Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Medeah, Miliana und Tekedemt ganz unterbleibt. Die Verbindung mit Scherschel fand nur zur See statt. Gerüchte gingen, daß dieser neubesetzte Punkt von den Kabylen angegriffen worden sey. In den Umgebungen von Algier zeigten die Araber sich wieder in gleicher Zahl und mit derselben Keckheit, wie früher; die Ermordungen waren an der Tagesordnung. Unter den letzten Opfern nennt man Hr. Boutin, ehemaligen Maire der Gemeinde Hussein Dey, dessen Leiche, von Wunden zerrissen, zwischen Duera und Tixeraim aufgefunden worden. Der Correspondent des Toulonnais, der alle diese Details mittheilt, sagt auch, Niemand hege in Algier große Erwartungen von den bevorstehenden Operationen, da bei der Taktik der Araber, vor einem vordringenden Feind zu fliehen und Alles im Stich zu lassen, aber plötzlich wieder umzukehren, sobald der Mangel an Lebensmitteln ihre Gegner zum Rückzug zwinge, mit einem Heere gar nichts auszurichten sey. Der Semaphore will die Nachricht haben, daß Abd-el-Kader gegenwärtig vom Marabut Tidschini im Rücken bedroht und genöthigt worden sey, einen Theil seiner Truppen nach der Wüste zu schicken. Das vor einiger Zeit verbreitete Gerücht, als habe der Commandant der kleinen Insel Raschgun an der Mündung der Tafna die Republik proclamirt, hat sich als falsch erwiesen. Anlaß zu diesem Gerücht gab eine Meuterei, welche gegen den Commandanten jenes Eilandes ausbrach, aber unterdrückt wurde.

Zwei Drittheile der Pairskammer haben für die geheimen Fonds, nur ein Drittheil hat dagegen gestimmt. Dieß ist nur ein scheinbarer Triumph des Ministeriums. Die Majorität der Pairskammer hat mit ihrem Votum nicht erklärt, daß das Ministerium ihr Vertrauen besitze, sondern nur, daß man es vor der Hand dulden, daß man erst seine praktische Politik abwarten wolle, daß man zur Zeit den Muth nicht habe, oder nicht für gerathen halte, dem deutlich ausgesprochenen Willen des Landes entgegenzutreten. Die wenigsten Mitglieder der Majorität sind Freunde des Ministeriums. Im Gegentheil: sie fragen mißtrauisch, woher es komme, warum es da sey und wohin es wolle. Dagegen erklären sich 53 Mitglieder, ohne erst die Handlungen des Ministeriums abwarten zu wollen, für die Feinde seiner Herkunft, seiner Existenz und seiner Zukunft. Dieß ist die stärkste Opposition, die je ein Ministerium in diesem Hause erfahren hat. Nur wenige Persönlichkeiten sind als offene Anhänger der Minister und ihres Systems aufgetreten, aber diese Ausnahmen bezeichnen die Regel. Es sind dieß junge, unabhängige Männer von altem Adel und neuen Gesinnungen, Männer voll Kraft, die ohne Krücken gehen können. Einer von ihnen, der Graf d'Alton Shee, hat sogar von der Nothwendigkeit einer Reform der Pairskammer gesprochen. Man kann sich vorstellen, wie die naive Expectoration aufgenommen ward; es war als hätte man einem Podagristen auf den großen Zehen getreten. Auch suchte Hr. Villemain, der jedem Gegner des neuen Ministeriums zu Ohren spricht, die Kammer auf der Stelle zu beruhigen und sich durch diesen guten Dienst bei ihr in Gunst zu setzen. Die Kammer hörte aber nicht auf zu fühlen, daß Hr. d'Alton Shee den wundesten Fleck an ihrem Körper berührt habe. Im Publicum fängt man jetzt erst an, die ganze Summe von Talent und Geschicklichkeit, welche das Ministerium und insbesondere sein Chef während dieser Verhandlungen an den Tag gelegt, zu berechnen. Die Reden des Hrn. Thiers sind zu ganz andern Ohren gesprochen, als zu denen von Männern, deren Gesinnungen und Abstimmungen er zum voraus kannte, und die durch bessere Ueberzeugung zu bekehren ihm schwerlich in den Sinn gekommen ist. Den Angestellten der Deputirtenkammer erklärt er Vergessenheit und Vergebung des Vergangenen, aber auch Absetzung im Fall der Widerspänstigkeit - dem Hof, daß er sein Amt mit dem der Krone schuldigen Respect zu verwalten wissen, aber auch Independenz der Gesinnung genug haben werde, um es niederzulegen, im Fall es nicht mehr mit Ehren zu bekleiden sey - dem englischen Cabinet, daß die englisch-französische Allianz nur so lange bestehen könne, als sie mit der Ehre und den Interessen Frankreichs vereinbarlich sey - der linken Seite, daß er Freunde, die mit ihm unter Einer Fahne gekämpft, nie verlassen werde - dem Publicum, daß seine Politik eine nationale seyn werde, und daß die Gerüchte, als spielte er mit dem englischen Cabinet unter Einer Decke, elende Verleumdungen seyen - den europäischen Mächten, daß er Geschicklichkeit genug haben werde, um die Interessen von Europa mit den nationalen Interessen von Frankreich in Einklang zu bringen. In dem, was er verschweigt, nicht minder als in dem, was er sagt, beweist er den höchsten Grad von Klugheit und Mäßigung. Die persönlichen Ausfälle des Hrn. Merilhou und die groben Inconsequenzen des Hrn. Villemain übergeht er mit Stillschweigen, ungeachtet es ihm ein Leichtes gewesen wäre, sie zu vernichten. Hr. Merilhou, der dem Hrn. Thiers die Inconsequenzen seines politischen Lebens nachweisen will, ist nämlich derselbe Hr. Merilhou, welcher zur Zeit der Restauration unter die heftigsten Carbonaris gehörte, derselbe, welcher unter Casimir Perrier unter der Linken saß. Hr. Villemain war bekanntlich vor dem 12 Mai 1839 einer der entschiedensten Liberalen in der Pairskammer. Jetzt ist dem Hrn. Merilhou eine Transaction zwischen der Linken und dem Centrum ein Gräuel, und Hr. Villemain, einer der Coalitionschefs, will von keinem parlamentarischen Gouvernement wissen. Ihm ist jetzt der Degen des Marschalls Soult, "des Lieutenants Napoleons," Alles und Alles. Er allein soll nach Hrn. Villemain verhindert haben, daß Ibrahim nach der Schlacht von Nisib das taurische Gebirge nicht überstieg. Hr. Thiers wußte wohl, daß der Pascha von Aegypten nach dieser Schlacht dem Ibrahim Befehl gegeben, nicht weiter vorzurücken, und daß die Botschaft des Marschalls ihn keineswegs zu der von ihm bewiesenen Mäßigung bestimmte. Gleichwohl hatte Hr. Thiers den Tact, diese Thatsache nicht anzuführen, um den Marschall und den Hof nicht zu verletzen. Dagegen konnte Graf Jaubert sich nicht enthalten, den Hrn. Villemain durch ein Impromptu etwas lächerlich zu machen. Er sollte auf Ausfälle gegen die Coalition antworten, erklärte aber, daß er die Lösung dieser Aufgabe seinem Nachfolger auf der Tribune (Hrn. Villemain), einem der glänzendsten Redner der Kammer und einem der angesehensten Chefs der Coalition überlassen wolle. Hrn. Villemain konnte vor dem lauten Gelächter der gravitätischen Pairskammer lange nicht zum Wort kommen. Das Resultat dieser Verhandlungen ist indessen immerhin zu Gunsten des Ministeriums. Es hat sein moralisches Uebergewicht in der Pairskammer wie früher in der Deputirtenkammer behauptet, und zwar in einem so hohen Grade, daß das Journal des Debats Hrn. Thiers heute wider Willen eine Lobrede hält, und den Wunsch nicht unterdrücken kann, ihn wiederum unter die Seinigen zu zählen.

Italien.

Die Preußische Staatszeitung enthält folgendes Schreiben aus Neapel vom 27 März. "Die Streitfrage mit England wegen des Schwefelmonopols beschäftigt fortwährend alle Gemüther. Man kann sich nicht verhehlen, daß sich die Regierung in einem schlimmen Dilemma befindet, indem ihr einerseits durch den Contract mit dem Hause Taix und Comp. die Hände gebunden sind, und andererseits die englische Regierung, gestützt auf den 5ten Artikel des Tractats von 1816,

Medeah, Miliana und Tekedemt ganz unterbleibt. Die Verbindung mit Scherschel fand nur zur See statt. Gerüchte gingen, daß dieser neubesetzte Punkt von den Kabylen angegriffen worden sey. In den Umgebungen von Algier zeigten die Araber sich wieder in gleicher Zahl und mit derselben Keckheit, wie früher; die Ermordungen waren an der Tagesordnung. Unter den letzten Opfern nennt man Hr. Boutin, ehemaligen Maire der Gemeinde Hussein Dey, dessen Leiche, von Wunden zerrissen, zwischen Duera und Tixeraim aufgefunden worden. Der Correspondent des Toulonnais, der alle diese Details mittheilt, sagt auch, Niemand hege in Algier große Erwartungen von den bevorstehenden Operationen, da bei der Taktik der Araber, vor einem vordringenden Feind zu fliehen und Alles im Stich zu lassen, aber plötzlich wieder umzukehren, sobald der Mangel an Lebensmitteln ihre Gegner zum Rückzug zwinge, mit einem Heere gar nichts auszurichten sey. Der Sémaphore will die Nachricht haben, daß Abd-el-Kader gegenwärtig vom Marabut Tidschini im Rücken bedroht und genöthigt worden sey, einen Theil seiner Truppen nach der Wüste zu schicken. Das vor einiger Zeit verbreitete Gerücht, als habe der Commandant der kleinen Insel Raschgun an der Mündung der Tafna die Republik proclamirt, hat sich als falsch erwiesen. Anlaß zu diesem Gerücht gab eine Meuterei, welche gegen den Commandanten jenes Eilandes ausbrach, aber unterdrückt wurde.

Zwei Drittheile der Pairskammer haben für die geheimen Fonds, nur ein Drittheil hat dagegen gestimmt. Dieß ist nur ein scheinbarer Triumph des Ministeriums. Die Majorität der Pairskammer hat mit ihrem Votum nicht erklärt, daß das Ministerium ihr Vertrauen besitze, sondern nur, daß man es vor der Hand dulden, daß man erst seine praktische Politik abwarten wolle, daß man zur Zeit den Muth nicht habe, oder nicht für gerathen halte, dem deutlich ausgesprochenen Willen des Landes entgegenzutreten. Die wenigsten Mitglieder der Majorität sind Freunde des Ministeriums. Im Gegentheil: sie fragen mißtrauisch, woher es komme, warum es da sey und wohin es wolle. Dagegen erklären sich 53 Mitglieder, ohne erst die Handlungen des Ministeriums abwarten zu wollen, für die Feinde seiner Herkunft, seiner Existenz und seiner Zukunft. Dieß ist die stärkste Opposition, die je ein Ministerium in diesem Hause erfahren hat. Nur wenige Persönlichkeiten sind als offene Anhänger der Minister und ihres Systems aufgetreten, aber diese Ausnahmen bezeichnen die Regel. Es sind dieß junge, unabhängige Männer von altem Adel und neuen Gesinnungen, Männer voll Kraft, die ohne Krücken gehen können. Einer von ihnen, der Graf d'Alton Shee, hat sogar von der Nothwendigkeit einer Reform der Pairskammer gesprochen. Man kann sich vorstellen, wie die naive Expectoration aufgenommen ward; es war als hätte man einem Podagristen auf den großen Zehen getreten. Auch suchte Hr. Villemain, der jedem Gegner des neuen Ministeriums zu Ohren spricht, die Kammer auf der Stelle zu beruhigen und sich durch diesen guten Dienst bei ihr in Gunst zu setzen. Die Kammer hörte aber nicht auf zu fühlen, daß Hr. d'Alton Shee den wundesten Fleck an ihrem Körper berührt habe. Im Publicum fängt man jetzt erst an, die ganze Summe von Talent und Geschicklichkeit, welche das Ministerium und insbesondere sein Chef während dieser Verhandlungen an den Tag gelegt, zu berechnen. Die Reden des Hrn. Thiers sind zu ganz andern Ohren gesprochen, als zu denen von Männern, deren Gesinnungen und Abstimmungen er zum voraus kannte, und die durch bessere Ueberzeugung zu bekehren ihm schwerlich in den Sinn gekommen ist. Den Angestellten der Deputirtenkammer erklärt er Vergessenheit und Vergebung des Vergangenen, aber auch Absetzung im Fall der Widerspänstigkeit – dem Hof, daß er sein Amt mit dem der Krone schuldigen Respect zu verwalten wissen, aber auch Independenz der Gesinnung genug haben werde, um es niederzulegen, im Fall es nicht mehr mit Ehren zu bekleiden sey – dem englischen Cabinet, daß die englisch-französische Allianz nur so lange bestehen könne, als sie mit der Ehre und den Interessen Frankreichs vereinbarlich sey – der linken Seite, daß er Freunde, die mit ihm unter Einer Fahne gekämpft, nie verlassen werde – dem Publicum, daß seine Politik eine nationale seyn werde, und daß die Gerüchte, als spielte er mit dem englischen Cabinet unter Einer Decke, elende Verleumdungen seyen – den europäischen Mächten, daß er Geschicklichkeit genug haben werde, um die Interessen von Europa mit den nationalen Interessen von Frankreich in Einklang zu bringen. In dem, was er verschweigt, nicht minder als in dem, was er sagt, beweist er den höchsten Grad von Klugheit und Mäßigung. Die persönlichen Ausfälle des Hrn. Merilhou und die groben Inconsequenzen des Hrn. Villemain übergeht er mit Stillschweigen, ungeachtet es ihm ein Leichtes gewesen wäre, sie zu vernichten. Hr. Merilhou, der dem Hrn. Thiers die Inconsequenzen seines politischen Lebens nachweisen will, ist nämlich derselbe Hr. Merilhou, welcher zur Zeit der Restauration unter die heftigsten Carbonaris gehörte, derselbe, welcher unter Casimir Perrier unter der Linken saß. Hr. Villemain war bekanntlich vor dem 12 Mai 1839 einer der entschiedensten Liberalen in der Pairskammer. Jetzt ist dem Hrn. Merilhou eine Transaction zwischen der Linken und dem Centrum ein Gräuel, und Hr. Villemain, einer der Coalitionschefs, will von keinem parlamentarischen Gouvernement wissen. Ihm ist jetzt der Degen des Marschalls Soult, „des Lieutenants Napoleons,“ Alles und Alles. Er allein soll nach Hrn. Villemain verhindert haben, daß Ibrahim nach der Schlacht von Nisib das taurische Gebirge nicht überstieg. Hr. Thiers wußte wohl, daß der Pascha von Aegypten nach dieser Schlacht dem Ibrahim Befehl gegeben, nicht weiter vorzurücken, und daß die Botschaft des Marschalls ihn keineswegs zu der von ihm bewiesenen Mäßigung bestimmte. Gleichwohl hatte Hr. Thiers den Tact, diese Thatsache nicht anzuführen, um den Marschall und den Hof nicht zu verletzen. Dagegen konnte Graf Jaubert sich nicht enthalten, den Hrn. Villemain durch ein Impromptu etwas lächerlich zu machen. Er sollte auf Ausfälle gegen die Coalition antworten, erklärte aber, daß er die Lösung dieser Aufgabe seinem Nachfolger auf der Tribune (Hrn. Villemain), einem der glänzendsten Redner der Kammer und einem der angesehensten Chefs der Coalition überlassen wolle. Hrn. Villemain konnte vor dem lauten Gelächter der gravitätischen Pairskammer lange nicht zum Wort kommen. Das Resultat dieser Verhandlungen ist indessen immerhin zu Gunsten des Ministeriums. Es hat sein moralisches Uebergewicht in der Pairskammer wie früher in der Deputirtenkammer behauptet, und zwar in einem so hohen Grade, daß das Journal des Débats Hrn. Thiers heute wider Willen eine Lobrede hält, und den Wunsch nicht unterdrücken kann, ihn wiederum unter die Seinigen zu zählen.

Italien.

Die Preußische Staatszeitung enthält folgendes Schreiben aus Neapel vom 27 März. „Die Streitfrage mit England wegen des Schwefelmonopols beschäftigt fortwährend alle Gemüther. Man kann sich nicht verhehlen, daß sich die Regierung in einem schlimmen Dilemma befindet, indem ihr einerseits durch den Contract mit dem Hause Taix und Comp. die Hände gebunden sind, und andererseits die englische Regierung, gestützt auf den 5ten Artikel des Tractats von 1816,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0900"/>
Medeah, Miliana und Tekedemt ganz unterbleibt. Die Verbindung mit Scherschel fand nur zur See statt. Gerüchte gingen, daß dieser neubesetzte Punkt von den Kabylen angegriffen worden sey. In den Umgebungen von Algier zeigten die Araber sich wieder in gleicher Zahl und mit derselben Keckheit, wie früher; die Ermordungen waren an der Tagesordnung. Unter den letzten Opfern nennt man Hr. Boutin, ehemaligen Maire der Gemeinde Hussein Dey, dessen Leiche, von Wunden zerrissen, zwischen Duera und Tixeraim aufgefunden worden. Der Correspondent des <hi rendition="#g">Toulonnais</hi>, der alle diese Details mittheilt, sagt auch, Niemand hege in Algier große Erwartungen von den bevorstehenden Operationen, da bei der Taktik der Araber, vor einem vordringenden Feind zu fliehen und Alles im Stich zu lassen, aber plötzlich wieder umzukehren, sobald der Mangel an Lebensmitteln ihre Gegner zum Rückzug zwinge, mit einem Heere gar nichts auszurichten sey. Der <hi rendition="#g">Sémaphore</hi> will die Nachricht haben, daß Abd-el-Kader gegenwärtig vom Marabut Tidschini im Rücken bedroht und genöthigt worden sey, einen Theil seiner Truppen nach der Wüste zu schicken. Das vor einiger Zeit verbreitete Gerücht, als habe der Commandant der kleinen Insel Raschgun an der Mündung der Tafna die Republik proclamirt, hat sich als falsch erwiesen. Anlaß zu diesem Gerücht gab eine Meuterei, welche gegen den Commandanten jenes Eilandes ausbrach, aber unterdrückt wurde.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 17 April.</dateline>
          <p> Zwei Drittheile der Pairskammer haben für die geheimen Fonds, nur ein Drittheil hat dagegen gestimmt. Dieß ist nur ein scheinbarer Triumph des Ministeriums. Die Majorität der Pairskammer hat mit ihrem Votum nicht erklärt, daß das Ministerium ihr Vertrauen besitze, sondern nur, daß man es vor der Hand dulden, daß man erst seine praktische Politik abwarten wolle, daß man zur Zeit den Muth nicht habe, oder nicht für gerathen halte, dem deutlich ausgesprochenen Willen des Landes entgegenzutreten. Die wenigsten Mitglieder der Majorität sind Freunde des Ministeriums. Im Gegentheil: sie fragen mißtrauisch, woher es komme, warum es da sey und wohin es wolle. Dagegen erklären sich 53 Mitglieder, ohne erst die Handlungen des Ministeriums abwarten zu wollen, für die Feinde seiner Herkunft, seiner Existenz und seiner Zukunft. Dieß ist die stärkste Opposition, die je ein Ministerium in diesem Hause erfahren hat. Nur wenige Persönlichkeiten sind als offene Anhänger der Minister und ihres Systems aufgetreten, aber diese Ausnahmen bezeichnen die Regel. Es sind dieß junge, unabhängige Männer von altem Adel und neuen Gesinnungen, Männer voll Kraft, die ohne Krücken gehen können. Einer von ihnen, der Graf d'Alton Shee, hat sogar von der Nothwendigkeit einer Reform der Pairskammer gesprochen. Man kann sich vorstellen, wie die naive Expectoration aufgenommen ward; es war als hätte man einem Podagristen auf den großen Zehen getreten. Auch suchte Hr. Villemain, der jedem Gegner des neuen Ministeriums zu Ohren spricht, die Kammer auf der Stelle zu beruhigen und sich durch diesen guten Dienst bei ihr in Gunst zu setzen. Die Kammer hörte aber nicht auf zu fühlen, daß Hr. d'Alton Shee den wundesten Fleck an ihrem Körper berührt habe. Im Publicum fängt man jetzt erst an, die ganze Summe von Talent und Geschicklichkeit, welche das Ministerium und insbesondere sein Chef während dieser Verhandlungen an den Tag gelegt, zu berechnen. Die Reden des Hrn. Thiers sind zu ganz andern Ohren gesprochen, als zu denen von Männern, deren Gesinnungen und Abstimmungen er zum voraus kannte, und die durch bessere Ueberzeugung zu bekehren ihm schwerlich in den Sinn gekommen ist. Den Angestellten der Deputirtenkammer erklärt er Vergessenheit und Vergebung des Vergangenen, aber auch Absetzung im Fall der Widerspänstigkeit &#x2013; dem Hof, daß er sein Amt mit dem der Krone schuldigen Respect zu verwalten wissen, aber auch Independenz der Gesinnung genug haben werde, um es niederzulegen, im Fall es nicht mehr mit Ehren zu bekleiden sey &#x2013; dem englischen Cabinet, daß die englisch-französische Allianz nur so lange bestehen könne, als sie mit der Ehre und den Interessen Frankreichs vereinbarlich sey &#x2013; der linken Seite, daß er Freunde, die mit ihm unter Einer Fahne gekämpft, nie verlassen werde &#x2013; dem Publicum, daß seine Politik eine nationale seyn werde, und daß die Gerüchte, als spielte er mit dem englischen Cabinet unter Einer Decke, elende Verleumdungen seyen &#x2013; den europäischen Mächten, daß er Geschicklichkeit genug haben werde, um die Interessen von Europa mit den nationalen Interessen von Frankreich in Einklang zu bringen. In dem, was er verschweigt, nicht minder als in dem, was er sagt, beweist er den höchsten Grad von Klugheit und Mäßigung. Die persönlichen Ausfälle des Hrn. Merilhou und die groben Inconsequenzen des Hrn. Villemain übergeht er mit Stillschweigen, ungeachtet es ihm ein Leichtes gewesen wäre, sie zu vernichten. Hr. Merilhou, der dem Hrn. Thiers die Inconsequenzen seines politischen Lebens nachweisen will, ist nämlich derselbe Hr. Merilhou, welcher zur Zeit der Restauration unter die heftigsten Carbonaris gehörte, derselbe, welcher unter Casimir Perrier unter der Linken saß. Hr. Villemain war bekanntlich vor dem 12 Mai 1839 einer der entschiedensten Liberalen in der Pairskammer. Jetzt ist dem Hrn. Merilhou eine Transaction zwischen der Linken und dem Centrum ein Gräuel, und Hr. Villemain, einer der Coalitionschefs, will von keinem parlamentarischen Gouvernement wissen. Ihm ist jetzt der Degen des Marschalls Soult, &#x201E;des Lieutenants Napoleons,&#x201C; Alles und Alles. Er allein soll nach Hrn. Villemain verhindert haben, daß Ibrahim nach der Schlacht von Nisib das taurische Gebirge nicht überstieg. Hr. Thiers wußte wohl, daß der Pascha von Aegypten nach dieser Schlacht dem Ibrahim Befehl gegeben, nicht weiter vorzurücken, und daß die Botschaft des Marschalls ihn keineswegs zu der von ihm bewiesenen Mäßigung bestimmte. Gleichwohl hatte Hr. Thiers den Tact, diese Thatsache nicht anzuführen, um den Marschall und den Hof nicht zu verletzen. Dagegen konnte Graf Jaubert sich nicht enthalten, den Hrn. Villemain durch ein Impromptu etwas lächerlich zu machen. Er sollte auf Ausfälle gegen die Coalition antworten, erklärte aber, daß er die Lösung dieser Aufgabe seinem Nachfolger auf der Tribune (Hrn. Villemain), einem der glänzendsten Redner der Kammer und einem der angesehensten Chefs der Coalition überlassen wolle. Hrn. Villemain konnte vor dem lauten Gelächter der gravitätischen Pairskammer lange nicht zum Wort kommen. Das Resultat dieser Verhandlungen ist indessen immerhin zu Gunsten des Ministeriums. Es hat sein moralisches Uebergewicht in der Pairskammer wie früher in der Deputirtenkammer behauptet, und zwar in einem so hohen Grade, daß das Journal des Débats Hrn. Thiers heute wider Willen eine Lobrede hält, und den Wunsch nicht unterdrücken kann, ihn wiederum unter die Seinigen zu zählen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#g">Preußische Staatszeitung</hi> enthält folgendes Schreiben aus Neapel vom 27 März. &#x201E;Die Streitfrage mit England wegen des Schwefelmonopols beschäftigt fortwährend alle Gemüther. Man kann sich nicht verhehlen, daß sich die Regierung in einem schlimmen Dilemma befindet, indem ihr einerseits durch den Contract mit dem Hause Taix und Comp. die Hände gebunden sind, und andererseits die englische Regierung, gestützt auf den 5ten Artikel des Tractats von 1816,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0900/0004] Medeah, Miliana und Tekedemt ganz unterbleibt. Die Verbindung mit Scherschel fand nur zur See statt. Gerüchte gingen, daß dieser neubesetzte Punkt von den Kabylen angegriffen worden sey. In den Umgebungen von Algier zeigten die Araber sich wieder in gleicher Zahl und mit derselben Keckheit, wie früher; die Ermordungen waren an der Tagesordnung. Unter den letzten Opfern nennt man Hr. Boutin, ehemaligen Maire der Gemeinde Hussein Dey, dessen Leiche, von Wunden zerrissen, zwischen Duera und Tixeraim aufgefunden worden. Der Correspondent des Toulonnais, der alle diese Details mittheilt, sagt auch, Niemand hege in Algier große Erwartungen von den bevorstehenden Operationen, da bei der Taktik der Araber, vor einem vordringenden Feind zu fliehen und Alles im Stich zu lassen, aber plötzlich wieder umzukehren, sobald der Mangel an Lebensmitteln ihre Gegner zum Rückzug zwinge, mit einem Heere gar nichts auszurichten sey. Der Sémaphore will die Nachricht haben, daß Abd-el-Kader gegenwärtig vom Marabut Tidschini im Rücken bedroht und genöthigt worden sey, einen Theil seiner Truppen nach der Wüste zu schicken. Das vor einiger Zeit verbreitete Gerücht, als habe der Commandant der kleinen Insel Raschgun an der Mündung der Tafna die Republik proclamirt, hat sich als falsch erwiesen. Anlaß zu diesem Gerücht gab eine Meuterei, welche gegen den Commandanten jenes Eilandes ausbrach, aber unterdrückt wurde. _ Paris, 17 April. Zwei Drittheile der Pairskammer haben für die geheimen Fonds, nur ein Drittheil hat dagegen gestimmt. Dieß ist nur ein scheinbarer Triumph des Ministeriums. Die Majorität der Pairskammer hat mit ihrem Votum nicht erklärt, daß das Ministerium ihr Vertrauen besitze, sondern nur, daß man es vor der Hand dulden, daß man erst seine praktische Politik abwarten wolle, daß man zur Zeit den Muth nicht habe, oder nicht für gerathen halte, dem deutlich ausgesprochenen Willen des Landes entgegenzutreten. Die wenigsten Mitglieder der Majorität sind Freunde des Ministeriums. Im Gegentheil: sie fragen mißtrauisch, woher es komme, warum es da sey und wohin es wolle. Dagegen erklären sich 53 Mitglieder, ohne erst die Handlungen des Ministeriums abwarten zu wollen, für die Feinde seiner Herkunft, seiner Existenz und seiner Zukunft. Dieß ist die stärkste Opposition, die je ein Ministerium in diesem Hause erfahren hat. Nur wenige Persönlichkeiten sind als offene Anhänger der Minister und ihres Systems aufgetreten, aber diese Ausnahmen bezeichnen die Regel. Es sind dieß junge, unabhängige Männer von altem Adel und neuen Gesinnungen, Männer voll Kraft, die ohne Krücken gehen können. Einer von ihnen, der Graf d'Alton Shee, hat sogar von der Nothwendigkeit einer Reform der Pairskammer gesprochen. Man kann sich vorstellen, wie die naive Expectoration aufgenommen ward; es war als hätte man einem Podagristen auf den großen Zehen getreten. Auch suchte Hr. Villemain, der jedem Gegner des neuen Ministeriums zu Ohren spricht, die Kammer auf der Stelle zu beruhigen und sich durch diesen guten Dienst bei ihr in Gunst zu setzen. Die Kammer hörte aber nicht auf zu fühlen, daß Hr. d'Alton Shee den wundesten Fleck an ihrem Körper berührt habe. Im Publicum fängt man jetzt erst an, die ganze Summe von Talent und Geschicklichkeit, welche das Ministerium und insbesondere sein Chef während dieser Verhandlungen an den Tag gelegt, zu berechnen. Die Reden des Hrn. Thiers sind zu ganz andern Ohren gesprochen, als zu denen von Männern, deren Gesinnungen und Abstimmungen er zum voraus kannte, und die durch bessere Ueberzeugung zu bekehren ihm schwerlich in den Sinn gekommen ist. Den Angestellten der Deputirtenkammer erklärt er Vergessenheit und Vergebung des Vergangenen, aber auch Absetzung im Fall der Widerspänstigkeit – dem Hof, daß er sein Amt mit dem der Krone schuldigen Respect zu verwalten wissen, aber auch Independenz der Gesinnung genug haben werde, um es niederzulegen, im Fall es nicht mehr mit Ehren zu bekleiden sey – dem englischen Cabinet, daß die englisch-französische Allianz nur so lange bestehen könne, als sie mit der Ehre und den Interessen Frankreichs vereinbarlich sey – der linken Seite, daß er Freunde, die mit ihm unter Einer Fahne gekämpft, nie verlassen werde – dem Publicum, daß seine Politik eine nationale seyn werde, und daß die Gerüchte, als spielte er mit dem englischen Cabinet unter Einer Decke, elende Verleumdungen seyen – den europäischen Mächten, daß er Geschicklichkeit genug haben werde, um die Interessen von Europa mit den nationalen Interessen von Frankreich in Einklang zu bringen. In dem, was er verschweigt, nicht minder als in dem, was er sagt, beweist er den höchsten Grad von Klugheit und Mäßigung. Die persönlichen Ausfälle des Hrn. Merilhou und die groben Inconsequenzen des Hrn. Villemain übergeht er mit Stillschweigen, ungeachtet es ihm ein Leichtes gewesen wäre, sie zu vernichten. Hr. Merilhou, der dem Hrn. Thiers die Inconsequenzen seines politischen Lebens nachweisen will, ist nämlich derselbe Hr. Merilhou, welcher zur Zeit der Restauration unter die heftigsten Carbonaris gehörte, derselbe, welcher unter Casimir Perrier unter der Linken saß. Hr. Villemain war bekanntlich vor dem 12 Mai 1839 einer der entschiedensten Liberalen in der Pairskammer. Jetzt ist dem Hrn. Merilhou eine Transaction zwischen der Linken und dem Centrum ein Gräuel, und Hr. Villemain, einer der Coalitionschefs, will von keinem parlamentarischen Gouvernement wissen. Ihm ist jetzt der Degen des Marschalls Soult, „des Lieutenants Napoleons,“ Alles und Alles. Er allein soll nach Hrn. Villemain verhindert haben, daß Ibrahim nach der Schlacht von Nisib das taurische Gebirge nicht überstieg. Hr. Thiers wußte wohl, daß der Pascha von Aegypten nach dieser Schlacht dem Ibrahim Befehl gegeben, nicht weiter vorzurücken, und daß die Botschaft des Marschalls ihn keineswegs zu der von ihm bewiesenen Mäßigung bestimmte. Gleichwohl hatte Hr. Thiers den Tact, diese Thatsache nicht anzuführen, um den Marschall und den Hof nicht zu verletzen. Dagegen konnte Graf Jaubert sich nicht enthalten, den Hrn. Villemain durch ein Impromptu etwas lächerlich zu machen. Er sollte auf Ausfälle gegen die Coalition antworten, erklärte aber, daß er die Lösung dieser Aufgabe seinem Nachfolger auf der Tribune (Hrn. Villemain), einem der glänzendsten Redner der Kammer und einem der angesehensten Chefs der Coalition überlassen wolle. Hrn. Villemain konnte vor dem lauten Gelächter der gravitätischen Pairskammer lange nicht zum Wort kommen. Das Resultat dieser Verhandlungen ist indessen immerhin zu Gunsten des Ministeriums. Es hat sein moralisches Uebergewicht in der Pairskammer wie früher in der Deputirtenkammer behauptet, und zwar in einem so hohen Grade, daß das Journal des Débats Hrn. Thiers heute wider Willen eine Lobrede hält, und den Wunsch nicht unterdrücken kann, ihn wiederum unter die Seinigen zu zählen. Italien. Die Preußische Staatszeitung enthält folgendes Schreiben aus Neapel vom 27 März. „Die Streitfrage mit England wegen des Schwefelmonopols beschäftigt fortwährend alle Gemüther. Man kann sich nicht verhehlen, daß sich die Regierung in einem schlimmen Dilemma befindet, indem ihr einerseits durch den Contract mit dem Hause Taix und Comp. die Hände gebunden sind, und andererseits die englische Regierung, gestützt auf den 5ten Artikel des Tractats von 1816,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840, S. 0900. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/4>, abgerufen am 22.11.2024.