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Allgemeine Zeitung. Nr. 129. Augsburg, 8. Mai 1840.

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aufnöthigte, so wird auch die nun darauf gefolgte Abstraction zu Grabe gehen müssen, sobald sie sich genugsam am Volke, auf das in unserm kleinen Staatsleben Alles übergehen muß, abgestoßen hat. Hier zu Lande bleibt der Instinct Sieger und allein am Ruder; was mittelst der aus dem Hexenbuche der Theorie herausbeschwornen Zukunft regieren will, stürzt; das Volk läßt seine Kathederhelden plötzlich im Stich. Als daher jener sogenannte Zürichputsch oder Straußenkrieg losbrach, und das Volk gegen eine neue Kirche loszuziehen meinte, so war es nicht die Regierung, welche gestürzt wurde - dieß beweist der damalige und jetzige Bürgermeister Heß - nicht ein Clerus von verpönter Geistesrichtung, denn kein Pfarrer, wenn auch der neuen Messiasidee zugethan, hat bisher seine Stelle verloren - nicht die Verfassung war es, die man beseitigte, nein, so burlesk es auch noch klingen mag, es bleibt: eine deutsche Schulgrammatik ist es gewesen, gegen welche der Uebersetzer der Sakuntala und Wikra Wormasi (Pfarrer Hirzel) mehrere tausend Bauern in "schöner Bewegung" einführte; Scherrs deutsche Sprachlehre ist mit tausend Knütteln aus dem Kanton geschlagen worden. Es hatte sich nämlich Beckers bekannter Sprachorganismus unter der Hand des Züricher Seminardirectors zu solcher logischen Abstraction und Schulmeisterei verflüchtigt; die vielen schülerhaften Versuche, die Beckerische Sprachtheorie zu popularisiren oder zu hypertheoretisiren, hatten als obligatorische Lehrmittel so sehr das Land überschwemmt, daß sich hier das Kind zuerst in seinem Sprachgefühle verletzt sehen, und ein bildungsloser aber zärtlicher Vater dieß für eine Verletzung des Wahrheitsgefühls und des religiösen Sinnes ansehen mußte. Gewiß hatte das Volk hierin nicht Unrecht. Trat nun zufälligerweise eine nach anderm Extreme hinlaufende Richtung der gleichen logischen Schule hinzu; versuchte ein Religionslehrer die Popularisirung der Straußischen Idee so imperatorisch, wie Scherr die Beckerische; war auf diese Weise Kirche und Schule nun plötzlich bedroht, die Schattenhaftigkeit einer Hegel'schen Encyklopädie zu werden, so hatte das Extrem sein Maaß erreicht. Der Familienvater, in seinem Kinde verletzt, schlug gegen Bücher los; der Seminardirector wanderte aus und das historische Recht ein. Ein Extrem hat das andere zur Folge. Wir können es wohl abwarten, wie lange nun das Volk das Mißverständniß der entgegengesetzten und nur obenhin abgeschöpften Theorie ertragen wird.

Belgien.

Die Vandersmissen'sche Angelegenheit, die der Anlaß zu einer Aenderung des Ministeriums geworden, hat ihre Rolle hiemit nicht ausgespielt, sondern fordert vielmehr gerade deßhalb eine Lösung anderer Art, als diejenige, die dem früheren Ministerium zu dessen eigenem Nachtheil mißlungen ist. Das neue Cabinet hat diese Lösung auf folgende Weise eingeleitet. Es hat in der Sitzung der Repräsentantenkammer vom 22 d. M. ein Amnestiegesetz vorgeschlagen, da die Frage, ob der 20ste Artikel des Friedenstractats auf Belgien anwendbar sey, durch die Verhandlungen der Kammer in Zweifel gestellt worden und es doch nöthig sey, die Vergangenheit abzuschließen. Durch dieses Gesetz sollen alle Proceduren wegen vor dem 19 April 1839 (dem Datum des Friedensvertrags) begangener politischer Vergehen abolirt und untersagt werden. Bekanntlich hatte Hr. Vandersmissen bei seinem Erscheinen in Belgien im Jahr 1839 auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, wozu ihn seine Stellung als Contumazverurtheilter berechtigte. Diese Wiederaufnahme würde nun kraft des neuen Gesetzes unmöglich. Durch Vandersmissens Wiedererscheinen in Belgien und seine Bereitwilligkeit, sich den Gerichten zu stellen, war zugleich das früher gegen ihn gesprochene Urtheil weggefallen; er war General wie vorher, und konnte diesen Rang nach den Bestimmungen des 124sten Artikels der Verfassung nicht anders als auf gesetzlichem Wege wieder verlieren. Diesen gesetzlichen Weg erblickte das frühere Ministerium nur in einem neuen richterlichen Urtheil, dem aber, nach seiner Ansicht, der 20ste Artikel des Friedensvertrags entgegenstand, daher es sich begnügte, den General außer Dienst zu setzen. Das jetzige Ministerium dagegen hebt durch einen neuen königlichen Beschluß den früheren vom 15 Julius 1839 auf, erklärt die Anwendung jenes 124sten Artikels auf Vandersmissen als einen Irrthum und behauptet, derselbe habe schon dadurch seinen Generalsrang verwirkt, daß er nicht innerhalb der durch das Gesetz vom 20 Julius 1831 bestimmten Frist den Eid der Treue gegen die neue Ordnung abgelegt. So wäre also Vandersmissen nicht mehr General, und fände sich auch in der Unmöglichkeit, seine Sache vor die Gerichte zu bringen. Die Amnestie verlöre hienach für ihn den Charakter einer Wohlthat, auch werden seine Anhänger nicht ermangeln, sie eine Ungerechtigkeit zu nennen, da sie ihm den Weg Rechtens versperrt. Eine Freisprechung auf diesem Wege zu erlangen, konnte er sich übrigens nicht versprechen; sein einziger Zweck konnte nur seyn, durch Darstellung der Verhältnisse von 1831 zu beweisen, daß er damals nichts Anderes gewollt, als was Viele gewollt, die noch jetzt in angesehenen Aemtern stehen. Den Anfang hiezu hat er bereits in einem Schreiben an beide Kammern gemacht. (S. Allgem. Ztg. vom 6 Mai.)

Dieses Schreiben ist vom 25 d. M., mithin drei Tage später als der Vorschlag des Amnestiegesetzes in der Kammer, und als der neue königliche Beschluß; auch nimmt H. Vandersmissen in der Unterschrift noch immer den Generalstitel an, was zu der Vermuthung berechtigt, daß er sich mit den Maaßregeln des Ministeriums nicht zufrieden zu geben gedenkt. Man spricht von einer Vertheidigungsschrift, mit deren Herausgabe er schon früher gedroht. Schickte er diese wirklich ins Publicum, so würden die unangenehmen Folgen, denen man durch Untersagung des Processes vorzubeugen hofft, nichtsdestoweniger eintreten. Auf der andern Seite steht auch das gegenwärtig ergriffene Auskunftsmittel hinter der Art, wie das frühere Ministerium diesen Fall behandelt, sowohl in Beziehung auf großmüthige Handhabung der königlichen Prärogative, als in Hinsicht der Achtung vor der Verfassung und dem Rechte zurück. Ueber den Einwurf wegen des nicht innerhalb der erforderlichen Zeit geleisteten Eides hatten sich die vorigen Minister in der Kammer dahin erklärt, daß sie denselben für unhaltbar und unbillig gefunden, da Vandersmissen nicht in der Lage war, den Eid leisten zu können, und man ihn auch sogar von ihm nicht würde angenommen haben. Gelingt es nun nicht, den Vandersmissen auf irgend eine Weise zum Schweigen zu vermögen, so werden seine Revelutionen, obgleich ihnen kein unbedingtes Zutrauen zu schenken ist, zur Aufregung der Gemüther nicht wenig beitragen. Was er über den verstorbenen Regenten sagt, war den besser Unterrichteten längst kein Geheimniß mehr. Von der Theilnahme Lord Ponsonby's sprach ich schon in einem früheren Briefe. Ihn klagen die Orangisten in dieser ganzen Sache am meisten an, weil sie ihm die Absicht beimessen, das Complot zu Gunsten des Prinzen von Oranien nur darum eine Zeitlang begünstigt zu haben, weil er Frankreich mit den Gefahren einer Restauration in Belgien erschrecken, und dadurch dessen Zustimmung zur gleich nachher eingeleiteten Wahl des Prinzen Leopold erlangen wollte.

aufnöthigte, so wird auch die nun darauf gefolgte Abstraction zu Grabe gehen müssen, sobald sie sich genugsam am Volke, auf das in unserm kleinen Staatsleben Alles übergehen muß, abgestoßen hat. Hier zu Lande bleibt der Instinct Sieger und allein am Ruder; was mittelst der aus dem Hexenbuche der Theorie herausbeschwornen Zukunft regieren will, stürzt; das Volk läßt seine Kathederhelden plötzlich im Stich. Als daher jener sogenannte Zürichputsch oder Straußenkrieg losbrach, und das Volk gegen eine neue Kirche loszuziehen meinte, so war es nicht die Regierung, welche gestürzt wurde – dieß beweist der damalige und jetzige Bürgermeister Heß – nicht ein Clerus von verpönter Geistesrichtung, denn kein Pfarrer, wenn auch der neuen Messiasidee zugethan, hat bisher seine Stelle verloren – nicht die Verfassung war es, die man beseitigte, nein, so burlesk es auch noch klingen mag, es bleibt: eine deutsche Schulgrammatik ist es gewesen, gegen welche der Uebersetzer der Sakuntala und Wikra Wormasi (Pfarrer Hirzel) mehrere tausend Bauern in „schöner Bewegung“ einführte; Scherrs deutsche Sprachlehre ist mit tausend Knütteln aus dem Kanton geschlagen worden. Es hatte sich nämlich Beckers bekannter Sprachorganismus unter der Hand des Züricher Seminardirectors zu solcher logischen Abstraction und Schulmeisterei verflüchtigt; die vielen schülerhaften Versuche, die Beckerische Sprachtheorie zu popularisiren oder zu hypertheoretisiren, hatten als obligatorische Lehrmittel so sehr das Land überschwemmt, daß sich hier das Kind zuerst in seinem Sprachgefühle verletzt sehen, und ein bildungsloser aber zärtlicher Vater dieß für eine Verletzung des Wahrheitsgefühls und des religiösen Sinnes ansehen mußte. Gewiß hatte das Volk hierin nicht Unrecht. Trat nun zufälligerweise eine nach anderm Extreme hinlaufende Richtung der gleichen logischen Schule hinzu; versuchte ein Religionslehrer die Popularisirung der Straußischen Idee so imperatorisch, wie Scherr die Beckerische; war auf diese Weise Kirche und Schule nun plötzlich bedroht, die Schattenhaftigkeit einer Hegel'schen Encyklopädie zu werden, so hatte das Extrem sein Maaß erreicht. Der Familienvater, in seinem Kinde verletzt, schlug gegen Bücher los; der Seminardirector wanderte aus und das historische Recht ein. Ein Extrem hat das andere zur Folge. Wir können es wohl abwarten, wie lange nun das Volk das Mißverständniß der entgegengesetzten und nur obenhin abgeschöpften Theorie ertragen wird.

Belgien.

Die Vandersmissen'sche Angelegenheit, die der Anlaß zu einer Aenderung des Ministeriums geworden, hat ihre Rolle hiemit nicht ausgespielt, sondern fordert vielmehr gerade deßhalb eine Lösung anderer Art, als diejenige, die dem früheren Ministerium zu dessen eigenem Nachtheil mißlungen ist. Das neue Cabinet hat diese Lösung auf folgende Weise eingeleitet. Es hat in der Sitzung der Repräsentantenkammer vom 22 d. M. ein Amnestiegesetz vorgeschlagen, da die Frage, ob der 20ste Artikel des Friedenstractats auf Belgien anwendbar sey, durch die Verhandlungen der Kammer in Zweifel gestellt worden und es doch nöthig sey, die Vergangenheit abzuschließen. Durch dieses Gesetz sollen alle Proceduren wegen vor dem 19 April 1839 (dem Datum des Friedensvertrags) begangener politischer Vergehen abolirt und untersagt werden. Bekanntlich hatte Hr. Vandersmissen bei seinem Erscheinen in Belgien im Jahr 1839 auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, wozu ihn seine Stellung als Contumazverurtheilter berechtigte. Diese Wiederaufnahme würde nun kraft des neuen Gesetzes unmöglich. Durch Vandersmissens Wiedererscheinen in Belgien und seine Bereitwilligkeit, sich den Gerichten zu stellen, war zugleich das früher gegen ihn gesprochene Urtheil weggefallen; er war General wie vorher, und konnte diesen Rang nach den Bestimmungen des 124sten Artikels der Verfassung nicht anders als auf gesetzlichem Wege wieder verlieren. Diesen gesetzlichen Weg erblickte das frühere Ministerium nur in einem neuen richterlichen Urtheil, dem aber, nach seiner Ansicht, der 20ste Artikel des Friedensvertrags entgegenstand, daher es sich begnügte, den General außer Dienst zu setzen. Das jetzige Ministerium dagegen hebt durch einen neuen königlichen Beschluß den früheren vom 15 Julius 1839 auf, erklärt die Anwendung jenes 124sten Artikels auf Vandersmissen als einen Irrthum und behauptet, derselbe habe schon dadurch seinen Generalsrang verwirkt, daß er nicht innerhalb der durch das Gesetz vom 20 Julius 1831 bestimmten Frist den Eid der Treue gegen die neue Ordnung abgelegt. So wäre also Vandersmissen nicht mehr General, und fände sich auch in der Unmöglichkeit, seine Sache vor die Gerichte zu bringen. Die Amnestie verlöre hienach für ihn den Charakter einer Wohlthat, auch werden seine Anhänger nicht ermangeln, sie eine Ungerechtigkeit zu nennen, da sie ihm den Weg Rechtens versperrt. Eine Freisprechung auf diesem Wege zu erlangen, konnte er sich übrigens nicht versprechen; sein einziger Zweck konnte nur seyn, durch Darstellung der Verhältnisse von 1831 zu beweisen, daß er damals nichts Anderes gewollt, als was Viele gewollt, die noch jetzt in angesehenen Aemtern stehen. Den Anfang hiezu hat er bereits in einem Schreiben an beide Kammern gemacht. (S. Allgem. Ztg. vom 6 Mai.)

Dieses Schreiben ist vom 25 d. M., mithin drei Tage später als der Vorschlag des Amnestiegesetzes in der Kammer, und als der neue königliche Beschluß; auch nimmt H. Vandersmissen in der Unterschrift noch immer den Generalstitel an, was zu der Vermuthung berechtigt, daß er sich mit den Maaßregeln des Ministeriums nicht zufrieden zu geben gedenkt. Man spricht von einer Vertheidigungsschrift, mit deren Herausgabe er schon früher gedroht. Schickte er diese wirklich ins Publicum, so würden die unangenehmen Folgen, denen man durch Untersagung des Processes vorzubeugen hofft, nichtsdestoweniger eintreten. Auf der andern Seite steht auch das gegenwärtig ergriffene Auskunftsmittel hinter der Art, wie das frühere Ministerium diesen Fall behandelt, sowohl in Beziehung auf großmüthige Handhabung der königlichen Prärogative, als in Hinsicht der Achtung vor der Verfassung und dem Rechte zurück. Ueber den Einwurf wegen des nicht innerhalb der erforderlichen Zeit geleisteten Eides hatten sich die vorigen Minister in der Kammer dahin erklärt, daß sie denselben für unhaltbar und unbillig gefunden, da Vandersmissen nicht in der Lage war, den Eid leisten zu können, und man ihn auch sogar von ihm nicht würde angenommen haben. Gelingt es nun nicht, den Vandersmissen auf irgend eine Weise zum Schweigen zu vermögen, so werden seine Revelutionen, obgleich ihnen kein unbedingtes Zutrauen zu schenken ist, zur Aufregung der Gemüther nicht wenig beitragen. Was er über den verstorbenen Regenten sagt, war den besser Unterrichteten längst kein Geheimniß mehr. Von der Theilnahme Lord Ponsonby's sprach ich schon in einem früheren Briefe. Ihn klagen die Orangisten in dieser ganzen Sache am meisten an, weil sie ihm die Absicht beimessen, das Complot zu Gunsten des Prinzen von Oranien nur darum eine Zeitlang begünstigt zu haben, weil er Frankreich mit den Gefahren einer Restauration in Belgien erschrecken, und dadurch dessen Zustimmung zur gleich nachher eingeleiteten Wahl des Prinzen Leopold erlangen wollte.

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          <p>Dieses Schreiben ist vom 25 d. M., mithin drei Tage später als der Vorschlag des Amnestiegesetzes in der Kammer, und als der neue königliche Beschluß; auch nimmt H. Vandersmissen in der Unterschrift noch immer den Generalstitel an, was zu der Vermuthung berechtigt, daß er sich mit den Maaßregeln des Ministeriums nicht zufrieden zu geben gedenkt. Man spricht von einer Vertheidigungsschrift, mit deren Herausgabe er schon früher gedroht. Schickte er diese wirklich ins Publicum, so würden die unangenehmen Folgen, denen man durch Untersagung des Processes vorzubeugen hofft, nichtsdestoweniger eintreten. Auf der andern Seite steht auch das gegenwärtig ergriffene Auskunftsmittel hinter der Art, wie das frühere Ministerium diesen Fall behandelt, sowohl in Beziehung auf großmüthige Handhabung der königlichen Prärogative, als in Hinsicht der Achtung vor der Verfassung und dem Rechte zurück. Ueber den Einwurf wegen des nicht innerhalb der erforderlichen Zeit geleisteten Eides hatten sich die vorigen Minister in der Kammer dahin erklärt, daß sie denselben für unhaltbar und unbillig gefunden, da Vandersmissen nicht in der Lage war, den Eid leisten zu können, und man ihn auch sogar von ihm nicht würde angenommen haben. Gelingt es nun nicht, den Vandersmissen auf irgend eine Weise zum Schweigen zu vermögen, so werden seine Revelutionen, obgleich ihnen kein unbedingtes Zutrauen zu schenken ist, zur Aufregung der Gemüther nicht wenig beitragen. Was er über den verstorbenen Regenten sagt, war den besser Unterrichteten längst kein Geheimniß mehr. Von der Theilnahme Lord Ponsonby's sprach ich schon in einem früheren Briefe. Ihn klagen die Orangisten in dieser ganzen Sache am meisten an, weil sie ihm die Absicht beimessen, das Complot zu Gunsten des Prinzen von Oranien nur darum eine Zeitlang begünstigt zu haben, weil er Frankreich mit den Gefahren einer Restauration in Belgien erschrecken, und dadurch dessen Zustimmung zur gleich nachher eingeleiteten Wahl des Prinzen Leopold erlangen wollte.</p><lb/>
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[1027/0011] aufnöthigte, so wird auch die nun darauf gefolgte Abstraction zu Grabe gehen müssen, sobald sie sich genugsam am Volke, auf das in unserm kleinen Staatsleben Alles übergehen muß, abgestoßen hat. Hier zu Lande bleibt der Instinct Sieger und allein am Ruder; was mittelst der aus dem Hexenbuche der Theorie herausbeschwornen Zukunft regieren will, stürzt; das Volk läßt seine Kathederhelden plötzlich im Stich. Als daher jener sogenannte Zürichputsch oder Straußenkrieg losbrach, und das Volk gegen eine neue Kirche loszuziehen meinte, so war es nicht die Regierung, welche gestürzt wurde – dieß beweist der damalige und jetzige Bürgermeister Heß – nicht ein Clerus von verpönter Geistesrichtung, denn kein Pfarrer, wenn auch der neuen Messiasidee zugethan, hat bisher seine Stelle verloren – nicht die Verfassung war es, die man beseitigte, nein, so burlesk es auch noch klingen mag, es bleibt: eine deutsche Schulgrammatik ist es gewesen, gegen welche der Uebersetzer der Sakuntala und Wikra Wormasi (Pfarrer Hirzel) mehrere tausend Bauern in „schöner Bewegung“ einführte; Scherrs deutsche Sprachlehre ist mit tausend Knütteln aus dem Kanton geschlagen worden. Es hatte sich nämlich Beckers bekannter Sprachorganismus unter der Hand des Züricher Seminardirectors zu solcher logischen Abstraction und Schulmeisterei verflüchtigt; die vielen schülerhaften Versuche, die Beckerische Sprachtheorie zu popularisiren oder zu hypertheoretisiren, hatten als obligatorische Lehrmittel so sehr das Land überschwemmt, daß sich hier das Kind zuerst in seinem Sprachgefühle verletzt sehen, und ein bildungsloser aber zärtlicher Vater dieß für eine Verletzung des Wahrheitsgefühls und des religiösen Sinnes ansehen mußte. Gewiß hatte das Volk hierin nicht Unrecht. Trat nun zufälligerweise eine nach anderm Extreme hinlaufende Richtung der gleichen logischen Schule hinzu; versuchte ein Religionslehrer die Popularisirung der Straußischen Idee so imperatorisch, wie Scherr die Beckerische; war auf diese Weise Kirche und Schule nun plötzlich bedroht, die Schattenhaftigkeit einer Hegel'schen Encyklopädie zu werden, so hatte das Extrem sein Maaß erreicht. Der Familienvater, in seinem Kinde verletzt, schlug gegen Bücher los; der Seminardirector wanderte aus und das historische Recht ein. Ein Extrem hat das andere zur Folge. Wir können es wohl abwarten, wie lange nun das Volk das Mißverständniß der entgegengesetzten und nur obenhin abgeschöpften Theorie ertragen wird. Belgien. _ Brüssel, 29 April. Die Vandersmissen'sche Angelegenheit, die der Anlaß zu einer Aenderung des Ministeriums geworden, hat ihre Rolle hiemit nicht ausgespielt, sondern fordert vielmehr gerade deßhalb eine Lösung anderer Art, als diejenige, die dem früheren Ministerium zu dessen eigenem Nachtheil mißlungen ist. Das neue Cabinet hat diese Lösung auf folgende Weise eingeleitet. Es hat in der Sitzung der Repräsentantenkammer vom 22 d. M. ein Amnestiegesetz vorgeschlagen, da die Frage, ob der 20ste Artikel des Friedenstractats auf Belgien anwendbar sey, durch die Verhandlungen der Kammer in Zweifel gestellt worden und es doch nöthig sey, die Vergangenheit abzuschließen. Durch dieses Gesetz sollen alle Proceduren wegen vor dem 19 April 1839 (dem Datum des Friedensvertrags) begangener politischer Vergehen abolirt und untersagt werden. Bekanntlich hatte Hr. Vandersmissen bei seinem Erscheinen in Belgien im Jahr 1839 auf Wiederaufnahme seines Processes angetragen, wozu ihn seine Stellung als Contumazverurtheilter berechtigte. Diese Wiederaufnahme würde nun kraft des neuen Gesetzes unmöglich. Durch Vandersmissens Wiedererscheinen in Belgien und seine Bereitwilligkeit, sich den Gerichten zu stellen, war zugleich das früher gegen ihn gesprochene Urtheil weggefallen; er war General wie vorher, und konnte diesen Rang nach den Bestimmungen des 124sten Artikels der Verfassung nicht anders als auf gesetzlichem Wege wieder verlieren. Diesen gesetzlichen Weg erblickte das frühere Ministerium nur in einem neuen richterlichen Urtheil, dem aber, nach seiner Ansicht, der 20ste Artikel des Friedensvertrags entgegenstand, daher es sich begnügte, den General außer Dienst zu setzen. Das jetzige Ministerium dagegen hebt durch einen neuen königlichen Beschluß den früheren vom 15 Julius 1839 auf, erklärt die Anwendung jenes 124sten Artikels auf Vandersmissen als einen Irrthum und behauptet, derselbe habe schon dadurch seinen Generalsrang verwirkt, daß er nicht innerhalb der durch das Gesetz vom 20 Julius 1831 bestimmten Frist den Eid der Treue gegen die neue Ordnung abgelegt. So wäre also Vandersmissen nicht mehr General, und fände sich auch in der Unmöglichkeit, seine Sache vor die Gerichte zu bringen. Die Amnestie verlöre hienach für ihn den Charakter einer Wohlthat, auch werden seine Anhänger nicht ermangeln, sie eine Ungerechtigkeit zu nennen, da sie ihm den Weg Rechtens versperrt. Eine Freisprechung auf diesem Wege zu erlangen, konnte er sich übrigens nicht versprechen; sein einziger Zweck konnte nur seyn, durch Darstellung der Verhältnisse von 1831 zu beweisen, daß er damals nichts Anderes gewollt, als was Viele gewollt, die noch jetzt in angesehenen Aemtern stehen. Den Anfang hiezu hat er bereits in einem Schreiben an beide Kammern gemacht. (S. Allgem. Ztg. vom 6 Mai.) Dieses Schreiben ist vom 25 d. M., mithin drei Tage später als der Vorschlag des Amnestiegesetzes in der Kammer, und als der neue königliche Beschluß; auch nimmt H. Vandersmissen in der Unterschrift noch immer den Generalstitel an, was zu der Vermuthung berechtigt, daß er sich mit den Maaßregeln des Ministeriums nicht zufrieden zu geben gedenkt. Man spricht von einer Vertheidigungsschrift, mit deren Herausgabe er schon früher gedroht. Schickte er diese wirklich ins Publicum, so würden die unangenehmen Folgen, denen man durch Untersagung des Processes vorzubeugen hofft, nichtsdestoweniger eintreten. Auf der andern Seite steht auch das gegenwärtig ergriffene Auskunftsmittel hinter der Art, wie das frühere Ministerium diesen Fall behandelt, sowohl in Beziehung auf großmüthige Handhabung der königlichen Prärogative, als in Hinsicht der Achtung vor der Verfassung und dem Rechte zurück. Ueber den Einwurf wegen des nicht innerhalb der erforderlichen Zeit geleisteten Eides hatten sich die vorigen Minister in der Kammer dahin erklärt, daß sie denselben für unhaltbar und unbillig gefunden, da Vandersmissen nicht in der Lage war, den Eid leisten zu können, und man ihn auch sogar von ihm nicht würde angenommen haben. Gelingt es nun nicht, den Vandersmissen auf irgend eine Weise zum Schweigen zu vermögen, so werden seine Revelutionen, obgleich ihnen kein unbedingtes Zutrauen zu schenken ist, zur Aufregung der Gemüther nicht wenig beitragen. Was er über den verstorbenen Regenten sagt, war den besser Unterrichteten längst kein Geheimniß mehr. Von der Theilnahme Lord Ponsonby's sprach ich schon in einem früheren Briefe. Ihn klagen die Orangisten in dieser ganzen Sache am meisten an, weil sie ihm die Absicht beimessen, das Complot zu Gunsten des Prinzen von Oranien nur darum eine Zeitlang begünstigt zu haben, weil er Frankreich mit den Gefahren einer Restauration in Belgien erschrecken, und dadurch dessen Zustimmung zur gleich nachher eingeleiteten Wahl des Prinzen Leopold erlangen wollte.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 129. Augsburg, 8. Mai 1840, S. 1027. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_129_18400508/11>, abgerufen am 21.11.2024.