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Allgemeine Zeitung. Nr. 148. Augsburg, 27. Mai 1840.

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Montenegro und der Vladika.

In der Beilage zur Allg. Zeitung vom 18 und 19 März dieses Jahrs wird über einen Besuch beim Vladika von Montenegro auf eine Weise berichtet, die nicht nur einem mit den montenegrinischen Zuständen näher Vertrauten, sondern einem jeden Leser um so mehr auffallen muß, als der Berichterstatter angibt, die Gastfreundschaft des Vladika in Anspruch genommen zu haben, von ihm und seiner Umgebung auch freundlich empfangen und beherbergt worden zu seyn. - Wenn der Erzähler den jetzigen Bischof von Montenegro mit einem Räuberhauptmann oder mit einem im Käfig eingesperrten wilden Thiere vergleicht, wenn er behauptet, daß Hinrichtungen dem Vladika gleichsam zum Zeitvertreibe dienen, daß er die in seinem Lande herrschende Hungersnoth zu seinem Vortheil ausbeute, und seinen mütterlichen Oheim Prorokovich bloß deßwegen höher schätze, weil dieser einige Jahre in einem österreichischen Kerker zugebracht habe, so rechtfertigt er wenigstens das Mißtrauen gegen Fremde, welches er in Montenegro bemerkt haben will. Wenn ferner der Berichterstatter Notizen, die ihm in vertraulichen Gesprächen mitgetheilt wurden, in einem entstellenden Farbenschmucke der Publicität Preis gibt, und so Personen, die, wie man aus dem Aufsatze schließen kann, mit dem Vladika in Verhältnissen stehen, compromittirt, so gibt er wenigstens einen heilsamen Wink, wie zurückhaltend man gegen gewisse Reisende seyn müsse, und wie wenig man auf ihre Discretion rechnen dürfe.

Mehr als das Savoir vivre eines litterarischen Plauderers, der - nachdem er in Montenegro bei Regen und Nebel zwanzig Stunden zugebracht, sich am Schöpfenfleische satt gegessen, an Madeira und Champagner satt getrunken hat - doch etwas Pikantes der Welt zum Besten geben wollte, sich hiezu auch durch einen Besuch beim Secretär Milakovich, und durch reichliche an die Dienerschaft gespendete Trinkgelder vollkommen habilitirte - mehr als diese Bemerkungen dürfte die Leser der Allgemeinen Zeitung die Berichtigung einiger in dem betreffenden Aufsatze vorkommenden Andeutungen montenegrinischer Zustände interessiren.

Was erstlich die öffentliche Sicherheit in Montenegro anbelangt, so würde ich freilich keinem Fremden rathen, unbegleitet ein Land zu durchwandern, wo es keine Heerstraßen gibt, wo ein jeder Unbekannte auffallen muß; wahrscheinlich würde ein solcher bald angehalten und nach Cetinje, oder sonst vor einen Ortsvorsteher gebracht werden: daß aber so ein Reisender ohne Weiteres ausgeplündert werden müßte, ist ganz falsch, und widerspricht der täglichen Erfahrung. Freilich gibt es auch in Montenegro Diebe und Räuber (und in welchem civilisirten Lande gibt es deren nicht?) aber zu diesen alle Montenegriner machen zu wollen, zeugt von völliger Unkenntniß des Landes und seiner Bewohner, und es ließe sich vielleicht beweisen, daß man in Montenegro sicherer ist, als in so mancher abgelegenen Straße in der sich selbst so nennenden Hauptstadt der europäischen Civilisation.

Was die Kämpfe der Montenegriner mit den benachbarten türkischen Unterthanen betrifft, so sind sie durchaus nicht immer als Raubzüge zu betrachten; nicht selten sind sie bloß Repressalien und Folgen des beinahe fortwährenden Kriegszustandes zwischen der Türkei und Montenegro. Oft werden sie Raubzüge genannt, nicht wegen ihrer Motive, sondern weil sie nicht mit großen Armeen ausgefochten werden, auch es sich dabei nicht um Eroberungen von Provinzen und Reichen handelt.

Der Bischof oder Vladika übt freilich den meisten Einfluß auf die Landesangelegenheiten aus; diesen verschafft ihm nicht nur das Geld und seine geistliche Würde, sondern auch das alte Herkommen und seine Persönlichkeit: indessen würde man doch irren, wenn man glaubte, daß er ein vollkommener Autokrat sey. Die Häupter der angesehensten Familien haben von jeher bei allen wichtigen Anordnungen mitgewirkt, ihnen gehören auch die gegenwärtigen Senatoren an, und diese natürliche Pairie darf nicht vernachlässigt werden. Es ist wohl begreiflich, daß der Bischof mit jenen Personen, die ihm im Ansehen und in der Macht die nächsten sind, auf vertrauterem Fuß umgehen muß, und daß, wenn er sie nicht zu solchen geselligen Freuden, die seiner Bildung entsprechen, emporheben kann, er sich zu solchen herablassen muß, die der Culturstufe jener angemessen sind. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man seine Gewohnheit beurtheilen, die Winterabende mit den Senatoren beim Feuer zuzubringen, alte Nationallieder anzuhören, und an Gesprächen Theil zu nehmen, deren Gegenstand meist die Kämpfe mit den türkischen Nachbarprovinzen bilden.

Der barbarische Gebrauch, die Kopfe getödteter Feinde zur Schau aufzuspießen. besteht allerdings noch in Montenegro, aber es liegen ihm eben auch Repressalien gegen die Türken zu Grunde, und er wird mit der Zeit gewiß verschwinden, jedenfalls ist die Schuld davon nicht dem Vladika beizumessen. Wenn man erwägt, was das Land noch vor 10 Jahren war, und was es jetzt ist, so kann man nicht umhin zu gestehen, daß der Vladika bereits sehr viel gethan. Die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten bekam eine bestimmtere Basis, der Landeshaushalt wurde regulirt, für die Schlichtung von Privatstreitigkeiten, für die Ueberwachung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit überall eigene Personen aufgestellt, eine Schule, eine Buchdruckerei errichtet, bessere Communicationswege im Lande und gegen die österreichische Gränze hergestellt, und Montenegro überhaupt der europäischen Cultur bedeutend näher gerückt. Daß noch viel zu thun übrig bleibt, ist unzweifelhaft, aber ungerecht wäre es, das, was bereits gethan worden, nicht anzuerkennen.

In dem Aufsatze, der zu diesen meinen Bemerkungen Veranlassung gab, wird der Secretär Milakovich das Factotum von Montenegro genannt, ein Titel, auf den Milakovich selbst wohl den wenigsten Anspruch macht. Die Schreibereien, zumal die wichtigern, werden freilich hauptsächlich von ihm besorgt, aber er schreibt, was man ihm zu schreiben befiehlt; in dem, was ihnen noth thut, kennen sich die Montenegriner sehr gut aus, wenn sie auch mit der Feder nicht umzugehen wissen, und was dann den Vladika betrifft, so hat er schon bei mehreren Gelegenheiten gezeigt, daß er nicht so leicht zu leiten ist; Vukotich und Vuctichevich, die vor einigen Jahren von Rußland gekommen waren, und später wieder dorthin zurückgekehrt sind, mögen darüber befragt werden.

Seit einigen Jahren erscheint in Montenegro ein Almanach, der in dem mehrerwähnten Bericht den bescheidenen Namen eines Bauernkalenders erhält. Nun, der Almanach ist freilich zunächst für Montenegriner bestimmt, die alle Bauern sind; auf Leser in Wien und Berlin, besonders auf solche, die kein Wort von einer slavischen Sprache verstehen, wird bei dessen Herausgabe nicht gerechnet; aber gewiß ist es, daß außer den montenegrinischen Bauern auch andere Leute Manches daraus lernen

Montenegro und der Vladika.

In der Beilage zur Allg. Zeitung vom 18 und 19 März dieses Jahrs wird über einen Besuch beim Vladika von Montenegro auf eine Weise berichtet, die nicht nur einem mit den montenegrinischen Zuständen näher Vertrauten, sondern einem jeden Leser um so mehr auffallen muß, als der Berichterstatter angibt, die Gastfreundschaft des Vladika in Anspruch genommen zu haben, von ihm und seiner Umgebung auch freundlich empfangen und beherbergt worden zu seyn. – Wenn der Erzähler den jetzigen Bischof von Montenegro mit einem Räuberhauptmann oder mit einem im Käfig eingesperrten wilden Thiere vergleicht, wenn er behauptet, daß Hinrichtungen dem Vladika gleichsam zum Zeitvertreibe dienen, daß er die in seinem Lande herrschende Hungersnoth zu seinem Vortheil ausbeute, und seinen mütterlichen Oheim Prorokovich bloß deßwegen höher schätze, weil dieser einige Jahre in einem österreichischen Kerker zugebracht habe, so rechtfertigt er wenigstens das Mißtrauen gegen Fremde, welches er in Montenegro bemerkt haben will. Wenn ferner der Berichterstatter Notizen, die ihm in vertraulichen Gesprächen mitgetheilt wurden, in einem entstellenden Farbenschmucke der Publicität Preis gibt, und so Personen, die, wie man aus dem Aufsatze schließen kann, mit dem Vladika in Verhältnissen stehen, compromittirt, so gibt er wenigstens einen heilsamen Wink, wie zurückhaltend man gegen gewisse Reisende seyn müsse, und wie wenig man auf ihre Discretion rechnen dürfe.

Mehr als das Savoir vivre eines litterarischen Plauderers, der – nachdem er in Montenegro bei Regen und Nebel zwanzig Stunden zugebracht, sich am Schöpfenfleische satt gegessen, an Madeira und Champagner satt getrunken hat – doch etwas Pikantes der Welt zum Besten geben wollte, sich hiezu auch durch einen Besuch beim Secretär Milakovich, und durch reichliche an die Dienerschaft gespendete Trinkgelder vollkommen habilitirte – mehr als diese Bemerkungen dürfte die Leser der Allgemeinen Zeitung die Berichtigung einiger in dem betreffenden Aufsatze vorkommenden Andeutungen montenegrinischer Zustände interessiren.

Was erstlich die öffentliche Sicherheit in Montenegro anbelangt, so würde ich freilich keinem Fremden rathen, unbegleitet ein Land zu durchwandern, wo es keine Heerstraßen gibt, wo ein jeder Unbekannte auffallen muß; wahrscheinlich würde ein solcher bald angehalten und nach Cetinje, oder sonst vor einen Ortsvorsteher gebracht werden: daß aber so ein Reisender ohne Weiteres ausgeplündert werden müßte, ist ganz falsch, und widerspricht der täglichen Erfahrung. Freilich gibt es auch in Montenegro Diebe und Räuber (und in welchem civilisirten Lande gibt es deren nicht?) aber zu diesen alle Montenegriner machen zu wollen, zeugt von völliger Unkenntniß des Landes und seiner Bewohner, und es ließe sich vielleicht beweisen, daß man in Montenegro sicherer ist, als in so mancher abgelegenen Straße in der sich selbst so nennenden Hauptstadt der europäischen Civilisation.

Was die Kämpfe der Montenegriner mit den benachbarten türkischen Unterthanen betrifft, so sind sie durchaus nicht immer als Raubzüge zu betrachten; nicht selten sind sie bloß Repressalien und Folgen des beinahe fortwährenden Kriegszustandes zwischen der Türkei und Montenegro. Oft werden sie Raubzüge genannt, nicht wegen ihrer Motive, sondern weil sie nicht mit großen Armeen ausgefochten werden, auch es sich dabei nicht um Eroberungen von Provinzen und Reichen handelt.

Der Bischof oder Vladika übt freilich den meisten Einfluß auf die Landesangelegenheiten aus; diesen verschafft ihm nicht nur das Geld und seine geistliche Würde, sondern auch das alte Herkommen und seine Persönlichkeit: indessen würde man doch irren, wenn man glaubte, daß er ein vollkommener Autokrat sey. Die Häupter der angesehensten Familien haben von jeher bei allen wichtigen Anordnungen mitgewirkt, ihnen gehören auch die gegenwärtigen Senatoren an, und diese natürliche Pairie darf nicht vernachlässigt werden. Es ist wohl begreiflich, daß der Bischof mit jenen Personen, die ihm im Ansehen und in der Macht die nächsten sind, auf vertrauterem Fuß umgehen muß, und daß, wenn er sie nicht zu solchen geselligen Freuden, die seiner Bildung entsprechen, emporheben kann, er sich zu solchen herablassen muß, die der Culturstufe jener angemessen sind. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man seine Gewohnheit beurtheilen, die Winterabende mit den Senatoren beim Feuer zuzubringen, alte Nationallieder anzuhören, und an Gesprächen Theil zu nehmen, deren Gegenstand meist die Kämpfe mit den türkischen Nachbarprovinzen bilden.

Der barbarische Gebrauch, die Kopfe getödteter Feinde zur Schau aufzuspießen. besteht allerdings noch in Montenegro, aber es liegen ihm eben auch Repressalien gegen die Türken zu Grunde, und er wird mit der Zeit gewiß verschwinden, jedenfalls ist die Schuld davon nicht dem Vladika beizumessen. Wenn man erwägt, was das Land noch vor 10 Jahren war, und was es jetzt ist, so kann man nicht umhin zu gestehen, daß der Vladika bereits sehr viel gethan. Die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten bekam eine bestimmtere Basis, der Landeshaushalt wurde regulirt, für die Schlichtung von Privatstreitigkeiten, für die Ueberwachung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit überall eigene Personen aufgestellt, eine Schule, eine Buchdruckerei errichtet, bessere Communicationswege im Lande und gegen die österreichische Gränze hergestellt, und Montenegro überhaupt der europäischen Cultur bedeutend näher gerückt. Daß noch viel zu thun übrig bleibt, ist unzweifelhaft, aber ungerecht wäre es, das, was bereits gethan worden, nicht anzuerkennen.

In dem Aufsatze, der zu diesen meinen Bemerkungen Veranlassung gab, wird der Secretär Milakovich das Factotum von Montenegro genannt, ein Titel, auf den Milakovich selbst wohl den wenigsten Anspruch macht. Die Schreibereien, zumal die wichtigern, werden freilich hauptsächlich von ihm besorgt, aber er schreibt, was man ihm zu schreiben befiehlt; in dem, was ihnen noth thut, kennen sich die Montenegriner sehr gut aus, wenn sie auch mit der Feder nicht umzugehen wissen, und was dann den Vladika betrifft, so hat er schon bei mehreren Gelegenheiten gezeigt, daß er nicht so leicht zu leiten ist; Vukotich und Vuctichevich, die vor einigen Jahren von Rußland gekommen waren, und später wieder dorthin zurückgekehrt sind, mögen darüber befragt werden.

Seit einigen Jahren erscheint in Montenegro ein Almanach, der in dem mehrerwähnten Bericht den bescheidenen Namen eines Bauernkalenders erhält. Nun, der Almanach ist freilich zunächst für Montenegriner bestimmt, die alle Bauern sind; auf Leser in Wien und Berlin, besonders auf solche, die kein Wort von einer slavischen Sprache verstehen, wird bei dessen Herausgabe nicht gerechnet; aber gewiß ist es, daß außer den montenegrinischen Bauern auch andere Leute Manches daraus lernen

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[1177/0009] Montenegro und der Vladika. _ Budua, 30 April. In der Beilage zur Allg. Zeitung vom 18 und 19 März dieses Jahrs wird über einen Besuch beim Vladika von Montenegro auf eine Weise berichtet, die nicht nur einem mit den montenegrinischen Zuständen näher Vertrauten, sondern einem jeden Leser um so mehr auffallen muß, als der Berichterstatter angibt, die Gastfreundschaft des Vladika in Anspruch genommen zu haben, von ihm und seiner Umgebung auch freundlich empfangen und beherbergt worden zu seyn. – Wenn der Erzähler den jetzigen Bischof von Montenegro mit einem Räuberhauptmann oder mit einem im Käfig eingesperrten wilden Thiere vergleicht, wenn er behauptet, daß Hinrichtungen dem Vladika gleichsam zum Zeitvertreibe dienen, daß er die in seinem Lande herrschende Hungersnoth zu seinem Vortheil ausbeute, und seinen mütterlichen Oheim Prorokovich bloß deßwegen höher schätze, weil dieser einige Jahre in einem österreichischen Kerker zugebracht habe, so rechtfertigt er wenigstens das Mißtrauen gegen Fremde, welches er in Montenegro bemerkt haben will. Wenn ferner der Berichterstatter Notizen, die ihm in vertraulichen Gesprächen mitgetheilt wurden, in einem entstellenden Farbenschmucke der Publicität Preis gibt, und so Personen, die, wie man aus dem Aufsatze schließen kann, mit dem Vladika in Verhältnissen stehen, compromittirt, so gibt er wenigstens einen heilsamen Wink, wie zurückhaltend man gegen gewisse Reisende seyn müsse, und wie wenig man auf ihre Discretion rechnen dürfe. Mehr als das Savoir vivre eines litterarischen Plauderers, der – nachdem er in Montenegro bei Regen und Nebel zwanzig Stunden zugebracht, sich am Schöpfenfleische satt gegessen, an Madeira und Champagner satt getrunken hat – doch etwas Pikantes der Welt zum Besten geben wollte, sich hiezu auch durch einen Besuch beim Secretär Milakovich, und durch reichliche an die Dienerschaft gespendete Trinkgelder vollkommen habilitirte – mehr als diese Bemerkungen dürfte die Leser der Allgemeinen Zeitung die Berichtigung einiger in dem betreffenden Aufsatze vorkommenden Andeutungen montenegrinischer Zustände interessiren. 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Was die Kämpfe der Montenegriner mit den benachbarten türkischen Unterthanen betrifft, so sind sie durchaus nicht immer als Raubzüge zu betrachten; nicht selten sind sie bloß Repressalien und Folgen des beinahe fortwährenden Kriegszustandes zwischen der Türkei und Montenegro. Oft werden sie Raubzüge genannt, nicht wegen ihrer Motive, sondern weil sie nicht mit großen Armeen ausgefochten werden, auch es sich dabei nicht um Eroberungen von Provinzen und Reichen handelt. Der Bischof oder Vladika übt freilich den meisten Einfluß auf die Landesangelegenheiten aus; diesen verschafft ihm nicht nur das Geld und seine geistliche Würde, sondern auch das alte Herkommen und seine Persönlichkeit: indessen würde man doch irren, wenn man glaubte, daß er ein vollkommener Autokrat sey. Die Häupter der angesehensten Familien haben von jeher bei allen wichtigen Anordnungen mitgewirkt, ihnen gehören auch die gegenwärtigen Senatoren an, und diese natürliche Pairie darf nicht vernachlässigt werden. Es ist wohl begreiflich, daß der Bischof mit jenen Personen, die ihm im Ansehen und in der Macht die nächsten sind, auf vertrauterem Fuß umgehen muß, und daß, wenn er sie nicht zu solchen geselligen Freuden, die seiner Bildung entsprechen, emporheben kann, er sich zu solchen herablassen muß, die der Culturstufe jener angemessen sind. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man seine Gewohnheit beurtheilen, die Winterabende mit den Senatoren beim Feuer zuzubringen, alte Nationallieder anzuhören, und an Gesprächen Theil zu nehmen, deren Gegenstand meist die Kämpfe mit den türkischen Nachbarprovinzen bilden. Der barbarische Gebrauch, die Kopfe getödteter Feinde zur Schau aufzuspießen. besteht allerdings noch in Montenegro, aber es liegen ihm eben auch Repressalien gegen die Türken zu Grunde, und er wird mit der Zeit gewiß verschwinden, jedenfalls ist die Schuld davon nicht dem Vladika beizumessen. Wenn man erwägt, was das Land noch vor 10 Jahren war, und was es jetzt ist, so kann man nicht umhin zu gestehen, daß der Vladika bereits sehr viel gethan. Die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten bekam eine bestimmtere Basis, der Landeshaushalt wurde regulirt, für die Schlichtung von Privatstreitigkeiten, für die Ueberwachung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit überall eigene Personen aufgestellt, eine Schule, eine Buchdruckerei errichtet, bessere Communicationswege im Lande und gegen die österreichische Gränze hergestellt, und Montenegro überhaupt der europäischen Cultur bedeutend näher gerückt. Daß noch viel zu thun übrig bleibt, ist unzweifelhaft, aber ungerecht wäre es, das, was bereits gethan worden, nicht anzuerkennen. In dem Aufsatze, der zu diesen meinen Bemerkungen Veranlassung gab, wird der Secretär Milakovich das Factotum von Montenegro genannt, ein Titel, auf den Milakovich selbst wohl den wenigsten Anspruch macht. Die Schreibereien, zumal die wichtigern, werden freilich hauptsächlich von ihm besorgt, aber er schreibt, was man ihm zu schreiben befiehlt; in dem, was ihnen noth thut, kennen sich die Montenegriner sehr gut aus, wenn sie auch mit der Feder nicht umzugehen wissen, und was dann den Vladika betrifft, so hat er schon bei mehreren Gelegenheiten gezeigt, daß er nicht so leicht zu leiten ist; Vukotich und Vuctichevich, die vor einigen Jahren von Rußland gekommen waren, und später wieder dorthin zurückgekehrt sind, mögen darüber befragt werden. Seit einigen Jahren erscheint in Montenegro ein Almanach, der in dem mehrerwähnten Bericht den bescheidenen Namen eines Bauernkalenders erhält. Nun, der Almanach ist freilich zunächst für Montenegriner bestimmt, die alle Bauern sind; auf Leser in Wien und Berlin, besonders auf solche, die kein Wort von einer slavischen Sprache verstehen, wird bei dessen Herausgabe nicht gerechnet; aber gewiß ist es, daß außer den montenegrinischen Bauern auch andere Leute Manches daraus lernen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 148. Augsburg, 27. Mai 1840, S. 1177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_148_18400527/9>, abgerufen am 24.11.2024.