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Allgemeine Zeitung. Nr. 98. Augsburg, 7. April 1840.

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Frankreich.

Dem Constitutionnel zufolge wird General Negrier, der früher mit so großer Auszeichnung in der Provinz Constantine commandirt hat, mit einem Commando nach Afrika zurückkehren.

[irrelevantes Material] Die Pairskammer hörte am 2 April die Trauerrede auf Hrn. v. Prony von Hrn. Karl Dupin. Der Kriegsminister brachte dann einen Entwurf zu einem Kredit von 650,000 Fr. für Militarpensionen ein.

Es wurde bereits erwahnt, daß einer der 221 den früher von der Linken ausgegangenen Versuch erneuert hat, die Gewinnung der Deputirten durch Gunstbezeugungen etc. zu erschweren. Dem National zufolge lautet der Text des von Hrn. v. Remilly auf dem Bureau der Deputirtenkammer niedergelegten Vorschlags: "Art. 1. Die Mitglieder der Deputirtenkammer können im Laufe ihrer Legislatur und in dem darauf folgenden Jahre weder zu besoldeten Functionen, Stellen oder Verwendungen berufen werden noch eine Beförderung erhalten. Ausgenommen sind: a) die Verrichtungen als Minister und Unterstaatssecretare; b) die diplomatischen Functionen; c) die Militärcommandos und das Avancement für den Kriegsdienst in Kriegszeit; d) das Avancement, das in Friedenszeit die Land- und Seeofficiere durch das Recht der Anciennetat erhalten; e) und die hohen Verrichtungen für ausgezeichnete dem Lande geleistete Dienste, die durch k. Ordonnanz nach einer im Ministerconseil vorangegangenen Berathschlagung übertragen worden sind. Art. 2. Die Mitglieder der Deputirtenkammer können keine Empfehlungen in Privat-, persönlichen oder örtlichen Interessen zugestehen." Der National versichert, ein in dem Organ der 221 erschienenes Schreiben des Hrn. v. Remilly lasse keinen Zweifel über den Entschluß dieses Deputirten, diese Frage zur Lösung zu bringen.

Ein Blatt bemerkt hiezu: "Der zweite Artikel dieses Antrags ist Unsinn, da sich so etwas nicht durch Gesetze verbieten laßt. Die Bestimmung des ersten Artikels erstickt unter den Ausnahmen, wie der Courrier richtig bemerkt. Die gemäßigte Linke scheint nicht geneigt zu seyn, um dieser todtgebornen Reform willen ihren Bund mit Thiers zu brechen und eine Coalition mit den Conservativen einzugehen. Zwei Organe des Ministeriums, der Constitutionnel und der Nouvelliste, stellen für den Fall der Annahme des Vorschlags eine Auflösung in Aussicht. Es scheint fast, als ob dieses Manöuvre der letzte Ausweg der Conservativen wäre. "Die conservative Partei, schreibt die Gazette, ist in vollständiger Auflösung. Das Journal des Debats vertheidigt Hrn. Thiers (gegen die Gazette.)" Die Presse sagt, "sie könne nicht umhin, den Erfolg anzuerkennen, den er errungen, und die Stellung der Conservativen ihm gegenüber müsse sich ändern, weil er Sieger sey." Das Pavs ist das einzige Blatt der 221, das an der Opposition festhält. Das Journal des Debats sucht dem Ministerium zu beweisen, eine Entfernung seiner Gegner aus den öffentlichen Aemtern wäre unpolitisch. Von Seite des Ministeriums war mit dieser Maaßregel gedroht worden, welche auch fast das ganze Personal der Redaction des Journal des Debats treffen würde."

Doctor William Murdoch, ein ausgezeichneter englischer Arzt, ist in Versailles, wo er sich seit längerer Zeit niedergelassen hatte, gestorben.

Gestern hat endlich das Ministerium sich in der so wichtigen Frage der Auflage auf die beiden Arten von Zucker ausgesprochen. Bekanntlich hatte der vom vorigen Ministerium vorgelegte Entwurf die Erhöhung der Auflage auf den Runkelrübenzucker bis zu einem gleichen Betrag mit dem auf den Colonialzucker vorgeschlagen, dabei aber den Fabricanten des ersteren eine Entschädigung zugesichert. Das jetzige Cabinet hat gestern der Commission der Deputirtenkammer erklärt, es beabsichtige die ursprüngliche Auflage von 45 Fr. auf den Colonialzucker bestehen zu lassen, die auf den inländischen von 15 auf 25 Fr. zu erhöhen, dagegen den Fabricanten des letztern keine Entschädigung zuzugestehen. - Die Streitigkeiten zwischen Neapel und England scheinen sich durch eine Dazwischenkunft des französischen Cabinets zu compliciren. Bekanntlich hat der König von Neapel durch einen Vertrag einer französischen Gesellschaft das Monopol des Schwefels in Sicilien zugestanden, und diese Gesellschaft hat bereits ein Capital von 5 bis 7 Millionen baar in diese Unternehmung gesteckt. England verlangt von der neapolitanischen Regierung die Aufhebung dieses Vertrags. Man erfährt jetzt, daß der bekannte Bankier Laffitte, der als Deputirter der Linken angehört, an der Spitze jener Gesellschaft steht. Derselbe hat nun seinen alten Freund Thiers, der ihm aus der Zeit vor 1830 Verbindlichkeiten schuldig ist, um Hülfe angegangen, und Hr. Thiers, um der Linken seine Zuneigung zu beweisen, hat energische Noten an die Höfe von London und Neapel erlassen: die nach Neapel ging vor ein paar Tagen durch einen besondern Courier ab.

Der Kronprinz reist heute nach Afrika ab. Er wird dort bei der Expedition gegen Abd-El-Kader das ihm schon von dem vorigen Ministerium übertragene Commando übernehmen. Der Herzog von Orleans hatte den Soldaten, welche mit ihm den Ausflug nach den eisernen Thoren gemacht hatten, der den Vorwand zu den gegenwärtigen Feindseligkeiten gegeben hat, feierlich versprochen, sich an ihre Spitze zu stellen und einen gefährlicheren Feldzug mit ihnen zu theilen. Dieser Feldzug wird jetzt eröffnet, und der Prinz hat geglaubt, sein im Angesicht unserer Armee und der arabischen Bevölkerungen gegebenes Wort halten zu müssen. Die Expedition wird nicht über drei Wochen dauern, indem alle Maaßregeln zur Ueberwindung ernster Hindernisse getroffen sind. Das Ministerium hat nichtsdestoweniger Alles angewandt, um den Kronprinzen abzuhalten, sich den Gefahren der Expedition auszusetzen. Der Herzog von Orleans betrachtete aber seinen Entschluß als eine Ehrensache. Der König und das Ministerium konnten seinem energisch ausgesprochenen Willen nicht widerstehen.

Wir leben in einer sonderbaren Uebergangsperiode. In Erwartung der Gesetzesvorschläge des neuen Ministeriums, auf welche seine Freunde zählen, und die seine Feinde stets anregen, führen die Journale unter sich einen Krieg, dessen Charakter oft schwer zu verstehen ist. Es scheint, die innere Spaltung der 221 hat auch eine fortwährende Unsicherheit in den Aeußerungen ihrer Organe hervorgebracht. Lesen Sie heute das Journal des Debats, die Presse, und Sie glauben an deren fortgesetzte unversöhnliche Opposition gegen das Ministerium; morgen ist Alles anders: die Presse sagt dem Ministerpräsidenten versöhnende Schmeichelworte, und das Journal des Debats wendet plötzlich allen Zorn ... gegen die Gazette de France, die doch, Gott weiß, der unerbittlichste Feind des neuen Ministeriums ist; vielleicht indessen rührt der Groll des Journal des Debats gerade daher, denn man kann nicht läugnen, daß zu den besten Stützen des Ministeriums, nebst der aufrichtigen Sympathie eines großen Theils der Pariser Presse, die groteske Verfolgung der "radicalen" Gazette de

Frankreich.

Dem Constitutionnel zufolge wird General Negrier, der früher mit so großer Auszeichnung in der Provinz Constantine commandirt hat, mit einem Commando nach Afrika zurückkehren.

[irrelevantes Material] Die Pairskammer hörte am 2 April die Trauerrede auf Hrn. v. Prony von Hrn. Karl Dupin. Der Kriegsminister brachte dann einen Entwurf zu einem Kredit von 650,000 Fr. für Militarpensionen ein.

Es wurde bereits erwahnt, daß einer der 221 den früher von der Linken ausgegangenen Versuch erneuert hat, die Gewinnung der Deputirten durch Gunstbezeugungen etc. zu erschweren. Dem National zufolge lautet der Text des von Hrn. v. Rémilly auf dem Bureau der Deputirtenkammer niedergelegten Vorschlags: „Art. 1. Die Mitglieder der Deputirtenkammer können im Laufe ihrer Legislatur und in dem darauf folgenden Jahre weder zu besoldeten Functionen, Stellen oder Verwendungen berufen werden noch eine Beförderung erhalten. Ausgenommen sind: a) die Verrichtungen als Minister und Unterstaatssecretare; b) die diplomatischen Functionen; c) die Militärcommandos und das Avancement für den Kriegsdienst in Kriegszeit; d) das Avancement, das in Friedenszeit die Land- und Seeofficiere durch das Recht der Anciennetat erhalten; e) und die hohen Verrichtungen für ausgezeichnete dem Lande geleistete Dienste, die durch k. Ordonnanz nach einer im Ministerconseil vorangegangenen Berathschlagung übertragen worden sind. Art. 2. Die Mitglieder der Deputirtenkammer können keine Empfehlungen in Privat-, persönlichen oder örtlichen Interessen zugestehen.“ Der National versichert, ein in dem Organ der 221 erschienenes Schreiben des Hrn. v. Rémilly lasse keinen Zweifel über den Entschluß dieses Deputirten, diese Frage zur Lösung zu bringen.

Ein Blatt bemerkt hiezu: „Der zweite Artikel dieses Antrags ist Unsinn, da sich so etwas nicht durch Gesetze verbieten laßt. Die Bestimmung des ersten Artikels erstickt unter den Ausnahmen, wie der Courrier richtig bemerkt. Die gemäßigte Linke scheint nicht geneigt zu seyn, um dieser todtgebornen Reform willen ihren Bund mit Thiers zu brechen und eine Coalition mit den Conservativen einzugehen. Zwei Organe des Ministeriums, der Constitutionnel und der Nouvelliste, stellen für den Fall der Annahme des Vorschlags eine Auflösung in Aussicht. Es scheint fast, als ob dieses Manöuvre der letzte Ausweg der Conservativen wäre. „Die conservative Partei, schreibt die Gazette, ist in vollständiger Auflösung. Das Journal des Débats vertheidigt Hrn. Thiers (gegen die Gazette.)“ Die Presse sagt, „sie könne nicht umhin, den Erfolg anzuerkennen, den er errungen, und die Stellung der Conservativen ihm gegenüber müsse sich ändern, weil er Sieger sey.“ Das Pavs ist das einzige Blatt der 221, das an der Opposition festhält. Das Journal des Débats sucht dem Ministerium zu beweisen, eine Entfernung seiner Gegner aus den öffentlichen Aemtern wäre unpolitisch. Von Seite des Ministeriums war mit dieser Maaßregel gedroht worden, welche auch fast das ganze Personal der Redaction des Journal des Débats treffen würde.“

Doctor William Murdoch, ein ausgezeichneter englischer Arzt, ist in Versailles, wo er sich seit längerer Zeit niedergelassen hatte, gestorben.

Gestern hat endlich das Ministerium sich in der so wichtigen Frage der Auflage auf die beiden Arten von Zucker ausgesprochen. Bekanntlich hatte der vom vorigen Ministerium vorgelegte Entwurf die Erhöhung der Auflage auf den Runkelrübenzucker bis zu einem gleichen Betrag mit dem auf den Colonialzucker vorgeschlagen, dabei aber den Fabricanten des ersteren eine Entschädigung zugesichert. Das jetzige Cabinet hat gestern der Commission der Deputirtenkammer erklärt, es beabsichtige die ursprüngliche Auflage von 45 Fr. auf den Colonialzucker bestehen zu lassen, die auf den inländischen von 15 auf 25 Fr. zu erhöhen, dagegen den Fabricanten des letztern keine Entschädigung zuzugestehen. – Die Streitigkeiten zwischen Neapel und England scheinen sich durch eine Dazwischenkunft des französischen Cabinets zu compliciren. Bekanntlich hat der König von Neapel durch einen Vertrag einer französischen Gesellschaft das Monopol des Schwefels in Sicilien zugestanden, und diese Gesellschaft hat bereits ein Capital von 5 bis 7 Millionen baar in diese Unternehmung gesteckt. England verlangt von der neapolitanischen Regierung die Aufhebung dieses Vertrags. Man erfährt jetzt, daß der bekannte Bankier Laffitte, der als Deputirter der Linken angehört, an der Spitze jener Gesellschaft steht. Derselbe hat nun seinen alten Freund Thiers, der ihm aus der Zeit vor 1830 Verbindlichkeiten schuldig ist, um Hülfe angegangen, und Hr. Thiers, um der Linken seine Zuneigung zu beweisen, hat energische Noten an die Höfe von London und Neapel erlassen: die nach Neapel ging vor ein paar Tagen durch einen besondern Courier ab.

Der Kronprinz reist heute nach Afrika ab. Er wird dort bei der Expedition gegen Abd-El-Kader das ihm schon von dem vorigen Ministerium übertragene Commando übernehmen. Der Herzog von Orleans hatte den Soldaten, welche mit ihm den Ausflug nach den eisernen Thoren gemacht hatten, der den Vorwand zu den gegenwärtigen Feindseligkeiten gegeben hat, feierlich versprochen, sich an ihre Spitze zu stellen und einen gefährlicheren Feldzug mit ihnen zu theilen. Dieser Feldzug wird jetzt eröffnet, und der Prinz hat geglaubt, sein im Angesicht unserer Armee und der arabischen Bevölkerungen gegebenes Wort halten zu müssen. Die Expedition wird nicht über drei Wochen dauern, indem alle Maaßregeln zur Ueberwindung ernster Hindernisse getroffen sind. Das Ministerium hat nichtsdestoweniger Alles angewandt, um den Kronprinzen abzuhalten, sich den Gefahren der Expedition auszusetzen. Der Herzog von Orleans betrachtete aber seinen Entschluß als eine Ehrensache. Der König und das Ministerium konnten seinem energisch ausgesprochenen Willen nicht widerstehen.

Wir leben in einer sonderbaren Uebergangsperiode. In Erwartung der Gesetzesvorschläge des neuen Ministeriums, auf welche seine Freunde zählen, und die seine Feinde stets anregen, führen die Journale unter sich einen Krieg, dessen Charakter oft schwer zu verstehen ist. Es scheint, die innere Spaltung der 221 hat auch eine fortwährende Unsicherheit in den Aeußerungen ihrer Organe hervorgebracht. Lesen Sie heute das Journal des Débats, die Presse, und Sie glauben an deren fortgesetzte unversöhnliche Opposition gegen das Ministerium; morgen ist Alles anders: die Presse sagt dem Ministerpräsidenten versöhnende Schmeichelworte, und das Journal des Débats wendet plötzlich allen Zorn ... gegen die Gazette de France, die doch, Gott weiß, der unerbittlichste Feind des neuen Ministeriums ist; vielleicht indessen rührt der Groll des Journal des Débats gerade daher, denn man kann nicht läugnen, daß zu den besten Stützen des Ministeriums, nebst der aufrichtigen Sympathie eines großen Theils der Pariser Presse, die groteske Verfolgung der „radicalen“ Gazette de

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[0780/0004] Frankreich. _ Paris, 2 April. Dem Constitutionnel zufolge wird General Negrier, der früher mit so großer Auszeichnung in der Provinz Constantine commandirt hat, mit einem Commando nach Afrika zurückkehren. _ Die Pairskammer hörte am 2 April die Trauerrede auf Hrn. v. Prony von Hrn. Karl Dupin. Der Kriegsminister brachte dann einen Entwurf zu einem Kredit von 650,000 Fr. für Militarpensionen ein. Es wurde bereits erwahnt, daß einer der 221 den früher von der Linken ausgegangenen Versuch erneuert hat, die Gewinnung der Deputirten durch Gunstbezeugungen etc. zu erschweren. Dem National zufolge lautet der Text des von Hrn. v. Rémilly auf dem Bureau der Deputirtenkammer niedergelegten Vorschlags: „Art. 1. Die Mitglieder der Deputirtenkammer können im Laufe ihrer Legislatur und in dem darauf folgenden Jahre weder zu besoldeten Functionen, Stellen oder Verwendungen berufen werden noch eine Beförderung erhalten. Ausgenommen sind: a) die Verrichtungen als Minister und Unterstaatssecretare; b) die diplomatischen Functionen; c) die Militärcommandos und das Avancement für den Kriegsdienst in Kriegszeit; d) das Avancement, das in Friedenszeit die Land- und Seeofficiere durch das Recht der Anciennetat erhalten; e) und die hohen Verrichtungen für ausgezeichnete dem Lande geleistete Dienste, die durch k. Ordonnanz nach einer im Ministerconseil vorangegangenen Berathschlagung übertragen worden sind. Art. 2. Die Mitglieder der Deputirtenkammer können keine Empfehlungen in Privat-, persönlichen oder örtlichen Interessen zugestehen.“ Der National versichert, ein in dem Organ der 221 erschienenes Schreiben des Hrn. v. Rémilly lasse keinen Zweifel über den Entschluß dieses Deputirten, diese Frage zur Lösung zu bringen. Ein Blatt bemerkt hiezu: „Der zweite Artikel dieses Antrags ist Unsinn, da sich so etwas nicht durch Gesetze verbieten laßt. Die Bestimmung des ersten Artikels erstickt unter den Ausnahmen, wie der Courrier richtig bemerkt. Die gemäßigte Linke scheint nicht geneigt zu seyn, um dieser todtgebornen Reform willen ihren Bund mit Thiers zu brechen und eine Coalition mit den Conservativen einzugehen. Zwei Organe des Ministeriums, der Constitutionnel und der Nouvelliste, stellen für den Fall der Annahme des Vorschlags eine Auflösung in Aussicht. Es scheint fast, als ob dieses Manöuvre der letzte Ausweg der Conservativen wäre. „Die conservative Partei, schreibt die Gazette, ist in vollständiger Auflösung. Das Journal des Débats vertheidigt Hrn. Thiers (gegen die Gazette.)“ Die Presse sagt, „sie könne nicht umhin, den Erfolg anzuerkennen, den er errungen, und die Stellung der Conservativen ihm gegenüber müsse sich ändern, weil er Sieger sey.“ Das Pavs ist das einzige Blatt der 221, das an der Opposition festhält. Das Journal des Débats sucht dem Ministerium zu beweisen, eine Entfernung seiner Gegner aus den öffentlichen Aemtern wäre unpolitisch. Von Seite des Ministeriums war mit dieser Maaßregel gedroht worden, welche auch fast das ganze Personal der Redaction des Journal des Débats treffen würde.“ Doctor William Murdoch, ein ausgezeichneter englischer Arzt, ist in Versailles, wo er sich seit längerer Zeit niedergelassen hatte, gestorben. _ Paris, 2 April. Gestern hat endlich das Ministerium sich in der so wichtigen Frage der Auflage auf die beiden Arten von Zucker ausgesprochen. Bekanntlich hatte der vom vorigen Ministerium vorgelegte Entwurf die Erhöhung der Auflage auf den Runkelrübenzucker bis zu einem gleichen Betrag mit dem auf den Colonialzucker vorgeschlagen, dabei aber den Fabricanten des ersteren eine Entschädigung zugesichert. Das jetzige Cabinet hat gestern der Commission der Deputirtenkammer erklärt, es beabsichtige die ursprüngliche Auflage von 45 Fr. auf den Colonialzucker bestehen zu lassen, die auf den inländischen von 15 auf 25 Fr. zu erhöhen, dagegen den Fabricanten des letztern keine Entschädigung zuzugestehen. – Die Streitigkeiten zwischen Neapel und England scheinen sich durch eine Dazwischenkunft des französischen Cabinets zu compliciren. Bekanntlich hat der König von Neapel durch einen Vertrag einer französischen Gesellschaft das Monopol des Schwefels in Sicilien zugestanden, und diese Gesellschaft hat bereits ein Capital von 5 bis 7 Millionen baar in diese Unternehmung gesteckt. England verlangt von der neapolitanischen Regierung die Aufhebung dieses Vertrags. Man erfährt jetzt, daß der bekannte Bankier Laffitte, der als Deputirter der Linken angehört, an der Spitze jener Gesellschaft steht. 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Lesen Sie heute das Journal des Débats, die Presse, und Sie glauben an deren fortgesetzte unversöhnliche Opposition gegen das Ministerium; morgen ist Alles anders: die Presse sagt dem Ministerpräsidenten versöhnende Schmeichelworte, und das Journal des Débats wendet plötzlich allen Zorn ... gegen die Gazette de France, die doch, Gott weiß, der unerbittlichste Feind des neuen Ministeriums ist; vielleicht indessen rührt der Groll des Journal des Débats gerade daher, denn man kann nicht läugnen, daß zu den besten Stützen des Ministeriums, nebst der aufrichtigen Sympathie eines großen Theils der Pariser Presse, die groteske Verfolgung der „radicalen“ Gazette de

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 98. Augsburg, 7. April 1840, S. 0780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_098_18400407/4>, abgerufen am 02.05.2024.