Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 114. Augsburg, 23. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Expedition gegen Chiwa.

Die Breslauer Zeitung bringt folgendes neue Schreiben eines bei dem Expeditionsheere nach Chiwa befindlichen Officiers. Dasselbe ist aus Ak-Bulak vom 7 (19) Februar datirt und lautet: "Seitdem ich dir schrieb, hat sich Manches geändert. Aus meinem frühern Briefe war zu ersehen, daß wir an der Emba einen befestigten Punkt hatten, wo wir unsere Verpflegungsmittel in der Art ersetzen konnten, um in das feindliche, in mancher Hinsicht räthselhafte Land mit einer, von allen Kriegszufällen unabhängigen, wenigstens zweimonatlichen Verproviantirung gelangen zu können. Im ersten Bericht erwähnte ich schon der Strenge des dießjährigen Winters. An der Emba wurde die Sache ernstlicher. Der ungewöhnlich kalte Winter und der tiefe Schnee, welcher mit einer fußdicken, undurchdringlichen Kruste bedeckt war, machte die Weide der Kamele unmöglich. Die armen Thiere sanken zu Hunderten, und bei unserm Abmarsch haben wir mit Schrecken die fürchterliche Schwäche dieser unserer einzigen Operationsbasis zu der bevorstehenden Unternehmung entdeckt. Einen ganzen Monat brauchten wir, um die 20 Meilen bis Ak-Bulak, wo unser letzter befestigter Punkt und unsere Lebensmittelniederlage war, zurückzulegen. Durch tiefen festgefrorenen Schnee, bei furchtbarem Gestöber mußte jede Colonne sich eine neue Bahn brechen, welche in einem Augenblick wieder verweht war. Nur die treffliche Verpflegung und die für diese Campagne ausgedachten, die geringsten Zufälle berechnenden Vorkehrungen haben unsere Truppen vor dem Untergang bewahrt. Von dem, was hier der Soldat zu leiden hat, kann man sich in Europa keinen Begriff machen, man kann nur die moralische und physische Kraft dieser Menschen bewundern. Die traurigen Ahnungen, welche schon an der Emba in manchen Köpfen keimten, gingen in Ak-Bulak leider nur zu sehr in Erfüllung. Ein Schnee, wie man ihn hier, nach der Aussage der ältesten Kirgisen, nie gesehen hat, bedeckte ellenhoch die vor uns liegende wasser- und nahrungslose Salzwüste. Eine Recognoscirung, welche nach dem Plateau von Ust-Jurt ausgeschickt war, kehrte mit Mühe zurück und überzeugte uns noch mehr von der Unmöglichkeit, weiter vorzudringen. Die Zahl der Kamele verringerte sich immer mehr und mehr, und die nothwendige Quantität von Lebensmitteln konnte nicht mehr fortgeschafft werden. Neunzig Meilen hatten wir noch durch die schreckliche Wildniß zu ziehen, um ein Land zu erreichen, welches im Frühjahr Ueberschwemmungen und Sümpfe unzugänglich machen. Unsere Lage war kritisch, und jede Zögerung, selbst im Fall der Rückkehr, konnte uns höchst verderblich werden. Nach reiflicher Ueberlegung entschloß sich endlich General Perowsky zum Wiedergewinn der Befestigungen an der Emba, wo noch ein hinreichender Vorrath von Lebensmitteln sich befinden mußte. Jetzt erst sehen wir klar die Größe der Gefahr, der wir entronnen sind. Noch einige Tagemärsche, und das Vorgehen wie die Rückkehr waren uns unmöglich, ja ein qualvoller Tod in der Wüste unser gemeinschaftliches Schicksal. Ein Zusammentreffen ungünstiger, hier unerhörter Umstände hat die Hindernisse und die Verzögerungen in einem Unternehmen erzeugt, welches sowohl durch den Muth, mit dem es begonnen, als durch die umsichtige und energische Art, mit der es in unglaublich kurzer Zeit ausgerüstet wurde, wohl ein schnelleres Gelingen verdient haben dürfte. Die Truppen sind von dem besten Geiste beseelt, die Pferde in vortrefflichem Zustand und ebenso das ganze Kriegsmaterial. Der einzige Stein des Anstoßes ist der Mangel der Weide für die Kamele. Die Soldaten haben durch diesen Winterfeldzug ihre Kraft bewährt, und es wird kaum glaublich erscheinen, daß in einem Winter, wo durch drei Monate die Kalte nach der mittlern Temperatur 18° R. betrug und sehr oft eine Höhe von 30-34° erreichte, welche manchmal von fürchterlichen Stürmen und Schneegestöber begleitet war, trotz den leichten Filzhüten und dem Mangel an Feuerungsmaterial nicht ein einziger Soldat erfroren ist. Jetzt sind es schon drei Wochen, daß das Thermometer nicht über 20° unter 0 steht, und vor ein paar Tagen hatten wir sogar 30, 28° Kälte; und dieß Alles findet statt unter dem 48sten Grade der Breite und am 19 Februar! Wir hoffen, daß der Zwischenact des spielenden Stücks nicht lange dauern wird, und wir, trotz allen vermuthlichen Mißdeutungen auswärtiger Blätter, das edle Ziel, unsere in Sklaverei schmachtenden Mitbrüder zu befreien und den Räubereien einer unmenschlichen, selbst in Asien berüchtigten Horde ein Ende zu machen, erreichen werden."

Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.

Die zahlreichen Inseln, Felsen und Klippen, südöstlich der chinesischen Küsten bis hin gen Japan, zerfallen in fünf Gruppen: Pong hu oder Pescadores; Tai wan oder Formosa; Lieou kieou, bei den Engländern Lu tschu; Tschu san und die von den Japanern so genannten Mouin sima oder unbewohnten Inseln. Lange schon, bevor Europäer in diesen Gegenden sich niederließen, war nach dem Westen der Erde eine dunkle Kunde gedrungen von der großen Menge der Inseln und Klippen, die zerstreut lägen in in den Meeren südöstlich von China und Japan. Abulfeda berichtet, es seyen die unbewohnten Inseln dieser Gegenden unzählbar; die bewohnten beliefen sich auf siebzehnhundert. Marco Polo theilt uns eine Fischersage mit, nach welcher ihre Anzahl bis auf siebentausendvierhundertundvierzig steigen sollte, *) die größtentheils bewohnt wären. Man finde hier, wird hinzugefügt, viele herrliche Specereien, und jeder Baum verbreite einen lieblichen Duft. Dieser überschwänglichen Fruchtbarkeit und ihres entzückenden Klima's wegen hatten auch die verschiedenen seefahrenden Nationen, Portugiesen, Spanier, Holländer und Engländer, seit der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, ihr Augenmerk nicht minder auf diese Inselgruppen gerichtet, wie auf das benachbarte Uferland des Mittelreichs, und hier bald Factoreien bald Forts angelegt, welche als Stationen dienten für den gleich anfangs so wichtigen und ausgedehnten Handel mit dem östlichen Asien. Die europäischen Kaufherren mußten aber, von den Chinesen dazu gezwungen, in dem Laufe der zwei letzten Jahrhunderte alle diese Niederlassungen aufgeben, und es ward ihnen bloß in der südwestlichsten Kreishauptstadt Kuang tong, unter sehr beschränkenden Bedingungen, ein freier Zutritt gestattet. Es hat nun Europa in den letzten Jahrzehnten in allen Beziehungen und Richtungen, nach innen wie nach außen, unermeßliche Fortschritte gemacht; die ganze Weltstellung ward hiedurch vielfach verändert. Die Länder und zahlreichen Inseln Australiens wie der Südsee wurden und werden von europäisch civilisirten Völkern in Besitz genommen und angebaut;

*) II Milione II 570, ed. Baldelli.
Die Expedition gegen Chiwa.

Die Breslauer Zeitung bringt folgendes neue Schreiben eines bei dem Expeditionsheere nach Chiwa befindlichen Officiers. Dasselbe ist aus Ak-Bulak vom 7 (19) Februar datirt und lautet: „Seitdem ich dir schrieb, hat sich Manches geändert. Aus meinem frühern Briefe war zu ersehen, daß wir an der Emba einen befestigten Punkt hatten, wo wir unsere Verpflegungsmittel in der Art ersetzen konnten, um in das feindliche, in mancher Hinsicht räthselhafte Land mit einer, von allen Kriegszufällen unabhängigen, wenigstens zweimonatlichen Verproviantirung gelangen zu können. Im ersten Bericht erwähnte ich schon der Strenge des dießjährigen Winters. An der Emba wurde die Sache ernstlicher. Der ungewöhnlich kalte Winter und der tiefe Schnee, welcher mit einer fußdicken, undurchdringlichen Kruste bedeckt war, machte die Weide der Kamele unmöglich. Die armen Thiere sanken zu Hunderten, und bei unserm Abmarsch haben wir mit Schrecken die fürchterliche Schwäche dieser unserer einzigen Operationsbasis zu der bevorstehenden Unternehmung entdeckt. Einen ganzen Monat brauchten wir, um die 20 Meilen bis Ak-Bulak, wo unser letzter befestigter Punkt und unsere Lebensmittelniederlage war, zurückzulegen. Durch tiefen festgefrorenen Schnee, bei furchtbarem Gestöber mußte jede Colonne sich eine neue Bahn brechen, welche in einem Augenblick wieder verweht war. Nur die treffliche Verpflegung und die für diese Campagne ausgedachten, die geringsten Zufälle berechnenden Vorkehrungen haben unsere Truppen vor dem Untergang bewahrt. Von dem, was hier der Soldat zu leiden hat, kann man sich in Europa keinen Begriff machen, man kann nur die moralische und physische Kraft dieser Menschen bewundern. Die traurigen Ahnungen, welche schon an der Emba in manchen Köpfen keimten, gingen in Ak-Bulak leider nur zu sehr in Erfüllung. Ein Schnee, wie man ihn hier, nach der Aussage der ältesten Kirgisen, nie gesehen hat, bedeckte ellenhoch die vor uns liegende wasser- und nahrungslose Salzwüste. Eine Recognoscirung, welche nach dem Plateau von Ust-Jurt ausgeschickt war, kehrte mit Mühe zurück und überzeugte uns noch mehr von der Unmöglichkeit, weiter vorzudringen. Die Zahl der Kamele verringerte sich immer mehr und mehr, und die nothwendige Quantität von Lebensmitteln konnte nicht mehr fortgeschafft werden. Neunzig Meilen hatten wir noch durch die schreckliche Wildniß zu ziehen, um ein Land zu erreichen, welches im Frühjahr Ueberschwemmungen und Sümpfe unzugänglich machen. Unsere Lage war kritisch, und jede Zögerung, selbst im Fall der Rückkehr, konnte uns höchst verderblich werden. Nach reiflicher Ueberlegung entschloß sich endlich General Perowsky zum Wiedergewinn der Befestigungen an der Emba, wo noch ein hinreichender Vorrath von Lebensmitteln sich befinden mußte. Jetzt erst sehen wir klar die Größe der Gefahr, der wir entronnen sind. Noch einige Tagemärsche, und das Vorgehen wie die Rückkehr waren uns unmöglich, ja ein qualvoller Tod in der Wüste unser gemeinschaftliches Schicksal. Ein Zusammentreffen ungünstiger, hier unerhörter Umstände hat die Hindernisse und die Verzögerungen in einem Unternehmen erzeugt, welches sowohl durch den Muth, mit dem es begonnen, als durch die umsichtige und energische Art, mit der es in unglaublich kurzer Zeit ausgerüstet wurde, wohl ein schnelleres Gelingen verdient haben dürfte. Die Truppen sind von dem besten Geiste beseelt, die Pferde in vortrefflichem Zustand und ebenso das ganze Kriegsmaterial. Der einzige Stein des Anstoßes ist der Mangel der Weide für die Kamele. Die Soldaten haben durch diesen Winterfeldzug ihre Kraft bewährt, und es wird kaum glaublich erscheinen, daß in einem Winter, wo durch drei Monate die Kalte nach der mittlern Temperatur 18° R. betrug und sehr oft eine Höhe von 30-34° erreichte, welche manchmal von fürchterlichen Stürmen und Schneegestöber begleitet war, trotz den leichten Filzhüten und dem Mangel an Feuerungsmaterial nicht ein einziger Soldat erfroren ist. Jetzt sind es schon drei Wochen, daß das Thermometer nicht über 20° unter 0 steht, und vor ein paar Tagen hatten wir sogar 30, 28° Kälte; und dieß Alles findet statt unter dem 48sten Grade der Breite und am 19 Februar! Wir hoffen, daß der Zwischenact des spielenden Stücks nicht lange dauern wird, und wir, trotz allen vermuthlichen Mißdeutungen auswärtiger Blätter, das edle Ziel, unsere in Sklaverei schmachtenden Mitbrüder zu befreien und den Räubereien einer unmenschlichen, selbst in Asien berüchtigten Horde ein Ende zu machen, erreichen werden.“

Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.

Die zahlreichen Inseln, Felsen und Klippen, südöstlich der chinesischen Küsten bis hin gen Japan, zerfallen in fünf Gruppen: Pong hu oder Pescadores; Tai wan oder Formosa; Lieou kieou, bei den Engländern Lu tschu; Tschu san und die von den Japanern so genannten Mouin sima oder unbewohnten Inseln. Lange schon, bevor Europäer in diesen Gegenden sich niederließen, war nach dem Westen der Erde eine dunkle Kunde gedrungen von der großen Menge der Inseln und Klippen, die zerstreut lägen in in den Meeren südöstlich von China und Japan. Abulfeda berichtet, es seyen die unbewohnten Inseln dieser Gegenden unzählbar; die bewohnten beliefen sich auf siebzehnhundert. Marco Polo theilt uns eine Fischersage mit, nach welcher ihre Anzahl bis auf siebentausendvierhundertundvierzig steigen sollte, *) die größtentheils bewohnt wären. Man finde hier, wird hinzugefügt, viele herrliche Specereien, und jeder Baum verbreite einen lieblichen Duft. Dieser überschwänglichen Fruchtbarkeit und ihres entzückenden Klima's wegen hatten auch die verschiedenen seefahrenden Nationen, Portugiesen, Spanier, Holländer und Engländer, seit der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, ihr Augenmerk nicht minder auf diese Inselgruppen gerichtet, wie auf das benachbarte Uferland des Mittelreichs, und hier bald Factoreien bald Forts angelegt, welche als Stationen dienten für den gleich anfangs so wichtigen und ausgedehnten Handel mit dem östlichen Asien. Die europäischen Kaufherren mußten aber, von den Chinesen dazu gezwungen, in dem Laufe der zwei letzten Jahrhunderte alle diese Niederlassungen aufgeben, und es ward ihnen bloß in der südwestlichsten Kreishauptstadt Kuang tong, unter sehr beschränkenden Bedingungen, ein freier Zutritt gestattet. Es hat nun Europa in den letzten Jahrzehnten in allen Beziehungen und Richtungen, nach innen wie nach außen, unermeßliche Fortschritte gemacht; die ganze Weltstellung ward hiedurch vielfach verändert. Die Länder und zahlreichen Inseln Australiens wie der Südsee wurden und werden von europäisch civilisirten Völkern in Besitz genommen und angebaut;

*) II Milione II 570, ed. Baldelli.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0009" n="0905"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Expedition gegen Chiwa</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Breslauer Zeitung</hi> bringt folgendes neue Schreiben eines bei dem Expeditionsheere nach Chiwa befindlichen Officiers. Dasselbe ist aus <hi rendition="#b">Ak-Bulak</hi> vom 7 (19) Februar datirt und lautet: &#x201E;Seitdem ich dir schrieb, hat sich Manches geändert. Aus meinem frühern Briefe war zu ersehen, daß wir an der Emba einen befestigten Punkt hatten, wo wir unsere Verpflegungsmittel in der Art ersetzen konnten, um in das feindliche, in mancher Hinsicht räthselhafte Land mit einer, von allen Kriegszufällen unabhängigen, wenigstens zweimonatlichen Verproviantirung gelangen zu können. Im ersten Bericht erwähnte ich schon der Strenge des dießjährigen Winters. An der Emba wurde die Sache ernstlicher. Der ungewöhnlich kalte Winter und der tiefe Schnee, welcher mit einer fußdicken, undurchdringlichen Kruste bedeckt war, machte die Weide der Kamele unmöglich. Die armen Thiere sanken zu Hunderten, und bei unserm Abmarsch haben wir mit Schrecken die fürchterliche Schwäche dieser unserer einzigen Operationsbasis zu der bevorstehenden Unternehmung entdeckt. Einen ganzen Monat brauchten wir, um die 20 Meilen bis Ak-Bulak, wo unser letzter befestigter Punkt und unsere Lebensmittelniederlage war, zurückzulegen. Durch tiefen festgefrorenen Schnee, bei furchtbarem Gestöber mußte jede Colonne sich eine neue Bahn brechen, welche in einem Augenblick wieder verweht war. Nur die treffliche Verpflegung und die für diese Campagne ausgedachten, die geringsten Zufälle berechnenden Vorkehrungen haben unsere Truppen vor dem Untergang bewahrt. Von dem, was hier der Soldat zu leiden hat, kann man sich in Europa keinen Begriff machen, man kann nur die moralische und physische Kraft dieser Menschen bewundern. Die traurigen Ahnungen, welche schon an der Emba in manchen Köpfen keimten, gingen in Ak-Bulak leider nur zu sehr in Erfüllung. Ein Schnee, wie man ihn hier, nach der Aussage der ältesten Kirgisen, nie gesehen hat, bedeckte ellenhoch die vor uns liegende wasser- und nahrungslose Salzwüste. Eine Recognoscirung, welche nach dem Plateau von Ust-Jurt ausgeschickt war, kehrte mit Mühe zurück und überzeugte uns noch mehr von der Unmöglichkeit, weiter vorzudringen. Die Zahl der Kamele verringerte sich immer mehr und mehr, und die nothwendige Quantität von Lebensmitteln konnte nicht mehr fortgeschafft werden. Neunzig Meilen hatten wir noch durch die schreckliche Wildniß zu ziehen, um ein Land zu erreichen, welches im Frühjahr Ueberschwemmungen und Sümpfe unzugänglich machen. Unsere Lage war kritisch, und jede Zögerung, selbst im Fall der Rückkehr, konnte uns höchst verderblich werden. Nach reiflicher Ueberlegung entschloß sich endlich General Perowsky zum Wiedergewinn der Befestigungen an der Emba, wo noch ein hinreichender Vorrath von Lebensmitteln sich befinden mußte. Jetzt erst sehen wir klar die Größe der Gefahr, der wir entronnen sind. Noch einige Tagemärsche, und das Vorgehen wie die Rückkehr waren uns unmöglich, ja ein qualvoller Tod in der Wüste unser gemeinschaftliches Schicksal. Ein Zusammentreffen ungünstiger, hier unerhörter Umstände hat die Hindernisse und die Verzögerungen in einem Unternehmen erzeugt, welches sowohl durch den Muth, mit dem es begonnen, als durch die umsichtige und energische Art, mit der es in unglaublich kurzer Zeit ausgerüstet wurde, wohl ein schnelleres Gelingen verdient haben dürfte. Die Truppen sind von dem besten Geiste beseelt, die Pferde in vortrefflichem Zustand und ebenso das ganze Kriegsmaterial. Der einzige Stein des Anstoßes ist der Mangel der Weide für die Kamele. Die Soldaten haben durch diesen Winterfeldzug ihre Kraft bewährt, und es wird kaum glaublich erscheinen, daß in einem Winter, wo durch drei Monate die Kalte nach der mittlern Temperatur 18° R. betrug und sehr oft eine Höhe von 30-34° erreichte, welche manchmal von fürchterlichen Stürmen und Schneegestöber begleitet war, trotz den leichten Filzhüten und dem Mangel an Feuerungsmaterial nicht ein einziger Soldat erfroren ist. Jetzt sind es schon drei Wochen, daß das Thermometer nicht über 20° unter 0 steht, und vor ein paar Tagen hatten wir sogar 30, 28° Kälte; und dieß Alles findet statt unter dem 48sten Grade der Breite und am 19 Februar! Wir hoffen, daß der Zwischenact des spielenden Stücks nicht lange dauern wird, und wir, trotz allen vermuthlichen Mißdeutungen auswärtiger Blätter, das edle Ziel, unsere in Sklaverei schmachtenden Mitbrüder zu befreien und den Räubereien einer unmenschlichen, selbst in Asien berüchtigten Horde ein Ende zu machen, erreichen werden.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Die zahlreichen Inseln, Felsen und Klippen, südöstlich der chinesischen Küsten bis hin gen Japan, zerfallen in fünf Gruppen: <hi rendition="#g">Pong hu</hi> oder <hi rendition="#g">Pescadores</hi>; <hi rendition="#g">Tai wan</hi> oder <hi rendition="#g">Formosa</hi>; <hi rendition="#g">Lieou kieou</hi>, bei den Engländern <hi rendition="#g">Lu tschu</hi>; <hi rendition="#g">Tschu san</hi> und die von den Japanern so genannten <hi rendition="#g">Mouin sima</hi> oder <hi rendition="#g">unbewohnten Inseln</hi>. Lange schon, bevor Europäer in diesen Gegenden sich niederließen, war nach dem Westen der Erde eine dunkle Kunde gedrungen von der großen Menge der Inseln und Klippen, die zerstreut lägen in in den Meeren südöstlich von China und Japan. Abulfeda berichtet, es seyen die unbewohnten Inseln dieser Gegenden unzählbar; die bewohnten beliefen sich auf siebzehnhundert. Marco Polo theilt uns eine Fischersage mit, nach welcher ihre Anzahl bis auf <hi rendition="#g">siebentausendvierhundertundvierzig</hi> steigen sollte, <note place="foot" n="*)"><p>II Milione II 570, ed. Baldelli.</p></note> die größtentheils bewohnt wären. Man finde hier, wird hinzugefügt, viele herrliche Specereien, und jeder Baum verbreite einen lieblichen Duft. Dieser überschwänglichen Fruchtbarkeit und ihres entzückenden Klima's wegen hatten auch die verschiedenen seefahrenden Nationen, Portugiesen, Spanier, Holländer und Engländer, seit der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, ihr Augenmerk nicht minder auf diese Inselgruppen gerichtet, wie auf das benachbarte Uferland des Mittelreichs, und hier bald Factoreien bald Forts angelegt, welche als Stationen dienten für den gleich anfangs so wichtigen und ausgedehnten Handel mit dem östlichen Asien. Die europäischen Kaufherren mußten aber, von den Chinesen dazu gezwungen, in dem Laufe der zwei letzten Jahrhunderte alle diese Niederlassungen aufgeben, und es ward ihnen bloß in der südwestlichsten Kreishauptstadt Kuang tong, unter sehr beschränkenden Bedingungen, ein freier Zutritt gestattet. Es hat nun Europa in den letzten Jahrzehnten in allen Beziehungen und Richtungen, nach innen wie nach außen, unermeßliche Fortschritte gemacht; die ganze Weltstellung ward hiedurch vielfach verändert. Die Länder und zahlreichen Inseln Australiens wie der Südsee wurden und werden von europäisch civilisirten Völkern in Besitz genommen und angebaut;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0905/0009] Die Expedition gegen Chiwa. Die Breslauer Zeitung bringt folgendes neue Schreiben eines bei dem Expeditionsheere nach Chiwa befindlichen Officiers. Dasselbe ist aus Ak-Bulak vom 7 (19) Februar datirt und lautet: „Seitdem ich dir schrieb, hat sich Manches geändert. Aus meinem frühern Briefe war zu ersehen, daß wir an der Emba einen befestigten Punkt hatten, wo wir unsere Verpflegungsmittel in der Art ersetzen konnten, um in das feindliche, in mancher Hinsicht räthselhafte Land mit einer, von allen Kriegszufällen unabhängigen, wenigstens zweimonatlichen Verproviantirung gelangen zu können. Im ersten Bericht erwähnte ich schon der Strenge des dießjährigen Winters. An der Emba wurde die Sache ernstlicher. Der ungewöhnlich kalte Winter und der tiefe Schnee, welcher mit einer fußdicken, undurchdringlichen Kruste bedeckt war, machte die Weide der Kamele unmöglich. Die armen Thiere sanken zu Hunderten, und bei unserm Abmarsch haben wir mit Schrecken die fürchterliche Schwäche dieser unserer einzigen Operationsbasis zu der bevorstehenden Unternehmung entdeckt. Einen ganzen Monat brauchten wir, um die 20 Meilen bis Ak-Bulak, wo unser letzter befestigter Punkt und unsere Lebensmittelniederlage war, zurückzulegen. Durch tiefen festgefrorenen Schnee, bei furchtbarem Gestöber mußte jede Colonne sich eine neue Bahn brechen, welche in einem Augenblick wieder verweht war. Nur die treffliche Verpflegung und die für diese Campagne ausgedachten, die geringsten Zufälle berechnenden Vorkehrungen haben unsere Truppen vor dem Untergang bewahrt. Von dem, was hier der Soldat zu leiden hat, kann man sich in Europa keinen Begriff machen, man kann nur die moralische und physische Kraft dieser Menschen bewundern. Die traurigen Ahnungen, welche schon an der Emba in manchen Köpfen keimten, gingen in Ak-Bulak leider nur zu sehr in Erfüllung. Ein Schnee, wie man ihn hier, nach der Aussage der ältesten Kirgisen, nie gesehen hat, bedeckte ellenhoch die vor uns liegende wasser- und nahrungslose Salzwüste. Eine Recognoscirung, welche nach dem Plateau von Ust-Jurt ausgeschickt war, kehrte mit Mühe zurück und überzeugte uns noch mehr von der Unmöglichkeit, weiter vorzudringen. Die Zahl der Kamele verringerte sich immer mehr und mehr, und die nothwendige Quantität von Lebensmitteln konnte nicht mehr fortgeschafft werden. Neunzig Meilen hatten wir noch durch die schreckliche Wildniß zu ziehen, um ein Land zu erreichen, welches im Frühjahr Ueberschwemmungen und Sümpfe unzugänglich machen. Unsere Lage war kritisch, und jede Zögerung, selbst im Fall der Rückkehr, konnte uns höchst verderblich werden. Nach reiflicher Ueberlegung entschloß sich endlich General Perowsky zum Wiedergewinn der Befestigungen an der Emba, wo noch ein hinreichender Vorrath von Lebensmitteln sich befinden mußte. Jetzt erst sehen wir klar die Größe der Gefahr, der wir entronnen sind. Noch einige Tagemärsche, und das Vorgehen wie die Rückkehr waren uns unmöglich, ja ein qualvoller Tod in der Wüste unser gemeinschaftliches Schicksal. Ein Zusammentreffen ungünstiger, hier unerhörter Umstände hat die Hindernisse und die Verzögerungen in einem Unternehmen erzeugt, welches sowohl durch den Muth, mit dem es begonnen, als durch die umsichtige und energische Art, mit der es in unglaublich kurzer Zeit ausgerüstet wurde, wohl ein schnelleres Gelingen verdient haben dürfte. Die Truppen sind von dem besten Geiste beseelt, die Pferde in vortrefflichem Zustand und ebenso das ganze Kriegsmaterial. Der einzige Stein des Anstoßes ist der Mangel der Weide für die Kamele. Die Soldaten haben durch diesen Winterfeldzug ihre Kraft bewährt, und es wird kaum glaublich erscheinen, daß in einem Winter, wo durch drei Monate die Kalte nach der mittlern Temperatur 18° R. betrug und sehr oft eine Höhe von 30-34° erreichte, welche manchmal von fürchterlichen Stürmen und Schneegestöber begleitet war, trotz den leichten Filzhüten und dem Mangel an Feuerungsmaterial nicht ein einziger Soldat erfroren ist. Jetzt sind es schon drei Wochen, daß das Thermometer nicht über 20° unter 0 steht, und vor ein paar Tagen hatten wir sogar 30, 28° Kälte; und dieß Alles findet statt unter dem 48sten Grade der Breite und am 19 Februar! Wir hoffen, daß der Zwischenact des spielenden Stücks nicht lange dauern wird, und wir, trotz allen vermuthlichen Mißdeutungen auswärtiger Blätter, das edle Ziel, unsere in Sklaverei schmachtenden Mitbrüder zu befreien und den Räubereien einer unmenschlichen, selbst in Asien berüchtigten Horde ein Ende zu machen, erreichen werden.“ Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer. Die zahlreichen Inseln, Felsen und Klippen, südöstlich der chinesischen Küsten bis hin gen Japan, zerfallen in fünf Gruppen: Pong hu oder Pescadores; Tai wan oder Formosa; Lieou kieou, bei den Engländern Lu tschu; Tschu san und die von den Japanern so genannten Mouin sima oder unbewohnten Inseln. Lange schon, bevor Europäer in diesen Gegenden sich niederließen, war nach dem Westen der Erde eine dunkle Kunde gedrungen von der großen Menge der Inseln und Klippen, die zerstreut lägen in in den Meeren südöstlich von China und Japan. Abulfeda berichtet, es seyen die unbewohnten Inseln dieser Gegenden unzählbar; die bewohnten beliefen sich auf siebzehnhundert. Marco Polo theilt uns eine Fischersage mit, nach welcher ihre Anzahl bis auf siebentausendvierhundertundvierzig steigen sollte, *) die größtentheils bewohnt wären. Man finde hier, wird hinzugefügt, viele herrliche Specereien, und jeder Baum verbreite einen lieblichen Duft. Dieser überschwänglichen Fruchtbarkeit und ihres entzückenden Klima's wegen hatten auch die verschiedenen seefahrenden Nationen, Portugiesen, Spanier, Holländer und Engländer, seit der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, ihr Augenmerk nicht minder auf diese Inselgruppen gerichtet, wie auf das benachbarte Uferland des Mittelreichs, und hier bald Factoreien bald Forts angelegt, welche als Stationen dienten für den gleich anfangs so wichtigen und ausgedehnten Handel mit dem östlichen Asien. Die europäischen Kaufherren mußten aber, von den Chinesen dazu gezwungen, in dem Laufe der zwei letzten Jahrhunderte alle diese Niederlassungen aufgeben, und es ward ihnen bloß in der südwestlichsten Kreishauptstadt Kuang tong, unter sehr beschränkenden Bedingungen, ein freier Zutritt gestattet. Es hat nun Europa in den letzten Jahrzehnten in allen Beziehungen und Richtungen, nach innen wie nach außen, unermeßliche Fortschritte gemacht; die ganze Weltstellung ward hiedurch vielfach verändert. Die Länder und zahlreichen Inseln Australiens wie der Südsee wurden und werden von europäisch civilisirten Völkern in Besitz genommen und angebaut; *) II Milione II 570, ed. Baldelli.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_114_18400423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_114_18400423/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 114. Augsburg, 23. April 1840, S. 0905. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_114_18400423/9>, abgerufen am 19.04.2024.