern, Betrügern und Revolutionärs bezeichnete, und versicherte, daß er nur aus ökonomischen Rücksichten an eine Verlegung seines Aufenthalts nach Malta gedacht habe, daß er übrigens hierauf bereits verzichtet u. s. w. Besonders eifrig verwahrte sich der Prinz gegen die in seinem Namen ausgestreute Proclamation. – Man glaubt allgemein, daß Frankreich durch die übernommene Vermittlung zu viel Einfluß auf die Regierung Neapels gewinnen und diesen zu Gunsten liberaler Institutionen benützen werde. Briefe aus Rom drücken sogar die (doch wohl höchst gewagte) Meinung aus, daß der König sich mit dem Plane trage, seinem Reiche eine Constitution zu geben und eine Repräsentativverfassung einzuführen. (?) Oesterreich, welches bisher das Benehmen Englands in dem fraglichen Streite ungünstig beurtheilt hatte, neigt sich jetzt zu dieser Macht hin. – Man erwartet in Rom einen der Bischöfe Ungarns, der es mit Genehmigung der österreichischen Regierung versuchen soll, vom päpstlichen Stuhl hinsichtlich der gemischten Ehen eine definitive Entscheidung zu erwirken. Deutschland. _ München, 6 Juni. Gestern ist Se. K. H. der Kronprinz von seiner Burg Hohenschwangau zurückgekehrt, begibt sich aber übermorgen wieder dahin, um Ihre K. H. die Herzogin von Leuchtenberg zu empfangen, die Montags der Passionsvorstellung in Oberammergau beiwohnt und denselben Abend noch zum Besuche in Hohenschwangau eintrifft. Die Beleuchtung des Schlosses, die bei günstiger Witterung stattfinden soll, dürfte einen feenhaften Anblick gewähren. Auch J. K. H. die Kurfürstin von Bayern ist gestern wieder hier eingetroffen. – Wie bis jetzt verlautet, werden II. HH. der Erbgroßherzog und die Prinzessin Marie von Hessen Sonnabend den 13 Juni unsre Stadt verlassen und sich nach Darmstadt zurückbegeben, da in jenen Tagen I. M. die Kaiserin von Rußland in Frankfurt eintreffen soll, die sich von da nach Ems begibt, und wie es heißt erst nach ihrem Aufenthalt daselbst Darmstadt besuchen will. – Heute wurde das Personal der hiesigen Kreisregierung und der Localbehörden dem neuen Regierungspräsidenten für Oberbayern, Staatsrath v. Hörmann, vorgestellt, der wie man sagt demnächst seine Visitationsreise durch den Kreis antreten wird. – Gestern wurde, wie alljährlich, in Ebenhausen das von Hofrath Martius gestiftete Linnensfest heiter und fröhlich begangen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 160. Augsburg, 8. Juni 1840, S. 1277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_160_18400608/5>, abgerufen am 05.05.2024.