Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 114. Augsburg, 23. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht auf die Gesetze wegen der Steuern, wegen directer Eingriffe in das Privateigenthum oder wegen Auflegung oder Erhöhung von Lasten und Leistungen der Unterthanen - wie im Entwurfe es beabsichtigt worden - zu beschränken sey. Dieser frühere Beschluß erlitt von einigen Seiten sehr lebhafte Anfechtung. Man wies aus der Geschichte unseres Landes nach, daß die Provincialstände, namentlich - wenn man auf diese Zeit zurückgehen wolle - auch die unter Georg I schon vorhandenen, ein Zustimmungsrecht nur hinsichtlich der Steuern, in Ansehung aller übrigen Gesetze aber lediglich das Recht der Zuratheziehung gehabt hätten. Selbst seit 1814 und nach dem Patente von 1819 sey es nicht anders gewesen; und habe der Landesherr seitdem auch kein Gesetz ohne die Einwilligung der Stände publicirt, so sey doch sein deßfallsiges Recht nur als einstweilen ruhend, nicht aber als aufgehoben zu betrachten gewesen. Mit dem Begriffe der Souveränetät und dem daraus entspringenden, allgemein anerkannten Princip "der König ist die Quelle aller Gerichtsbarkeit" (§. 9 des Entwurfs) könne ein Zustimmungsrecht der Stände zu allen Gesetzen in gehörige Harmonie nicht gebracht werden: allein es stelle sich auch als unzweckmäßig dar, indem es den Zusammenhang der Gesetze zerreiße, der Deutlichkeit schade, die Gründlichkeit nicht fördere, und eine rasche Gesetzgebung hemme, wovon die seit 1819 erlassenen Gesetze mehr als ein Beispiel aufwiesen. Man beantragte daher die Wiederherstellung des Entwurfs, weil er dem bisher Bestandenen und dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sich am meisten nähere. Ohne weitere Debatte wurde dieser Antrag indeß von 20 gegen 16 Stimmen abgelehnt, und der frühere Beschluß somit erneuert.

(Hannov. Z.)

Rußland.

Aus glaubwürdiger Quelle haben wir in diesen Tagen neuere Nachrichten über die Perowsky'sche Expedition nach Chiwa erhalten, die alle dem widersprechen, was man in deutschen, französischen und englischen Zeitungen bis jetzt über das gänzliche Mißlingen dieser Unternehmung gemeldet hat. Es ist allerdings wahr, daß die russischen Truppen mit außerordentlichen Calamitäten zu kämpfen gehabt haben, indem die Kälte unter dem 48sten Breitengrade die ungewöhnliche Höhe von mehr als 30° (Cent.) erreichte, und der Schnee zwischen der Emba und Akbulak das Erdreich weit und breit mehrere Ellen hoch bedeckte; nichtsdestoweniger ist die Expedition keineswegs aufgegeben, und die Nachricht, daß General Perowsky mit den Trümmern seines Corps nach Orenburg zurückeile, gänzlich aus der Luft gegriffen. Freilich waren auf den Schneefeldern über 2000 Kamele gefallen, doch war - Dank der Vorsorge des Commandirenden - der Verlust an Leuten nur gering, und mit dem Eintritt einer günstigern Witterung sollte aufs neue aufgebrochen werden, um das sumpfige Terrain im Süden von Akbulak noch vor dem gänzlichen Aufthauen des gefrornen Bodens zu überschreiten, worauf sodann die Truppen mit keinen besondern Schwierigkeiten mehr zu kämpfen haben würden, da man den etwaigen feindlichen Widerstand eben nicht hoch anschlägt. Die Kälte hatte in den letzten Tagen des Januar und in der ersten Hälfte des Februar ihren Hochpunkt erreicht; doch war es mehr das ununterbrochene Schneegestöber und der scharfe, Alles durchdringende Wind, die ein weiteres Vordringen von Akbulak für den Augenblick unmöglich machten, und den General Perowsky bewogen, nach dem festen Lager an der Emba, etwa Einen Breitengrad, zurückzukehren, um hier, wo mehr Brennmaterial vorhanden ist, sowohl besseres Wetter als das Eintreffen neuer Lastthiere abzuwarten. Wahrscheinlich ist die Unternehmung in diesem Augenblick nicht fern mehr von ihrem Ziele, das um jeden Preis erreicht werden muß, wenn der moralische Einfluß Rußlands in diesem Theil des Orients nicht gänzlich paralysirt werden soll. Man will hier noch behaupten, daß der bekannte Schweizer, General Fähsi, der sich im Kampfe gegen die kaukasischen Bergvölker so viele Lorbeeren erworben, und der seither mit einem detaschirten Beobachtungscorps an der persischen Gränze stand, um die Bewegungen der Perser zu überwachen, die Weisung erhalten habe, nöthigenfalls vom Westen her zum General Perowsky zu stoßen, um mit ihm vereint zu operiren. Binnen kurzem dürfen wir demnach officielle Berichte über die Erfolge dieser Unternehmung erwarten.

Oesterreich.

Vorgestern fand in unserm deutschen Theater das Benefiz für die durch Ueberschwemmung verunglückten Bewohner Oberitaliens statt. Es ward Haydn's "Schöpfung" von mehr als 500 Sängern und Musikern ausgeführt. Henriette Karl leuchtete unter den erstern hervor. Das Haus war festlich decorirt und der Ertrag (ohne die besondern Spenden) überstieg 2000 Gulden Conventionsmünze, eine hier fast unerhörte Einnahme. Heute wird dieselbe Production zu demselben Zwecke wiederholt. - Der Landtag in Preßburg dürfte nur auf sehr kurze Zeit verlängert, und jedenfalls noch im Monat Mai geschlossen werden. - Hinsichtlich meiner letztgegebenen Nachricht wegen Einführung der Gewerbe- und Handelsfreiheit in Ungarn muß ich berichtigen, daß die Handelsfreiheit gewissermaßen einen Theil des von den Ständen angenommenen neuen Mercantilgesetzes ausmacht, und daß das die Aufhebung der Zünfte betreffende Gesetz sich wohl unter den Elaboraten des gegenwärtigen Landtags befindet. Die Bürger einiger Städte, über die vermuthete Annahme desselben von Seite der Stände beunruhigt, sandten Deputationen an Se. Maj. den Kaiser, aber bis jetzt ist darin von Seite des Landtags nichts entschieden, und die noch kurze Dauer desselben dürfte diese Angelegenheit für jetzt ganz abbrechen. - Man bezweifelt auch, daß die von der Magnatentafel den Juden bewilligten Concessionen schon jetzt Gesetzeskraft erhalten werden. - Der "Verstorbene" hat wegen seiner eigentlich doch nur harmlosen Briefe über Pesth in Ihrer Zeitung mancherlei Anfechtungen in hiesigen Blättern und neulich sogar in Ihrem Blatte (Beilage Nr. 99) erfahren. Diese Herren erwägen nicht, daß der "Verstorbene" in den paar Columnen der Allgemeinen Zeitung keine Beschreibung von Pesth oder Ungarn beabsichtigte, sondern bloß das flüchtig skizzirte, was ihm bei seiner Durchreise gerade in die Augen fiel. Geistreiches, Treffendes und Wahres finden wir in diesen Skizzen zur Genüge, und der scharfsichtige und launige Beobachter leuchtet überall hervor. Freilich konnte man ihm nicht zumuthen, daß er in der kurzen Zeit seines Hierseyns z. B. die ganze ungarische Litteratur hätte kennen lernen sollen. Das neue Gesetz über die ungarische Sprache verlangt ja nicht, daß ein Ausländer nach einem dreimonatlichen Aufenthalt im Lande der ungarischen Sprache kundig seyn müsse!

Se. Maj. der Kaiser befinden sich, nach einem neulich gehabten kleinen Krankheitsanfall, bereits wieder so wohl, daß sie sich den Staatsgeschäften in gewohnter Weise widmen können. Dagegen wird die heute stattfindende feierliche Auferstehungsprocession in der kaiserlichen Burg, nebst den auf morgen und übermorgen angesagten weitern kirchlichen Feierlichkeiten, wie namentlich das Toisonamt, der persönlichen

nicht auf die Gesetze wegen der Steuern, wegen directer Eingriffe in das Privateigenthum oder wegen Auflegung oder Erhöhung von Lasten und Leistungen der Unterthanen – wie im Entwurfe es beabsichtigt worden – zu beschränken sey. Dieser frühere Beschluß erlitt von einigen Seiten sehr lebhafte Anfechtung. Man wies aus der Geschichte unseres Landes nach, daß die Provincialstände, namentlich – wenn man auf diese Zeit zurückgehen wolle – auch die unter Georg I schon vorhandenen, ein Zustimmungsrecht nur hinsichtlich der Steuern, in Ansehung aller übrigen Gesetze aber lediglich das Recht der Zuratheziehung gehabt hätten. Selbst seit 1814 und nach dem Patente von 1819 sey es nicht anders gewesen; und habe der Landesherr seitdem auch kein Gesetz ohne die Einwilligung der Stände publicirt, so sey doch sein deßfallsiges Recht nur als einstweilen ruhend, nicht aber als aufgehoben zu betrachten gewesen. Mit dem Begriffe der Souveränetät und dem daraus entspringenden, allgemein anerkannten Princip „der König ist die Quelle aller Gerichtsbarkeit“ (§. 9 des Entwurfs) könne ein Zustimmungsrecht der Stände zu allen Gesetzen in gehörige Harmonie nicht gebracht werden: allein es stelle sich auch als unzweckmäßig dar, indem es den Zusammenhang der Gesetze zerreiße, der Deutlichkeit schade, die Gründlichkeit nicht fördere, und eine rasche Gesetzgebung hemme, wovon die seit 1819 erlassenen Gesetze mehr als ein Beispiel aufwiesen. Man beantragte daher die Wiederherstellung des Entwurfs, weil er dem bisher Bestandenen und dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sich am meisten nähere. Ohne weitere Debatte wurde dieser Antrag indeß von 20 gegen 16 Stimmen abgelehnt, und der frühere Beschluß somit erneuert.

(Hannov. Z.)

Rußland.

Aus glaubwürdiger Quelle haben wir in diesen Tagen neuere Nachrichten über die Perowsky'sche Expedition nach Chiwa erhalten, die alle dem widersprechen, was man in deutschen, französischen und englischen Zeitungen bis jetzt über das gänzliche Mißlingen dieser Unternehmung gemeldet hat. Es ist allerdings wahr, daß die russischen Truppen mit außerordentlichen Calamitäten zu kämpfen gehabt haben, indem die Kälte unter dem 48sten Breitengrade die ungewöhnliche Höhe von mehr als 30° (Cent.) erreichte, und der Schnee zwischen der Emba und Akbulak das Erdreich weit und breit mehrere Ellen hoch bedeckte; nichtsdestoweniger ist die Expedition keineswegs aufgegeben, und die Nachricht, daß General Perowsky mit den Trümmern seines Corps nach Orenburg zurückeile, gänzlich aus der Luft gegriffen. Freilich waren auf den Schneefeldern über 2000 Kamele gefallen, doch war – Dank der Vorsorge des Commandirenden – der Verlust an Leuten nur gering, und mit dem Eintritt einer günstigern Witterung sollte aufs neue aufgebrochen werden, um das sumpfige Terrain im Süden von Akbulak noch vor dem gänzlichen Aufthauen des gefrornen Bodens zu überschreiten, worauf sodann die Truppen mit keinen besondern Schwierigkeiten mehr zu kämpfen haben würden, da man den etwaigen feindlichen Widerstand eben nicht hoch anschlägt. Die Kälte hatte in den letzten Tagen des Januar und in der ersten Hälfte des Februar ihren Hochpunkt erreicht; doch war es mehr das ununterbrochene Schneegestöber und der scharfe, Alles durchdringende Wind, die ein weiteres Vordringen von Akbulak für den Augenblick unmöglich machten, und den General Perowsky bewogen, nach dem festen Lager an der Emba, etwa Einen Breitengrad, zurückzukehren, um hier, wo mehr Brennmaterial vorhanden ist, sowohl besseres Wetter als das Eintreffen neuer Lastthiere abzuwarten. Wahrscheinlich ist die Unternehmung in diesem Augenblick nicht fern mehr von ihrem Ziele, das um jeden Preis erreicht werden muß, wenn der moralische Einfluß Rußlands in diesem Theil des Orients nicht gänzlich paralysirt werden soll. Man will hier noch behaupten, daß der bekannte Schweizer, General Fähsi, der sich im Kampfe gegen die kaukasischen Bergvölker so viele Lorbeeren erworben, und der seither mit einem detaschirten Beobachtungscorps an der persischen Gränze stand, um die Bewegungen der Perser zu überwachen, die Weisung erhalten habe, nöthigenfalls vom Westen her zum General Perowsky zu stoßen, um mit ihm vereint zu operiren. Binnen kurzem dürfen wir demnach officielle Berichte über die Erfolge dieser Unternehmung erwarten.

Oesterreich.

Vorgestern fand in unserm deutschen Theater das Benefiz für die durch Ueberschwemmung verunglückten Bewohner Oberitaliens statt. Es ward Haydn's „Schöpfung“ von mehr als 500 Sängern und Musikern ausgeführt. Henriette Karl leuchtete unter den erstern hervor. Das Haus war festlich decorirt und der Ertrag (ohne die besondern Spenden) überstieg 2000 Gulden Conventionsmünze, eine hier fast unerhörte Einnahme. Heute wird dieselbe Production zu demselben Zwecke wiederholt. – Der Landtag in Preßburg dürfte nur auf sehr kurze Zeit verlängert, und jedenfalls noch im Monat Mai geschlossen werden. – Hinsichtlich meiner letztgegebenen Nachricht wegen Einführung der Gewerbe- und Handelsfreiheit in Ungarn muß ich berichtigen, daß die Handelsfreiheit gewissermaßen einen Theil des von den Ständen angenommenen neuen Mercantilgesetzes ausmacht, und daß das die Aufhebung der Zünfte betreffende Gesetz sich wohl unter den Elaboraten des gegenwärtigen Landtags befindet. Die Bürger einiger Städte, über die vermuthete Annahme desselben von Seite der Stände beunruhigt, sandten Deputationen an Se. Maj. den Kaiser, aber bis jetzt ist darin von Seite des Landtags nichts entschieden, und die noch kurze Dauer desselben dürfte diese Angelegenheit für jetzt ganz abbrechen. – Man bezweifelt auch, daß die von der Magnatentafel den Juden bewilligten Concessionen schon jetzt Gesetzeskraft erhalten werden. – Der „Verstorbene“ hat wegen seiner eigentlich doch nur harmlosen Briefe über Pesth in Ihrer Zeitung mancherlei Anfechtungen in hiesigen Blättern und neulich sogar in Ihrem Blatte (Beilage Nr. 99) erfahren. Diese Herren erwägen nicht, daß der „Verstorbene“ in den paar Columnen der Allgemeinen Zeitung keine Beschreibung von Pesth oder Ungarn beabsichtigte, sondern bloß das flüchtig skizzirte, was ihm bei seiner Durchreise gerade in die Augen fiel. Geistreiches, Treffendes und Wahres finden wir in diesen Skizzen zur Genüge, und der scharfsichtige und launige Beobachter leuchtet überall hervor. Freilich konnte man ihm nicht zumuthen, daß er in der kurzen Zeit seines Hierseyns z. B. die ganze ungarische Litteratur hätte kennen lernen sollen. Das neue Gesetz über die ungarische Sprache verlangt ja nicht, daß ein Ausländer nach einem dreimonatlichen Aufenthalt im Lande der ungarischen Sprache kundig seyn müsse!

Se. Maj. der Kaiser befinden sich, nach einem neulich gehabten kleinen Krankheitsanfall, bereits wieder so wohl, daß sie sich den Staatsgeschäften in gewohnter Weise widmen können. Dagegen wird die heute stattfindende feierliche Auferstehungsprocession in der kaiserlichen Burg, nebst den auf morgen und übermorgen angesagten weitern kirchlichen Feierlichkeiten, wie namentlich das Toisonamt, der persönlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="0911"/>
nicht auf die Gesetze wegen der Steuern, wegen directer Eingriffe in das Privateigenthum oder wegen Auflegung oder Erhöhung von Lasten und Leistungen der Unterthanen &#x2013; wie im Entwurfe es beabsichtigt worden &#x2013; zu beschränken sey. Dieser frühere Beschluß erlitt von einigen Seiten sehr lebhafte Anfechtung. Man wies aus der Geschichte unseres Landes nach, daß die Provincialstände, namentlich &#x2013; wenn man auf diese Zeit zurückgehen wolle &#x2013; auch die unter Georg I schon vorhandenen, ein <hi rendition="#g">Zustimmungsrecht</hi> nur hinsichtlich der Steuern, in Ansehung aller übrigen Gesetze aber lediglich das Recht der <hi rendition="#g">Zuratheziehung</hi> gehabt hätten. Selbst seit 1814 und nach dem Patente von 1819 sey es nicht anders gewesen; und habe der Landesherr seitdem auch kein Gesetz ohne die Einwilligung der Stände publicirt, so sey doch sein deßfallsiges Recht nur als einstweilen ruhend, nicht aber als aufgehoben zu betrachten gewesen. Mit dem Begriffe der Souveränetät und dem daraus entspringenden, allgemein anerkannten Princip &#x201E;der König ist die Quelle aller Gerichtsbarkeit&#x201C; (§. 9 des Entwurfs) könne ein Zustimmungsrecht der Stände zu allen Gesetzen in gehörige Harmonie nicht gebracht werden: allein es stelle sich auch als unzweckmäßig dar, indem es den Zusammenhang der Gesetze zerreiße, der Deutlichkeit schade, die Gründlichkeit nicht fördere, und eine rasche Gesetzgebung hemme, wovon die seit 1819 erlassenen Gesetze mehr als ein Beispiel aufwiesen. Man beantragte daher die Wiederherstellung des Entwurfs, weil er dem bisher Bestandenen und dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sich am meisten nähere. Ohne weitere Debatte wurde dieser Antrag indeß von 20 gegen 16 Stimmen abgelehnt, und der frühere Beschluß somit erneuert.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Hannov</hi>. Z.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Rußland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Von der polnischen Gränze,</hi> 14 April.</dateline>
          <p> Aus glaubwürdiger Quelle haben wir in diesen Tagen neuere Nachrichten über die Perowsky'sche Expedition nach Chiwa erhalten, die alle dem widersprechen, was man in deutschen, französischen und englischen Zeitungen bis jetzt über das gänzliche Mißlingen dieser Unternehmung gemeldet hat. Es ist allerdings wahr, daß die russischen Truppen mit außerordentlichen Calamitäten zu kämpfen gehabt haben, indem die Kälte unter dem 48sten Breitengrade die ungewöhnliche Höhe von mehr als 30° (Cent.) erreichte, und der Schnee zwischen der Emba und Akbulak das Erdreich weit und breit mehrere Ellen hoch bedeckte; nichtsdestoweniger ist die Expedition keineswegs aufgegeben, und die Nachricht, daß General Perowsky mit den Trümmern seines Corps nach Orenburg zurückeile, gänzlich aus der Luft gegriffen. Freilich waren auf den Schneefeldern über 2000 Kamele gefallen, doch war &#x2013; Dank der Vorsorge des Commandirenden &#x2013; der Verlust an Leuten nur gering, und mit dem Eintritt einer günstigern Witterung sollte aufs neue aufgebrochen werden, um das sumpfige Terrain im Süden von Akbulak noch vor dem gänzlichen Aufthauen des gefrornen Bodens zu überschreiten, worauf sodann die Truppen mit keinen besondern Schwierigkeiten mehr zu kämpfen haben würden, da man den etwaigen feindlichen Widerstand eben nicht hoch anschlägt. Die Kälte hatte in den letzten Tagen des Januar und in der ersten Hälfte des Februar ihren Hochpunkt erreicht; doch war es mehr das ununterbrochene Schneegestöber und der scharfe, Alles durchdringende Wind, die ein weiteres Vordringen von Akbulak für den Augenblick unmöglich machten, und den General Perowsky bewogen, nach dem festen Lager an der Emba, etwa Einen Breitengrad, zurückzukehren, um hier, wo mehr Brennmaterial vorhanden ist, sowohl besseres Wetter als das Eintreffen neuer Lastthiere abzuwarten. Wahrscheinlich ist die Unternehmung in diesem Augenblick nicht fern mehr von ihrem Ziele, das um jeden Preis erreicht werden muß, wenn der moralische Einfluß Rußlands in diesem Theil des Orients nicht gänzlich paralysirt werden soll. Man will hier noch behaupten, daß der bekannte Schweizer, General Fähsi, der sich im Kampfe gegen die kaukasischen Bergvölker so viele Lorbeeren erworben, und der seither mit einem detaschirten Beobachtungscorps an der persischen Gränze stand, um die Bewegungen der Perser zu überwachen, die Weisung erhalten habe, nöthigenfalls vom Westen her zum General Perowsky zu stoßen, um mit ihm vereint zu operiren. Binnen kurzem dürfen wir demnach officielle Berichte über die Erfolge dieser Unternehmung erwarten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Oesterreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Pesth,</hi> 14 April.</dateline>
          <p> Vorgestern fand in unserm deutschen Theater das Benefiz für die durch Ueberschwemmung verunglückten Bewohner Oberitaliens statt. Es ward Haydn's &#x201E;<hi rendition="#g">Schöpfung</hi>&#x201C; von mehr als 500 Sängern und Musikern ausgeführt. Henriette Karl leuchtete unter den erstern hervor. Das Haus war festlich decorirt und der Ertrag (ohne die besondern Spenden) überstieg 2000 Gulden Conventionsmünze, eine hier fast unerhörte Einnahme. Heute wird dieselbe Production zu demselben Zwecke wiederholt. &#x2013; Der Landtag in Preßburg dürfte nur auf sehr kurze Zeit verlängert, und jedenfalls noch im Monat Mai geschlossen werden. &#x2013; Hinsichtlich meiner letztgegebenen Nachricht wegen Einführung der Gewerbe- und Handelsfreiheit in Ungarn muß ich berichtigen, daß die Handelsfreiheit gewissermaßen einen Theil des von den Ständen angenommenen neuen Mercantilgesetzes ausmacht, und daß das die Aufhebung der Zünfte betreffende Gesetz sich wohl unter den Elaboraten des gegenwärtigen Landtags befindet. Die Bürger einiger Städte, über die vermuthete Annahme desselben von Seite der Stände beunruhigt, sandten Deputationen an Se. Maj. den Kaiser, aber bis jetzt ist darin von Seite des Landtags nichts entschieden, und die noch kurze Dauer desselben dürfte diese Angelegenheit für jetzt ganz abbrechen. &#x2013; Man bezweifelt auch, daß die von der Magnatentafel den Juden bewilligten Concessionen schon jetzt Gesetzeskraft erhalten werden. &#x2013; Der &#x201E;<hi rendition="#g">Verstorbene</hi>&#x201C; hat wegen seiner eigentlich doch nur harmlosen Briefe über Pesth in Ihrer Zeitung mancherlei Anfechtungen in hiesigen Blättern und neulich sogar in Ihrem Blatte (Beilage Nr. 99) erfahren. Diese Herren erwägen nicht, daß der &#x201E;Verstorbene&#x201C; in den paar Columnen der Allgemeinen Zeitung keine Beschreibung von Pesth oder Ungarn beabsichtigte, sondern bloß das flüchtig skizzirte, was ihm bei seiner Durchreise gerade in die Augen fiel. Geistreiches, Treffendes und Wahres finden wir in diesen Skizzen zur Genüge, und der scharfsichtige und launige Beobachter leuchtet überall hervor. Freilich konnte man ihm nicht zumuthen, daß er in der kurzen Zeit seines Hierseyns z. B. die ganze ungarische Litteratur hätte kennen lernen sollen. Das neue Gesetz über die ungarische Sprache verlangt ja nicht, daß ein Ausländer nach einem dreimonatlichen Aufenthalt im Lande der ungarischen Sprache kundig seyn <hi rendition="#g">müsse</hi>!</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 18 April.</dateline>
          <p> Se. Maj. der Kaiser befinden sich, nach einem neulich gehabten kleinen Krankheitsanfall, bereits wieder so wohl, daß sie sich den Staatsgeschäften in gewohnter Weise widmen können. Dagegen wird die heute stattfindende feierliche Auferstehungsprocession in der kaiserlichen Burg, nebst den auf morgen und übermorgen angesagten weitern kirchlichen Feierlichkeiten, wie namentlich das Toisonamt, der persönlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0911/0007] nicht auf die Gesetze wegen der Steuern, wegen directer Eingriffe in das Privateigenthum oder wegen Auflegung oder Erhöhung von Lasten und Leistungen der Unterthanen – wie im Entwurfe es beabsichtigt worden – zu beschränken sey. Dieser frühere Beschluß erlitt von einigen Seiten sehr lebhafte Anfechtung. Man wies aus der Geschichte unseres Landes nach, daß die Provincialstände, namentlich – wenn man auf diese Zeit zurückgehen wolle – auch die unter Georg I schon vorhandenen, ein Zustimmungsrecht nur hinsichtlich der Steuern, in Ansehung aller übrigen Gesetze aber lediglich das Recht der Zuratheziehung gehabt hätten. Selbst seit 1814 und nach dem Patente von 1819 sey es nicht anders gewesen; und habe der Landesherr seitdem auch kein Gesetz ohne die Einwilligung der Stände publicirt, so sey doch sein deßfallsiges Recht nur als einstweilen ruhend, nicht aber als aufgehoben zu betrachten gewesen. Mit dem Begriffe der Souveränetät und dem daraus entspringenden, allgemein anerkannten Princip „der König ist die Quelle aller Gerichtsbarkeit“ (§. 9 des Entwurfs) könne ein Zustimmungsrecht der Stände zu allen Gesetzen in gehörige Harmonie nicht gebracht werden: allein es stelle sich auch als unzweckmäßig dar, indem es den Zusammenhang der Gesetze zerreiße, der Deutlichkeit schade, die Gründlichkeit nicht fördere, und eine rasche Gesetzgebung hemme, wovon die seit 1819 erlassenen Gesetze mehr als ein Beispiel aufwiesen. Man beantragte daher die Wiederherstellung des Entwurfs, weil er dem bisher Bestandenen und dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit sich am meisten nähere. Ohne weitere Debatte wurde dieser Antrag indeß von 20 gegen 16 Stimmen abgelehnt, und der frühere Beschluß somit erneuert. (Hannov. Z.) Rußland. _ Von der polnischen Gränze, 14 April. Aus glaubwürdiger Quelle haben wir in diesen Tagen neuere Nachrichten über die Perowsky'sche Expedition nach Chiwa erhalten, die alle dem widersprechen, was man in deutschen, französischen und englischen Zeitungen bis jetzt über das gänzliche Mißlingen dieser Unternehmung gemeldet hat. Es ist allerdings wahr, daß die russischen Truppen mit außerordentlichen Calamitäten zu kämpfen gehabt haben, indem die Kälte unter dem 48sten Breitengrade die ungewöhnliche Höhe von mehr als 30° (Cent.) erreichte, und der Schnee zwischen der Emba und Akbulak das Erdreich weit und breit mehrere Ellen hoch bedeckte; nichtsdestoweniger ist die Expedition keineswegs aufgegeben, und die Nachricht, daß General Perowsky mit den Trümmern seines Corps nach Orenburg zurückeile, gänzlich aus der Luft gegriffen. Freilich waren auf den Schneefeldern über 2000 Kamele gefallen, doch war – Dank der Vorsorge des Commandirenden – der Verlust an Leuten nur gering, und mit dem Eintritt einer günstigern Witterung sollte aufs neue aufgebrochen werden, um das sumpfige Terrain im Süden von Akbulak noch vor dem gänzlichen Aufthauen des gefrornen Bodens zu überschreiten, worauf sodann die Truppen mit keinen besondern Schwierigkeiten mehr zu kämpfen haben würden, da man den etwaigen feindlichen Widerstand eben nicht hoch anschlägt. Die Kälte hatte in den letzten Tagen des Januar und in der ersten Hälfte des Februar ihren Hochpunkt erreicht; doch war es mehr das ununterbrochene Schneegestöber und der scharfe, Alles durchdringende Wind, die ein weiteres Vordringen von Akbulak für den Augenblick unmöglich machten, und den General Perowsky bewogen, nach dem festen Lager an der Emba, etwa Einen Breitengrad, zurückzukehren, um hier, wo mehr Brennmaterial vorhanden ist, sowohl besseres Wetter als das Eintreffen neuer Lastthiere abzuwarten. Wahrscheinlich ist die Unternehmung in diesem Augenblick nicht fern mehr von ihrem Ziele, das um jeden Preis erreicht werden muß, wenn der moralische Einfluß Rußlands in diesem Theil des Orients nicht gänzlich paralysirt werden soll. Man will hier noch behaupten, daß der bekannte Schweizer, General Fähsi, der sich im Kampfe gegen die kaukasischen Bergvölker so viele Lorbeeren erworben, und der seither mit einem detaschirten Beobachtungscorps an der persischen Gränze stand, um die Bewegungen der Perser zu überwachen, die Weisung erhalten habe, nöthigenfalls vom Westen her zum General Perowsky zu stoßen, um mit ihm vereint zu operiren. Binnen kurzem dürfen wir demnach officielle Berichte über die Erfolge dieser Unternehmung erwarten. Oesterreich. _ Pesth, 14 April. Vorgestern fand in unserm deutschen Theater das Benefiz für die durch Ueberschwemmung verunglückten Bewohner Oberitaliens statt. Es ward Haydn's „Schöpfung“ von mehr als 500 Sängern und Musikern ausgeführt. Henriette Karl leuchtete unter den erstern hervor. Das Haus war festlich decorirt und der Ertrag (ohne die besondern Spenden) überstieg 2000 Gulden Conventionsmünze, eine hier fast unerhörte Einnahme. Heute wird dieselbe Production zu demselben Zwecke wiederholt. – Der Landtag in Preßburg dürfte nur auf sehr kurze Zeit verlängert, und jedenfalls noch im Monat Mai geschlossen werden. – Hinsichtlich meiner letztgegebenen Nachricht wegen Einführung der Gewerbe- und Handelsfreiheit in Ungarn muß ich berichtigen, daß die Handelsfreiheit gewissermaßen einen Theil des von den Ständen angenommenen neuen Mercantilgesetzes ausmacht, und daß das die Aufhebung der Zünfte betreffende Gesetz sich wohl unter den Elaboraten des gegenwärtigen Landtags befindet. Die Bürger einiger Städte, über die vermuthete Annahme desselben von Seite der Stände beunruhigt, sandten Deputationen an Se. Maj. den Kaiser, aber bis jetzt ist darin von Seite des Landtags nichts entschieden, und die noch kurze Dauer desselben dürfte diese Angelegenheit für jetzt ganz abbrechen. – Man bezweifelt auch, daß die von der Magnatentafel den Juden bewilligten Concessionen schon jetzt Gesetzeskraft erhalten werden. – Der „Verstorbene“ hat wegen seiner eigentlich doch nur harmlosen Briefe über Pesth in Ihrer Zeitung mancherlei Anfechtungen in hiesigen Blättern und neulich sogar in Ihrem Blatte (Beilage Nr. 99) erfahren. Diese Herren erwägen nicht, daß der „Verstorbene“ in den paar Columnen der Allgemeinen Zeitung keine Beschreibung von Pesth oder Ungarn beabsichtigte, sondern bloß das flüchtig skizzirte, was ihm bei seiner Durchreise gerade in die Augen fiel. Geistreiches, Treffendes und Wahres finden wir in diesen Skizzen zur Genüge, und der scharfsichtige und launige Beobachter leuchtet überall hervor. Freilich konnte man ihm nicht zumuthen, daß er in der kurzen Zeit seines Hierseyns z. B. die ganze ungarische Litteratur hätte kennen lernen sollen. Das neue Gesetz über die ungarische Sprache verlangt ja nicht, daß ein Ausländer nach einem dreimonatlichen Aufenthalt im Lande der ungarischen Sprache kundig seyn müsse! _ Wien, 18 April. Se. Maj. der Kaiser befinden sich, nach einem neulich gehabten kleinen Krankheitsanfall, bereits wieder so wohl, daß sie sich den Staatsgeschäften in gewohnter Weise widmen können. Dagegen wird die heute stattfindende feierliche Auferstehungsprocession in der kaiserlichen Burg, nebst den auf morgen und übermorgen angesagten weitern kirchlichen Feierlichkeiten, wie namentlich das Toisonamt, der persönlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_114_18400423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_114_18400423/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 114. Augsburg, 23. April 1840, S. 0911. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_114_18400423/7>, abgerufen am 21.11.2024.