Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

auch den Schein werden sie nicht mehr retten können. Hr. Leclercq gehört entschiedener zur liberalen Farbe, und hat in dieser Hinsicht die Aufrichtigkeit für sich, womit er im Nationalcongresse und in den ersten Sessionen der Repräsentantenkammer gerade und frei aufgetreten. Er ist die beste Acquisition des neuen Cabinets, denn er vereinigt die moralischen und intellectuellen Eigenschaften in gleich hohem Grade, und es ist in Belgien nicht gleichgültig, ob man auch durch erstere in der höhern Gesellschaft den rechten, eines Ministers der Krone würdigen Standpunkt einnehme. Hr. Liedts, der in dieser Hinsicht ebenfalls jeder Forderung entspricht, hat bisher noch keine Gelegenheit gehabt, zu beweisen, daß ihm auch in gleichem Grade die intellectuellen Eigenschaften zu einer so hohen Stellung zu Gebote stehen. Hr. Mercier ist die schwächste Seite der neuen Combination. In seiner bisherigen Stellung als Steuerdirector hat er sich zum Minister eben nicht vorüben können; in der Kammer gehörte er keineswegs zu den ausgezeichneten Gliedern, und seine Mitwirkung als höherer Beamter zum Sturze der bisherigen Minister hat sein Ansehen nicht gehoben. General Buzen scheint eine recht gute Wahl, er kommt aber, als Kriegsminister, bei der Beurtheilung der Stellung des Cabinets zu den Kammern weniger in Betracht. Aus dem Angedeuteten begreift es sich, daß die bisherige Opposition das neue Cabinet beifällig aufnimmt, und daß besonders die antikatholischen Blätter sich zufrieden zeigen. Dabei fühlen sie indessen gar wohl, daß eine ausgesprochene Tendenz gegen den Katholicismus den Ministern gleich das Regieren unmöglich machen würde, da sich die Kammern eine solche nicht würden gefallen lassen. Sie mildern daher sehr ihren Ton, und der "Observateur", dem noch vor kurzem die Bischöfe und der gesammte belgische Clerus nur eine "bigotte und retrograde Coterie" waren, ist mit Einemmale höflich und freundlich gegen sie geworden, und betheuert, daß sie alle Ursache haben, gänzlich beruhigt zu seyn. Der "Courrier de la Meuse" hingegen, das treueste Organ der katholischen Gesinnungen, begnügt sich zur Beurtheilung des neuen Cabinets mit folgendem lakonischen Artikel: "Bietet das neue Ministerium der Gesinnung die wir vertreten hinlängliche Sicherheit dar? Da es seinen Ursprung Einflüssen verdankt, deren einige dieser Gesinnung entschieden feindselig sind, wie könnte es uns Sicherheit gewähren? Unsre politischen Freunde werden sich diese Frage stellen." - Doch glauben wir nicht, daß man von dieser Seite eine förmliche Opposition gegen die Minister organisiren werde. Das liegt nicht in ihrer Art, die vielmehr darauf gerichtet ist, Ruhe und Ordnung im Lande zu erhalten, und die Regierung nicht ohne Noth zu bekämpfen. Es dürfte eher der Fall seyn, daß das Ministerium bald wieder gerade hier seine Stütze suchen müßte, denn nur hier wird es für alle gouvernementalen Ideen und Grundsätze einen sichern Anklang finden. Die Stütze der Liberalen dagegen gleicht sehr derjenigen, welche in Frankreich die linke Seite dem Hrn. Thiers angeboten; und schon jetzt verhehlen es ihre Blätter nicht, daß sie das neue Ministerium nur als eine Einleitung zum Uebergang in eine entschiedenere liberale Combination ansehen. Ob bei solchen Erwartungen die Handlungen des neuen Cabinets seinen jetzigen Freunden lange zusagen werden, wird die Zukunft lehren.

Gestern ging die Kammer an die Discussion des Gesetzes wegen der Convention mit der rheinischen Eisenbahndirection zum Ankaufe von 4000 Actien. Die meisten Redner sprachen für das Gesetz, nur ein Paar, und zwar von dem ganz beschränkten Standpunkte pekuniärer Rücksichten aus, gegen dasselbe. (Wir haben schon gestern die Annahme des Gesetzes gemeldet.) Erinnert man sich daran, daß noch vor kaum einem Jahre Belgien als der Mittelpunkt revolutionärer Bestrebungen angesehen wurde, welche besonders der Rheinprovinz bedrohen sollten, daher auch von dieser Seite ein politischer Sanitätscordon gegen dasselbe aufgestellt wurde, so traut man kaum seinen Ohren, gegenwärtig mit Zustimmung der k. preußischen Regierung die rheinischen Interessen in der hiesigen Kammer debattirt zu hören, als waren es die eigenen, denn alle Kraft der Argumente der Vertheidiger des Gesetzes liegt in dem Beweise, daß die jenseitigen und diesseitigen Interessen in dieser Angelegenheit ganz ineinander fließen, und man über Geldopfer, wenn dergleichen wirklich gefordert würden, hinaussehen, und nur den großen Zweck einer von Holland unabhän igen raschen Verbindung mit dem Rheine im Auge halten müsse. Vor Eröffnung der Sitzung waren von Seite des Hrn. Hansemann, Bevollmächtigten der rheinischen Direction, zwei lithographirte Blätter an die Glieder der Kammer vertheilt worden, das eine ein allgemeines Profil der rheinischen Eisenbahn, nebst genauer Angabe der fertigen und noch zu fertigenden Arbeiten jeder Art, das andere einen Plan derselben Bahn, nebst Zeichnung der beiden großen Viaducte zwischen Aachen und der Gränze, darstellend. Letzterem war noch in kleinerem Maaßstabe ein Plan der Strecke zwischen Aachen und Tirlemont beigefügt. Obgleich die Strecke von der Gränze bis Aachen nur 15,123 Meter, die Strecke von Aachen nach Köln dagegen 70,615 Meter Länge hat, so sind doch die Ausführungskosten für erstere, wegen der Schwierigkeiten des Terrains, ungefähr zur Hälfte der Kosten für letztere, jene nämlich zu 5 Millionen Fr., und diese zu 11 1/2 Mill., der ganze Bau mithin zu 16 1/2 Mill. Fr. veranschlagt.

Niederlande.

Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der zweiten Kammer der Generalstaaten, bezüglich der Budgets, sind den hier anwesenden Kammermitgliedern mitgetheilt worden. Das Ausgabenbudget ist von 58,227,215 fl. auf 51,727,215 fl. ermäßigt worden. Die Regierung glaubt die Kammer nicht genug darauf aufmerksam machen zu können, daß das dießjährige Budget ein für sich allein bestehendes sey und nicht daraus auf die der nächsten Jahre geschlossen werden dürfe. Die Regierung werde auch fürs nächste Jahr wieder größere Einschränkungen beantragen, allein für dieses Jahr könne sie nicht mehr thun, als bereits geschehen. - Nach den neuesten Nachrichten aus Java ist der königl. niederländische Consul zu Canton daselbst angekommen, und wollte sich in Kürze nach Niederland einschiffen. - Die Arbeiten der Utrecht'schen Finanzcommission werden durch die Ministerveränderung in Belgien eine noch längere Unterbrechung erleiden. Das neue belgische Ministerium soll indessen den aufrichtigen Wunsch hegen, mit Holland bald ganz ins Reine zu kommen.

Italien.

(Commerce.) Die Allgemeine Zeitung meldete kürzlich, daß zwischen Dom Miguel und der Königin Dona Maria Unterhandlungen angeknüpft seyen. In dem Journal Voce della Verita kam eine Widerlegung von einem Agenten Dom Miguels in dessen Namen. Trotz dieser bestimmten Behauptungen, die weit weniger, als man denken sollte, beweisen, glauben wir mit Grund sagen zu können, daß die Allg. Zeitung Recht hatte. Der Marquis v. Careira ward von Dona Maria an ihren Oheim abgeschickt; man meldet sogar dessen Ankunft in Rom. Dom Miguel, der sehr große Güter in Portugal hat, will nicht länger von den milden Unterstützungen des Papstes leben, und ist auf dem Punkte der Annahme einer Uebereinkunft,

auch den Schein werden sie nicht mehr retten können. Hr. Leclercq gehört entschiedener zur liberalen Farbe, und hat in dieser Hinsicht die Aufrichtigkeit für sich, womit er im Nationalcongresse und in den ersten Sessionen der Repräsentantenkammer gerade und frei aufgetreten. Er ist die beste Acquisition des neuen Cabinets, denn er vereinigt die moralischen und intellectuellen Eigenschaften in gleich hohem Grade, und es ist in Belgien nicht gleichgültig, ob man auch durch erstere in der höhern Gesellschaft den rechten, eines Ministers der Krone würdigen Standpunkt einnehme. Hr. Liedts, der in dieser Hinsicht ebenfalls jeder Forderung entspricht, hat bisher noch keine Gelegenheit gehabt, zu beweisen, daß ihm auch in gleichem Grade die intellectuellen Eigenschaften zu einer so hohen Stellung zu Gebote stehen. Hr. Mercier ist die schwächste Seite der neuen Combination. In seiner bisherigen Stellung als Steuerdirector hat er sich zum Minister eben nicht vorüben können; in der Kammer gehörte er keineswegs zu den ausgezeichneten Gliedern, und seine Mitwirkung als höherer Beamter zum Sturze der bisherigen Minister hat sein Ansehen nicht gehoben. General Buzen scheint eine recht gute Wahl, er kommt aber, als Kriegsminister, bei der Beurtheilung der Stellung des Cabinets zu den Kammern weniger in Betracht. Aus dem Angedeuteten begreift es sich, daß die bisherige Opposition das neue Cabinet beifällig aufnimmt, und daß besonders die antikatholischen Blätter sich zufrieden zeigen. Dabei fühlen sie indessen gar wohl, daß eine ausgesprochene Tendenz gegen den Katholicismus den Ministern gleich das Regieren unmöglich machen würde, da sich die Kammern eine solche nicht würden gefallen lassen. Sie mildern daher sehr ihren Ton, und der „Observateur“, dem noch vor kurzem die Bischöfe und der gesammte belgische Clerus nur eine „bigotte und retrograde Coterie“ waren, ist mit Einemmale höflich und freundlich gegen sie geworden, und betheuert, daß sie alle Ursache haben, gänzlich beruhigt zu seyn. Der „Courrier de la Meuse“ hingegen, das treueste Organ der katholischen Gesinnungen, begnügt sich zur Beurtheilung des neuen Cabinets mit folgendem lakonischen Artikel: „Bietet das neue Ministerium der Gesinnung die wir vertreten hinlängliche Sicherheit dar? Da es seinen Ursprung Einflüssen verdankt, deren einige dieser Gesinnung entschieden feindselig sind, wie könnte es uns Sicherheit gewähren? Unsre politischen Freunde werden sich diese Frage stellen.“ – Doch glauben wir nicht, daß man von dieser Seite eine förmliche Opposition gegen die Minister organisiren werde. Das liegt nicht in ihrer Art, die vielmehr darauf gerichtet ist, Ruhe und Ordnung im Lande zu erhalten, und die Regierung nicht ohne Noth zu bekämpfen. Es dürfte eher der Fall seyn, daß das Ministerium bald wieder gerade hier seine Stütze suchen müßte, denn nur hier wird es für alle gouvernementalen Ideen und Grundsätze einen sichern Anklang finden. Die Stütze der Liberalen dagegen gleicht sehr derjenigen, welche in Frankreich die linke Seite dem Hrn. Thiers angeboten; und schon jetzt verhehlen es ihre Blätter nicht, daß sie das neue Ministerium nur als eine Einleitung zum Uebergang in eine entschiedenere liberale Combination ansehen. Ob bei solchen Erwartungen die Handlungen des neuen Cabinets seinen jetzigen Freunden lange zusagen werden, wird die Zukunft lehren.

Gestern ging die Kammer an die Discussion des Gesetzes wegen der Convention mit der rheinischen Eisenbahndirection zum Ankaufe von 4000 Actien. Die meisten Redner sprachen für das Gesetz, nur ein Paar, und zwar von dem ganz beschränkten Standpunkte pekuniärer Rücksichten aus, gegen dasselbe. (Wir haben schon gestern die Annahme des Gesetzes gemeldet.) Erinnert man sich daran, daß noch vor kaum einem Jahre Belgien als der Mittelpunkt revolutionärer Bestrebungen angesehen wurde, welche besonders der Rheinprovinz bedrohen sollten, daher auch von dieser Seite ein politischer Sanitätscordon gegen dasselbe aufgestellt wurde, so traut man kaum seinen Ohren, gegenwärtig mit Zustimmung der k. preußischen Regierung die rheinischen Interessen in der hiesigen Kammer debattirt zu hören, als waren es die eigenen, denn alle Kraft der Argumente der Vertheidiger des Gesetzes liegt in dem Beweise, daß die jenseitigen und diesseitigen Interessen in dieser Angelegenheit ganz ineinander fließen, und man über Geldopfer, wenn dergleichen wirklich gefordert würden, hinaussehen, und nur den großen Zweck einer von Holland unabhän igen raschen Verbindung mit dem Rheine im Auge halten müsse. Vor Eröffnung der Sitzung waren von Seite des Hrn. Hansemann, Bevollmächtigten der rheinischen Direction, zwei lithographirte Blätter an die Glieder der Kammer vertheilt worden, das eine ein allgemeines Profil der rheinischen Eisenbahn, nebst genauer Angabe der fertigen und noch zu fertigenden Arbeiten jeder Art, das andere einen Plan derselben Bahn, nebst Zeichnung der beiden großen Viaducte zwischen Aachen und der Gränze, darstellend. Letzterem war noch in kleinerem Maaßstabe ein Plan der Strecke zwischen Aachen und Tirlemont beigefügt. Obgleich die Strecke von der Gränze bis Aachen nur 15,123 Meter, die Strecke von Aachen nach Köln dagegen 70,615 Meter Länge hat, so sind doch die Ausführungskosten für erstere, wegen der Schwierigkeiten des Terrains, ungefähr zur Hälfte der Kosten für letztere, jene nämlich zu 5 Millionen Fr., und diese zu 11 1/2 Mill., der ganze Bau mithin zu 16 1/2 Mill. Fr. veranschlagt.

Niederlande.

Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der zweiten Kammer der Generalstaaten, bezüglich der Budgets, sind den hier anwesenden Kammermitgliedern mitgetheilt worden. Das Ausgabenbudget ist von 58,227,215 fl. auf 51,727,215 fl. ermäßigt worden. Die Regierung glaubt die Kammer nicht genug darauf aufmerksam machen zu können, daß das dießjährige Budget ein für sich allein bestehendes sey und nicht daraus auf die der nächsten Jahre geschlossen werden dürfe. Die Regierung werde auch fürs nächste Jahr wieder größere Einschränkungen beantragen, allein für dieses Jahr könne sie nicht mehr thun, als bereits geschehen. – Nach den neuesten Nachrichten aus Java ist der königl. niederländische Consul zu Canton daselbst angekommen, und wollte sich in Kürze nach Niederland einschiffen. – Die Arbeiten der Utrecht'schen Finanzcommission werden durch die Ministerveränderung in Belgien eine noch längere Unterbrechung erleiden. Das neue belgische Ministerium soll indessen den aufrichtigen Wunsch hegen, mit Holland bald ganz ins Reine zu kommen.

Italien.

(Commerce.) Die Allgemeine Zeitung meldete kürzlich, daß zwischen Dom Miguel und der Königin Dona Maria Unterhandlungen angeknüpft seyen. In dem Journal Voce della Verità kam eine Widerlegung von einem Agenten Dom Miguels in dessen Namen. Trotz dieser bestimmten Behauptungen, die weit weniger, als man denken sollte, beweisen, glauben wir mit Grund sagen zu können, daß die Allg. Zeitung Recht hatte. Der Marquis v. Careira ward von Dona Maria an ihren Oheim abgeschickt; man meldet sogar dessen Ankunft in Rom. Dom Miguel, der sehr große Güter in Portugal hat, will nicht länger von den milden Unterstützungen des Papstes leben, und ist auf dem Punkte der Annahme einer Uebereinkunft,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="0966"/>
auch den Schein werden sie nicht mehr retten können. Hr. <hi rendition="#g">Leclercq</hi> gehört entschiedener zur liberalen Farbe, und hat in dieser Hinsicht die Aufrichtigkeit für sich, womit er im Nationalcongresse und in den ersten Sessionen der Repräsentantenkammer gerade und frei aufgetreten. Er ist die beste Acquisition des neuen Cabinets, denn er vereinigt die moralischen und intellectuellen Eigenschaften in gleich hohem Grade, und es ist in Belgien nicht gleichgültig, ob man auch durch erstere in der höhern Gesellschaft den rechten, eines Ministers der Krone würdigen Standpunkt einnehme. Hr. <hi rendition="#g">Liedts</hi>, der in dieser Hinsicht ebenfalls jeder Forderung entspricht, hat bisher noch keine Gelegenheit gehabt, zu beweisen, daß ihm auch in gleichem Grade die intellectuellen Eigenschaften zu einer so hohen Stellung zu Gebote stehen. Hr. <hi rendition="#g">Mercier</hi> ist die schwächste Seite der neuen Combination. In seiner bisherigen Stellung als Steuerdirector hat er sich zum Minister eben nicht vorüben können; in der Kammer gehörte er keineswegs zu den ausgezeichneten Gliedern, und seine Mitwirkung als höherer Beamter zum Sturze der bisherigen Minister hat sein Ansehen nicht gehoben. General <hi rendition="#g">Buzen</hi> scheint eine recht gute Wahl, er kommt aber, als Kriegsminister, bei der Beurtheilung der Stellung des Cabinets zu den Kammern weniger in Betracht. Aus dem Angedeuteten begreift es sich, daß die bisherige Opposition das neue Cabinet beifällig aufnimmt, und daß besonders die antikatholischen Blätter sich zufrieden zeigen. Dabei fühlen sie indessen gar wohl, daß eine ausgesprochene Tendenz gegen den Katholicismus den Ministern gleich das Regieren unmöglich machen würde, da sich die Kammern eine solche nicht würden gefallen lassen. Sie mildern daher sehr ihren Ton, und der &#x201E;Observateur&#x201C;, dem noch vor kurzem die Bischöfe und der gesammte belgische Clerus nur eine &#x201E;bigotte und retrograde Coterie&#x201C; waren, ist mit Einemmale höflich und freundlich gegen sie geworden, und betheuert, daß sie alle Ursache haben, gänzlich beruhigt zu seyn. Der &#x201E;Courrier de la Meuse&#x201C; hingegen, das treueste Organ der katholischen Gesinnungen, begnügt sich zur Beurtheilung des neuen Cabinets mit folgendem lakonischen Artikel: &#x201E;Bietet das neue Ministerium der Gesinnung die wir vertreten hinlängliche Sicherheit dar? Da es seinen Ursprung Einflüssen verdankt, deren einige dieser Gesinnung entschieden feindselig sind, wie könnte es uns Sicherheit gewähren? Unsre politischen Freunde werden sich diese Frage stellen.&#x201C; &#x2013; Doch glauben wir nicht, daß man von dieser Seite eine förmliche Opposition gegen die Minister organisiren werde. Das liegt nicht in ihrer Art, die vielmehr darauf gerichtet ist, Ruhe und Ordnung im Lande zu erhalten, und die Regierung nicht ohne Noth zu bekämpfen. Es dürfte eher der Fall seyn, daß das Ministerium bald wieder gerade hier seine Stütze suchen müßte, denn nur hier wird es für alle gouvernementalen Ideen und Grundsätze einen sichern Anklang finden. Die Stütze der Liberalen dagegen gleicht sehr derjenigen, welche in Frankreich die linke Seite dem Hrn. Thiers angeboten; und schon jetzt verhehlen es ihre Blätter nicht, daß sie das neue Ministerium nur als eine Einleitung zum Uebergang in eine entschiedenere liberale Combination ansehen. Ob bei solchen Erwartungen die Handlungen des neuen Cabinets seinen jetzigen Freunden lange zusagen werden, wird die Zukunft lehren.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 23 April.</dateline>
          <p> Gestern ging die Kammer an die Discussion des Gesetzes wegen der Convention mit der rheinischen Eisenbahndirection zum Ankaufe von 4000 Actien. Die meisten Redner sprachen für das Gesetz, nur ein Paar, und zwar von dem ganz beschränkten Standpunkte pekuniärer Rücksichten aus, gegen dasselbe. (Wir haben schon gestern die Annahme des Gesetzes gemeldet.) Erinnert man sich daran, daß noch vor kaum einem Jahre Belgien als der Mittelpunkt revolutionärer Bestrebungen angesehen wurde, welche besonders der Rheinprovinz bedrohen sollten, daher auch von dieser Seite ein politischer Sanitätscordon gegen dasselbe aufgestellt wurde, so traut man kaum seinen Ohren, gegenwärtig mit Zustimmung der k. preußischen Regierung die rheinischen Interessen in der hiesigen Kammer debattirt zu hören, als waren es die eigenen, denn alle Kraft der Argumente der Vertheidiger des Gesetzes liegt in dem Beweise, daß die jenseitigen und diesseitigen Interessen in dieser Angelegenheit ganz ineinander fließen, und man über Geldopfer, wenn dergleichen wirklich gefordert würden, hinaussehen, und nur den großen Zweck einer von Holland unabhän igen raschen Verbindung mit dem Rheine im Auge halten müsse. Vor Eröffnung der Sitzung waren von Seite des Hrn. Hansemann, Bevollmächtigten der rheinischen Direction, zwei lithographirte Blätter an die Glieder der Kammer vertheilt worden, das eine ein allgemeines Profil der rheinischen Eisenbahn, nebst genauer Angabe der fertigen und noch zu fertigenden Arbeiten jeder Art, das andere einen Plan derselben Bahn, nebst Zeichnung der beiden großen Viaducte zwischen Aachen und der Gränze, darstellend. Letzterem war noch in kleinerem Maaßstabe ein Plan der Strecke zwischen Aachen und Tirlemont beigefügt. Obgleich die Strecke von der Gränze bis Aachen nur 15,123 Meter, die Strecke von Aachen nach Köln dagegen 70,615 Meter Länge hat, so sind doch die Ausführungskosten für erstere, wegen der Schwierigkeiten des Terrains, ungefähr zur Hälfte der Kosten für letztere, jene nämlich zu 5 Millionen Fr., und diese zu 11 1/2 Mill., der ganze Bau mithin zu 16 1/2 Mill. Fr. veranschlagt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/>
        <byline>
          <docAuthor>
            <gap reason="insignificant"/>
          </docAuthor>
        </byline>
        <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Haag,</hi> 23 April.</dateline>
        <p>Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der zweiten Kammer der Generalstaaten, bezüglich der Budgets, sind den hier anwesenden Kammermitgliedern mitgetheilt worden. Das Ausgabenbudget ist von 58,227,215 fl. auf 51,727,215 fl. ermäßigt worden. Die Regierung glaubt die Kammer nicht genug darauf aufmerksam machen zu können, daß das dießjährige Budget ein für sich allein bestehendes sey und nicht daraus auf die der nächsten Jahre geschlossen werden dürfe. Die Regierung werde auch fürs nächste Jahr wieder größere Einschränkungen beantragen, allein für dieses Jahr könne sie nicht mehr thun, als bereits geschehen. &#x2013; Nach den neuesten Nachrichten aus <hi rendition="#g">Java</hi> ist der königl. niederländische Consul zu Canton daselbst angekommen, und wollte sich in Kürze nach Niederland einschiffen. &#x2013; Die Arbeiten der Utrecht'schen Finanzcommission werden durch die Ministerveränderung in Belgien eine noch längere Unterbrechung erleiden. Das neue belgische Ministerium soll indessen den aufrichtigen Wunsch hegen, mit Holland bald ganz ins Reine zu kommen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
        <p>(<hi rendition="#g">Commerce</hi>.) Die Allgemeine Zeitung meldete kürzlich, daß zwischen Dom Miguel und der Königin Dona Maria Unterhandlungen angeknüpft seyen. In dem Journal Voce della Verità kam eine Widerlegung von einem Agenten Dom Miguels in dessen Namen. Trotz dieser bestimmten Behauptungen, die weit weniger, als man denken sollte, beweisen, glauben wir mit Grund sagen zu können, daß die Allg. Zeitung Recht hatte. Der Marquis v. Careira ward von Dona Maria an ihren Oheim abgeschickt; man meldet sogar dessen Ankunft in Rom. Dom Miguel, der sehr große Güter in Portugal hat, will nicht länger von den milden Unterstützungen des Papstes leben, und ist auf dem Punkte der Annahme einer Uebereinkunft,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0966/0006] auch den Schein werden sie nicht mehr retten können. Hr. Leclercq gehört entschiedener zur liberalen Farbe, und hat in dieser Hinsicht die Aufrichtigkeit für sich, womit er im Nationalcongresse und in den ersten Sessionen der Repräsentantenkammer gerade und frei aufgetreten. Er ist die beste Acquisition des neuen Cabinets, denn er vereinigt die moralischen und intellectuellen Eigenschaften in gleich hohem Grade, und es ist in Belgien nicht gleichgültig, ob man auch durch erstere in der höhern Gesellschaft den rechten, eines Ministers der Krone würdigen Standpunkt einnehme. Hr. Liedts, der in dieser Hinsicht ebenfalls jeder Forderung entspricht, hat bisher noch keine Gelegenheit gehabt, zu beweisen, daß ihm auch in gleichem Grade die intellectuellen Eigenschaften zu einer so hohen Stellung zu Gebote stehen. Hr. Mercier ist die schwächste Seite der neuen Combination. In seiner bisherigen Stellung als Steuerdirector hat er sich zum Minister eben nicht vorüben können; in der Kammer gehörte er keineswegs zu den ausgezeichneten Gliedern, und seine Mitwirkung als höherer Beamter zum Sturze der bisherigen Minister hat sein Ansehen nicht gehoben. General Buzen scheint eine recht gute Wahl, er kommt aber, als Kriegsminister, bei der Beurtheilung der Stellung des Cabinets zu den Kammern weniger in Betracht. Aus dem Angedeuteten begreift es sich, daß die bisherige Opposition das neue Cabinet beifällig aufnimmt, und daß besonders die antikatholischen Blätter sich zufrieden zeigen. Dabei fühlen sie indessen gar wohl, daß eine ausgesprochene Tendenz gegen den Katholicismus den Ministern gleich das Regieren unmöglich machen würde, da sich die Kammern eine solche nicht würden gefallen lassen. Sie mildern daher sehr ihren Ton, und der „Observateur“, dem noch vor kurzem die Bischöfe und der gesammte belgische Clerus nur eine „bigotte und retrograde Coterie“ waren, ist mit Einemmale höflich und freundlich gegen sie geworden, und betheuert, daß sie alle Ursache haben, gänzlich beruhigt zu seyn. Der „Courrier de la Meuse“ hingegen, das treueste Organ der katholischen Gesinnungen, begnügt sich zur Beurtheilung des neuen Cabinets mit folgendem lakonischen Artikel: „Bietet das neue Ministerium der Gesinnung die wir vertreten hinlängliche Sicherheit dar? Da es seinen Ursprung Einflüssen verdankt, deren einige dieser Gesinnung entschieden feindselig sind, wie könnte es uns Sicherheit gewähren? Unsre politischen Freunde werden sich diese Frage stellen.“ – Doch glauben wir nicht, daß man von dieser Seite eine förmliche Opposition gegen die Minister organisiren werde. Das liegt nicht in ihrer Art, die vielmehr darauf gerichtet ist, Ruhe und Ordnung im Lande zu erhalten, und die Regierung nicht ohne Noth zu bekämpfen. Es dürfte eher der Fall seyn, daß das Ministerium bald wieder gerade hier seine Stütze suchen müßte, denn nur hier wird es für alle gouvernementalen Ideen und Grundsätze einen sichern Anklang finden. Die Stütze der Liberalen dagegen gleicht sehr derjenigen, welche in Frankreich die linke Seite dem Hrn. Thiers angeboten; und schon jetzt verhehlen es ihre Blätter nicht, daß sie das neue Ministerium nur als eine Einleitung zum Uebergang in eine entschiedenere liberale Combination ansehen. Ob bei solchen Erwartungen die Handlungen des neuen Cabinets seinen jetzigen Freunden lange zusagen werden, wird die Zukunft lehren. _ Brüssel, 23 April. Gestern ging die Kammer an die Discussion des Gesetzes wegen der Convention mit der rheinischen Eisenbahndirection zum Ankaufe von 4000 Actien. Die meisten Redner sprachen für das Gesetz, nur ein Paar, und zwar von dem ganz beschränkten Standpunkte pekuniärer Rücksichten aus, gegen dasselbe. (Wir haben schon gestern die Annahme des Gesetzes gemeldet.) Erinnert man sich daran, daß noch vor kaum einem Jahre Belgien als der Mittelpunkt revolutionärer Bestrebungen angesehen wurde, welche besonders der Rheinprovinz bedrohen sollten, daher auch von dieser Seite ein politischer Sanitätscordon gegen dasselbe aufgestellt wurde, so traut man kaum seinen Ohren, gegenwärtig mit Zustimmung der k. preußischen Regierung die rheinischen Interessen in der hiesigen Kammer debattirt zu hören, als waren es die eigenen, denn alle Kraft der Argumente der Vertheidiger des Gesetzes liegt in dem Beweise, daß die jenseitigen und diesseitigen Interessen in dieser Angelegenheit ganz ineinander fließen, und man über Geldopfer, wenn dergleichen wirklich gefordert würden, hinaussehen, und nur den großen Zweck einer von Holland unabhän igen raschen Verbindung mit dem Rheine im Auge halten müsse. Vor Eröffnung der Sitzung waren von Seite des Hrn. Hansemann, Bevollmächtigten der rheinischen Direction, zwei lithographirte Blätter an die Glieder der Kammer vertheilt worden, das eine ein allgemeines Profil der rheinischen Eisenbahn, nebst genauer Angabe der fertigen und noch zu fertigenden Arbeiten jeder Art, das andere einen Plan derselben Bahn, nebst Zeichnung der beiden großen Viaducte zwischen Aachen und der Gränze, darstellend. Letzterem war noch in kleinerem Maaßstabe ein Plan der Strecke zwischen Aachen und Tirlemont beigefügt. Obgleich die Strecke von der Gränze bis Aachen nur 15,123 Meter, die Strecke von Aachen nach Köln dagegen 70,615 Meter Länge hat, so sind doch die Ausführungskosten für erstere, wegen der Schwierigkeiten des Terrains, ungefähr zur Hälfte der Kosten für letztere, jene nämlich zu 5 Millionen Fr., und diese zu 11 1/2 Mill., der ganze Bau mithin zu 16 1/2 Mill. Fr. veranschlagt. Niederlande. _ Aus dem Haag, 23 April. Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der zweiten Kammer der Generalstaaten, bezüglich der Budgets, sind den hier anwesenden Kammermitgliedern mitgetheilt worden. Das Ausgabenbudget ist von 58,227,215 fl. auf 51,727,215 fl. ermäßigt worden. Die Regierung glaubt die Kammer nicht genug darauf aufmerksam machen zu können, daß das dießjährige Budget ein für sich allein bestehendes sey und nicht daraus auf die der nächsten Jahre geschlossen werden dürfe. Die Regierung werde auch fürs nächste Jahr wieder größere Einschränkungen beantragen, allein für dieses Jahr könne sie nicht mehr thun, als bereits geschehen. – Nach den neuesten Nachrichten aus Java ist der königl. niederländische Consul zu Canton daselbst angekommen, und wollte sich in Kürze nach Niederland einschiffen. – Die Arbeiten der Utrecht'schen Finanzcommission werden durch die Ministerveränderung in Belgien eine noch längere Unterbrechung erleiden. Das neue belgische Ministerium soll indessen den aufrichtigen Wunsch hegen, mit Holland bald ganz ins Reine zu kommen. Italien. (Commerce.) Die Allgemeine Zeitung meldete kürzlich, daß zwischen Dom Miguel und der Königin Dona Maria Unterhandlungen angeknüpft seyen. In dem Journal Voce della Verità kam eine Widerlegung von einem Agenten Dom Miguels in dessen Namen. Trotz dieser bestimmten Behauptungen, die weit weniger, als man denken sollte, beweisen, glauben wir mit Grund sagen zu können, daß die Allg. Zeitung Recht hatte. Der Marquis v. Careira ward von Dona Maria an ihren Oheim abgeschickt; man meldet sogar dessen Ankunft in Rom. Dom Miguel, der sehr große Güter in Portugal hat, will nicht länger von den milden Unterstützungen des Papstes leben, und ist auf dem Punkte der Annahme einer Uebereinkunft,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_121_18400430
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_121_18400430/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840, S. 0966. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_121_18400430/6>, abgerufen am 23.11.2024.