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Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840.

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bewahren gewußt, und andererseits die russische Sprache als der kräftigste und edelste slavische Dialekt, besonders im Gegensatz zum Polnischen, nachgewiesen, welches letztere in seiner verweichlichten Form nur mit der Sprache des niedern Volks in Rußland, nicht aber mit der der höhern Stände Aehnlichkeit habe. Nächst diesen beiden Hauptmomenten ist es aber auch die Widerlegung mancher in Frankreich, England und Deutschland über das Volks- und Staatsleben des russischen Reichs verbreiteten Ansicht, die dem Buche des Grafen v. Gurowski als Thema dient. Dasselbe wird wahrscheinlich auch seinerseits nicht ohne Widerlegung bleiben. - Mehr noch als dieses, macht seit einigen Tagen ein anderes Buch in der litterarischen Welt, so wie in vornehmen Cirkeln, großes Aufsehen. Es ist dieß der fünfte Band von Varnhagen von Ense's "Denkwürdigkeiten und vermischten Schriften," in welchem der Wiener Congreß mit allen seinen interessanten Persönlichkeiten von der in geistigen Porträtzeichnungen bekanntlich Meisterhaftes leistenden Feder des Verfassers dargestellt wird.

Der Großfürst-Thronfolger tritt heute, begleitet von dem General Kawelin, dem Obristen Jurgewitsch und seinem bisherigen Erzieher, dem Staatsrath Schukowsky, über Berlin die Reise nach Deutschland und den Niederlanden an. - Am Sonnabend traf der Feldmarschall Fürst Paskewitsch aus Warschau hier ein. Seine Anwesenheit hieselbst dürfte mehrere Wochen dauern. Heute findet zu Ehren des Fürsten große Militär-Parade auf dem Admiralitätsplatze statt, zu der sämmtliche Garderegimenter, die in hiesiger Residenz und ihrer Umgegend cantonniren, zusammengezogen sind.

China.

Folgender Artikel des Sun ist geeignet, einiges Licht auf das Zerwürfniß zwischen England und China zu werfen. Das M. Chronicle hatte bemerkt: "So lange die ostindische Compagnie das Monopol des Handels mit China genoß, ging Alles erträglich gut; aber die Systemsänderung, vermöge welcher eine Anzahl unabhängiger Kaufleute an die Stelle der ostindischen Compagnie trat, führte nothwendig zu Schwierigkeiten. Die von der brittischen Regierung ernannten Beamten haben nicht dasselbe Ansehen über handeltreibende Privaten, wie es die ostindische Compagnie über ihre Diener übte, und schon der Art der chinesischen Gesetze und Gewohnheiten zufolge setzen etwanige Unregelmäßigkeiten im Benehmen dieses oder jenes Einzelnen unter unsern mit China verkehrenden Kaufleuten die Gesammtheit derselben drohender Gefahr aus." Diesen Satz des Chronicle bezeichnet der Sun als einen oft wiederholten Irrthum, indem der jetzige Streit vielmehr eine Erbschaft von jenem Monopol der indischen Compagnie sey, die sich nicht damit begnügt habe, ihren Beamten in China eine bloß commercielle Stellung zu geben, wie sie z. B. der Consul der Vereinigten Staaten in Canton habe. "England, sagt er, trieb seit beinahe zweihundert Jahren einen ausgedehnteren Handel mit China, als irgend ein anderer europäischer Staat, Portugal selbst nicht ausgenommen, und doch sind die Engländer das einzige Volk, gegen das die Chinesen sich fortwährend eifersüchtig gezeigt haben. Die Ursache davon ist in dem politischen Charakter zu suchen, den die Diener der ostindischen Compagnie in Canton annahmen. Sie erschienen dort nicht als einfache Kaufleute, sondern als die Repräsentanten von Handelsfürsten, die ein unermeßliches Reich fast unmittelbar an der Schwelle von China besaßen. Anstatt bloße Eintauscher von Waaren zu seyn, wie die holländischen und amerikanischen Kaufleute, ließen die Diener der ostindischen Compagnie in Canton bei mehr als einer Gelegenheit deutlich merken, daß ihnen die Macht eines großen Nachbarreichs zur Verfügung stehe, und daß sie vorkommenden Falles davon Gebrauch zu machen nicht abgeneigt seyen. Dieß erregte bei den Chinesen eine Eifersucht, die auf alle Weise zu schüren Holländer und Amerikaner kein Bedenken trugen. Man machte den Chinesen mit Uebertreibungen bemerkbar, wie die ostindische Compagnie in allen Theilen Asiens politischen Einfluß zu gewinnen suche, und ließ dem Kaiser in Peking vorstellen, der einzige Weg, den Ehrgeiz der Engländer hinsichtlich China's zu hemmen, sey, daß "man ihnen nicht festen Fuß im Lande zu fassen gestatte, und sie jederzeit schlechter behandle, als die Kaufleute anderer Nationen." Das ließen sich die Chinesen nicht zweimal sagen. Selbst im Jahre 1810, wo brittische Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern Anker geworfen hatten, nöthigte der damalige Gouverneur von Canton, Fu, durch seine Festigkeit die ostindische Compagnie, den Handel unter den nämlichen Bedingungen, die zu dessen Suspension geführt, wieder aufzunehmen, nachdem er zuerst auf der Entfernung der Kriegsschiffe als Präliminarbedingung bestanden, ohne welche kein einziges Pfund Thee an die Engländer abgegeben werden dürfe. Als das Monopol der ostindischen Compagnie aufgehoben, und die brittische Regierung zu dem Entschluß gekommen war, einen Handels-Superintendenten nach Canton zu schicken, da wurde die Unruhe der chinesischen Behörden gränzenlos. Das neue "Barbaren-Auge" hatten sie gehört, sey ein Mann von hohem Rang und von ganz politischem Charakter, eine Art Mandarin, welcher Loo, dem Vorfahrer Lins, den Vortritt in der "Blume der Mitte" streitig machen solle. Das erste Auftreten des unglücklichen Lord Napier in China war wirklich von der Art, daß es die vorher gefaßten Besorgnisse der Chinesen nur vermehren konnte. Die Worte seines berühmten Gegenedicts, als ihm der Zugang der Hauptstadt untersagt wurde: "Zittere, Gouverneur Loo, zittere im Innersten!" so ergötzlich spaßhaft sie uns klingen, erregten kein Lachen bei den gravitätischen Staatsmännern in Peking. Groß ohne Zweifel war anfänglich ihr Schreck, aber als sie die Maximen derer, die sie zu einem solchen Verfahren gegen uns angetrieben, so ziemlich durch den Erfolg bewahrheitet fanden, da wurden sie kühn, und gewiß ist, sie haben uns seitdem noch schnöder behandelt, als zuvor. Jetzt ist es zu spät, unsern ersten falschen Schritt wieder gut zu machen. Die Chinesen hegen jetzt von uns genau dieselbe Meinung, wie wir von ihnen: sie glauben, wir seyen im Grund heillose Memmen, und die beste Manier, uns demüthig zu erhalten, sey, uns mit superlativer Verachtung zu behandeln. So ist demnach unser dermaliger Streit mit China ein Vermächtniß der ostindischen Compagnie: hätten deren Agenten sich ausschließlich auf den Handel beschränkt, und uns so ein Beispiel hinterlassen, das unsre Kaufleute ohne Bloßstellung der Nationalwürde befolgen könnten, so wäre es zu keiner Mißhelligkeit zwischen uns und den Chinesen gekommen. Damit ist es vorbei, und nun gilt es mit Kraft und Entschiedenheit zu handeln, um die Chinesen von unsrer Macht eines Andern zu belehren."

Was oben der Sun tadelt, findet sich ungefähr auch in einer, unter den dem Parlament vorgelegten chinesischen Papieren befindlichen "Denkschrift des Herzogs v. Wellington" d. d. 24 März 1835 gerügt, die derselbe als Staatssecretär des Auswärtigen in dem damaligen kurzen Peel'schen Ministerium aus Anlaß der Händel Lord Napiers mit China erließ. Auch er wollte in der Stellung des englischen Handelsaufsehers gegenüber den chinesischen Behörden so viel möglich allen Schein des Politischen vermieden wissen, rieth aber zugleich, daß der brittische Generalconsul immer eine tüchtige Fregatte und einige kleinere Kriegsschiffe in seinem Bereich haben

bewahren gewußt, und andererseits die russische Sprache als der kräftigste und edelste slavische Dialekt, besonders im Gegensatz zum Polnischen, nachgewiesen, welches letztere in seiner verweichlichten Form nur mit der Sprache des niedern Volks in Rußland, nicht aber mit der der höhern Stände Aehnlichkeit habe. Nächst diesen beiden Hauptmomenten ist es aber auch die Widerlegung mancher in Frankreich, England und Deutschland über das Volks- und Staatsleben des russischen Reichs verbreiteten Ansicht, die dem Buche des Grafen v. Gurowski als Thema dient. Dasselbe wird wahrscheinlich auch seinerseits nicht ohne Widerlegung bleiben. – Mehr noch als dieses, macht seit einigen Tagen ein anderes Buch in der litterarischen Welt, so wie in vornehmen Cirkeln, großes Aufsehen. Es ist dieß der fünfte Band von Varnhagen von Ense's „Denkwürdigkeiten und vermischten Schriften,“ in welchem der Wiener Congreß mit allen seinen interessanten Persönlichkeiten von der in geistigen Porträtzeichnungen bekanntlich Meisterhaftes leistenden Feder des Verfassers dargestellt wird.

Der Großfürst-Thronfolger tritt heute, begleitet von dem General Kawelin, dem Obristen Jurgewitsch und seinem bisherigen Erzieher, dem Staatsrath Schukowsky, über Berlin die Reise nach Deutschland und den Niederlanden an. – Am Sonnabend traf der Feldmarschall Fürst Paskewitsch aus Warschau hier ein. Seine Anwesenheit hieselbst dürfte mehrere Wochen dauern. Heute findet zu Ehren des Fürsten große Militär-Parade auf dem Admiralitätsplatze statt, zu der sämmtliche Garderegimenter, die in hiesiger Residenz und ihrer Umgegend cantonniren, zusammengezogen sind.

China.

Folgender Artikel des Sun ist geeignet, einiges Licht auf das Zerwürfniß zwischen England und China zu werfen. Das M. Chronicle hatte bemerkt: „So lange die ostindische Compagnie das Monopol des Handels mit China genoß, ging Alles erträglich gut; aber die Systemsänderung, vermöge welcher eine Anzahl unabhängiger Kaufleute an die Stelle der ostindischen Compagnie trat, führte nothwendig zu Schwierigkeiten. Die von der brittischen Regierung ernannten Beamten haben nicht dasselbe Ansehen über handeltreibende Privaten, wie es die ostindische Compagnie über ihre Diener übte, und schon der Art der chinesischen Gesetze und Gewohnheiten zufolge setzen etwanige Unregelmäßigkeiten im Benehmen dieses oder jenes Einzelnen unter unsern mit China verkehrenden Kaufleuten die Gesammtheit derselben drohender Gefahr aus.“ Diesen Satz des Chronicle bezeichnet der Sun als einen oft wiederholten Irrthum, indem der jetzige Streit vielmehr eine Erbschaft von jenem Monopol der indischen Compagnie sey, die sich nicht damit begnügt habe, ihren Beamten in China eine bloß commercielle Stellung zu geben, wie sie z. B. der Consul der Vereinigten Staaten in Canton habe. „England, sagt er, trieb seit beinahe zweihundert Jahren einen ausgedehnteren Handel mit China, als irgend ein anderer europäischer Staat, Portugal selbst nicht ausgenommen, und doch sind die Engländer das einzige Volk, gegen das die Chinesen sich fortwährend eifersüchtig gezeigt haben. Die Ursache davon ist in dem politischen Charakter zu suchen, den die Diener der ostindischen Compagnie in Canton annahmen. Sie erschienen dort nicht als einfache Kaufleute, sondern als die Repräsentanten von Handelsfürsten, die ein unermeßliches Reich fast unmittelbar an der Schwelle von China besaßen. Anstatt bloße Eintauscher von Waaren zu seyn, wie die holländischen und amerikanischen Kaufleute, ließen die Diener der ostindischen Compagnie in Canton bei mehr als einer Gelegenheit deutlich merken, daß ihnen die Macht eines großen Nachbarreichs zur Verfügung stehe, und daß sie vorkommenden Falles davon Gebrauch zu machen nicht abgeneigt seyen. Dieß erregte bei den Chinesen eine Eifersucht, die auf alle Weise zu schüren Holländer und Amerikaner kein Bedenken trugen. Man machte den Chinesen mit Uebertreibungen bemerkbar, wie die ostindische Compagnie in allen Theilen Asiens politischen Einfluß zu gewinnen suche, und ließ dem Kaiser in Peking vorstellen, der einzige Weg, den Ehrgeiz der Engländer hinsichtlich China's zu hemmen, sey, daß „man ihnen nicht festen Fuß im Lande zu fassen gestatte, und sie jederzeit schlechter behandle, als die Kaufleute anderer Nationen.“ Das ließen sich die Chinesen nicht zweimal sagen. Selbst im Jahre 1810, wo brittische Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern Anker geworfen hatten, nöthigte der damalige Gouverneur von Canton, Fu, durch seine Festigkeit die ostindische Compagnie, den Handel unter den nämlichen Bedingungen, die zu dessen Suspension geführt, wieder aufzunehmen, nachdem er zuerst auf der Entfernung der Kriegsschiffe als Präliminarbedingung bestanden, ohne welche kein einziges Pfund Thee an die Engländer abgegeben werden dürfe. Als das Monopol der ostindischen Compagnie aufgehoben, und die brittische Regierung zu dem Entschluß gekommen war, einen Handels-Superintendenten nach Canton zu schicken, da wurde die Unruhe der chinesischen Behörden gränzenlos. Das neue „Barbaren-Auge“ hatten sie gehört, sey ein Mann von hohem Rang und von ganz politischem Charakter, eine Art Mandarin, welcher Loo, dem Vorfahrer Lins, den Vortritt in der „Blume der Mitte“ streitig machen solle. Das erste Auftreten des unglücklichen Lord Napier in China war wirklich von der Art, daß es die vorher gefaßten Besorgnisse der Chinesen nur vermehren konnte. Die Worte seines berühmten Gegenedicts, als ihm der Zugang der Hauptstadt untersagt wurde: „Zittere, Gouverneur Loo, zittere im Innersten!“ so ergötzlich spaßhaft sie uns klingen, erregten kein Lachen bei den gravitätischen Staatsmännern in Peking. Groß ohne Zweifel war anfänglich ihr Schreck, aber als sie die Maximen derer, die sie zu einem solchen Verfahren gegen uns angetrieben, so ziemlich durch den Erfolg bewahrheitet fanden, da wurden sie kühn, und gewiß ist, sie haben uns seitdem noch schnöder behandelt, als zuvor. Jetzt ist es zu spät, unsern ersten falschen Schritt wieder gut zu machen. Die Chinesen hegen jetzt von uns genau dieselbe Meinung, wie wir von ihnen: sie glauben, wir seyen im Grund heillose Memmen, und die beste Manier, uns demüthig zu erhalten, sey, uns mit superlativer Verachtung zu behandeln. So ist demnach unser dermaliger Streit mit China ein Vermächtniß der ostindischen Compagnie: hätten deren Agenten sich ausschließlich auf den Handel beschränkt, und uns so ein Beispiel hinterlassen, das unsre Kaufleute ohne Bloßstellung der Nationalwürde befolgen könnten, so wäre es zu keiner Mißhelligkeit zwischen uns und den Chinesen gekommen. Damit ist es vorbei, und nun gilt es mit Kraft und Entschiedenheit zu handeln, um die Chinesen von unsrer Macht eines Andern zu belehren.“

Was oben der Sun tadelt, findet sich ungefähr auch in einer, unter den dem Parlament vorgelegten chinesischen Papieren befindlichen „Denkschrift des Herzogs v. Wellington“ d. d. 24 März 1835 gerügt, die derselbe als Staatssecretär des Auswärtigen in dem damaligen kurzen Peel'schen Ministerium aus Anlaß der Händel Lord Napiers mit China erließ. Auch er wollte in der Stellung des englischen Handelsaufsehers gegenüber den chinesischen Behörden so viel möglich allen Schein des Politischen vermieden wissen, rieth aber zugleich, daß der brittische Generalconsul immer eine tüchtige Fregatte und einige kleinere Kriegsschiffe in seinem Bereich haben

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Die von der brittischen Regierung ernannten Beamten haben nicht dasselbe Ansehen über handeltreibende Privaten, wie es die ostindische Compagnie über ihre Diener übte, und schon der Art der chinesischen Gesetze und Gewohnheiten zufolge setzen etwanige Unregelmäßigkeiten im Benehmen dieses oder jenes Einzelnen unter unsern mit China verkehrenden Kaufleuten die Gesammtheit derselben drohender Gefahr aus.&#x201C; Diesen Satz des Chronicle bezeichnet der Sun als einen oft wiederholten Irrthum, indem der jetzige Streit vielmehr eine Erbschaft von jenem Monopol der indischen Compagnie sey, die sich nicht damit begnügt habe, ihren Beamten in China eine bloß commercielle Stellung zu geben, wie sie z. 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Selbst im Jahre 1810, wo brittische Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern Anker geworfen hatten, nöthigte der damalige Gouverneur von Canton, Fu, durch seine Festigkeit die ostindische Compagnie, den Handel unter den nämlichen Bedingungen, die zu dessen Suspension geführt, wieder aufzunehmen, nachdem er zuerst auf der Entfernung der Kriegsschiffe als Präliminarbedingung bestanden, ohne welche kein einziges Pfund Thee an die Engländer abgegeben werden dürfe. Als das Monopol der ostindischen Compagnie aufgehoben, und die brittische Regierung zu dem Entschluß gekommen war, einen Handels-Superintendenten nach Canton zu schicken, da wurde die Unruhe der chinesischen Behörden gränzenlos. Das neue &#x201E;Barbaren-Auge&#x201C; hatten sie gehört, sey ein Mann von hohem Rang und von ganz politischem Charakter, eine Art Mandarin, welcher Loo, dem Vorfahrer Lins, den Vortritt in der &#x201E;Blume der Mitte&#x201C; streitig machen solle. Das erste Auftreten des unglücklichen Lord Napier in China war wirklich von der Art, daß es die vorher gefaßten Besorgnisse der Chinesen nur vermehren konnte. Die Worte seines berühmten Gegenedicts, als ihm der Zugang der Hauptstadt untersagt wurde: &#x201E;Zittere, Gouverneur Loo, zittere im Innersten!&#x201C; so ergötzlich spaßhaft sie uns klingen, erregten kein Lachen bei den gravitätischen Staatsmännern in Peking. Groß ohne Zweifel war anfänglich ihr Schreck, aber als sie die Maximen derer, die sie zu einem solchen Verfahren gegen uns angetrieben, so ziemlich durch den Erfolg bewahrheitet fanden, da wurden sie kühn, und gewiß ist, sie haben uns seitdem noch schnöder behandelt, als zuvor. Jetzt ist es zu spät, unsern ersten falschen Schritt wieder gut zu machen. Die Chinesen hegen jetzt von uns genau dieselbe Meinung, wie wir von ihnen: sie glauben, wir seyen im Grund heillose Memmen, und die beste Manier, uns demüthig zu erhalten, sey, uns mit superlativer Verachtung zu behandeln. So ist demnach unser dermaliger Streit mit China ein Vermächtniß der ostindischen Compagnie: hätten deren Agenten sich ausschließlich auf den Handel beschränkt, und uns so ein Beispiel hinterlassen, das unsre Kaufleute ohne Bloßstellung der Nationalwürde befolgen könnten, so wäre es zu keiner Mißhelligkeit zwischen uns und den Chinesen gekommen. Damit ist es vorbei, und nun gilt es mit Kraft und Entschiedenheit zu handeln, um die Chinesen von unsrer Macht eines Andern zu belehren.&#x201C;</p><lb/>
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[0703/0007] bewahren gewußt, und andererseits die russische Sprache als der kräftigste und edelste slavische Dialekt, besonders im Gegensatz zum Polnischen, nachgewiesen, welches letztere in seiner verweichlichten Form nur mit der Sprache des niedern Volks in Rußland, nicht aber mit der der höhern Stände Aehnlichkeit habe. Nächst diesen beiden Hauptmomenten ist es aber auch die Widerlegung mancher in Frankreich, England und Deutschland über das Volks- und Staatsleben des russischen Reichs verbreiteten Ansicht, die dem Buche des Grafen v. Gurowski als Thema dient. Dasselbe wird wahrscheinlich auch seinerseits nicht ohne Widerlegung bleiben. – Mehr noch als dieses, macht seit einigen Tagen ein anderes Buch in der litterarischen Welt, so wie in vornehmen Cirkeln, großes Aufsehen. Es ist dieß der fünfte Band von Varnhagen von Ense's „Denkwürdigkeiten und vermischten Schriften,“ in welchem der Wiener Congreß mit allen seinen interessanten Persönlichkeiten von der in geistigen Porträtzeichnungen bekanntlich Meisterhaftes leistenden Feder des Verfassers dargestellt wird. _ St. Petersburg, 17 März. Der Großfürst-Thronfolger tritt heute, begleitet von dem General Kawelin, dem Obristen Jurgewitsch und seinem bisherigen Erzieher, dem Staatsrath Schukowsky, über Berlin die Reise nach Deutschland und den Niederlanden an. – Am Sonnabend traf der Feldmarschall Fürst Paskewitsch aus Warschau hier ein. Seine Anwesenheit hieselbst dürfte mehrere Wochen dauern. Heute findet zu Ehren des Fürsten große Militär-Parade auf dem Admiralitätsplatze statt, zu der sämmtliche Garderegimenter, die in hiesiger Residenz und ihrer Umgegend cantonniren, zusammengezogen sind. China. Folgender Artikel des Sun ist geeignet, einiges Licht auf das Zerwürfniß zwischen England und China zu werfen. Das M. Chronicle hatte bemerkt: „So lange die ostindische Compagnie das Monopol des Handels mit China genoß, ging Alles erträglich gut; aber die Systemsänderung, vermöge welcher eine Anzahl unabhängiger Kaufleute an die Stelle der ostindischen Compagnie trat, führte nothwendig zu Schwierigkeiten. Die von der brittischen Regierung ernannten Beamten haben nicht dasselbe Ansehen über handeltreibende Privaten, wie es die ostindische Compagnie über ihre Diener übte, und schon der Art der chinesischen Gesetze und Gewohnheiten zufolge setzen etwanige Unregelmäßigkeiten im Benehmen dieses oder jenes Einzelnen unter unsern mit China verkehrenden Kaufleuten die Gesammtheit derselben drohender Gefahr aus.“ Diesen Satz des Chronicle bezeichnet der Sun als einen oft wiederholten Irrthum, indem der jetzige Streit vielmehr eine Erbschaft von jenem Monopol der indischen Compagnie sey, die sich nicht damit begnügt habe, ihren Beamten in China eine bloß commercielle Stellung zu geben, wie sie z. B. der Consul der Vereinigten Staaten in Canton habe. „England, sagt er, trieb seit beinahe zweihundert Jahren einen ausgedehnteren Handel mit China, als irgend ein anderer europäischer Staat, Portugal selbst nicht ausgenommen, und doch sind die Engländer das einzige Volk, gegen das die Chinesen sich fortwährend eifersüchtig gezeigt haben. Die Ursache davon ist in dem politischen Charakter zu suchen, den die Diener der ostindischen Compagnie in Canton annahmen. Sie erschienen dort nicht als einfache Kaufleute, sondern als die Repräsentanten von Handelsfürsten, die ein unermeßliches Reich fast unmittelbar an der Schwelle von China besaßen. Anstatt bloße Eintauscher von Waaren zu seyn, wie die holländischen und amerikanischen Kaufleute, ließen die Diener der ostindischen Compagnie in Canton bei mehr als einer Gelegenheit deutlich merken, daß ihnen die Macht eines großen Nachbarreichs zur Verfügung stehe, und daß sie vorkommenden Falles davon Gebrauch zu machen nicht abgeneigt seyen. Dieß erregte bei den Chinesen eine Eifersucht, die auf alle Weise zu schüren Holländer und Amerikaner kein Bedenken trugen. Man machte den Chinesen mit Uebertreibungen bemerkbar, wie die ostindische Compagnie in allen Theilen Asiens politischen Einfluß zu gewinnen suche, und ließ dem Kaiser in Peking vorstellen, der einzige Weg, den Ehrgeiz der Engländer hinsichtlich China's zu hemmen, sey, daß „man ihnen nicht festen Fuß im Lande zu fassen gestatte, und sie jederzeit schlechter behandle, als die Kaufleute anderer Nationen.“ Das ließen sich die Chinesen nicht zweimal sagen. Selbst im Jahre 1810, wo brittische Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern Anker geworfen hatten, nöthigte der damalige Gouverneur von Canton, Fu, durch seine Festigkeit die ostindische Compagnie, den Handel unter den nämlichen Bedingungen, die zu dessen Suspension geführt, wieder aufzunehmen, nachdem er zuerst auf der Entfernung der Kriegsschiffe als Präliminarbedingung bestanden, ohne welche kein einziges Pfund Thee an die Engländer abgegeben werden dürfe. Als das Monopol der ostindischen Compagnie aufgehoben, und die brittische Regierung zu dem Entschluß gekommen war, einen Handels-Superintendenten nach Canton zu schicken, da wurde die Unruhe der chinesischen Behörden gränzenlos. Das neue „Barbaren-Auge“ hatten sie gehört, sey ein Mann von hohem Rang und von ganz politischem Charakter, eine Art Mandarin, welcher Loo, dem Vorfahrer Lins, den Vortritt in der „Blume der Mitte“ streitig machen solle. Das erste Auftreten des unglücklichen Lord Napier in China war wirklich von der Art, daß es die vorher gefaßten Besorgnisse der Chinesen nur vermehren konnte. Die Worte seines berühmten Gegenedicts, als ihm der Zugang der Hauptstadt untersagt wurde: „Zittere, Gouverneur Loo, zittere im Innersten!“ so ergötzlich spaßhaft sie uns klingen, erregten kein Lachen bei den gravitätischen Staatsmännern in Peking. Groß ohne Zweifel war anfänglich ihr Schreck, aber als sie die Maximen derer, die sie zu einem solchen Verfahren gegen uns angetrieben, so ziemlich durch den Erfolg bewahrheitet fanden, da wurden sie kühn, und gewiß ist, sie haben uns seitdem noch schnöder behandelt, als zuvor. Jetzt ist es zu spät, unsern ersten falschen Schritt wieder gut zu machen. Die Chinesen hegen jetzt von uns genau dieselbe Meinung, wie wir von ihnen: sie glauben, wir seyen im Grund heillose Memmen, und die beste Manier, uns demüthig zu erhalten, sey, uns mit superlativer Verachtung zu behandeln. So ist demnach unser dermaliger Streit mit China ein Vermächtniß der ostindischen Compagnie: hätten deren Agenten sich ausschließlich auf den Handel beschränkt, und uns so ein Beispiel hinterlassen, das unsre Kaufleute ohne Bloßstellung der Nationalwürde befolgen könnten, so wäre es zu keiner Mißhelligkeit zwischen uns und den Chinesen gekommen. Damit ist es vorbei, und nun gilt es mit Kraft und Entschiedenheit zu handeln, um die Chinesen von unsrer Macht eines Andern zu belehren.“ Was oben der Sun tadelt, findet sich ungefähr auch in einer, unter den dem Parlament vorgelegten chinesischen Papieren befindlichen „Denkschrift des Herzogs v. Wellington“ d. d. 24 März 1835 gerügt, die derselbe als Staatssecretär des Auswärtigen in dem damaligen kurzen Peel'schen Ministerium aus Anlaß der Händel Lord Napiers mit China erließ. Auch er wollte in der Stellung des englischen Handelsaufsehers gegenüber den chinesischen Behörden so viel möglich allen Schein des Politischen vermieden wissen, rieth aber zugleich, daß der brittische Generalconsul immer eine tüchtige Fregatte und einige kleinere Kriegsschiffe in seinem Bereich haben

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840, S. 0703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_088_18400328/7>, abgerufen am 05.05.2024.