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Allgemeine Zeitung. Nr. 102. Augsburg, 11. April 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 102.
11 April 1840.

Großbritannien.

Die Debatten über die Korngesetzfrage kamen in der gestrigen Sitzung des Unterhauses, der dritten, in welcher dieselbe verhandelt wurde, zu einem plötzlichen resultatlosen Schlusse. Eine Reihe untergeordneter Redner sprach für und wider die Motion: dafür die HH. Brotherton, Greg und Parker; dawider die HH. G. Vernon, Ormsby Gore, Benett und Wilbraham. Die Gegner der Korngesetze bekämpften diese als ungerecht, politisch unklug und unmenschlich, als bloß darauf abzweckend, eine kleine Fraction der Bevölkerung, die monopolisirenden Grundeigenthümer, auf Kosten der Gesammtbevölkerung zu bereichern; England sey kein Agricultur-, sondern ein Manufacturstaat, und namentlich jetzt stehe es auf einem Punkte des Fortschrittes in Industrie und Handel, wo es nothwendig in beiden noch weiter gehen müsse. Jene beharrten bei der Entgegnung, die Landwirthschaft sey zu einem gleichen Zollschutze wie die verschiedenen Manufacturzweige berechtigt; der Ackerbau könne durch Urbarmachung wüstliegender Ländereien im Vereinigten Königreich - Gore rechnete deren gegen 4,000,000 Acres - noch sehr gehoben werden; der Begriff "theures und wohlfeiles Brod" sey ein relativer, denn theures Brod sey kein Uebel für Leute, die hohe Arbeitslöhne einnehmen; in jedem Betracht verwerflich sey die Tendenz, das physisch und moralisch kerngesunde brittische Landvolk in Fabrikarbeiter umzuwandeln; England dürfe hinsichtlich seines Getreidebedarfs nicht von Rußland und Preußen abhängig gemacht werden u. s. w. Alle Argumente der Schutzredner der Korngesetze faßte zuletzt Sir R. Peel in einem längern Vortrag zusammen, auf den wir zurückkommen werden. Er schloß mit den Worten: "Gefahr, Verwirrung und Noth, fürcht' ich, würden bei weitem die Vortheile überwiegen, die man sich von der gewaltsamen Aenderung des bisherigen Systems verspricht; um ein theoretisches Uebel zu heilen, soll etwas praktisch Gutes aufgeopfert werden, das kann nicht meine Meinung seyn, und darum werde ich gegen die Motion stimmen." Als Sir Robert sich niedergesetzt hatte, stellte Hr. Warburton (radicales Mitglied für Bridport) den Antrag, die Debatte auf nächsten Montag (6 April) zu vertagen. Der wegen seiner berüchtigten Rede in Canterbury vor einiger Zeit oftgenannte Tory Hr. Bradshaw schlug als Amendement die Vertagung bis Montag über acht Tage (13) vor. Der Sprecher stellte darauf einfach, ohne einen Tag zu nennen, die Frage, ob die Verhandlung vertagt werden solle, oder nicht. Dieß wurde mit 245 gegen 129 Stimmen verneint. "Wäre," so erklärt das M. Chronicle diese etwas dunkle Parlamentsförmlichkeit, "wäre die Motion durchgegangen, so würde der nächste Vorschlag die Vertagung der Debatte bis zum 13 April gewesen seyn, und wäre dieß angenommen worden, so wäre am 13 dann eine weitere Vertagung bis nach den Osterferien erfolgt. Am 15 April beginnen diese Ferien, und diejenigen, die auf die Vertagung bis zum 13 antrugen, wußten wohl, daß dann die Berathung wichtiger Bills aus dem Oberhause an der Tagesordnung seyn würde. Diese Umstände erwägend, trug Hr. Warburton sofort auf eine Vertagung (nicht der Debatte), sondern des Hauses an, um eine Abstimmung über die Hauptfrage zu vermeiden, da so viele Unterstützer der Villiers'schen Motion theils abwesend waren, theils noch nicht gesprochen hatten (z. B. vom Ministerium die Lords Russell und Palmerston und die HH. Baring und Macaulay noch nicht), weil sie auf eine längere Berathung rechneten. Hrn. Villiers' Motion ist hiernach zu Boden gefallen - ein "dropped order" geworden, und die Wiedervornahme dieser Discussion ist durch die Stellung einer ganz neuen Motion bedingt. Wir können den Kniff, welchen Hr. Bradshaw auf solche Weise zu spielen versucht hat, nicht ernstlich genug tadeln, bedeuten ihm aber, daß die Debatte über eine Frage, wie die der Korngesetze, nicht durch Tücke oder Tergiversation escamotirt werden kann. Wollte man das wirksamste Mittel wählen, das Land in Harnisch zu bringen, so war es allerdings dieses Verfahren, das einer Erklärung des Parlaments gleich kommt, nicht auf Vernunftgründe hören zu wollen. Noch einmal: die Kornfrage, ihr Herren Tories! werdet ihr nicht so leichten Kaufes los. Der Ruf um Abschaffung derselben wird euch immer und immer wieder in die Ohren gällen, und wir vertrauen hinsichtlich des Ausgangs dieses Kampfes einer weisen und allmächtigen Vorsehung."

Am 3 April hielt die Königin im Buckinghampalast ein geheimes Conseil, und wohnte Nachts einem höchst prachtvollen Ball im Hause des Marquis v. Lansdowne bei. Auf heute ist ein Cabinetsrath im auswärtigen Amte angesagt.

Der Standard sagt unter der Aufschrift: "Meinungszwiespalt im Cabinet:" "Aus einer Quelle, die wir als eine sehr glaubwürdige betrachten dürfen, vernehmen wir, daß ein ernstlicher und dem Anschein nach unversöhnlicher Zwiespalt im Cabinet über die neapolitanische Frage eingetreten ist. Im letzten

Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 102.
11 April 1840.

Großbritannien.

Die Debatten über die Korngesetzfrage kamen in der gestrigen Sitzung des Unterhauses, der dritten, in welcher dieselbe verhandelt wurde, zu einem plötzlichen resultatlosen Schlusse. Eine Reihe untergeordneter Redner sprach für und wider die Motion: dafür die HH. Brotherton, Greg und Parker; dawider die HH. G. Vernon, Ormsby Gore, Benett und Wilbraham. Die Gegner der Korngesetze bekämpften diese als ungerecht, politisch unklug und unmenschlich, als bloß darauf abzweckend, eine kleine Fraction der Bevölkerung, die monopolisirenden Grundeigenthümer, auf Kosten der Gesammtbevölkerung zu bereichern; England sey kein Agricultur-, sondern ein Manufacturstaat, und namentlich jetzt stehe es auf einem Punkte des Fortschrittes in Industrie und Handel, wo es nothwendig in beiden noch weiter gehen müsse. Jene beharrten bei der Entgegnung, die Landwirthschaft sey zu einem gleichen Zollschutze wie die verschiedenen Manufacturzweige berechtigt; der Ackerbau könne durch Urbarmachung wüstliegender Ländereien im Vereinigten Königreich – Gore rechnete deren gegen 4,000,000 Acres – noch sehr gehoben werden; der Begriff „theures und wohlfeiles Brod“ sey ein relativer, denn theures Brod sey kein Uebel für Leute, die hohe Arbeitslöhne einnehmen; in jedem Betracht verwerflich sey die Tendenz, das physisch und moralisch kerngesunde brittische Landvolk in Fabrikarbeiter umzuwandeln; England dürfe hinsichtlich seines Getreidebedarfs nicht von Rußland und Preußen abhängig gemacht werden u. s. w. Alle Argumente der Schutzredner der Korngesetze faßte zuletzt Sir R. Peel in einem längern Vortrag zusammen, auf den wir zurückkommen werden. Er schloß mit den Worten: „Gefahr, Verwirrung und Noth, fürcht' ich, würden bei weitem die Vortheile überwiegen, die man sich von der gewaltsamen Aenderung des bisherigen Systems verspricht; um ein theoretisches Uebel zu heilen, soll etwas praktisch Gutes aufgeopfert werden, das kann nicht meine Meinung seyn, und darum werde ich gegen die Motion stimmen.“ Als Sir Robert sich niedergesetzt hatte, stellte Hr. Warburton (radicales Mitglied für Bridport) den Antrag, die Debatte auf nächsten Montag (6 April) zu vertagen. Der wegen seiner berüchtigten Rede in Canterbury vor einiger Zeit oftgenannte Tory Hr. Bradshaw schlug als Amendement die Vertagung bis Montag über acht Tage (13) vor. Der Sprecher stellte darauf einfach, ohne einen Tag zu nennen, die Frage, ob die Verhandlung vertagt werden solle, oder nicht. Dieß wurde mit 245 gegen 129 Stimmen verneint. „Wäre,“ so erklärt das M. Chronicle diese etwas dunkle Parlamentsförmlichkeit, „wäre die Motion durchgegangen, so würde der nächste Vorschlag die Vertagung der Debatte bis zum 13 April gewesen seyn, und wäre dieß angenommen worden, so wäre am 13 dann eine weitere Vertagung bis nach den Osterferien erfolgt. Am 15 April beginnen diese Ferien, und diejenigen, die auf die Vertagung bis zum 13 antrugen, wußten wohl, daß dann die Berathung wichtiger Bills aus dem Oberhause an der Tagesordnung seyn würde. Diese Umstände erwägend, trug Hr. Warburton sofort auf eine Vertagung (nicht der Debatte), sondern des Hauses an, um eine Abstimmung über die Hauptfrage zu vermeiden, da so viele Unterstützer der Villiers'schen Motion theils abwesend waren, theils noch nicht gesprochen hatten (z. B. vom Ministerium die Lords Russell und Palmerston und die HH. Baring und Macaulay noch nicht), weil sie auf eine längere Berathung rechneten. Hrn. Villiers' Motion ist hiernach zu Boden gefallen – ein „dropped order“ geworden, und die Wiedervornahme dieser Discussion ist durch die Stellung einer ganz neuen Motion bedingt. Wir können den Kniff, welchen Hr. Bradshaw auf solche Weise zu spielen versucht hat, nicht ernstlich genug tadeln, bedeuten ihm aber, daß die Debatte über eine Frage, wie die der Korngesetze, nicht durch Tücke oder Tergiversation escamotirt werden kann. Wollte man das wirksamste Mittel wählen, das Land in Harnisch zu bringen, so war es allerdings dieses Verfahren, das einer Erklärung des Parlaments gleich kommt, nicht auf Vernunftgründe hören zu wollen. Noch einmal: die Kornfrage, ihr Herren Tories! werdet ihr nicht so leichten Kaufes los. Der Ruf um Abschaffung derselben wird euch immer und immer wieder in die Ohren gällen, und wir vertrauen hinsichtlich des Ausgangs dieses Kampfes einer weisen und allmächtigen Vorsehung.“

Am 3 April hielt die Königin im Buckinghampalast ein geheimes Conseil, und wohnte Nachts einem höchst prachtvollen Ball im Hause des Marquis v. Lansdowne bei. Auf heute ist ein Cabinetsrath im auswärtigen Amte angesagt.

Der Standard sagt unter der Aufschrift: „Meinungszwiespalt im Cabinet:“ „Aus einer Quelle, die wir als eine sehr glaubwürdige betrachten dürfen, vernehmen wir, daß ein ernstlicher und dem Anschein nach unversöhnlicher Zwiespalt im Cabinet über die neapolitanische Frage eingetreten ist. Im letzten

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[0809/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Sonnabend Nr. 102. 11 April 1840. Großbritannien. _ London, 4 April. Die Debatten über die Korngesetzfrage kamen in der gestrigen Sitzung des Unterhauses, der dritten, in welcher dieselbe verhandelt wurde, zu einem plötzlichen resultatlosen Schlusse. Eine Reihe untergeordneter Redner sprach für und wider die Motion: dafür die HH. Brotherton, Greg und Parker; dawider die HH. G. Vernon, Ormsby Gore, Benett und Wilbraham. Die Gegner der Korngesetze bekämpften diese als ungerecht, politisch unklug und unmenschlich, als bloß darauf abzweckend, eine kleine Fraction der Bevölkerung, die monopolisirenden Grundeigenthümer, auf Kosten der Gesammtbevölkerung zu bereichern; England sey kein Agricultur-, sondern ein Manufacturstaat, und namentlich jetzt stehe es auf einem Punkte des Fortschrittes in Industrie und Handel, wo es nothwendig in beiden noch weiter gehen müsse. Jene beharrten bei der Entgegnung, die Landwirthschaft sey zu einem gleichen Zollschutze wie die verschiedenen Manufacturzweige berechtigt; der Ackerbau könne durch Urbarmachung wüstliegender Ländereien im Vereinigten Königreich – Gore rechnete deren gegen 4,000,000 Acres – noch sehr gehoben werden; der Begriff „theures und wohlfeiles Brod“ sey ein relativer, denn theures Brod sey kein Uebel für Leute, die hohe Arbeitslöhne einnehmen; in jedem Betracht verwerflich sey die Tendenz, das physisch und moralisch kerngesunde brittische Landvolk in Fabrikarbeiter umzuwandeln; England dürfe hinsichtlich seines Getreidebedarfs nicht von Rußland und Preußen abhängig gemacht werden u. s. w. Alle Argumente der Schutzredner der Korngesetze faßte zuletzt Sir R. Peel in einem längern Vortrag zusammen, auf den wir zurückkommen werden. Er schloß mit den Worten: „Gefahr, Verwirrung und Noth, fürcht' ich, würden bei weitem die Vortheile überwiegen, die man sich von der gewaltsamen Aenderung des bisherigen Systems verspricht; um ein theoretisches Uebel zu heilen, soll etwas praktisch Gutes aufgeopfert werden, das kann nicht meine Meinung seyn, und darum werde ich gegen die Motion stimmen.“ Als Sir Robert sich niedergesetzt hatte, stellte Hr. Warburton (radicales Mitglied für Bridport) den Antrag, die Debatte auf nächsten Montag (6 April) zu vertagen. Der wegen seiner berüchtigten Rede in Canterbury vor einiger Zeit oftgenannte Tory Hr. Bradshaw schlug als Amendement die Vertagung bis Montag über acht Tage (13) vor. Der Sprecher stellte darauf einfach, ohne einen Tag zu nennen, die Frage, ob die Verhandlung vertagt werden solle, oder nicht. Dieß wurde mit 245 gegen 129 Stimmen verneint. „Wäre,“ so erklärt das M. Chronicle diese etwas dunkle Parlamentsförmlichkeit, „wäre die Motion durchgegangen, so würde der nächste Vorschlag die Vertagung der Debatte bis zum 13 April gewesen seyn, und wäre dieß angenommen worden, so wäre am 13 dann eine weitere Vertagung bis nach den Osterferien erfolgt. Am 15 April beginnen diese Ferien, und diejenigen, die auf die Vertagung bis zum 13 antrugen, wußten wohl, daß dann die Berathung wichtiger Bills aus dem Oberhause an der Tagesordnung seyn würde. Diese Umstände erwägend, trug Hr. Warburton sofort auf eine Vertagung (nicht der Debatte), sondern des Hauses an, um eine Abstimmung über die Hauptfrage zu vermeiden, da so viele Unterstützer der Villiers'schen Motion theils abwesend waren, theils noch nicht gesprochen hatten (z. B. vom Ministerium die Lords Russell und Palmerston und die HH. Baring und Macaulay noch nicht), weil sie auf eine längere Berathung rechneten. Hrn. Villiers' Motion ist hiernach zu Boden gefallen – ein „dropped order“ geworden, und die Wiedervornahme dieser Discussion ist durch die Stellung einer ganz neuen Motion bedingt. Wir können den Kniff, welchen Hr. Bradshaw auf solche Weise zu spielen versucht hat, nicht ernstlich genug tadeln, bedeuten ihm aber, daß die Debatte über eine Frage, wie die der Korngesetze, nicht durch Tücke oder Tergiversation escamotirt werden kann. Wollte man das wirksamste Mittel wählen, das Land in Harnisch zu bringen, so war es allerdings dieses Verfahren, das einer Erklärung des Parlaments gleich kommt, nicht auf Vernunftgründe hören zu wollen. Noch einmal: die Kornfrage, ihr Herren Tories! werdet ihr nicht so leichten Kaufes los. Der Ruf um Abschaffung derselben wird euch immer und immer wieder in die Ohren gällen, und wir vertrauen hinsichtlich des Ausgangs dieses Kampfes einer weisen und allmächtigen Vorsehung.“ Am 3 April hielt die Königin im Buckinghampalast ein geheimes Conseil, und wohnte Nachts einem höchst prachtvollen Ball im Hause des Marquis v. Lansdowne bei. Auf heute ist ein Cabinetsrath im auswärtigen Amte angesagt. Der Standard sagt unter der Aufschrift: „Meinungszwiespalt im Cabinet:“ „Aus einer Quelle, die wir als eine sehr glaubwürdige betrachten dürfen, vernehmen wir, daß ein ernstlicher und dem Anschein nach unversöhnlicher Zwiespalt im Cabinet über die neapolitanische Frage eingetreten ist. Im letzten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 102. Augsburg, 11. April 1840, S. 0809. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_102_18400411/1>, abgerufen am 21.11.2024.