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Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840.

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zu lernen, sahen sich schon gleich bei dem Beginne ihrer Unternehmung von Schwierigkeiten aller Art umgeben." Ist es glaublich! Ist es möglich! Von solcher unverzeihlichen Unkunde ist noch, im Jahre 1840, der helle Geist der englischen Staatsmänner umschattet! Vergebens habt ihr, Gaubil und Premare, Deguignes und Remufat, Klaproth und Hyakinth, Staunton und Morrison gelehrt und geschrieben, vergebens haben alle diese talentvollen Männer ihr ganzes Leben, mit dem größten Erfolge, dem Studium der chinesischen Litteratur zugewendet - sie hatten Schattenbildern nachgejagt, the Chinese have no literature to afford help to foreigners sagt ihnen der "gelehrte" Macaulay - der sogar lange in Indien gewesen - ins Gesicht! Nun Hr. Macaulay, vernehmen Sie Ihrerseits, wahrscheinlich unter nicht minderem Erstaunen, daß selbst in Ihrer Nähe, in London, drei große chinesische Büchersammlungen aufbewahrt werden, die des verstorbenen Dr. Morrison in dem Gebäude der Londoner Universität, Gower Street, von zwölftausend, die der asiatischen Gesellschaft von fünftausend und die des ostindischen Hauses von dreitausend Bänden. Nicht minder reich an chinesischen Büchern sind die großen Bibliotheken des Continents. In Paris befinden sich nahe an fünfzehn-, in München mehr denn zehn-, in Berlin vier- bis fünftausend Bände, und zwar aus allen Fächern des menschlichen Wissens, Dichtens und Trachtens! Dieß ist Alles aber nur ein Kinderspiel im Vergleiche zur großen Masse der chinesischen Litteratur. Die Gelehrten des Mittelreiches waren, was gewiß viel sagen will, ehemals noch viel schreibseliger als jetzt die unseres deutschen Vaterlandes. Der Kaiser aus dem goldenen Hause Gioro, dessen Regierungszeit (1736-1795) in Europa unter dem Namen Kien long, des Himmels Wohlthat, bekannt ist, beschloß gegen das Jahr 1770, das Wissenswürdigste der chinesischen Litteratur aufsuchen und in einer großen, mit kaiserlicher Pracht ausgestatteten Sammlung abdrucken zu lassen. Es wurden, nach der niedrigsten Angabe, über zweimalhunderttausend Bände für würdig erkannt, in dieser riesenhaften Compilation ihren Platz zu finden. Die Sammlung ward, es erheischte dieß die Pietät gegen die Vorfahren, auch nach dem Tode des Kaisers fortgesetzt, und einem officiellen Berichte vom Ende des Jahres 1812 gemäß, abgedruckt in der neuesten Ausgabe der gesammelten Satzungen des Reichs*), waren von dieser Sammlung damals bereits 3511 Werke in 78,731 Bänden erschienen.

Wahrlich, die Antwort des Ministers Macaulay war würdig der Wissenschaft Sir J. Grahams. Die Einheit also, die Centralisation, welche jede selbstständige Lebensregung im Keim erstickt, in ihr läge die Macht, sie wäre die Seele des Staatskörpers? Vergebens waren die zahlreichen Revolutionen aller der orientalischen Despotien, welche sämmtlich an dieser gepriesenen Einheit krank daniederlagen; vergebens sind die Erfahrungen Europa's in den letzten Jahrzehnten; umsonst die Warnung des tiefsinnigen Montesquieu vor dem Streben nach dieser äußerlichen, organisch nicht zusammengewachsenen Einheit. Man lasse sich aber nicht täuschen! Diese Einheit ward von den Tories bloß ersonnen, um den Britten Angst einzujagen. Außer dem Mohammedanismus, der sich zahlreicher Anhänger erfreut, allenthalben im Lande, namentlich aber in den nordwestlichen Kreisen des Reichs, finden wir in China nach ihrem Princip, wie nach ihrer äußerlichen Gestaltung drei verschiedene Religionen, die ihrerseits wiederum in mehrere Secten und Bruderschaften zerfallen, welche feindlich einander gegenüber stehen. Ueberdieß gibt es zahlreiche, über alle Lande und Inseln des großen Reiches verbreitete geheime Gesellschaften, die zur "weißen Wasserlilie," zur "Dreieinigkeit" und zum "grünen Thee" genannt, welche sämmtlich nach Einem Ziele streben. Es soll die Herrschaft der Fremden, die Tyrannei der Mandschu gestürzt und ein ächter Sohn des Jao und Schun auf den Drachensitz erhoben werden. Erging doch bereits im Jahr 1821, nach der Aussage Morrisons, eine Anfrage an die Factorei der ostindischen Compagnie in China: ob wohl die Engländer geneigt wären, diesen patriotischen Bestrebungen der revolutionären Bünde Vorschub zu leisten? Ja es fehlte wenig, so hätten einige Jahre vorher (1813) die Anhänger der Dreieinigkeit*) den Vater Seiner jetzt regierenden Majestät vom Throne gestoßen und ermordet. Schon waren die Wachen der Residenz gewonnen und die Verschworenen überstiegen bereits die innern Ringmauern des kaiserlichen Palastes.

Nicht minder irrig ist die andere Behauptung Grahams, daß alle Unterthanen des Reichs der Mitte denselben Gesetzen gehorchen und einerlei Sprache sprechen. Im Gegentheil, es war im äußersten Osten der Erde von jeher Sitte, die unterworfenen Völker bei ihren angestammten Gesetzen und Gewohnheiten zu lassen. So sind für die herrschenden Mandschu eigene Verordnungen vorhanden; selbst ihre bewaffnete Mannschaft wird in besondere, von den besiegten Chinesen getrennten Regimenter, die sogenannten acht Banner, eingetheilt. Die unter China stehenden Mongolen erfreuen sich eines eigenen Gesetzbuchs, welches durch eine Uebersetzung des Archimandriten Hyakinth auch in Europa bekannt geworden ist; die Tibetaner leben nach der althergebrachten buddhistischen Weise, und die Türken der kleinen Bucharei gehorchen ihren Beg und Hakim-Beg, die freilich ihrerseits wiederum dem chinesischen Statthalter von Ily untergeordnet sind. Es ist wahr, innerhalb der Gränzen des chinesischen Reichs, im engern Sinne des Wortes, findet man nur eine einzige Schriftsprache. Die gesprochene Sprache zerfällt aber in mehrere, so sehr von einander abweichende Dialekte, daß diese als selbstständige Sprachen betrachtet werden müssen, welche sich, wie Dänisch und Schwedisch, wie Holländisch und Englisch, aus einem Urstamme heraus entwickelt haben. Der Einwohner von Fo kien ist so wenig wie der von Kuang tong im Stande, sich in den Kreisen Pe tsche li, Sse tschuen oder Kan su verständlich zu machen. Man fand es deßhalb nothwendig, bei jedem Gerichte officielle Dolmetscher anzustellen, welche die Aussagen der Einheimischen für die aus der Ferne herkommenden Beamten in die allgemeine Schriftsprache übertragen.

Was endlich die vielbesprochene Frage über die Bevölkerung China's und des chinesischen Reichs betrifft - Benennungen, die nicht minder verschieden sind, als die Frankreich und französisches Reich zu den Zeiten Napoleons - so belief sich nach officiellen Angaben die Einwohnerzahl China's am Ende des Jahrs 1812 nahe an 374 Millionen. Die Bevölkerung der 19 Kreise des Mittelreichs - die tributären Staaten, wie Korea und die Völker fremder Zungen, Tungusen, Mongolen, Tibetaner, Türken und Tadschik nicht mitgerechnet - kann ohne Uebertreibung, obgleich das Land in den letzten Jahrzehnten von Erdbeben, Ueberschwemmungen und Cholera stark heimgesucht wurde, gegen Ende des Jahrs 1839 zu vierhundert Millionen angenommen werden. Ist es möglich, daß dieses Land im Stande sey, eine solche ungeheure Masse Volkes zu ernähren? Das urbar gemachte Land wird in den gesammelten Satzungen auf 791,525,196 Meou angegeben. Ein Meou gleicht aber,

*) Tay tsing hoei tien LXXX. Bl. 13 v:
*) Man denke hier nicht an eine Dreieinigkeit im christlichen Sinne; Himmel, Erde und Menschen sind jene heilige Drei.

zu lernen, sahen sich schon gleich bei dem Beginne ihrer Unternehmung von Schwierigkeiten aller Art umgeben.“ Ist es glaublich! Ist es möglich! Von solcher unverzeihlichen Unkunde ist noch, im Jahre 1840, der helle Geist der englischen Staatsmänner umschattet! Vergebens habt ihr, Gaubil und Prémare, Deguignes und Rémufat, Klaproth und Hyakinth, Staunton und Morrison gelehrt und geschrieben, vergebens haben alle diese talentvollen Männer ihr ganzes Leben, mit dem größten Erfolge, dem Studium der chinesischen Litteratur zugewendet – sie hatten Schattenbildern nachgejagt, the Chinese have no literature to afford help to foreigners sagt ihnen der „gelehrte“ Macaulay – der sogar lange in Indien gewesen – ins Gesicht! Nun Hr. Macaulay, vernehmen Sie Ihrerseits, wahrscheinlich unter nicht minderem Erstaunen, daß selbst in Ihrer Nähe, in London, drei große chinesische Büchersammlungen aufbewahrt werden, die des verstorbenen Dr. Morrison in dem Gebäude der Londoner Universität, Gower Street, von zwölftausend, die der asiatischen Gesellschaft von fünftausend und die des ostindischen Hauses von dreitausend Bänden. Nicht minder reich an chinesischen Büchern sind die großen Bibliotheken des Continents. In Paris befinden sich nahe an fünfzehn-, in München mehr denn zehn-, in Berlin vier- bis fünftausend Bände, und zwar aus allen Fächern des menschlichen Wissens, Dichtens und Trachtens! Dieß ist Alles aber nur ein Kinderspiel im Vergleiche zur großen Masse der chinesischen Litteratur. Die Gelehrten des Mittelreiches waren, was gewiß viel sagen will, ehemals noch viel schreibseliger als jetzt die unseres deutschen Vaterlandes. Der Kaiser aus dem goldenen Hause Gioro, dessen Regierungszeit (1736-1795) in Europa unter dem Namen Kien long, des Himmels Wohlthat, bekannt ist, beschloß gegen das Jahr 1770, das Wissenswürdigste der chinesischen Litteratur aufsuchen und in einer großen, mit kaiserlicher Pracht ausgestatteten Sammlung abdrucken zu lassen. Es wurden, nach der niedrigsten Angabe, über zweimalhunderttausend Bände für würdig erkannt, in dieser riesenhaften Compilation ihren Platz zu finden. Die Sammlung ward, es erheischte dieß die Pietät gegen die Vorfahren, auch nach dem Tode des Kaisers fortgesetzt, und einem officiellen Berichte vom Ende des Jahres 1812 gemäß, abgedruckt in der neuesten Ausgabe der gesammelten Satzungen des Reichs*), waren von dieser Sammlung damals bereits 3511 Werke in 78,731 Bänden erschienen.

Wahrlich, die Antwort des Ministers Macaulay war würdig der Wissenschaft Sir J. Grahams. Die Einheit also, die Centralisation, welche jede selbstständige Lebensregung im Keim erstickt, in ihr läge die Macht, sie wäre die Seele des Staatskörpers? Vergebens waren die zahlreichen Revolutionen aller der orientalischen Despotien, welche sämmtlich an dieser gepriesenen Einheit krank daniederlagen; vergebens sind die Erfahrungen Europa's in den letzten Jahrzehnten; umsonst die Warnung des tiefsinnigen Montesquieu vor dem Streben nach dieser äußerlichen, organisch nicht zusammengewachsenen Einheit. Man lasse sich aber nicht täuschen! Diese Einheit ward von den Tories bloß ersonnen, um den Britten Angst einzujagen. Außer dem Mohammedanismus, der sich zahlreicher Anhänger erfreut, allenthalben im Lande, namentlich aber in den nordwestlichen Kreisen des Reichs, finden wir in China nach ihrem Princip, wie nach ihrer äußerlichen Gestaltung drei verschiedene Religionen, die ihrerseits wiederum in mehrere Secten und Bruderschaften zerfallen, welche feindlich einander gegenüber stehen. Ueberdieß gibt es zahlreiche, über alle Lande und Inseln des großen Reiches verbreitete geheime Gesellschaften, die zur „weißen Wasserlilie,“ zur „Dreieinigkeit“ und zum „grünen Thee“ genannt, welche sämmtlich nach Einem Ziele streben. Es soll die Herrschaft der Fremden, die Tyrannei der Mandschu gestürzt und ein ächter Sohn des Jao und Schun auf den Drachensitz erhoben werden. Erging doch bereits im Jahr 1821, nach der Aussage Morrisons, eine Anfrage an die Factorei der ostindischen Compagnie in China: ob wohl die Engländer geneigt wären, diesen patriotischen Bestrebungen der revolutionären Bünde Vorschub zu leisten? Ja es fehlte wenig, so hätten einige Jahre vorher (1813) die Anhänger der Dreieinigkeit*) den Vater Seiner jetzt regierenden Majestät vom Throne gestoßen und ermordet. Schon waren die Wachen der Residenz gewonnen und die Verschworenen überstiegen bereits die innern Ringmauern des kaiserlichen Palastes.

Nicht minder irrig ist die andere Behauptung Grahams, daß alle Unterthanen des Reichs der Mitte denselben Gesetzen gehorchen und einerlei Sprache sprechen. Im Gegentheil, es war im äußersten Osten der Erde von jeher Sitte, die unterworfenen Völker bei ihren angestammten Gesetzen und Gewohnheiten zu lassen. So sind für die herrschenden Mandschu eigene Verordnungen vorhanden; selbst ihre bewaffnete Mannschaft wird in besondere, von den besiegten Chinesen getrennten Regimenter, die sogenannten acht Banner, eingetheilt. Die unter China stehenden Mongolen erfreuen sich eines eigenen Gesetzbuchs, welches durch eine Uebersetzung des Archimandriten Hyakinth auch in Europa bekannt geworden ist; die Tibetaner leben nach der althergebrachten buddhistischen Weise, und die Türken der kleinen Bucharei gehorchen ihren Beg und Hakim-Beg, die freilich ihrerseits wiederum dem chinesischen Statthalter von Ily untergeordnet sind. Es ist wahr, innerhalb der Gränzen des chinesischen Reichs, im engern Sinne des Wortes, findet man nur eine einzige Schriftsprache. Die gesprochene Sprache zerfällt aber in mehrere, so sehr von einander abweichende Dialekte, daß diese als selbstständige Sprachen betrachtet werden müssen, welche sich, wie Dänisch und Schwedisch, wie Holländisch und Englisch, aus einem Urstamme heraus entwickelt haben. Der Einwohner von Fo kien ist so wenig wie der von Kuang tong im Stande, sich in den Kreisen Pe tsche li, Sse tschuen oder Kan su verständlich zu machen. Man fand es deßhalb nothwendig, bei jedem Gerichte officielle Dolmetscher anzustellen, welche die Aussagen der Einheimischen für die aus der Ferne herkommenden Beamten in die allgemeine Schriftsprache übertragen.

Was endlich die vielbesprochene Frage über die Bevölkerung China's und des chinesischen Reichs betrifft – Benennungen, die nicht minder verschieden sind, als die Frankreich und französisches Reich zu den Zeiten Napoleons – so belief sich nach officiellen Angaben die Einwohnerzahl China's am Ende des Jahrs 1812 nahe an 374 Millionen. Die Bevölkerung der 19 Kreise des Mittelreichs – die tributären Staaten, wie Korea und die Völker fremder Zungen, Tungusen, Mongolen, Tibetaner, Türken und Tadschik nicht mitgerechnet – kann ohne Uebertreibung, obgleich das Land in den letzten Jahrzehnten von Erdbeben, Ueberschwemmungen und Cholera stark heimgesucht wurde, gegen Ende des Jahrs 1839 zu vierhundert Millionen angenommen werden. Ist es möglich, daß dieses Land im Stande sey, eine solche ungeheure Masse Volkes zu ernähren? Das urbar gemachte Land wird in den gesammelten Satzungen auf 791,525,196 Meou angegeben. Ein Meou gleicht aber,

*) Tay tsing hoei tien LXXX. Bl. 13 v:
*) Man denke hier nicht an eine Dreieinigkeit im christlichen Sinne; Himmel, Erde und Menschen sind jene heilige Drei.
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Macaulay, vernehmen Sie Ihrerseits, wahrscheinlich unter nicht minderem Erstaunen, daß selbst in Ihrer Nähe, in London, drei große chinesische Büchersammlungen aufbewahrt werden, die des verstorbenen Dr. Morrison in dem Gebäude der Londoner Universität, Gower Street, von zwölftausend, die der asiatischen Gesellschaft von fünftausend und die des ostindischen Hauses von dreitausend Bänden. Nicht minder reich an chinesischen Büchern sind die großen Bibliotheken des Continents. In Paris befinden sich nahe an fünfzehn-, in München mehr denn zehn-, in Berlin vier- bis fünftausend Bände, und zwar aus allen Fächern des menschlichen Wissens, Dichtens und Trachtens! Dieß ist Alles aber nur ein Kinderspiel im Vergleiche zur großen Masse der chinesischen Litteratur. Die Gelehrten des Mittelreiches waren, was gewiß viel sagen will, ehemals noch viel schreibseliger als jetzt die unseres deutschen Vaterlandes. Der Kaiser aus dem goldenen Hause Gioro, dessen Regierungszeit (1736-1795) in Europa unter dem Namen Kien long, des Himmels Wohlthat, bekannt ist, beschloß gegen das Jahr 1770, das Wissenswürdigste der chinesischen Litteratur aufsuchen und in einer großen, mit kaiserlicher Pracht ausgestatteten Sammlung abdrucken zu lassen. Es wurden, nach der niedrigsten Angabe, über zweimalhunderttausend Bände für würdig erkannt, in dieser riesenhaften Compilation ihren Platz zu finden. Die Sammlung ward, es erheischte dieß die Pietät gegen die Vorfahren, auch nach dem Tode des Kaisers fortgesetzt, und einem officiellen Berichte vom Ende des Jahres 1812 gemäß, abgedruckt in der neuesten Ausgabe der gesammelten Satzungen des Reichs *), waren von dieser Sammlung damals bereits 3511 Werke in 78,731 Bänden erschienen. Wahrlich, die Antwort des Ministers Macaulay war würdig der Wissenschaft Sir J. Grahams. Die Einheit also, die Centralisation, welche jede selbstständige Lebensregung im Keim erstickt, in ihr läge die Macht, sie wäre die Seele des Staatskörpers? Vergebens waren die zahlreichen Revolutionen aller der orientalischen Despotien, welche sämmtlich an dieser gepriesenen Einheit krank daniederlagen; vergebens sind die Erfahrungen Europa's in den letzten Jahrzehnten; umsonst die Warnung des tiefsinnigen Montesquieu vor dem Streben nach dieser äußerlichen, organisch nicht zusammengewachsenen Einheit. Man lasse sich aber nicht täuschen! Diese Einheit ward von den Tories bloß ersonnen, um den Britten Angst einzujagen. Außer dem Mohammedanismus, der sich zahlreicher Anhänger erfreut, allenthalben im Lande, namentlich aber in den nordwestlichen Kreisen des Reichs, finden wir in China nach ihrem Princip, wie nach ihrer äußerlichen Gestaltung drei verschiedene Religionen, die ihrerseits wiederum in mehrere Secten und Bruderschaften zerfallen, welche feindlich einander gegenüber stehen. Ueberdieß gibt es zahlreiche, über alle Lande und Inseln des großen Reiches verbreitete geheime Gesellschaften, die zur „weißen Wasserlilie,“ zur „Dreieinigkeit“ und zum „grünen Thee“ genannt, welche sämmtlich nach Einem Ziele streben. Es soll die Herrschaft der Fremden, die Tyrannei der Mandschu gestürzt und ein ächter Sohn des Jao und Schun auf den Drachensitz erhoben werden. Erging doch bereits im Jahr 1821, nach der Aussage Morrisons, eine Anfrage an die Factorei der ostindischen Compagnie in China: ob wohl die Engländer geneigt wären, diesen patriotischen Bestrebungen der revolutionären Bünde Vorschub zu leisten? Ja es fehlte wenig, so hätten einige Jahre vorher (1813) die Anhänger der Dreieinigkeit *) den Vater Seiner jetzt regierenden Majestät vom Throne gestoßen und ermordet. Schon waren die Wachen der Residenz gewonnen und die Verschworenen überstiegen bereits die innern Ringmauern des kaiserlichen Palastes. Nicht minder irrig ist die andere Behauptung Grahams, daß alle Unterthanen des Reichs der Mitte denselben Gesetzen gehorchen und einerlei Sprache sprechen. Im Gegentheil, es war im äußersten Osten der Erde von jeher Sitte, die unterworfenen Völker bei ihren angestammten Gesetzen und Gewohnheiten zu lassen. So sind für die herrschenden Mandschu eigene Verordnungen vorhanden; selbst ihre bewaffnete Mannschaft wird in besondere, von den besiegten Chinesen getrennten Regimenter, die sogenannten acht Banner, eingetheilt. Die unter China stehenden Mongolen erfreuen sich eines eigenen Gesetzbuchs, welches durch eine Uebersetzung des Archimandriten Hyakinth auch in Europa bekannt geworden ist; die Tibetaner leben nach der althergebrachten buddhistischen Weise, und die Türken der kleinen Bucharei gehorchen ihren Beg und Hakim-Beg, die freilich ihrerseits wiederum dem chinesischen Statthalter von Ily untergeordnet sind. Es ist wahr, innerhalb der Gränzen des chinesischen Reichs, im engern Sinne des Wortes, findet man nur eine einzige Schriftsprache. Die gesprochene Sprache zerfällt aber in mehrere, so sehr von einander abweichende Dialekte, daß diese als selbstständige Sprachen betrachtet werden müssen, welche sich, wie Dänisch und Schwedisch, wie Holländisch und Englisch, aus einem Urstamme heraus entwickelt haben. Der Einwohner von Fo kien ist so wenig wie der von Kuang tong im Stande, sich in den Kreisen Pe tsche li, Sse tschuen oder Kan su verständlich zu machen. Man fand es deßhalb nothwendig, bei jedem Gerichte officielle Dolmetscher anzustellen, welche die Aussagen der Einheimischen für die aus der Ferne herkommenden Beamten in die allgemeine Schriftsprache übertragen. Was endlich die vielbesprochene Frage über die Bevölkerung China's und des chinesischen Reichs betrifft – Benennungen, die nicht minder verschieden sind, als die Frankreich und französisches Reich zu den Zeiten Napoleons – so belief sich nach officiellen Angaben die Einwohnerzahl China's am Ende des Jahrs 1812 nahe an 374 Millionen. Die Bevölkerung der 19 Kreise des Mittelreichs – die tributären Staaten, wie Korea und die Völker fremder Zungen, Tungusen, Mongolen, Tibetaner, Türken und Tadschik nicht mitgerechnet – kann ohne Uebertreibung, obgleich das Land in den letzten Jahrzehnten von Erdbeben, Ueberschwemmungen und Cholera stark heimgesucht wurde, gegen Ende des Jahrs 1839 zu vierhundert Millionen angenommen werden. Ist es möglich, daß dieses Land im Stande sey, eine solche ungeheure Masse Volkes zu ernähren? Das urbar gemachte Land wird in den gesammelten Satzungen auf 791,525,196 Meou angegeben. Ein Meou gleicht aber, *) Tay tsing hoei tien LXXX. Bl. 13 v: *) Man denke hier nicht an eine Dreieinigkeit im christlichen Sinne; Himmel, Erde und Menschen sind jene heilige Drei.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840, S. 0973. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/13>, abgerufen am 24.11.2024.