Allgemeine Zeitung. Nr. 159. Augsburg, 7. Juni 1840.zwischen den Regierungen von Neapel und England. Hr. Thiers: "Die Frage ist ernst, so ernst, daß ich in diesem Augenblick keine kenne, die von höherer Bedeutung wäre. Bei der mir in dieser Beziehung aufgelegten Zurückhaltung kann ich doch antworten, daß unsere Vermittelung in ihrem ganzen Umfang in Ausübung ist. Diese Vermittelung übt Frankreich gleichwohl nicht als Richter - denn unsere Vermittelung ist keine bewaffnete - sondern als intermediäre Macht aus. Ich kann der Kammer nur versichern, daß die Interessen Frankreichs nicht vernachlässigt werden sollen." Hr. Fould interpellirt das Ministerium wegen einer Frage der Flagge, daß nämlich die französischen Schiffe nicht in den Hafen von Neapel einlaufen können. Hr. Thiers: "Dieser Zustand der Dinge hat lange gedauert, wir haben aber dringend dagegen reclamirt und seit 14 Tagen können unsere Schiffe in den Hafen von Neapel einlaufen und darin verweilen." Hr. Mauguin fragt den Minister in Betreff der Verhältnisse mit England und Rußland. Die orientalische Frage scheine ihm einzuschlafen. Er hoffe, das Cabinet werde Frankreich die Rolle wieder geben, die ihm in diesen Unterhandlungen gebühre. In Erwartung, daß das Cabinet dieses Lob zu verdienen suchen werde, lenke er die Aufmerksamkeit der Kammer auf frühere Vorfälle, wo die Nationalehre compromittirt worden zu seyn scheine. Deren seyen drei, der Vorfall auf Mauritius, das was sich auf der afrikanischen Küste in Betreff des Gummihandels ergeben, endlich die Verhältnisse in Betreff des Schwefelmonopols. Er fragt auch, ob man sich mit der Räumung des Hafens von Passages beschäftige, und in Algier die Stellung des englischen Consuls zu regularisiren suche. Hr. Thiers: "Das Schwefelmonopol in Sicilien ist ungerecht. Seine Abschaffung ward von Frankreich verlangt, bevor noch die Schwierigkeiten zwischen dem König von Neapel und England eingetreten waren. Hr. Mauguin ward über die Vorfälle an den Küsten vom Senegal nicht gut unterrichtet. Passages in Spanien betreffend, so ist bereits das englische Material abgeführt und Passages selbst wird ebenfalls in kurzem geräumt seyn. Da der englische Consul zu Algier nicht gewechselt wurde, so war auch kein Anlaß vorhanden, von ihm das Erequatur zu verlangen. *)Für die der französischen Flagge von einem Narren (fou) im Hafen von Mauritius zugefügten Insulte hat das Cabinet England in der versöhnlichsten Stimmung gefunden. Hr. Mauguin erklärt sich durch einige dieser Erläuterungen befriedigt, beharrt aber noch auf einigen Punkten. Hr. Thiers ist der festen Ueberzeugung, daß Frankreich gut daran gethan habe, in der neapolitanischen Sache zu vermitteln. Die Annahme dieser Vermittelung sey ein neuer Beweis des Vertrauens, das Frankreich den streitigen Parteien einflöße. Hr. Fould tadelt das Betragen des französischen Consuls in Damaskus. Dieser Agent sey es, welcher die Martern gegen die wegen Ermordung des Paters Thomas ungerechterweise angeklagten unglücklichen Juden provocirt habe. Der Redner geht hiebei in Details ein, welche seine Religionsgenossen in Syrien betreffen, und macht dem Conseilpräsidenten den Vorwurf, in dieser Sache nicht mit gehöriger Energie gehandelt zu haben. Hr. Thiers: "Man hat in Betreff dieser Sache viele falsche Gerüchte verbreitet. Ich für meinen Theil möchte mir nicht herausnehmen, eine Meinung über das Wesen der Anklage auszudrücken. Ich habe viele Urkunden, alle Verhöre gelesen, und ich gestehe, ich glaube noch nicht im Stande zu seyn, mich über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten auszusprechen. Unser Consul hat sich in den Nachforschungen sehr eifrig gezeigt, und es ist durchaus nicht erwiesen, daß er auf die Martern angetragen habe. Mir ist noch nichts Tadelnswerthes über sein Betragen zugekommen; ich habe jedoch eine Untersuchung befohlen, und ein besonderer Agent ist, mit dieser Mission beauftragt, von Alexandria abgereist." Die HH. de la Borde und Isambert nehmen an der Debatte Theil. Hr. Thiers drückt wiederholt sein Erstaunen aus, daß man gegen den französischen Consul in Damaskus ohne Beweise Anklagen aufstelle. Man reclamire im Namen der Juden, der Minister reclamire aber im Namen eines französischen Consuls, der immer seine Pflichten treu erfüllt habe, er reclamire besonders deßwegen zu dessen Gunsten, weil er von Seite fremder Agenten unverdienten Anschuldigungen ausgesetzt gewesen sey. Niedere Leidenschaften hätten sich in eine Sache der Humanität gemischt; er wünsche, daß man die französischen Agenten billiger und gerechter beurtheile. Hr. Auguis spricht gegen Errichtung mehrerer Consulate im Auslande, besonders in Manilla. Damit war die Erörterung des Budgets der auswärtigen Angelegenheiten geschlossen, und die Kammer nahm die verschiedenen Capitel mit einem Abzug von 119,500 Fr. an. Hierauf ward zu den von dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts verlangten Crediten übergegangen. Auf den Bericht des Hrn. Garnier de Bourganeuf ward eine gerichtliche Ordonnanz in der Proceßsache des Mörders Elisabid erlassen, der nun entschieden nicht in Paris, sondern vor den Assisen in Bordeaux gerichtet werden soll. Der so lange auf der Morgue ausgestellte Leichnam des ermordeten Knaben, der von Hrn. Gannal so geschickt einbalsamirt war, und seine ganze Frische beibehalten hatte, ward in einer Kiste wohlverwahrt auf dem Postwagen nach Bordeaux abgeschickt. Der National bemerkt zu der Rede des Herzogs von Orleans, die er bei seinem Eintritt in Algier gesprochen, und worin er die Gründung eines großen afrikanischen Reichs verkündigt: "Und um dieses große Volk und das große Reich zu gründen, kehrt der Marschall Valee auf die Maierei Muzaia zurück, um von da aus Miliana zu besetzen, und dann das Thal des Chelif bis Mostaganem hinabzugehen. Dieser Plan scheint uns in den gegenwärtigen Verhältnissen ganz unsinnig; doch wird er vielleicht gerade deßhalb vom Marschall in Ausführung gebracht. Die Resultate können nur unglücklich seyn; daran zweifelt, mit Ausnahme des Constitutionnel, Niemand. Augenscheinlich werden die Araber die Entfernung aller unserer Streitkräfte benutzen und die Ebene in größerer Anzahl heimsuchen, Algier enger einschließen und alle Verbindungen zwischen unsern verschiedenen Posten abschneiden. Ein unglückliches Gefecht kann selbst die Existenz unserer im fernen Thale des Chelif verlornen Truppen gefährden. Wir sind gewißlich keine Unglückspropheten, besonders wenn es sich von unserer Armee handelt, aber wir wünschen sehr, daß diese beklagenswerthe Expedition nicht stattfände. In der That möchten wir zu unserer Regierung sagen, welche Vortheile erhält das Land von diesen zahlreichen militärischen Spaziergängen? Wir besitzen nicht einmal ein Terrain von drei Lieues, wo der Colonist in Frieden den Acker bestellen kann. Unsere Regimenter laßt ihr zum Scherz mit dem Feinde kämpfen; doch dauert das Spiel schon ziemlich lange. Wollt ihr an eure Siege Glauben erwecken, so setzt euch doch auf einem Punkte gehörig fest, gebt Ländereien zum Anbau, bevölkert eure Wüsten, begünstigt eine Auswanderung, die schon seit zehn Jahren darauf wartet! und statt die Truppen damit zu ermüden, ganz Afrika zu durchstreifen, ohne eine größere Spur ihrer Durchzüge zurückzulassen, *) Wir bemerken, daß wir diese neueste Sitzung vorerst nur nach stenographischen Mittheilungen geben, daher das Bruchstückartige, Lückenhafte derselben.
zwischen den Regierungen von Neapel und England. Hr. Thiers: „Die Frage ist ernst, so ernst, daß ich in diesem Augenblick keine kenne, die von höherer Bedeutung wäre. Bei der mir in dieser Beziehung aufgelegten Zurückhaltung kann ich doch antworten, daß unsere Vermittelung in ihrem ganzen Umfang in Ausübung ist. Diese Vermittelung übt Frankreich gleichwohl nicht als Richter – denn unsere Vermittelung ist keine bewaffnete – sondern als intermediäre Macht aus. Ich kann der Kammer nur versichern, daß die Interessen Frankreichs nicht vernachlässigt werden sollen.“ Hr. Fould interpellirt das Ministerium wegen einer Frage der Flagge, daß nämlich die französischen Schiffe nicht in den Hafen von Neapel einlaufen können. Hr. Thiers: „Dieser Zustand der Dinge hat lange gedauert, wir haben aber dringend dagegen reclamirt und seit 14 Tagen können unsere Schiffe in den Hafen von Neapel einlaufen und darin verweilen.“ Hr. Mauguin fragt den Minister in Betreff der Verhältnisse mit England und Rußland. Die orientalische Frage scheine ihm einzuschlafen. Er hoffe, das Cabinet werde Frankreich die Rolle wieder geben, die ihm in diesen Unterhandlungen gebühre. In Erwartung, daß das Cabinet dieses Lob zu verdienen suchen werde, lenke er die Aufmerksamkeit der Kammer auf frühere Vorfälle, wo die Nationalehre compromittirt worden zu seyn scheine. Deren seyen drei, der Vorfall auf Mauritius, das was sich auf der afrikanischen Küste in Betreff des Gummihandels ergeben, endlich die Verhältnisse in Betreff des Schwefelmonopols. Er fragt auch, ob man sich mit der Räumung des Hafens von Passages beschäftige, und in Algier die Stellung des englischen Consuls zu regularisiren suche. Hr. Thiers: „Das Schwefelmonopol in Sicilien ist ungerecht. Seine Abschaffung ward von Frankreich verlangt, bevor noch die Schwierigkeiten zwischen dem König von Neapel und England eingetreten waren. Hr. Mauguin ward über die Vorfälle an den Küsten vom Senegal nicht gut unterrichtet. Passages in Spanien betreffend, so ist bereits das englische Material abgeführt und Passages selbst wird ebenfalls in kurzem geräumt seyn. Da der englische Consul zu Algier nicht gewechselt wurde, so war auch kein Anlaß vorhanden, von ihm das Erequatur zu verlangen. *)Für die der französischen Flagge von einem Narren (fou) im Hafen von Mauritius zugefügten Insulte hat das Cabinet England in der versöhnlichsten Stimmung gefunden. Hr. Mauguin erklärt sich durch einige dieser Erläuterungen befriedigt, beharrt aber noch auf einigen Punkten. Hr. Thiers ist der festen Ueberzeugung, daß Frankreich gut daran gethan habe, in der neapolitanischen Sache zu vermitteln. Die Annahme dieser Vermittelung sey ein neuer Beweis des Vertrauens, das Frankreich den streitigen Parteien einflöße. Hr. Fould tadelt das Betragen des französischen Consuls in Damaskus. Dieser Agent sey es, welcher die Martern gegen die wegen Ermordung des Paters Thomas ungerechterweise angeklagten unglücklichen Juden provocirt habe. Der Redner geht hiebei in Details ein, welche seine Religionsgenossen in Syrien betreffen, und macht dem Conseilpräsidenten den Vorwurf, in dieser Sache nicht mit gehöriger Energie gehandelt zu haben. Hr. Thiers: „Man hat in Betreff dieser Sache viele falsche Gerüchte verbreitet. Ich für meinen Theil möchte mir nicht herausnehmen, eine Meinung über das Wesen der Anklage auszudrücken. Ich habe viele Urkunden, alle Verhöre gelesen, und ich gestehe, ich glaube noch nicht im Stande zu seyn, mich über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten auszusprechen. Unser Consul hat sich in den Nachforschungen sehr eifrig gezeigt, und es ist durchaus nicht erwiesen, daß er auf die Martern angetragen habe. Mir ist noch nichts Tadelnswerthes über sein Betragen zugekommen; ich habe jedoch eine Untersuchung befohlen, und ein besonderer Agent ist, mit dieser Mission beauftragt, von Alexandria abgereist.“ Die HH. de la Borde und Isambert nehmen an der Debatte Theil. Hr. Thiers drückt wiederholt sein Erstaunen aus, daß man gegen den französischen Consul in Damaskus ohne Beweise Anklagen aufstelle. Man reclamire im Namen der Juden, der Minister reclamire aber im Namen eines französischen Consuls, der immer seine Pflichten treu erfüllt habe, er reclamire besonders deßwegen zu dessen Gunsten, weil er von Seite fremder Agenten unverdienten Anschuldigungen ausgesetzt gewesen sey. Niedere Leidenschaften hätten sich in eine Sache der Humanität gemischt; er wünsche, daß man die französischen Agenten billiger und gerechter beurtheile. Hr. Auguis spricht gegen Errichtung mehrerer Consulate im Auslande, besonders in Manilla. Damit war die Erörterung des Budgets der auswärtigen Angelegenheiten geschlossen, und die Kammer nahm die verschiedenen Capitel mit einem Abzug von 119,500 Fr. an. Hierauf ward zu den von dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts verlangten Crediten übergegangen. Auf den Bericht des Hrn. Garnier de Bourganeuf ward eine gerichtliche Ordonnanz in der Proceßsache des Mörders Elisabid erlassen, der nun entschieden nicht in Paris, sondern vor den Assisen in Bordeaux gerichtet werden soll. Der so lange auf der Morgue ausgestellte Leichnam des ermordeten Knaben, der von Hrn. Gannal so geschickt einbalsamirt war, und seine ganze Frische beibehalten hatte, ward in einer Kiste wohlverwahrt auf dem Postwagen nach Bordeaux abgeschickt. Der National bemerkt zu der Rede des Herzogs von Orleans, die er bei seinem Eintritt in Algier gesprochen, und worin er die Gründung eines großen afrikanischen Reichs verkündigt: „Und um dieses große Volk und das große Reich zu gründen, kehrt der Marschall Valèe auf die Maierei Muzaia zurück, um von da aus Miliana zu besetzen, und dann das Thal des Chelif bis Mostaganem hinabzugehen. Dieser Plan scheint uns in den gegenwärtigen Verhältnissen ganz unsinnig; doch wird er vielleicht gerade deßhalb vom Marschall in Ausführung gebracht. Die Resultate können nur unglücklich seyn; daran zweifelt, mit Ausnahme des Constitutionnel, Niemand. Augenscheinlich werden die Araber die Entfernung aller unserer Streitkräfte benutzen und die Ebene in größerer Anzahl heimsuchen, Algier enger einschließen und alle Verbindungen zwischen unsern verschiedenen Posten abschneiden. Ein unglückliches Gefecht kann selbst die Existenz unserer im fernen Thale des Chelif verlornen Truppen gefährden. Wir sind gewißlich keine Unglückspropheten, besonders wenn es sich von unserer Armee handelt, aber wir wünschen sehr, daß diese beklagenswerthe Expedition nicht stattfände. In der That möchten wir zu unserer Regierung sagen, welche Vortheile erhält das Land von diesen zahlreichen militärischen Spaziergängen? Wir besitzen nicht einmal ein Terrain von drei Lieues, wo der Colonist in Frieden den Acker bestellen kann. Unsere Regimenter laßt ihr zum Scherz mit dem Feinde kämpfen; doch dauert das Spiel schon ziemlich lange. Wollt ihr an eure Siege Glauben erwecken, so setzt euch doch auf einem Punkte gehörig fest, gebt Ländereien zum Anbau, bevölkert eure Wüsten, begünstigt eine Auswanderung, die schon seit zehn Jahren darauf wartet! und statt die Truppen damit zu ermüden, ganz Afrika zu durchstreifen, ohne eine größere Spur ihrer Durchzüge zurückzulassen, *) Wir bemerken, daß wir diese neueste Sitzung vorerst nur nach stenographischen Mittheilungen geben, daher das Bruchstückartige, Lückenhafte derselben.
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Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi>: „Dieser Zustand der Dinge hat lange gedauert, wir haben aber dringend dagegen reclamirt und seit 14 Tagen können unsere Schiffe in den Hafen von Neapel einlaufen und darin verweilen.“ Hr. <hi rendition="#g">Mauguin</hi> fragt den Minister in Betreff der Verhältnisse mit England und Rußland. Die orientalische Frage scheine ihm einzuschlafen. Er hoffe, das Cabinet werde Frankreich die Rolle wieder geben, die ihm in diesen Unterhandlungen gebühre. In Erwartung, daß das Cabinet dieses Lob zu verdienen suchen werde, lenke er die Aufmerksamkeit der Kammer auf frühere Vorfälle, wo die Nationalehre compromittirt worden zu seyn scheine. Deren seyen drei, der Vorfall auf Mauritius, das was sich auf der afrikanischen Küste in Betreff des Gummihandels ergeben, endlich die Verhältnisse in Betreff des Schwefelmonopols. Er fragt auch, ob man sich mit der Räumung des Hafens von Passages beschäftige, und in Algier die Stellung des englischen Consuls zu regularisiren suche. Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi>: „Das Schwefelmonopol in Sicilien ist ungerecht. Seine Abschaffung ward von Frankreich verlangt, bevor noch die Schwierigkeiten zwischen dem König von Neapel und England eingetreten waren. Hr. Mauguin ward über die Vorfälle an den Küsten vom Senegal nicht gut unterrichtet. Passages in Spanien betreffend, so ist bereits das englische Material abgeführt und Passages selbst wird ebenfalls in kurzem geräumt seyn. Da der englische Consul zu Algier nicht gewechselt wurde, so war auch kein Anlaß vorhanden, von ihm das Erequatur zu verlangen. <note place="foot" n="*)"><p>Wir bemerken, daß wir diese neueste Sitzung vorerst nur nach stenographischen Mittheilungen geben, daher das Bruchstückartige, Lückenhafte derselben.</p></note>Für die der französischen Flagge von einem Narren (fou) im Hafen von Mauritius zugefügten Insulte hat das Cabinet England in der versöhnlichsten Stimmung gefunden. Hr. <hi rendition="#g">Mauguin</hi> erklärt sich durch einige dieser Erläuterungen befriedigt, beharrt aber noch auf einigen Punkten. Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi> ist der festen Ueberzeugung, daß Frankreich gut daran gethan habe, in der neapolitanischen Sache zu vermitteln. Die Annahme dieser Vermittelung sey ein neuer Beweis des Vertrauens, das Frankreich den streitigen Parteien einflöße. Hr. <hi rendition="#g">Fould</hi> tadelt das Betragen des französischen Consuls in Damaskus. Dieser Agent sey es, welcher die Martern gegen die wegen Ermordung des Paters Thomas ungerechterweise angeklagten unglücklichen Juden provocirt habe. Der Redner geht hiebei in Details ein, welche seine Religionsgenossen in Syrien betreffen, und macht dem Conseilpräsidenten den Vorwurf, in dieser Sache nicht mit gehöriger Energie gehandelt zu haben. Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi>: „Man hat in Betreff dieser Sache viele falsche Gerüchte verbreitet. Ich für meinen Theil möchte mir nicht herausnehmen, eine Meinung über das Wesen der Anklage auszudrücken. Ich habe viele Urkunden, alle Verhöre gelesen, und ich gestehe, ich glaube noch nicht im Stande zu seyn, mich über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten auszusprechen. Unser Consul hat sich in den Nachforschungen sehr eifrig gezeigt, und es ist durchaus nicht erwiesen, daß er auf die Martern angetragen habe. Mir ist noch nichts Tadelnswerthes über sein Betragen zugekommen; ich habe jedoch eine Untersuchung befohlen, und ein besonderer Agent ist, mit dieser Mission beauftragt, von Alexandria abgereist.“ Die HH. <hi rendition="#g">de la Borde</hi> und <hi rendition="#g">Isambert</hi> nehmen an der Debatte Theil. Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi> drückt wiederholt sein Erstaunen aus, daß man gegen den französischen Consul in Damaskus ohne Beweise Anklagen aufstelle. Man reclamire im Namen der Juden, der Minister reclamire aber im Namen eines französischen Consuls, der immer seine Pflichten treu erfüllt habe, er reclamire besonders deßwegen zu dessen Gunsten, weil er von Seite fremder Agenten unverdienten Anschuldigungen ausgesetzt gewesen sey. Niedere Leidenschaften hätten sich in eine Sache der Humanität gemischt; er wünsche, daß man die französischen Agenten billiger und gerechter beurtheile. Hr. <hi rendition="#g">Auguis</hi> spricht gegen Errichtung mehrerer Consulate im Auslande, besonders in Manilla. Damit war die Erörterung des Budgets der auswärtigen Angelegenheiten geschlossen, und die Kammer nahm die verschiedenen Capitel mit einem Abzug von 119,500 Fr. an. Hierauf ward zu den von dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts verlangten Crediten übergegangen.</p><lb/> <p>Auf den Bericht des Hrn. Garnier de Bourganeuf ward eine gerichtliche Ordonnanz in der Proceßsache des Mörders Elisabid erlassen, der nun entschieden nicht in Paris, sondern vor den Assisen in Bordeaux gerichtet werden soll. Der so lange auf der Morgue ausgestellte Leichnam des ermordeten Knaben, der von Hrn. 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Augenscheinlich werden die Araber die Entfernung aller unserer Streitkräfte benutzen und die Ebene in größerer Anzahl heimsuchen, Algier enger einschließen und alle Verbindungen zwischen unsern verschiedenen Posten abschneiden. Ein unglückliches Gefecht kann selbst die Existenz unserer im fernen Thale des Chelif verlornen Truppen gefährden. Wir sind gewißlich keine Unglückspropheten, besonders wenn es sich von unserer Armee handelt, aber wir wünschen sehr, daß diese beklagenswerthe Expedition nicht stattfände. In der That möchten wir zu unserer Regierung sagen, welche Vortheile erhält das Land von diesen zahlreichen militärischen Spaziergängen? Wir besitzen nicht einmal ein Terrain von drei Lieues, wo der Colonist in Frieden den Acker bestellen kann. Unsere Regimenter laßt ihr zum Scherz mit dem Feinde kämpfen; doch dauert das Spiel schon ziemlich lange. Wollt ihr an eure Siege Glauben erwecken, so setzt euch doch auf einem Punkte gehörig fest, gebt Ländereien zum Anbau, bevölkert eure Wüsten, begünstigt eine Auswanderung, die schon seit zehn Jahren darauf wartet! und statt die Truppen damit zu ermüden, ganz Afrika zu durchstreifen, ohne eine größere Spur ihrer Durchzüge zurückzulassen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1267/0003]
zwischen den Regierungen von Neapel und England. Hr. Thiers: „Die Frage ist ernst, so ernst, daß ich in diesem Augenblick keine kenne, die von höherer Bedeutung wäre. Bei der mir in dieser Beziehung aufgelegten Zurückhaltung kann ich doch antworten, daß unsere Vermittelung in ihrem ganzen Umfang in Ausübung ist. Diese Vermittelung übt Frankreich gleichwohl nicht als Richter – denn unsere Vermittelung ist keine bewaffnete – sondern als intermediäre Macht aus. Ich kann der Kammer nur versichern, daß die Interessen Frankreichs nicht vernachlässigt werden sollen.“ Hr. Fould interpellirt das Ministerium wegen einer Frage der Flagge, daß nämlich die französischen Schiffe nicht in den Hafen von Neapel einlaufen können. Hr. Thiers: „Dieser Zustand der Dinge hat lange gedauert, wir haben aber dringend dagegen reclamirt und seit 14 Tagen können unsere Schiffe in den Hafen von Neapel einlaufen und darin verweilen.“ Hr. Mauguin fragt den Minister in Betreff der Verhältnisse mit England und Rußland. Die orientalische Frage scheine ihm einzuschlafen. Er hoffe, das Cabinet werde Frankreich die Rolle wieder geben, die ihm in diesen Unterhandlungen gebühre. In Erwartung, daß das Cabinet dieses Lob zu verdienen suchen werde, lenke er die Aufmerksamkeit der Kammer auf frühere Vorfälle, wo die Nationalehre compromittirt worden zu seyn scheine. Deren seyen drei, der Vorfall auf Mauritius, das was sich auf der afrikanischen Küste in Betreff des Gummihandels ergeben, endlich die Verhältnisse in Betreff des Schwefelmonopols. Er fragt auch, ob man sich mit der Räumung des Hafens von Passages beschäftige, und in Algier die Stellung des englischen Consuls zu regularisiren suche. Hr. Thiers: „Das Schwefelmonopol in Sicilien ist ungerecht. Seine Abschaffung ward von Frankreich verlangt, bevor noch die Schwierigkeiten zwischen dem König von Neapel und England eingetreten waren. Hr. Mauguin ward über die Vorfälle an den Küsten vom Senegal nicht gut unterrichtet. Passages in Spanien betreffend, so ist bereits das englische Material abgeführt und Passages selbst wird ebenfalls in kurzem geräumt seyn. Da der englische Consul zu Algier nicht gewechselt wurde, so war auch kein Anlaß vorhanden, von ihm das Erequatur zu verlangen. *)Für die der französischen Flagge von einem Narren (fou) im Hafen von Mauritius zugefügten Insulte hat das Cabinet England in der versöhnlichsten Stimmung gefunden. Hr. Mauguin erklärt sich durch einige dieser Erläuterungen befriedigt, beharrt aber noch auf einigen Punkten. Hr. Thiers ist der festen Ueberzeugung, daß Frankreich gut daran gethan habe, in der neapolitanischen Sache zu vermitteln. Die Annahme dieser Vermittelung sey ein neuer Beweis des Vertrauens, das Frankreich den streitigen Parteien einflöße. Hr. Fould tadelt das Betragen des französischen Consuls in Damaskus. Dieser Agent sey es, welcher die Martern gegen die wegen Ermordung des Paters Thomas ungerechterweise angeklagten unglücklichen Juden provocirt habe. Der Redner geht hiebei in Details ein, welche seine Religionsgenossen in Syrien betreffen, und macht dem Conseilpräsidenten den Vorwurf, in dieser Sache nicht mit gehöriger Energie gehandelt zu haben. Hr. Thiers: „Man hat in Betreff dieser Sache viele falsche Gerüchte verbreitet. Ich für meinen Theil möchte mir nicht herausnehmen, eine Meinung über das Wesen der Anklage auszudrücken. Ich habe viele Urkunden, alle Verhöre gelesen, und ich gestehe, ich glaube noch nicht im Stande zu seyn, mich über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten auszusprechen. Unser Consul hat sich in den Nachforschungen sehr eifrig gezeigt, und es ist durchaus nicht erwiesen, daß er auf die Martern angetragen habe. Mir ist noch nichts Tadelnswerthes über sein Betragen zugekommen; ich habe jedoch eine Untersuchung befohlen, und ein besonderer Agent ist, mit dieser Mission beauftragt, von Alexandria abgereist.“ Die HH. de la Borde und Isambert nehmen an der Debatte Theil. Hr. Thiers drückt wiederholt sein Erstaunen aus, daß man gegen den französischen Consul in Damaskus ohne Beweise Anklagen aufstelle. Man reclamire im Namen der Juden, der Minister reclamire aber im Namen eines französischen Consuls, der immer seine Pflichten treu erfüllt habe, er reclamire besonders deßwegen zu dessen Gunsten, weil er von Seite fremder Agenten unverdienten Anschuldigungen ausgesetzt gewesen sey. Niedere Leidenschaften hätten sich in eine Sache der Humanität gemischt; er wünsche, daß man die französischen Agenten billiger und gerechter beurtheile. Hr. Auguis spricht gegen Errichtung mehrerer Consulate im Auslande, besonders in Manilla. Damit war die Erörterung des Budgets der auswärtigen Angelegenheiten geschlossen, und die Kammer nahm die verschiedenen Capitel mit einem Abzug von 119,500 Fr. an. Hierauf ward zu den von dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts verlangten Crediten übergegangen.
Auf den Bericht des Hrn. Garnier de Bourganeuf ward eine gerichtliche Ordonnanz in der Proceßsache des Mörders Elisabid erlassen, der nun entschieden nicht in Paris, sondern vor den Assisen in Bordeaux gerichtet werden soll. Der so lange auf der Morgue ausgestellte Leichnam des ermordeten Knaben, der von Hrn. Gannal so geschickt einbalsamirt war, und seine ganze Frische beibehalten hatte, ward in einer Kiste wohlverwahrt auf dem Postwagen nach Bordeaux abgeschickt.
Der National bemerkt zu der Rede des Herzogs von Orleans, die er bei seinem Eintritt in Algier gesprochen, und worin er die Gründung eines großen afrikanischen Reichs verkündigt: „Und um dieses große Volk und das große Reich zu gründen, kehrt der Marschall Valèe auf die Maierei Muzaia zurück, um von da aus Miliana zu besetzen, und dann das Thal des Chelif bis Mostaganem hinabzugehen. Dieser Plan scheint uns in den gegenwärtigen Verhältnissen ganz unsinnig; doch wird er vielleicht gerade deßhalb vom Marschall in Ausführung gebracht. Die Resultate können nur unglücklich seyn; daran zweifelt, mit Ausnahme des Constitutionnel, Niemand. Augenscheinlich werden die Araber die Entfernung aller unserer Streitkräfte benutzen und die Ebene in größerer Anzahl heimsuchen, Algier enger einschließen und alle Verbindungen zwischen unsern verschiedenen Posten abschneiden. Ein unglückliches Gefecht kann selbst die Existenz unserer im fernen Thale des Chelif verlornen Truppen gefährden. Wir sind gewißlich keine Unglückspropheten, besonders wenn es sich von unserer Armee handelt, aber wir wünschen sehr, daß diese beklagenswerthe Expedition nicht stattfände. In der That möchten wir zu unserer Regierung sagen, welche Vortheile erhält das Land von diesen zahlreichen militärischen Spaziergängen? Wir besitzen nicht einmal ein Terrain von drei Lieues, wo der Colonist in Frieden den Acker bestellen kann. Unsere Regimenter laßt ihr zum Scherz mit dem Feinde kämpfen; doch dauert das Spiel schon ziemlich lange. Wollt ihr an eure Siege Glauben erwecken, so setzt euch doch auf einem Punkte gehörig fest, gebt Ländereien zum Anbau, bevölkert eure Wüsten, begünstigt eine Auswanderung, die schon seit zehn Jahren darauf wartet! und statt die Truppen damit zu ermüden, ganz Afrika zu durchstreifen, ohne eine größere Spur ihrer Durchzüge zurückzulassen,
*) Wir bemerken, daß wir diese neueste Sitzung vorerst nur nach stenographischen Mittheilungen geben, daher das Bruchstückartige, Lückenhafte derselben.
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