Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 123. Augsburg, 2. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

und wenn die Dichter zum Theil selbst die Auswahl machten, so konnten auch sie gar leicht über den Werth ihrer Productionen sich täuschen; besser hätte Marmier gethan, wenn er die deutschen Musenalmanache seinem Urtheil zu Grunde gelegt hätte; in diesen hätte er gefunden, was die Herausgeber, selbst Dichter, für das Beste unter dem Ertrag des Jahres erklärten. Sodann enthält das Buch von Stolle nur Gedichte von jüngern, seit Heine's Auftreten mehr oder weniger bekannt gewordenen Dichtern, und behält mehrere ausgezeichnete Dichter der Gegenwart einem frühere Zeiten befassenden Bande vor. Es finden sich darin, wenn wir uns recht erinnern (vor längerer Zeit durchblätterten wir flüchtig die Sammlung), keine Gedichte von Uhland, Schwab, Kerner, Eichendorf, von dem erst kürzlich verstorbenen Chamisso, noch auch von dem unerschöpflich fruchtbaren Rückert. Kann nun eine solche Anthologie ein treues Bild der jetzigen lyrischen Poesie in Deutschland heißen? Und wie soll man es sich erklären, daß Marmier, welcher wohl die meisten der darin fehlenden Namen kennt, sie so gänzlich ignorirt? Hiermit könnte man, wie gesagt, seine Behauptungen einfach zurückweisen, als auf unrichtigen, mangelhaften Voraussetzungen beruhend; aber es ist vielleicht nicht unpassend, auf dieselben doch etwas genauer einzugehen, zu untersuchen, ob und was Wahres daran sey, und sie, so weit wir sie unberechtigt und anmaßend finden, in ihre Gränzen zurückzuweisen.

(Fortsetzung folgt.)

Frankreich.

Wir sind nicht reich an litterarischen Neuigkeiten. Die Guepes von Alphons Karr werden noch immer gelesen, und wir glauben, daß Verfasser und Verleger ein gutes Geschäft gemacht haben. Doch darf man sich darum nicht über den wahren Charakter dieses Pamphlets und seine moralische Bedeutung täuschen. Alphons Karr ist ein Mann von Geist und unbestreitbarem Witz; sein erster Ruf datirt von der Zeit, wo er in Gesellschaft von Janin, Delatouche, Gozlan an dem ersten und witzigsten Figaro arbeitete; Karr hat sogar innerlich etwas mehr als die gewöhnlichen "geistreichen" Redactoren der Spottblätter; er ist ein Mann von Herz, der zwar niemals politische Ueberzeugung, doch aber Empfänglichkeit für männliche Tugend und Ehre hatte. Leider sind diese Gaben wenig befruchtet worden. Nichts tödtet das ernstere Studium und die Zeugkraft des Geistes mehr als das unablässige Plänkeln in dem kleinen Krieg der kleinen Journale, das "Witzmachen" zu jeder Stunde und über jedes Ding, das ewige Verpuffen des geistigen Pulvers, das nur in gedrängter Masse nachhaltig wirken könnte, und an dessen lärmender Nichtigkeit man nach und nach unbeachtend vorübergeht. Der eigene Geist selbst erlangt auf diesem Wege keine Befriedigung, und was die öffentliche Anerkennung betrifft, reicht diese nicht weiter als die Furcht, die der Epigrammatiker durch seine augenblickliche Stellung einflößt. Man sagt, daß Karr mit seiner Stellung in der Gesellschaft und der Bedeutung, die man an seine Person knüpft, sehr unzufrieden ist, und beide unter seinem Verdienst findet. Von diesem Mißmuth zu dem Wunsche, sich durch eine Satyre zu rächen, ist nur ein Schritt; die meisten Satyren haben keine andere Geschichte; glücklich noch, wenn sie mit Geist und Laune den innerlichen Aerger zu verschleiern wissen, denn an dieser Blöße scheitert sonst alle ihre Wirkung. Bei Karr ist das Publicum über diese erste Frage ziemlich im Reinen; man liest seine Heftchen wie man ein Capitel des Charivari oder des Corsaire liest, und lobt sie oder läßt sie gleichgültig liegen, je nach dem Maaße des attischen Salzes, das sich darin vorfindet; leider ist es schwer, jeden Tag oder auch nur alle Monate in einem langen Gerede Verstand zu haben. Was aber der Schrift wie dem Verfasser in den Augen seiner Freunde und des Publicums entschieden geschadet hat, ist die unlautere Quelle, welcher man die Entstehung der Guepes zuschreibt. Man hält sie für eine Eingebung Emil Girardins, der vielleicht selbst nur ein Mittelsmann eines höhern Impulses wäre; gewiß ist, daß diese saubere Familie, an Mann, Weib und übrigem Zubehör bisher weiß und blank, völlig unberührt von den Stichen der Wespen geblieben ist; oder hätte das Insect durch diesen Vorzug bloß seinen instinctiven Widerwillen gegen alle Fäulniß bezeugen wollen?

Schweden.

Sonnabends wurden durch den Hofkanzler die Entwürfe zu einer neuen Civil- und Criminalgesetzgebung den Reichsständen überreicht. Schon vor beinahe dreißig Jahren wurde zur Ausarbeitung dieser Entwürfe eine Commission niedergesetzt, welche das Civilgesetzbuch im Jahr 1826, das Criminalgesetzbuch einige Jahre später beendigte. Beide erschienen nach einander im Druck, und wurden so der öffentlichen Prüfung überliefert. Nachdem in der Folge die Rechtsfacultäten der beiden Universitäten und die Hofgerichte sehr eingreifende und zwar zum großen Theil verwerfende Bemerkungen darüber gemacht hatten, wurden die Entwürfe, von den gemachten Anmerkungen begleitet, beim vorigen Reichstage den Reichsständen übergeben, welche alsdann verlangten, daß die Regierung zum nächsten Reichstag eine gedrängte Darstellung des Planes und der Grundsätze der neuen Gesetzesentwürfe, so wie eine Vergleichung der darin enthaltenen wesentlichen Bestimmungen mit denen der alten noch bestehenden Gesetzgebung möchte ausarbeiten lassen. Diese Darstellung sollte den Reichsständen als Leitfaden dienen bei der spätern Prüfung, inwiefern die neuen Entwürfe dem alten schwedischen, besonders durch die Humanität des Strafcodex ausgezeichneten Gesetzbuch vorzuziehen wären. Eine neue Commission wurde von der Regierung mit dieser Arbeit beauftragt, welche jetzt so weit gediehen, daß das Tableau über die Civilgesetze vollendet ist, und die Beendigung eines ähnlichen Tableau's über die Criminalgesetze im Laufe des Reichstags erwartet wird. Jenen Berichten, nebst dem Gutachten des höchsten Gerichts über den Civilgesetzesentwurf, hat nun die Regierung den Reichsständen übergeben. Da die Regierung selbst die Entwürfe noch nicht geprüft, so hat der König sich dahin geäußert, auf diesem Reichstage keine Proposition, das Ganze der Gesetzesentwürfe betreffend, erledigen zu können; indessen behält der König sich vor, verschiedene Theile des Criminalentwurfes, die einen unbestrittenen Vorzug vor der alten Gesetzgebung haben, noch während dieses Reichstages einzeln zur Genehmigung vorzuschlagen. Schließlich wird die Vermuthung ausgedrückt, daß einer Proposition der Regierung, hinsichtlich des Ganzen der Entwürfe, bei nächstem Reichstage entgegenzusehen sey.

und wenn die Dichter zum Theil selbst die Auswahl machten, so konnten auch sie gar leicht über den Werth ihrer Productionen sich täuschen; besser hätte Marmier gethan, wenn er die deutschen Musenalmanache seinem Urtheil zu Grunde gelegt hätte; in diesen hätte er gefunden, was die Herausgeber, selbst Dichter, für das Beste unter dem Ertrag des Jahres erklärten. Sodann enthält das Buch von Stolle nur Gedichte von jüngern, seit Heine's Auftreten mehr oder weniger bekannt gewordenen Dichtern, und behält mehrere ausgezeichnete Dichter der Gegenwart einem frühere Zeiten befassenden Bande vor. Es finden sich darin, wenn wir uns recht erinnern (vor längerer Zeit durchblätterten wir flüchtig die Sammlung), keine Gedichte von Uhland, Schwab, Kerner, Eichendorf, von dem erst kürzlich verstorbenen Chamisso, noch auch von dem unerschöpflich fruchtbaren Rückert. Kann nun eine solche Anthologie ein treues Bild der jetzigen lyrischen Poesie in Deutschland heißen? Und wie soll man es sich erklären, daß Marmier, welcher wohl die meisten der darin fehlenden Namen kennt, sie so gänzlich ignorirt? Hiermit könnte man, wie gesagt, seine Behauptungen einfach zurückweisen, als auf unrichtigen, mangelhaften Voraussetzungen beruhend; aber es ist vielleicht nicht unpassend, auf dieselben doch etwas genauer einzugehen, zu untersuchen, ob und was Wahres daran sey, und sie, so weit wir sie unberechtigt und anmaßend finden, in ihre Gränzen zurückzuweisen.

(Fortsetzung folgt.)

Frankreich.

Wir sind nicht reich an litterarischen Neuigkeiten. Die Guèpes von Alphons Karr werden noch immer gelesen, und wir glauben, daß Verfasser und Verleger ein gutes Geschäft gemacht haben. Doch darf man sich darum nicht über den wahren Charakter dieses Pamphlets und seine moralische Bedeutung täuschen. Alphons Karr ist ein Mann von Geist und unbestreitbarem Witz; sein erster Ruf datirt von der Zeit, wo er in Gesellschaft von Janin, Delatouche, Gozlan an dem ersten und witzigsten Figaro arbeitete; Karr hat sogar innerlich etwas mehr als die gewöhnlichen „geistreichen“ Redactoren der Spottblätter; er ist ein Mann von Herz, der zwar niemals politische Ueberzeugung, doch aber Empfänglichkeit für männliche Tugend und Ehre hatte. Leider sind diese Gaben wenig befruchtet worden. Nichts tödtet das ernstere Studium und die Zeugkraft des Geistes mehr als das unablässige Plänkeln in dem kleinen Krieg der kleinen Journale, das „Witzmachen“ zu jeder Stunde und über jedes Ding, das ewige Verpuffen des geistigen Pulvers, das nur in gedrängter Masse nachhaltig wirken könnte, und an dessen lärmender Nichtigkeit man nach und nach unbeachtend vorübergeht. Der eigene Geist selbst erlangt auf diesem Wege keine Befriedigung, und was die öffentliche Anerkennung betrifft, reicht diese nicht weiter als die Furcht, die der Epigrammatiker durch seine augenblickliche Stellung einflößt. Man sagt, daß Karr mit seiner Stellung in der Gesellschaft und der Bedeutung, die man an seine Person knüpft, sehr unzufrieden ist, und beide unter seinem Verdienst findet. Von diesem Mißmuth zu dem Wunsche, sich durch eine Satyre zu rächen, ist nur ein Schritt; die meisten Satyren haben keine andere Geschichte; glücklich noch, wenn sie mit Geist und Laune den innerlichen Aerger zu verschleiern wissen, denn an dieser Blöße scheitert sonst alle ihre Wirkung. Bei Karr ist das Publicum über diese erste Frage ziemlich im Reinen; man liest seine Heftchen wie man ein Capitel des Charivari oder des Corsaire liest, und lobt sie oder läßt sie gleichgültig liegen, je nach dem Maaße des attischen Salzes, das sich darin vorfindet; leider ist es schwer, jeden Tag oder auch nur alle Monate in einem langen Gerede Verstand zu haben. Was aber der Schrift wie dem Verfasser in den Augen seiner Freunde und des Publicums entschieden geschadet hat, ist die unlautere Quelle, welcher man die Entstehung der Guèpes zuschreibt. Man hält sie für eine Eingebung Emil Girardins, der vielleicht selbst nur ein Mittelsmann eines höhern Impulses wäre; gewiß ist, daß diese saubere Familie, an Mann, Weib und übrigem Zubehör bisher weiß und blank, völlig unberührt von den Stichen der Wespen geblieben ist; oder hätte das Insect durch diesen Vorzug bloß seinen instinctiven Widerwillen gegen alle Fäulniß bezeugen wollen?

Schweden.

Sonnabends wurden durch den Hofkanzler die Entwürfe zu einer neuen Civil- und Criminalgesetzgebung den Reichsständen überreicht. Schon vor beinahe dreißig Jahren wurde zur Ausarbeitung dieser Entwürfe eine Commission niedergesetzt, welche das Civilgesetzbuch im Jahr 1826, das Criminalgesetzbuch einige Jahre später beendigte. Beide erschienen nach einander im Druck, und wurden so der öffentlichen Prüfung überliefert. Nachdem in der Folge die Rechtsfacultäten der beiden Universitäten und die Hofgerichte sehr eingreifende und zwar zum großen Theil verwerfende Bemerkungen darüber gemacht hatten, wurden die Entwürfe, von den gemachten Anmerkungen begleitet, beim vorigen Reichstage den Reichsständen übergeben, welche alsdann verlangten, daß die Regierung zum nächsten Reichstag eine gedrängte Darstellung des Planes und der Grundsätze der neuen Gesetzesentwürfe, so wie eine Vergleichung der darin enthaltenen wesentlichen Bestimmungen mit denen der alten noch bestehenden Gesetzgebung möchte ausarbeiten lassen. Diese Darstellung sollte den Reichsständen als Leitfaden dienen bei der spätern Prüfung, inwiefern die neuen Entwürfe dem alten schwedischen, besonders durch die Humanität des Strafcodex ausgezeichneten Gesetzbuch vorzuziehen wären. Eine neue Commission wurde von der Regierung mit dieser Arbeit beauftragt, welche jetzt so weit gediehen, daß das Tableau über die Civilgesetze vollendet ist, und die Beendigung eines ähnlichen Tableau's über die Criminalgesetze im Laufe des Reichstags erwartet wird. Jenen Berichten, nebst dem Gutachten des höchsten Gerichts über den Civilgesetzesentwurf, hat nun die Regierung den Reichsständen übergeben. Da die Regierung selbst die Entwürfe noch nicht geprüft, so hat der König sich dahin geäußert, auf diesem Reichstage keine Proposition, das Ganze der Gesetzesentwürfe betreffend, erledigen zu können; indessen behält der König sich vor, verschiedene Theile des Criminalentwurfes, die einen unbestrittenen Vorzug vor der alten Gesetzgebung haben, noch während dieses Reichstages einzeln zur Genehmigung vorzuschlagen. Schließlich wird die Vermuthung ausgedrückt, daß einer Proposition der Regierung, hinsichtlich des Ganzen der Entwürfe, bei nächstem Reichstage entgegenzusehen sey.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="0982"/>
und wenn die Dichter zum Theil selbst die Auswahl machten, so konnten auch sie gar leicht über den Werth ihrer Productionen sich täuschen; besser hätte Marmier gethan, wenn er die deutschen Musenalmanache seinem Urtheil zu Grunde gelegt hätte; in diesen hätte er gefunden, was die Herausgeber, selbst Dichter, für das Beste unter dem Ertrag des Jahres erklärten. Sodann enthält das Buch von Stolle nur Gedichte von <hi rendition="#g">jüngern</hi>, seit Heine's Auftreten mehr oder weniger bekannt gewordenen Dichtern, und behält mehrere ausgezeichnete Dichter der Gegenwart einem frühere Zeiten befassenden Bande vor. Es finden sich darin, wenn wir uns recht erinnern (vor längerer Zeit durchblätterten wir flüchtig die Sammlung), keine Gedichte von Uhland, Schwab, Kerner, Eichendorf, von dem erst kürzlich verstorbenen Chamisso, noch auch von dem unerschöpflich fruchtbaren Rückert. Kann nun eine solche Anthologie ein treues Bild der jetzigen lyrischen Poesie in Deutschland heißen? Und wie soll man es sich erklären, daß Marmier, welcher wohl die meisten der darin fehlenden Namen kennt, sie so gänzlich ignorirt? Hiermit könnte man, wie gesagt, seine Behauptungen einfach zurückweisen, als auf unrichtigen, mangelhaften Voraussetzungen beruhend; aber es ist vielleicht nicht unpassend, auf dieselben doch etwas genauer einzugehen, zu untersuchen, ob und was Wahres daran sey, und sie, so weit wir sie unberechtigt und anmaßend finden, in ihre Gränzen zurückzuweisen.</p><lb/>
          <p>(Fortsetzung folgt.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 24 April.</dateline>
          <p> Wir sind nicht reich an litterarischen Neuigkeiten. Die Guèpes von Alphons Karr werden noch immer gelesen, und wir glauben, daß Verfasser und Verleger ein gutes Geschäft gemacht haben. Doch darf man sich darum nicht über den wahren Charakter dieses Pamphlets und seine moralische Bedeutung täuschen. Alphons Karr ist ein Mann von Geist und unbestreitbarem Witz; sein erster Ruf datirt von der Zeit, wo er in Gesellschaft von Janin, Delatouche, Gozlan an dem ersten und witzigsten Figaro arbeitete; Karr hat sogar innerlich etwas mehr als die gewöhnlichen &#x201E;geistreichen&#x201C; Redactoren der Spottblätter; er ist ein Mann von Herz, der zwar niemals politische Ueberzeugung, doch aber Empfänglichkeit für männliche Tugend und Ehre hatte. Leider sind diese Gaben wenig befruchtet worden. Nichts tödtet das ernstere Studium und die Zeugkraft des Geistes mehr als das unablässige Plänkeln in dem kleinen Krieg der kleinen Journale, das &#x201E;Witzmachen&#x201C; zu jeder Stunde und über jedes Ding, das ewige Verpuffen des geistigen Pulvers, das nur in gedrängter Masse nachhaltig wirken könnte, und an dessen lärmender Nichtigkeit man nach und nach unbeachtend vorübergeht. Der eigene Geist selbst erlangt auf diesem Wege keine Befriedigung, und was die öffentliche Anerkennung betrifft, reicht diese nicht weiter als die Furcht, die der Epigrammatiker durch seine augenblickliche Stellung einflößt. Man sagt, daß Karr mit seiner Stellung in der Gesellschaft und der Bedeutung, die man an seine Person knüpft, sehr unzufrieden ist, und beide unter seinem Verdienst findet. Von diesem Mißmuth zu dem Wunsche, sich durch eine Satyre zu rächen, ist nur ein Schritt; die meisten Satyren haben keine andere Geschichte; glücklich noch, wenn sie mit Geist und Laune den innerlichen Aerger zu verschleiern wissen, denn an dieser Blöße scheitert sonst alle ihre Wirkung. Bei Karr ist das Publicum über diese erste Frage ziemlich im Reinen; man liest seine Heftchen wie man ein Capitel des Charivari oder des Corsaire liest, und lobt sie oder läßt sie gleichgültig liegen, je nach dem Maaße des attischen Salzes, das sich darin vorfindet; leider ist es schwer, jeden Tag oder auch nur alle Monate in einem langen Gerede Verstand zu haben. Was aber der Schrift wie dem Verfasser in den Augen seiner Freunde und des Publicums entschieden geschadet hat, ist die unlautere Quelle, welcher man die Entstehung der Guèpes zuschreibt. Man hält sie für eine Eingebung Emil Girardins, der vielleicht selbst nur ein Mittelsmann eines höhern Impulses wäre; gewiß ist, daß diese saubere Familie, an Mann, Weib und übrigem Zubehör bisher weiß und blank, völlig unberührt von den Stichen der Wespen geblieben ist; oder hätte das Insect durch diesen Vorzug bloß seinen instinctiven Widerwillen gegen alle Fäulniß bezeugen wollen?</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Schweden.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Stockholm,</hi> 14 April.</dateline>
          <p> Sonnabends wurden durch den Hofkanzler die Entwürfe zu einer neuen Civil- und Criminalgesetzgebung den Reichsständen überreicht. Schon vor beinahe dreißig Jahren wurde zur Ausarbeitung dieser Entwürfe eine Commission niedergesetzt, welche das Civilgesetzbuch im Jahr 1826, das Criminalgesetzbuch einige Jahre später beendigte. Beide erschienen nach einander im Druck, und wurden so der öffentlichen Prüfung überliefert. Nachdem in der Folge die Rechtsfacultäten der beiden Universitäten und die Hofgerichte sehr eingreifende und zwar zum großen Theil verwerfende Bemerkungen darüber gemacht hatten, wurden die Entwürfe, von den gemachten Anmerkungen begleitet, beim vorigen Reichstage den Reichsständen übergeben, welche alsdann verlangten, daß die Regierung zum nächsten Reichstag eine gedrängte Darstellung des Planes und der Grundsätze der neuen Gesetzesentwürfe, so wie eine Vergleichung der darin enthaltenen wesentlichen Bestimmungen mit denen der alten noch bestehenden Gesetzgebung möchte ausarbeiten lassen. Diese Darstellung sollte den Reichsständen als Leitfaden dienen bei der spätern Prüfung, inwiefern die neuen Entwürfe dem alten schwedischen, besonders durch die Humanität des Strafcodex ausgezeichneten Gesetzbuch vorzuziehen wären. Eine neue Commission wurde von der Regierung mit dieser Arbeit beauftragt, welche jetzt so weit gediehen, daß das Tableau über die Civilgesetze vollendet ist, und die Beendigung eines ähnlichen Tableau's über die Criminalgesetze im Laufe des Reichstags erwartet wird. Jenen Berichten, nebst dem Gutachten des höchsten Gerichts über den Civilgesetzesentwurf, hat nun die Regierung den Reichsständen übergeben. Da die Regierung selbst die Entwürfe noch nicht geprüft, so hat der König sich dahin geäußert, auf diesem Reichstage keine Proposition, das Ganze der Gesetzesentwürfe betreffend, erledigen zu können; indessen behält der König sich vor, verschiedene Theile des Criminalentwurfes, die einen unbestrittenen Vorzug vor der alten Gesetzgebung haben, noch während dieses Reichstages einzeln zur Genehmigung vorzuschlagen. Schließlich wird die Vermuthung ausgedrückt, daß einer Proposition der Regierung, hinsichtlich des Ganzen der Entwürfe, bei nächstem Reichstage entgegenzusehen sey.</p>
        </div>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0982/0014] und wenn die Dichter zum Theil selbst die Auswahl machten, so konnten auch sie gar leicht über den Werth ihrer Productionen sich täuschen; besser hätte Marmier gethan, wenn er die deutschen Musenalmanache seinem Urtheil zu Grunde gelegt hätte; in diesen hätte er gefunden, was die Herausgeber, selbst Dichter, für das Beste unter dem Ertrag des Jahres erklärten. Sodann enthält das Buch von Stolle nur Gedichte von jüngern, seit Heine's Auftreten mehr oder weniger bekannt gewordenen Dichtern, und behält mehrere ausgezeichnete Dichter der Gegenwart einem frühere Zeiten befassenden Bande vor. Es finden sich darin, wenn wir uns recht erinnern (vor längerer Zeit durchblätterten wir flüchtig die Sammlung), keine Gedichte von Uhland, Schwab, Kerner, Eichendorf, von dem erst kürzlich verstorbenen Chamisso, noch auch von dem unerschöpflich fruchtbaren Rückert. Kann nun eine solche Anthologie ein treues Bild der jetzigen lyrischen Poesie in Deutschland heißen? Und wie soll man es sich erklären, daß Marmier, welcher wohl die meisten der darin fehlenden Namen kennt, sie so gänzlich ignorirt? Hiermit könnte man, wie gesagt, seine Behauptungen einfach zurückweisen, als auf unrichtigen, mangelhaften Voraussetzungen beruhend; aber es ist vielleicht nicht unpassend, auf dieselben doch etwas genauer einzugehen, zu untersuchen, ob und was Wahres daran sey, und sie, so weit wir sie unberechtigt und anmaßend finden, in ihre Gränzen zurückzuweisen. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. _ Paris, 24 April. Wir sind nicht reich an litterarischen Neuigkeiten. Die Guèpes von Alphons Karr werden noch immer gelesen, und wir glauben, daß Verfasser und Verleger ein gutes Geschäft gemacht haben. Doch darf man sich darum nicht über den wahren Charakter dieses Pamphlets und seine moralische Bedeutung täuschen. Alphons Karr ist ein Mann von Geist und unbestreitbarem Witz; sein erster Ruf datirt von der Zeit, wo er in Gesellschaft von Janin, Delatouche, Gozlan an dem ersten und witzigsten Figaro arbeitete; Karr hat sogar innerlich etwas mehr als die gewöhnlichen „geistreichen“ Redactoren der Spottblätter; er ist ein Mann von Herz, der zwar niemals politische Ueberzeugung, doch aber Empfänglichkeit für männliche Tugend und Ehre hatte. Leider sind diese Gaben wenig befruchtet worden. Nichts tödtet das ernstere Studium und die Zeugkraft des Geistes mehr als das unablässige Plänkeln in dem kleinen Krieg der kleinen Journale, das „Witzmachen“ zu jeder Stunde und über jedes Ding, das ewige Verpuffen des geistigen Pulvers, das nur in gedrängter Masse nachhaltig wirken könnte, und an dessen lärmender Nichtigkeit man nach und nach unbeachtend vorübergeht. Der eigene Geist selbst erlangt auf diesem Wege keine Befriedigung, und was die öffentliche Anerkennung betrifft, reicht diese nicht weiter als die Furcht, die der Epigrammatiker durch seine augenblickliche Stellung einflößt. Man sagt, daß Karr mit seiner Stellung in der Gesellschaft und der Bedeutung, die man an seine Person knüpft, sehr unzufrieden ist, und beide unter seinem Verdienst findet. Von diesem Mißmuth zu dem Wunsche, sich durch eine Satyre zu rächen, ist nur ein Schritt; die meisten Satyren haben keine andere Geschichte; glücklich noch, wenn sie mit Geist und Laune den innerlichen Aerger zu verschleiern wissen, denn an dieser Blöße scheitert sonst alle ihre Wirkung. Bei Karr ist das Publicum über diese erste Frage ziemlich im Reinen; man liest seine Heftchen wie man ein Capitel des Charivari oder des Corsaire liest, und lobt sie oder läßt sie gleichgültig liegen, je nach dem Maaße des attischen Salzes, das sich darin vorfindet; leider ist es schwer, jeden Tag oder auch nur alle Monate in einem langen Gerede Verstand zu haben. Was aber der Schrift wie dem Verfasser in den Augen seiner Freunde und des Publicums entschieden geschadet hat, ist die unlautere Quelle, welcher man die Entstehung der Guèpes zuschreibt. Man hält sie für eine Eingebung Emil Girardins, der vielleicht selbst nur ein Mittelsmann eines höhern Impulses wäre; gewiß ist, daß diese saubere Familie, an Mann, Weib und übrigem Zubehör bisher weiß und blank, völlig unberührt von den Stichen der Wespen geblieben ist; oder hätte das Insect durch diesen Vorzug bloß seinen instinctiven Widerwillen gegen alle Fäulniß bezeugen wollen? Schweden. _ Stockholm, 14 April. Sonnabends wurden durch den Hofkanzler die Entwürfe zu einer neuen Civil- und Criminalgesetzgebung den Reichsständen überreicht. Schon vor beinahe dreißig Jahren wurde zur Ausarbeitung dieser Entwürfe eine Commission niedergesetzt, welche das Civilgesetzbuch im Jahr 1826, das Criminalgesetzbuch einige Jahre später beendigte. Beide erschienen nach einander im Druck, und wurden so der öffentlichen Prüfung überliefert. Nachdem in der Folge die Rechtsfacultäten der beiden Universitäten und die Hofgerichte sehr eingreifende und zwar zum großen Theil verwerfende Bemerkungen darüber gemacht hatten, wurden die Entwürfe, von den gemachten Anmerkungen begleitet, beim vorigen Reichstage den Reichsständen übergeben, welche alsdann verlangten, daß die Regierung zum nächsten Reichstag eine gedrängte Darstellung des Planes und der Grundsätze der neuen Gesetzesentwürfe, so wie eine Vergleichung der darin enthaltenen wesentlichen Bestimmungen mit denen der alten noch bestehenden Gesetzgebung möchte ausarbeiten lassen. Diese Darstellung sollte den Reichsständen als Leitfaden dienen bei der spätern Prüfung, inwiefern die neuen Entwürfe dem alten schwedischen, besonders durch die Humanität des Strafcodex ausgezeichneten Gesetzbuch vorzuziehen wären. Eine neue Commission wurde von der Regierung mit dieser Arbeit beauftragt, welche jetzt so weit gediehen, daß das Tableau über die Civilgesetze vollendet ist, und die Beendigung eines ähnlichen Tableau's über die Criminalgesetze im Laufe des Reichstags erwartet wird. Jenen Berichten, nebst dem Gutachten des höchsten Gerichts über den Civilgesetzesentwurf, hat nun die Regierung den Reichsständen übergeben. Da die Regierung selbst die Entwürfe noch nicht geprüft, so hat der König sich dahin geäußert, auf diesem Reichstage keine Proposition, das Ganze der Gesetzesentwürfe betreffend, erledigen zu können; indessen behält der König sich vor, verschiedene Theile des Criminalentwurfes, die einen unbestrittenen Vorzug vor der alten Gesetzgebung haben, noch während dieses Reichstages einzeln zur Genehmigung vorzuschlagen. Schließlich wird die Vermuthung ausgedrückt, daß einer Proposition der Regierung, hinsichtlich des Ganzen der Entwürfe, bei nächstem Reichstage entgegenzusehen sey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_123_18400502
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_123_18400502/14
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 123. Augsburg, 2. Mai 1840, S. 0982. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_123_18400502/14>, abgerufen am 23.11.2024.