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Allgemeine Zeitung. Nr. 119. Augsburg, 28. April 1840.

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mitten in dem tiefsten Frieden, scheinen demnach als Aeußerungen einer zum Selbstbewußtseyn und zur klaren Erkenntniß ihrer Interessen gesteigerten Existenz, als Strebungen zum Ausstoßen des Ungehörigen, zum Befreien vom Hindernden angesehen werden zu müssen. Wenn der Wink der Natur verstanden, unterstützt und benutzt werden wird, so kann ein gesellschaftlicher Zustand herbeigeführt werden, wie die Geschichte keinen kennt; wird er aber mißkannt, so werden die Geschicke auf eine großartigere Weise ihren Weg zu finden wissen, als irgend ein früheres Beispiel diese aufzuweisen vermag, denn in unsern Tagen ist Alles Macht - Wissenschaft und Muskelkraft, Geld und Credit, öffentliche Meinung und vollkommene Entschlagung aller Grundsätze und Rücksichten. Wenn kein Genius die Bewegung leitet, so kann auch die Scheidemünze den Werth de gewichtigsten Geldstückes darstellen. Wir glauben fest, daß der Geist Gottes stets über den Wassern schweben werde, glauben aber darum nicht, daß ein neues Chaos nöthig sey, um eine erneute Gestaltung der scheinbar der Vernichtung verfallenen Organismen herbeizuführen!

Don Ramon Cabrera.

Geschildert von General Baron v. Rahdey.

II.

... Cabrera folgte der Gomez'schen Expedition, obwohl immer nur in einer secundären Stellung, wohin ihn Neid und Intrigue der andern Generale zurückgedrängt hatten. Ermüdet hierüber, verließ er endlich, von einiger Cavallerie begleitet, den weitern Zug der Expedition, und nahm seine Richtung heimwärts nach Aragon, wo während seiner Abwesenheit sehr viel Unheil über die Carlisten hereingebrochen war. Cantavieja fiel in die Gewalt der Christinos; Forcadell wurde von Borso de Carminati geschlagen, und jeder der einzelnen Chefs ergriff aufs neue das Leben der Parteigänger, aus welchem sie Cabrera früher zur Ordnung gebracht hatte. Cabrera erfuhr dieses Alles auf dem Marsche zur Heimath, und, wie gesagt, nur von weniger Cavallerie begleitet, welche Ladiosa - eigentlich Don Rodriguez Cano - befehligte, erreichte er glücklich die Gränze von Aragon. Hier beim Eintritt in dieß Königreich ward er von gewaltiger Uebermacht angefallen, seine Truppen gänzlich zerstreut; er selbst empfing zwei Schußwunden und fand seine Rettung nur in eiligster Flucht. (Nach eigenem Ausspruch, das erste und letzte Mal in seinem Leben.) Allein, nur geschützt von Ladiosa, seinem treuen Freunde, flüchtet er in die Wälder von Soria in Altcastilien; hier lagerten und betteten sich die verwundeten Krieger nur auf Schnee, oft der größten Gefahr des Gefangenwerdens dadurch ausgesetzt, daß das Blut ihrer Wunden den Feinden die Fährte gibt. Die Noth wuchs mit jeder Stunde; sie blieben ohne alle ärztliche Pflege, und ihre Lage wurde immer schlimmer; selbst die treue Stute Ladiosa's, auf deren Rücken Cabrera herumzieht, und welche durch ihr Wiehern die Flüchtlinge öfters zu verrathen drohte, mußte getödtet werden. So schleicht sich endlich Cabrera zu Fuß, am Arm seines treuen Führers, bei finsterer Nacht nach der nächsten Stadt, und klopft an die Thüre des Priesters des Orts, ohne denselben zu kennen oder zu wissen, wie er gesinnt sey, jedoch fest überzeugt, bei ihm mehr Mitleid zu begegnen als bei andern, denn dieser Ort, Almazan am Duero, ein sehr bedeutender Marktflecken in Altcastilien, war befestigt und hatte eine starke feindliche Besatzung. Der Priester hielt an seiner christlichen Pflicht, nahm beide auf, verbarg sie in seinem eigenen Hause, pflegte ihrer Wunden und behandelte besonders den schwerblessirten Cabrera wie seinen eigenen Bruder

Obgleich die Feinde die Spur der Flüchtlinge verloren hatten, so suchten sie solche dennoch allerorten und selbst in dem eigenen Hause des Predigers, doch niemals ahnend, daß gerade hier Cabrera, in der Mitte seiner Feinde, sich von seinen Wunden heilen lasse.

Nach einiger Zeit brach Ladiosa auf und eilte nach Niederaragon, wählte dort 50 Lanciers und kehrte nach Altcastilien zurück, um seinen General zu befreien. In der Nähe von Almazan angekommen, verbirgt Ladiosa seine Reiter, und nur von dem jungen Arnau begleitet, tritt er des Nachts verkleidet vor Cabrera's Schmerzenslager, dessen Wunden noch nicht genesen waren. Kaum hat jedoch unser Held die Freunde erkannt und umarmt, so erkundigt er sich nach dem Stand der Dinge in Aragon, und als er vernimmt, wie schlimm es dort aussehe, erhebt er sich mit Anstrengung auf seine Kniee, gelobt dem Himmel 300 Messen, springt auf und ruft: "a caballo, marchar, a caballo!" (Cabrera's Lieblingsausruf zur Thätigkeit.) Er vermummt sich als Geistlicher, drückt seinem Wohlthäter *)*) die Hände und verläßt zur Stunde Almazan.

Den Reitern, welche ihren General mit Freudengeschrei empfangen wollen, ruft er mit aller Energie seines eisernen Willens zu: "Schweigt! Nicht Worte, nur Thaten sollen unsere fernern Schritte bezeichnen!"

Sogleich nimmt er den Weg gen Aragon und, ohne zu ruhen, gelangt er nach Rubielos de Mora. Beide Orte sind wenigstens 25 deutsche Meilen von einander entfernt. Hier findet er die Reste seiner sonst so brillanten Division, jetzt fast nackend, meist ohne Waffen und, was das Schlimmste ist, ohne Disciplin. Die Soldaten schreien gegen ihre Officiere, und diese klagen jene an. Cabrera macht sie augenblicklich schweigen, übt einige Acte nothwendiger Strenge, verbannt Arevalo, den die Soldaten laut beschuldigten, er habe feigerweise Cantavieja aufgegeben, Serrador wird arretirt und Cabannero, reicher Gutsbesitzer von Albalate del Arzobispo, unweit des mittlern Ebro, erhält an dessen Stelle den Befehl in Niederaragon. Cabrera selbst wendet sich pfeilschnell nach Valencia, wirft sich am 18 Febr. 1837 bei Bundol, 8 Leguas westlich von der Hauptstadt, auf eine 3000 Mann starke feindliche Colonne, vernichtet solche, macht 2000 Gefangene, nimmt 3000 Gewehre und einen großen Transport Montirungen, armirt und kleidet seine Bataillone, wiederholt dasselbe Spiel den 29 März 1837 bei Burjasot, eine halbe Stunde vor Valencia, nimmt hierauf Chiva, Sueca u. a. Orte, und dieß Alles mit so rastloser Thätigkeit und in so kurzer Zeit, daß man in Madrid die erste Nachricht von Cabrera's Existenz (da man ihn längst todt geglaubt) durch den officiellen Bericht des Schlages bei Bundol empfängt.

Borso de Carminati, ein portugiesischer General im Dienste der Revolution, befehligte damals in Valencia; er eilt von Castillon de la Plana der bedrohten Hauptstadt zu Hülfe, begegnet Cabrera in den Ebenen von Torre Blanca und wird zurückgeschlagen; doch ein feindliches Bataillon, die Jäger von Oporto - meist Fremde, Deutsche und Franzosen, früher in Diensten des Dom Pedro - werfen sich in die Häuser des

*) Don Manuel Maria Moron heißt der Ehrenmann. Er wurde von den Christinos gefangen genommen, in Ketten geschlossen und fürchterlich mißhandelt. Endlich sollte er erschossen werden. Cabrera bot Lösegeld und 200 Gefangene zu dessen Auswechslung, aber der Feind verweigerte es. Da bittet Cabrera das einzigemal in seinem Leben, den Feind, und so gelang es ihm, Moron gegen zwei höhere Chefs der Feinde auszuwechseln, welche Cabrera in der Schlacht mit eigenen Händen gefangen genommen hatte. Jetzt sind Moron und Cabrera unzertrennlich. Der noch junge und sehr gebildete Geistliche ist des Feldherrn Freund, Rathgeber und Seelsorger.

mitten in dem tiefsten Frieden, scheinen demnach als Aeußerungen einer zum Selbstbewußtseyn und zur klaren Erkenntniß ihrer Interessen gesteigerten Existenz, als Strebungen zum Ausstoßen des Ungehörigen, zum Befreien vom Hindernden angesehen werden zu müssen. Wenn der Wink der Natur verstanden, unterstützt und benutzt werden wird, so kann ein gesellschaftlicher Zustand herbeigeführt werden, wie die Geschichte keinen kennt; wird er aber mißkannt, so werden die Geschicke auf eine großartigere Weise ihren Weg zu finden wissen, als irgend ein früheres Beispiel diese aufzuweisen vermag, denn in unsern Tagen ist Alles Macht – Wissenschaft und Muskelkraft, Geld und Credit, öffentliche Meinung und vollkommene Entschlagung aller Grundsätze und Rücksichten. Wenn kein Genius die Bewegung leitet, so kann auch die Scheidemünze den Werth de gewichtigsten Geldstückes darstellen. Wir glauben fest, daß der Geist Gottes stets über den Wassern schweben werde, glauben aber darum nicht, daß ein neues Chaos nöthig sey, um eine erneute Gestaltung der scheinbar der Vernichtung verfallenen Organismen herbeizuführen!

Don Ramon Cabrera.

Geschildert von General Baron v. Rahdey.

II.

... Cabrera folgte der Gomez'schen Expedition, obwohl immer nur in einer secundären Stellung, wohin ihn Neid und Intrigue der andern Generale zurückgedrängt hatten. Ermüdet hierüber, verließ er endlich, von einiger Cavallerie begleitet, den weitern Zug der Expedition, und nahm seine Richtung heimwärts nach Aragon, wo während seiner Abwesenheit sehr viel Unheil über die Carlisten hereingebrochen war. Cantavieja fiel in die Gewalt der Christinos; Forcadell wurde von Borso de Carminati geschlagen, und jeder der einzelnen Chefs ergriff aufs neue das Leben der Parteigänger, aus welchem sie Cabrera früher zur Ordnung gebracht hatte. Cabrera erfuhr dieses Alles auf dem Marsche zur Heimath, und, wie gesagt, nur von weniger Cavallerie begleitet, welche Ladiosa – eigentlich Don Rodriguez Cano – befehligte, erreichte er glücklich die Gränze von Aragon. Hier beim Eintritt in dieß Königreich ward er von gewaltiger Uebermacht angefallen, seine Truppen gänzlich zerstreut; er selbst empfing zwei Schußwunden und fand seine Rettung nur in eiligster Flucht. (Nach eigenem Ausspruch, das erste und letzte Mal in seinem Leben.) Allein, nur geschützt von Ladiosa, seinem treuen Freunde, flüchtet er in die Wälder von Soria in Altcastilien; hier lagerten und betteten sich die verwundeten Krieger nur auf Schnee, oft der größten Gefahr des Gefangenwerdens dadurch ausgesetzt, daß das Blut ihrer Wunden den Feinden die Fährte gibt. Die Noth wuchs mit jeder Stunde; sie blieben ohne alle ärztliche Pflege, und ihre Lage wurde immer schlimmer; selbst die treue Stute Ladiosa's, auf deren Rücken Cabrera herumzieht, und welche durch ihr Wiehern die Flüchtlinge öfters zu verrathen drohte, mußte getödtet werden. So schleicht sich endlich Cabrera zu Fuß, am Arm seines treuen Führers, bei finsterer Nacht nach der nächsten Stadt, und klopft an die Thüre des Priesters des Orts, ohne denselben zu kennen oder zu wissen, wie er gesinnt sey, jedoch fest überzeugt, bei ihm mehr Mitleid zu begegnen als bei andern, denn dieser Ort, Almazan am Duero, ein sehr bedeutender Marktflecken in Altcastilien, war befestigt und hatte eine starke feindliche Besatzung. Der Priester hielt an seiner christlichen Pflicht, nahm beide auf, verbarg sie in seinem eigenen Hause, pflegte ihrer Wunden und behandelte besonders den schwerblessirten Cabrera wie seinen eigenen Bruder

Obgleich die Feinde die Spur der Flüchtlinge verloren hatten, so suchten sie solche dennoch allerorten und selbst in dem eigenen Hause des Predigers, doch niemals ahnend, daß gerade hier Cabrera, in der Mitte seiner Feinde, sich von seinen Wunden heilen lasse.

Nach einiger Zeit brach Ladiosa auf und eilte nach Niederaragon, wählte dort 50 Lanciers und kehrte nach Altcastilien zurück, um seinen General zu befreien. In der Nähe von Almazan angekommen, verbirgt Ladiosa seine Reiter, und nur von dem jungen Arnau begleitet, tritt er des Nachts verkleidet vor Cabrera's Schmerzenslager, dessen Wunden noch nicht genesen waren. Kaum hat jedoch unser Held die Freunde erkannt und umarmt, so erkundigt er sich nach dem Stand der Dinge in Aragon, und als er vernimmt, wie schlimm es dort aussehe, erhebt er sich mit Anstrengung auf seine Kniee, gelobt dem Himmel 300 Messen, springt auf und ruft: „à caballo, marchar, à caballo!“ (Cabrera's Lieblingsausruf zur Thätigkeit.) Er vermummt sich als Geistlicher, drückt seinem Wohlthäter *)*) die Hände und verläßt zur Stunde Almazan.

Den Reitern, welche ihren General mit Freudengeschrei empfangen wollen, ruft er mit aller Energie seines eisernen Willens zu: „Schweigt! Nicht Worte, nur Thaten sollen unsere fernern Schritte bezeichnen!“

Sogleich nimmt er den Weg gen Aragon und, ohne zu ruhen, gelangt er nach Rubielos de Mora. Beide Orte sind wenigstens 25 deutsche Meilen von einander entfernt. Hier findet er die Reste seiner sonst so brillanten Division, jetzt fast nackend, meist ohne Waffen und, was das Schlimmste ist, ohne Disciplin. Die Soldaten schreien gegen ihre Officiere, und diese klagen jene an. Cabrera macht sie augenblicklich schweigen, übt einige Acte nothwendiger Strenge, verbannt Arevalo, den die Soldaten laut beschuldigten, er habe feigerweise Cantavieja aufgegeben, Serrador wird arretirt und Cabañero, reicher Gutsbesitzer von Albalate del Arzobispo, unweit des mittlern Ebro, erhält an dessen Stelle den Befehl in Niederaragon. Cabrera selbst wendet sich pfeilschnell nach Valencia, wirft sich am 18 Febr. 1837 bei Buñol, 8 Leguas westlich von der Hauptstadt, auf eine 3000 Mann starke feindliche Colonne, vernichtet solche, macht 2000 Gefangene, nimmt 3000 Gewehre und einen großen Transport Montirungen, armirt und kleidet seine Bataillone, wiederholt dasselbe Spiel den 29 März 1837 bei Burjasot, eine halbe Stunde vor Valencia, nimmt hierauf Chiva, Sueca u. a. Orte, und dieß Alles mit so rastloser Thätigkeit und in so kurzer Zeit, daß man in Madrid die erste Nachricht von Cabrera's Existenz (da man ihn längst todt geglaubt) durch den officiellen Bericht des Schlages bei Buñol empfängt.

Borso de Carminati, ein portugiesischer General im Dienste der Revolution, befehligte damals in Valencia; er eilt von Castillon de la Plana der bedrohten Hauptstadt zu Hülfe, begegnet Cabrera in den Ebenen von Torre Blanca und wird zurückgeschlagen; doch ein feindliches Bataillon, die Jäger von Oporto – meist Fremde, Deutsche und Franzosen, früher in Diensten des Dom Pedro – werfen sich in die Häuser des

*) Don Manuel Maria Moron heißt der Ehrenmann. Er wurde von den Christinos gefangen genommen, in Ketten geschlossen und fürchterlich mißhandelt. Endlich sollte er erschossen werden. Cabrera bot Lösegeld und 200 Gefangene zu dessen Auswechslung, aber der Feind verweigerte es. Da bittet Cabrera das einzigemal in seinem Leben, den Feind, und so gelang es ihm, Moron gegen zwei höhere Chefs der Feinde auszuwechseln, welche Cabrera in der Schlacht mit eigenen Händen gefangen genommen hatte. Jetzt sind Moron und Cabrera unzertrennlich. Der noch junge und sehr gebildete Geistliche ist des Feldherrn Freund, Rathgeber und Seelsorger.
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mitten in dem tiefsten Frieden, scheinen demnach als Aeußerungen einer zum Selbstbewußtseyn und zur klaren Erkenntniß ihrer Interessen gesteigerten Existenz, als Strebungen zum Ausstoßen des Ungehörigen, zum Befreien vom Hindernden angesehen werden zu müssen. Wenn der Wink der Natur verstanden, unterstützt und benutzt werden wird, so kann ein gesellschaftlicher Zustand herbeigeführt werden, wie die Geschichte keinen kennt; wird er aber mißkannt, so werden die Geschicke auf eine großartigere Weise ihren Weg zu finden wissen, als irgend ein früheres Beispiel diese aufzuweisen vermag, denn in unsern Tagen ist <hi rendition="#g">Alles Macht</hi> &#x2013; Wissenschaft und Muskelkraft, Geld und Credit, öffentliche Meinung und vollkommene Entschlagung aller Grundsätze und Rücksichten. Wenn kein Genius die Bewegung leitet, so kann auch die Scheidemünze den Werth de gewichtigsten Geldstückes darstellen. Wir glauben fest, daß der Geist Gottes stets über den Wassern schweben werde, glauben aber darum nicht, daß ein neues Chaos nöthig sey, um eine erneute Gestaltung der scheinbar der Vernichtung verfallenen Organismen herbeizuführen!</p><lb/>
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Wir glauben fest, daß der Geist Gottes stets über den Wassern schweben werde, glauben aber darum nicht, daß ein neues Chaos nöthig sey, um eine erneute Gestaltung der scheinbar der Vernichtung verfallenen Organismen herbeizuführen! Don Ramon Cabrera. Geschildert von General Baron v. Rahdey. II. ... Cabrera folgte der Gomez'schen Expedition, obwohl immer nur in einer secundären Stellung, wohin ihn Neid und Intrigue der andern Generale zurückgedrängt hatten. Ermüdet hierüber, verließ er endlich, von einiger Cavallerie begleitet, den weitern Zug der Expedition, und nahm seine Richtung heimwärts nach Aragon, wo während seiner Abwesenheit sehr viel Unheil über die Carlisten hereingebrochen war. Cantavieja fiel in die Gewalt der Christinos; Forcadell wurde von Borso de Carminati geschlagen, und jeder der einzelnen Chefs ergriff aufs neue das Leben der Parteigänger, aus welchem sie Cabrera früher zur Ordnung gebracht hatte. Cabrera erfuhr dieses Alles auf dem Marsche zur Heimath, und, wie gesagt, nur von weniger Cavallerie begleitet, welche Ladiosa – eigentlich Don Rodriguez Cano – befehligte, erreichte er glücklich die Gränze von Aragon. Hier beim Eintritt in dieß Königreich ward er von gewaltiger Uebermacht angefallen, seine Truppen gänzlich zerstreut; er selbst empfing zwei Schußwunden und fand seine Rettung nur in eiligster Flucht. (Nach eigenem Ausspruch, das erste und letzte Mal in seinem Leben.) Allein, nur geschützt von Ladiosa, seinem treuen Freunde, flüchtet er in die Wälder von Soria in Altcastilien; hier lagerten und betteten sich die verwundeten Krieger nur auf Schnee, oft der größten Gefahr des Gefangenwerdens dadurch ausgesetzt, daß das Blut ihrer Wunden den Feinden die Fährte gibt. Die Noth wuchs mit jeder Stunde; sie blieben ohne alle ärztliche Pflege, und ihre Lage wurde immer schlimmer; selbst die treue Stute Ladiosa's, auf deren Rücken Cabrera herumzieht, und welche durch ihr Wiehern die Flüchtlinge öfters zu verrathen drohte, mußte getödtet werden. So schleicht sich endlich Cabrera zu Fuß, am Arm seines treuen Führers, bei finsterer Nacht nach der nächsten Stadt, und klopft an die Thüre des Priesters des Orts, ohne denselben zu kennen oder zu wissen, wie er gesinnt sey, jedoch fest überzeugt, bei ihm mehr Mitleid zu begegnen als bei andern, denn dieser Ort, Almazan am Duero, ein sehr bedeutender Marktflecken in Altcastilien, war befestigt und hatte eine starke feindliche Besatzung. Der Priester hielt an seiner christlichen Pflicht, nahm beide auf, verbarg sie in seinem eigenen Hause, pflegte ihrer Wunden und behandelte besonders den schwerblessirten Cabrera wie seinen eigenen Bruder Obgleich die Feinde die Spur der Flüchtlinge verloren hatten, so suchten sie solche dennoch allerorten und selbst in dem eigenen Hause des Predigers, doch niemals ahnend, daß gerade hier Cabrera, in der Mitte seiner Feinde, sich von seinen Wunden heilen lasse. Nach einiger Zeit brach Ladiosa auf und eilte nach Niederaragon, wählte dort 50 Lanciers und kehrte nach Altcastilien zurück, um seinen General zu befreien. In der Nähe von Almazan angekommen, verbirgt Ladiosa seine Reiter, und nur von dem jungen Arnau begleitet, tritt er des Nachts verkleidet vor Cabrera's Schmerzenslager, dessen Wunden noch nicht genesen waren. Kaum hat jedoch unser Held die Freunde erkannt und umarmt, so erkundigt er sich nach dem Stand der Dinge in Aragon, und als er vernimmt, wie schlimm es dort aussehe, erhebt er sich mit Anstrengung auf seine Kniee, gelobt dem Himmel 300 Messen, springt auf und ruft: „à caballo, marchar, à caballo!“ (Cabrera's Lieblingsausruf zur Thätigkeit.) Er vermummt sich als Geistlicher, drückt seinem Wohlthäter *) *) die Hände und verläßt zur Stunde Almazan. Den Reitern, welche ihren General mit Freudengeschrei empfangen wollen, ruft er mit aller Energie seines eisernen Willens zu: „Schweigt! Nicht Worte, nur Thaten sollen unsere fernern Schritte bezeichnen!“ Sogleich nimmt er den Weg gen Aragon und, ohne zu ruhen, gelangt er nach Rubielos de Mora. Beide Orte sind wenigstens 25 deutsche Meilen von einander entfernt. Hier findet er die Reste seiner sonst so brillanten Division, jetzt fast nackend, meist ohne Waffen und, was das Schlimmste ist, ohne Disciplin. Die Soldaten schreien gegen ihre Officiere, und diese klagen jene an. Cabrera macht sie augenblicklich schweigen, übt einige Acte nothwendiger Strenge, verbannt Arevalo, den die Soldaten laut beschuldigten, er habe feigerweise Cantavieja aufgegeben, Serrador wird arretirt und Cabañero, reicher Gutsbesitzer von Albalate del Arzobispo, unweit des mittlern Ebro, erhält an dessen Stelle den Befehl in Niederaragon. Cabrera selbst wendet sich pfeilschnell nach Valencia, wirft sich am 18 Febr. 1837 bei Buñol, 8 Leguas westlich von der Hauptstadt, auf eine 3000 Mann starke feindliche Colonne, vernichtet solche, macht 2000 Gefangene, nimmt 3000 Gewehre und einen großen Transport Montirungen, armirt und kleidet seine Bataillone, wiederholt dasselbe Spiel den 29 März 1837 bei Burjasot, eine halbe Stunde vor Valencia, nimmt hierauf Chiva, Sueca u. a. Orte, und dieß Alles mit so rastloser Thätigkeit und in so kurzer Zeit, daß man in Madrid die erste Nachricht von Cabrera's Existenz (da man ihn längst todt geglaubt) durch den officiellen Bericht des Schlages bei Buñol empfängt. Borso de Carminati, ein portugiesischer General im Dienste der Revolution, befehligte damals in Valencia; er eilt von Castillon de la Plana der bedrohten Hauptstadt zu Hülfe, begegnet Cabrera in den Ebenen von Torre Blanca und wird zurückgeschlagen; doch ein feindliches Bataillon, die Jäger von Oporto – meist Fremde, Deutsche und Franzosen, früher in Diensten des Dom Pedro – werfen sich in die Häuser des *) Don Manuel Maria Moron heißt der Ehrenmann. Er wurde von den Christinos gefangen genommen, in Ketten geschlossen und fürchterlich mißhandelt. Endlich sollte er erschossen werden. Cabrera bot Lösegeld und 200 Gefangene zu dessen Auswechslung, aber der Feind verweigerte es. Da bittet Cabrera das einzigemal in seinem Leben, den Feind, und so gelang es ihm, Moron gegen zwei höhere Chefs der Feinde auszuwechseln, welche Cabrera in der Schlacht mit eigenen Händen gefangen genommen hatte. Jetzt sind Moron und Cabrera unzertrennlich. Der noch junge und sehr gebildete Geistliche ist des Feldherrn Freund, Rathgeber und Seelsorger.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 119. Augsburg, 28. April 1840, S. 0946. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_119_18400428/10>, abgerufen am 27.11.2024.