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Allgemeine Zeitung. Nr. 144. Augsburg, 23. Mai 1840.

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Katholische Missionen.

Die französische katholische Missionsgesellschaft hat vor einigen Tagen ihren Jahresbericht bekannt gemacht; er ist sehr unvollständig und gibt keineswegs das ganze Bild von der Thätigkeit einer Gesellschaft, welche in den letzten Jahren eine große Wichtigkeit erlangt hat, und der eine noch viel bedeutendere Zukunft bevorzustehen scheint. Ihre Einnahmen im letzten Jahr haben 1,895,682 Franken betragen, beinahe eine halbe Million mehr als das Jahr zuvor. Davon kommen zwei Drittel auf Frankreich, 154,459 Fr. auf Savoyen, 111,285 auf Bayern, 100,664 auf Belgien, 93,270 auf England, 47,776 auf den Kirchenstaat, 28,747 auf die Schweiz, 25,598 auf Toscana, 25,167 auf Preußen; der Rest fließt in kleineren Summen aus den übrigen katholischen Ländern. Es ist eine ungeheure Summe, wenn man bedenkt, daß sie durch wöchentliche Beiträge von je Einem Sous zusammengebracht wird, und ist eines der Zeichen, welche ein Wiederaufleben des Glaubens in der katholischen Kirche anzeigen. Dieser sind übrigens viele, und hier ist ihr Einfluß auf eine auffallende Art bemerklich. Unter der Restauration verbargen die Gläubigen ihre Gesinnungen; wer zur Messe ging, that es im Stillen, und alle Jahre erschien eine Ausgabe der Werke von Voltaire. Jetzt verbergen die Ungläubigen ihre Meinungen, und man sieht Spuren von religiöser Hypokrisie, was eine hier lange verschwundene Sache war; von Voltaire ist, glaube ich, seit 1830 kein Band gedruckt worden; man hört seinen Namen kaum mehr. Es sollte mich nicht wundern, wenn eine Zeit religiöser Intoleranz käme; ich meine nicht durch den Staat, sondern durch die öffentliche Meinung in der Art, wie sie die Methodisten in England üben.

Doch um auf die Missionen zurückzukommen. Ihr Organ sind die Annalen der Propagation des Glaubens, die jetzt in 90,000 Exemplaren und in sieben Sprachen gedruckt werden. Jedes Exemplar setzt wenigstens zehn Leser voraus, weil sie nur an Associationen von zehn abgegeben werden, von denen jeder wöchentlich einen Sous bezahlt, und dafür das Journal zu lesen bekommt. Diese Art des Verkaufs ist den Missionen vortheilhafter als der an Einzelne, und daher kommt das sonderbare Phänomen in der Geschichte der Journalistik, daß das gelesenste aller Journale in der Welt keine Abonnenten annimmt, und man die größte Mühe hat, es sich zu verschaffen, wenn man nicht einer dieser kleinen Kirchen von Mitgliedern der Congregation angehört. Die Kosten des Journals betrugen im letzten Jahr 117,395 Franken.

Die Hauptmissionsanstalten der Gesellschaft sind in China, Indien, der Halbinsel jenseits des Ganges, Oceanien, der Levante und Nordamerika. Den Missionen in China sind im laufenden Jahr 195,000 Franken bestimmt, wovon 18,500 für Korea. Die Opiumstreitigkeiten machen der Mission dort viele Schwierigkeiten und sind sehr gefährlich für sie geworden, weil sie in ganz China eine Masse von Angeberei hervorgerufen haben, und jeder Beamte seinen Eifer durch Aufsuchen von Opiumschmugglern und Rauchern und bei derselben Gelegenheit von Mitgliedern geheimer Secten und Gesellschaften zeigen will. Am Ende des letzten Jahres ist nach ganz neuen Nachrichten eine Verfolgung in der Provinz Hupe ausgebrochen, bei welcher ein europäischer Missionär, Perboyre, in die Hände der Beamten fiel; die andern haben sich in die Provinz Kiangsi geflüchtet. Man erwartet Nachrichten von weit ausgedehnteren Verfolgungen. Die Missionen in Siam, Cochinchina und Tonking erhalten 110,000 Franken. In Siam ist Alles ziemlich ruhig, aber die Verfolgung in Cochinchina und Tonking dauert unausgesetzt fort. Es ist eine Thorheit, neue Missionäre hinzuschicken, bis der König ermüdet oder todt seyn wird. Die indischen Missionen erhalten 136,000 Franken; sie sind in den letzten Jahren beträchtlich ausgedehnt worden, aber ohne sichtbare Fortschritte. Was man in dem etwas barbarischen Styl der Missionen die Mission des Mogol heißt, d. h. die von Nordindien, existirt so gut als gar nicht, seitdem Begum Somru gestorben ist, welche in Sindhana einen Bischof etablirt hatte, und der apostolische Vicar Pessoni, der in Dehli residirt, hat eine wahre Sinecure. In der Mission von Madure, d. h. von Südindien, gibt es katholische Gemeinden, aber es ist kein Leben darin.

Das Südmeer ist in drei apostolische Vicariate getheilt: Australien, wo ein Irländer Namens Polding Bischof ist; Ostoceanien mit dem Bischof Rouchouse, einem Franzosen, und Westoceanien mit dem Bischof Pompallier, der in Neuseeland residirt; sie erhalten zusammen 200,000 Franken. Sie haben sich auf den Gambierinseln und einigen andern Gruppen, welche von Papuas bewohnt sind, etablirt, was sehr verdienstlich ist, und sollten alle ihre Hülfsmittel auf Unternehmungen dieser Art verwenden, anstatt sich mit Hülfe französischer Kriegsschiffe auf den Sandwichinseln, in Otahayti und den übrigen Stationen der englischen Missionen einzudrängen. Es ist viel gegen die HH. Bingham und andere methodistische Missionäre dort zu sagen; aber wie aus dem Kriegszustand, den die katholischen Missionen dort mit sich bringen, Gutes werden soll, ist nicht abzusehen. Die Berichte, die sie über die Verfolgungen der katholischen Bekehrten durch die englischen Missionäre in den Sandwichinseln drucken, sind gräulich; allein es ist inmitten dieser widerstreitenden Nachrichten von zwei bigotten und bittern Corporationen nicht leicht die Wahrheit auszufinden. Ich will aus dem letzten Bericht der hiesigen Missionen nur Eine Phrase anführen; sie sagen: "die Bibelkrämer, deren ängstliche Propaganda sich damit begnügt, unsere entweihten heiligen Schriften mit dem Opium der Contrebande auf die Küsten von China zu werfen." Dieß ist eine bloße Verleumdung; denn es ist bekannt, daß die englischen Bibel- und Missionsgesellschaften sich ausdrücklich aller Berührung mit den Opiumschmugglern enthalten und sich nie eines Schiffs bedienen, das Opium an Bord hat. Aber keine der beiden Parteien will einsehen, daß die gehässigen Leidenschaften, welche jede gegen die Missionen der andern zeigt, sie selbst mit Schande bedecken.

Die Missionen in der Levante erhalten 260,000 Franken; sie umfassen die Türkei, Persien, Aegypten und Abyssinien, wo vor zwei Jahren die Jesuiten sich wieder installirt haben. Ihre Haupttendenz ist, nestorianische, chaldäische, armenische und griechische Christen zum Katholicismus zu bekehren, und bei dem tiefen Verfall aller orientalischen Kirchen ist ihre Thätigkeit in dieser Hinsicht wahrscheinlich im Ganzen wohlthätig. Die entsetzliche Geschichte der Verfolgung in Damaskus, bei welcher sie eine große Rolle gespielt zu haben scheinen, erregt freilich großes Bedenken über den christlichen Geist, der darin herrscht. Das Unglück ist, daß hier wie in England kein Mann von großem Talent an der Spitze der Missionen steht, so daß Alles dem subalternen Eifer überlassen ist, der inmitten kleiner, localer Interessen und Leidenschaften nur zu leicht alles Maaß überschreitet.

Die hauptsächlichsten Missionen der Gesellschaft sind aber

Katholische Missionen.

Die französische katholische Missionsgesellschaft hat vor einigen Tagen ihren Jahresbericht bekannt gemacht; er ist sehr unvollständig und gibt keineswegs das ganze Bild von der Thätigkeit einer Gesellschaft, welche in den letzten Jahren eine große Wichtigkeit erlangt hat, und der eine noch viel bedeutendere Zukunft bevorzustehen scheint. Ihre Einnahmen im letzten Jahr haben 1,895,682 Franken betragen, beinahe eine halbe Million mehr als das Jahr zuvor. Davon kommen zwei Drittel auf Frankreich, 154,459 Fr. auf Savoyen, 111,285 auf Bayern, 100,664 auf Belgien, 93,270 auf England, 47,776 auf den Kirchenstaat, 28,747 auf die Schweiz, 25,598 auf Toscana, 25,167 auf Preußen; der Rest fließt in kleineren Summen aus den übrigen katholischen Ländern. Es ist eine ungeheure Summe, wenn man bedenkt, daß sie durch wöchentliche Beiträge von je Einem Sous zusammengebracht wird, und ist eines der Zeichen, welche ein Wiederaufleben des Glaubens in der katholischen Kirche anzeigen. Dieser sind übrigens viele, und hier ist ihr Einfluß auf eine auffallende Art bemerklich. Unter der Restauration verbargen die Gläubigen ihre Gesinnungen; wer zur Messe ging, that es im Stillen, und alle Jahre erschien eine Ausgabe der Werke von Voltaire. Jetzt verbergen die Ungläubigen ihre Meinungen, und man sieht Spuren von religiöser Hypokrisie, was eine hier lange verschwundene Sache war; von Voltaire ist, glaube ich, seit 1830 kein Band gedruckt worden; man hört seinen Namen kaum mehr. Es sollte mich nicht wundern, wenn eine Zeit religiöser Intoleranz käme; ich meine nicht durch den Staat, sondern durch die öffentliche Meinung in der Art, wie sie die Methodisten in England üben.

Doch um auf die Missionen zurückzukommen. Ihr Organ sind die Annalen der Propagation des Glaubens, die jetzt in 90,000 Exemplaren und in sieben Sprachen gedruckt werden. Jedes Exemplar setzt wenigstens zehn Leser voraus, weil sie nur an Associationen von zehn abgegeben werden, von denen jeder wöchentlich einen Sous bezahlt, und dafür das Journal zu lesen bekommt. Diese Art des Verkaufs ist den Missionen vortheilhafter als der an Einzelne, und daher kommt das sonderbare Phänomen in der Geschichte der Journalistik, daß das gelesenste aller Journale in der Welt keine Abonnenten annimmt, und man die größte Mühe hat, es sich zu verschaffen, wenn man nicht einer dieser kleinen Kirchen von Mitgliedern der Congregation angehört. Die Kosten des Journals betrugen im letzten Jahr 117,395 Franken.

Die Hauptmissionsanstalten der Gesellschaft sind in China, Indien, der Halbinsel jenseits des Ganges, Oceanien, der Levante und Nordamerika. Den Missionen in China sind im laufenden Jahr 195,000 Franken bestimmt, wovon 18,500 für Korea. Die Opiumstreitigkeiten machen der Mission dort viele Schwierigkeiten und sind sehr gefährlich für sie geworden, weil sie in ganz China eine Masse von Angeberei hervorgerufen haben, und jeder Beamte seinen Eifer durch Aufsuchen von Opiumschmugglern und Rauchern und bei derselben Gelegenheit von Mitgliedern geheimer Secten und Gesellschaften zeigen will. Am Ende des letzten Jahres ist nach ganz neuen Nachrichten eine Verfolgung in der Provinz Hupé ausgebrochen, bei welcher ein europäischer Missionär, Perboyre, in die Hände der Beamten fiel; die andern haben sich in die Provinz Kiangsi geflüchtet. Man erwartet Nachrichten von weit ausgedehnteren Verfolgungen. Die Missionen in Siam, Cochinchina und Tonking erhalten 110,000 Franken. In Siam ist Alles ziemlich ruhig, aber die Verfolgung in Cochinchina und Tonking dauert unausgesetzt fort. Es ist eine Thorheit, neue Missionäre hinzuschicken, bis der König ermüdet oder todt seyn wird. Die indischen Missionen erhalten 136,000 Franken; sie sind in den letzten Jahren beträchtlich ausgedehnt worden, aber ohne sichtbare Fortschritte. Was man in dem etwas barbarischen Styl der Missionen die Mission des Mogol heißt, d. h. die von Nordindien, existirt so gut als gar nicht, seitdem Begum Somru gestorben ist, welche in Sindhana einen Bischof etablirt hatte, und der apostolische Vicar Pessoni, der in Dehli residirt, hat eine wahre Sinecure. In der Mission von Madure, d. h. von Südindien, gibt es katholische Gemeinden, aber es ist kein Leben darin.

Das Südmeer ist in drei apostolische Vicariate getheilt: Australien, wo ein Irländer Namens Polding Bischof ist; Ostoceanien mit dem Bischof Rouchouse, einem Franzosen, und Westoceanien mit dem Bischof Pompallier, der in Neuseeland residirt; sie erhalten zusammen 200,000 Franken. Sie haben sich auf den Gambierinseln und einigen andern Gruppen, welche von Papuas bewohnt sind, etablirt, was sehr verdienstlich ist, und sollten alle ihre Hülfsmittel auf Unternehmungen dieser Art verwenden, anstatt sich mit Hülfe französischer Kriegsschiffe auf den Sandwichinseln, in Otahayti und den übrigen Stationen der englischen Missionen einzudrängen. Es ist viel gegen die HH. Bingham und andere methodistische Missionäre dort zu sagen; aber wie aus dem Kriegszustand, den die katholischen Missionen dort mit sich bringen, Gutes werden soll, ist nicht abzusehen. Die Berichte, die sie über die Verfolgungen der katholischen Bekehrten durch die englischen Missionäre in den Sandwichinseln drucken, sind gräulich; allein es ist inmitten dieser widerstreitenden Nachrichten von zwei bigotten und bittern Corporationen nicht leicht die Wahrheit auszufinden. Ich will aus dem letzten Bericht der hiesigen Missionen nur Eine Phrase anführen; sie sagen: „die Bibelkrämer, deren ängstliche Propaganda sich damit begnügt, unsere entweihten heiligen Schriften mit dem Opium der Contrebande auf die Küsten von China zu werfen.“ Dieß ist eine bloße Verleumdung; denn es ist bekannt, daß die englischen Bibel- und Missionsgesellschaften sich ausdrücklich aller Berührung mit den Opiumschmugglern enthalten und sich nie eines Schiffs bedienen, das Opium an Bord hat. Aber keine der beiden Parteien will einsehen, daß die gehässigen Leidenschaften, welche jede gegen die Missionen der andern zeigt, sie selbst mit Schande bedecken.

Die Missionen in der Levante erhalten 260,000 Franken; sie umfassen die Türkei, Persien, Aegypten und Abyssinien, wo vor zwei Jahren die Jesuiten sich wieder installirt haben. Ihre Haupttendenz ist, nestorianische, chaldäische, armenische und griechische Christen zum Katholicismus zu bekehren, und bei dem tiefen Verfall aller orientalischen Kirchen ist ihre Thätigkeit in dieser Hinsicht wahrscheinlich im Ganzen wohlthätig. Die entsetzliche Geschichte der Verfolgung in Damaskus, bei welcher sie eine große Rolle gespielt zu haben scheinen, erregt freilich großes Bedenken über den christlichen Geist, der darin herrscht. Das Unglück ist, daß hier wie in England kein Mann von großem Talent an der Spitze der Missionen steht, so daß Alles dem subalternen Eifer überlassen ist, der inmitten kleiner, localer Interessen und Leidenschaften nur zu leicht alles Maaß überschreitet.

Die hauptsächlichsten Missionen der Gesellschaft sind aber

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[1145/0009] Katholische Missionen. _ Paris, 15 Mai. Die französische katholische Missionsgesellschaft hat vor einigen Tagen ihren Jahresbericht bekannt gemacht; er ist sehr unvollständig und gibt keineswegs das ganze Bild von der Thätigkeit einer Gesellschaft, welche in den letzten Jahren eine große Wichtigkeit erlangt hat, und der eine noch viel bedeutendere Zukunft bevorzustehen scheint. Ihre Einnahmen im letzten Jahr haben 1,895,682 Franken betragen, beinahe eine halbe Million mehr als das Jahr zuvor. Davon kommen zwei Drittel auf Frankreich, 154,459 Fr. auf Savoyen, 111,285 auf Bayern, 100,664 auf Belgien, 93,270 auf England, 47,776 auf den Kirchenstaat, 28,747 auf die Schweiz, 25,598 auf Toscana, 25,167 auf Preußen; der Rest fließt in kleineren Summen aus den übrigen katholischen Ländern. Es ist eine ungeheure Summe, wenn man bedenkt, daß sie durch wöchentliche Beiträge von je Einem Sous zusammengebracht wird, und ist eines der Zeichen, welche ein Wiederaufleben des Glaubens in der katholischen Kirche anzeigen. Dieser sind übrigens viele, und hier ist ihr Einfluß auf eine auffallende Art bemerklich. Unter der Restauration verbargen die Gläubigen ihre Gesinnungen; wer zur Messe ging, that es im Stillen, und alle Jahre erschien eine Ausgabe der Werke von Voltaire. Jetzt verbergen die Ungläubigen ihre Meinungen, und man sieht Spuren von religiöser Hypokrisie, was eine hier lange verschwundene Sache war; von Voltaire ist, glaube ich, seit 1830 kein Band gedruckt worden; man hört seinen Namen kaum mehr. Es sollte mich nicht wundern, wenn eine Zeit religiöser Intoleranz käme; ich meine nicht durch den Staat, sondern durch die öffentliche Meinung in der Art, wie sie die Methodisten in England üben. Doch um auf die Missionen zurückzukommen. Ihr Organ sind die Annalen der Propagation des Glaubens, die jetzt in 90,000 Exemplaren und in sieben Sprachen gedruckt werden. Jedes Exemplar setzt wenigstens zehn Leser voraus, weil sie nur an Associationen von zehn abgegeben werden, von denen jeder wöchentlich einen Sous bezahlt, und dafür das Journal zu lesen bekommt. Diese Art des Verkaufs ist den Missionen vortheilhafter als der an Einzelne, und daher kommt das sonderbare Phänomen in der Geschichte der Journalistik, daß das gelesenste aller Journale in der Welt keine Abonnenten annimmt, und man die größte Mühe hat, es sich zu verschaffen, wenn man nicht einer dieser kleinen Kirchen von Mitgliedern der Congregation angehört. Die Kosten des Journals betrugen im letzten Jahr 117,395 Franken. Die Hauptmissionsanstalten der Gesellschaft sind in China, Indien, der Halbinsel jenseits des Ganges, Oceanien, der Levante und Nordamerika. Den Missionen in China sind im laufenden Jahr 195,000 Franken bestimmt, wovon 18,500 für Korea. Die Opiumstreitigkeiten machen der Mission dort viele Schwierigkeiten und sind sehr gefährlich für sie geworden, weil sie in ganz China eine Masse von Angeberei hervorgerufen haben, und jeder Beamte seinen Eifer durch Aufsuchen von Opiumschmugglern und Rauchern und bei derselben Gelegenheit von Mitgliedern geheimer Secten und Gesellschaften zeigen will. Am Ende des letzten Jahres ist nach ganz neuen Nachrichten eine Verfolgung in der Provinz Hupé ausgebrochen, bei welcher ein europäischer Missionär, Perboyre, in die Hände der Beamten fiel; die andern haben sich in die Provinz Kiangsi geflüchtet. Man erwartet Nachrichten von weit ausgedehnteren Verfolgungen. Die Missionen in Siam, Cochinchina und Tonking erhalten 110,000 Franken. In Siam ist Alles ziemlich ruhig, aber die Verfolgung in Cochinchina und Tonking dauert unausgesetzt fort. Es ist eine Thorheit, neue Missionäre hinzuschicken, bis der König ermüdet oder todt seyn wird. Die indischen Missionen erhalten 136,000 Franken; sie sind in den letzten Jahren beträchtlich ausgedehnt worden, aber ohne sichtbare Fortschritte. Was man in dem etwas barbarischen Styl der Missionen die Mission des Mogol heißt, d. h. die von Nordindien, existirt so gut als gar nicht, seitdem Begum Somru gestorben ist, welche in Sindhana einen Bischof etablirt hatte, und der apostolische Vicar Pessoni, der in Dehli residirt, hat eine wahre Sinecure. In der Mission von Madure, d. h. von Südindien, gibt es katholische Gemeinden, aber es ist kein Leben darin. Das Südmeer ist in drei apostolische Vicariate getheilt: Australien, wo ein Irländer Namens Polding Bischof ist; Ostoceanien mit dem Bischof Rouchouse, einem Franzosen, und Westoceanien mit dem Bischof Pompallier, der in Neuseeland residirt; sie erhalten zusammen 200,000 Franken. Sie haben sich auf den Gambierinseln und einigen andern Gruppen, welche von Papuas bewohnt sind, etablirt, was sehr verdienstlich ist, und sollten alle ihre Hülfsmittel auf Unternehmungen dieser Art verwenden, anstatt sich mit Hülfe französischer Kriegsschiffe auf den Sandwichinseln, in Otahayti und den übrigen Stationen der englischen Missionen einzudrängen. Es ist viel gegen die HH. Bingham und andere methodistische Missionäre dort zu sagen; aber wie aus dem Kriegszustand, den die katholischen Missionen dort mit sich bringen, Gutes werden soll, ist nicht abzusehen. Die Berichte, die sie über die Verfolgungen der katholischen Bekehrten durch die englischen Missionäre in den Sandwichinseln drucken, sind gräulich; allein es ist inmitten dieser widerstreitenden Nachrichten von zwei bigotten und bittern Corporationen nicht leicht die Wahrheit auszufinden. Ich will aus dem letzten Bericht der hiesigen Missionen nur Eine Phrase anführen; sie sagen: „die Bibelkrämer, deren ängstliche Propaganda sich damit begnügt, unsere entweihten heiligen Schriften mit dem Opium der Contrebande auf die Küsten von China zu werfen.“ Dieß ist eine bloße Verleumdung; denn es ist bekannt, daß die englischen Bibel- und Missionsgesellschaften sich ausdrücklich aller Berührung mit den Opiumschmugglern enthalten und sich nie eines Schiffs bedienen, das Opium an Bord hat. Aber keine der beiden Parteien will einsehen, daß die gehässigen Leidenschaften, welche jede gegen die Missionen der andern zeigt, sie selbst mit Schande bedecken. Die Missionen in der Levante erhalten 260,000 Franken; sie umfassen die Türkei, Persien, Aegypten und Abyssinien, wo vor zwei Jahren die Jesuiten sich wieder installirt haben. Ihre Haupttendenz ist, nestorianische, chaldäische, armenische und griechische Christen zum Katholicismus zu bekehren, und bei dem tiefen Verfall aller orientalischen Kirchen ist ihre Thätigkeit in dieser Hinsicht wahrscheinlich im Ganzen wohlthätig. Die entsetzliche Geschichte der Verfolgung in Damaskus, bei welcher sie eine große Rolle gespielt zu haben scheinen, erregt freilich großes Bedenken über den christlichen Geist, der darin herrscht. Das Unglück ist, daß hier wie in England kein Mann von großem Talent an der Spitze der Missionen steht, so daß Alles dem subalternen Eifer überlassen ist, der inmitten kleiner, localer Interessen und Leidenschaften nur zu leicht alles Maaß überschreitet. Die hauptsächlichsten Missionen der Gesellschaft sind aber

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 144. Augsburg, 23. Mai 1840, S. 1145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_144_18400523/9>, abgerufen am 22.11.2024.