Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840.konnte, da sie sicher war, jeden Verlust an Menschen und Material sogleich wieder ersetzen zu können. Ihr standen im eigentlichen Sinne des Worts Spaniens, Frankreichs und Englands Arsenale zu Gebote, während wir lediglich auf unsere Bajonnette und ein verhältnißmäßig kleines Kriegstheater beschränkt waren, das ein sechsjähriger Krieg ausgesogen, fast zerstört hatte, und wo der Kampf anfing unpopulär zu werden. Es war der Moment eingetreten, wo es klar war, daß beide kriegführende Parteien sich nicht mit den Waffen in der Hand besiegen konnten. Die moralische Ueberlegenheit des Carlistischen Heeres, von der Politik nicht mehr unterstützt, konnte die überwiegenden Kriegsressourcen und die numerische Ueberlegenheit des Gegners nicht überwältigen; die Christinos ihrerseits durften nicht wagen in das Innere der Provinzen einzudringen, wo die Carlisten, Meister des Terrains, der Natur der Sache nach stets die Gebieter der Schlachten waren. Ein endloser unabsehbarer Vertilgungskampf öffnete sich vor den Blicken Spaniens. Generale und Chefs erkannten und würdigten diese Zustände, und es wurde als letztes entscheidendes Mittel gefunden, die Armeecorps von Catalonien, Aragon und Valencia unter das Obercommando des General Maroto zu stellen und mit ihnen in Verbindung und vereinigt zu operiren. Sie fochten bisher unabhängig, und ihre Operationen waren nichtssagend, sehr oft der großen Armee schädlich; durch ihre Vereinigung schuf man sich neue Kriegsressourcen, und es gab wieder einige Hoffnung etwas Entscheidendes unternehmen zu können. Diese Idee wurde vom Hofe mißbilligt und der Vorschlag verworfen; durch wessen Einfluß, sah man binnen wenig Tagen. Von diesem Moment an war jeder Krieg ein nutzloses Morden, und wie durch Zauber hörte man durch die Provinzen die Worte: transaccion, paz erschallen. Friede tönte es durch die Thäler, Friede schallte es von den Bergen zurück. Niemand wußte wie ihm geschah; Niemand hatte das Wort zuerst ausgesprochen, Niemand wußte woher es kam; aus den gährenden Bewegungen der letzten Jahre war es ein Deus ex machina hervorgegangen. Das Heer und Volk hatten sich zu einem bestimmten nun ausgesprochenen Zwecke stillschweigend verbunden, aber man glaube ja nicht, daß hierin ein planmäßiges Arbeiten und systematisches Wirken statt fand. Nein, es war geschehen, wie hier Alles geschieht - außer Berechnung, auf ungewöhnliche Weise, in Sprüngen und Absätzen. Das Project, die Armeen unter einem Oberbefehl zu vereinigen, war, wie gesagt, vom Hofe verworfen worden; es geschah durch Einfluß der apostolischen Partei, die nicht einen Augenblick aufgehört hatte wirksam zu seyn, obgleich Teixeiro, der Bischof von Leon etc. nach Frankreich verwiesen waren. Der Hof schenkte dem Heer und seinem Oberfeldherrn kein Vertrauen, und unterhielt mit dem verwiesenen Minister und seiner Partei die genauesten Verbindungen, die ihren nächsten störenden Einfluß auf die Bataillone der Gränze ausübten, indem sie dieselben zu gewinnen suchten. Man fühlte im Heer diesen Mangel des Vertrauens von Seite des Hofs sehr, und es entfernte sich von ihm mit raschen Schritten; für Chefs und Officiere gab es nur noch Einen Anhaltspunkt in diesen ewigen Stürmen: es war die Fahne, und Maroto führte sie; an sie schloßen sich die Provinzen an. Im Heer sagte man sich, daß der König mit Arias in Verbindung sey - und man schloß sich enger an einander. Arias Teixeiro erscheint mit königlichem Passe versehen in Aragon im Hauptquartier Cabrera's; nun war erklärt, warum man den König beredet hatte, die Vereinigung der Heere nicht zu genehmigen. Teixeiro in Aragon! - man erstarrte. Also hatte der furchtbare Schritt von Estella keine Folgen gehabt, und der Hof schien nicht zu fühlen, daß sich zwischen ihn und das Heer die blutigen Schatten der gerichteten Generale drängten, sobald er mit Arias sich vereinigte. Maroto that Vorstellungen, Cyrilo machte einen äußersten Versuch, und bewog den König einen Befehl zu erlassen, worin Teixeiro aus Aragon verwiesen wurde. Doch Niemand wollte Glauben schenken. So standen die Dinge, da schickte der General Espartero an Maroto eine aufgefangene Correspondenz. Die Christinischen Blätter haben sie der Oeffentlichkeit übergeben. Die Originalien existiren; es müssen vor der Hand noch Dinge verschwiegen werden, die zu nahe Berührung mit Personen haben. Die Verbindung Arias Teixeiro's und seiner Partei mit dem Hofe war erwiesen, und neue furchtbare Projecte im Werke. Man suchte die königliche Familie nach Aragon zu entführen, und nannte das Heer eine Bande von Räubern und Mördern, dieses Heer, das kaum einen Soldaten zählte, der nicht sein Blut auf dem Schlachtfelde vergossen hatte, dieses Heer, das Jahre lang die größten Entbehrungen und Anstrengungen ohne Murren ertragen, das bereit war, sich jeden Moment aufzuopfern! Es gab nicht Einen Soldaten, dem, als er dieses hörte, nicht eine Thräne des bittersten Mißmuths und des Schmerzes ins Auge getreten wäre. Dieß sind Dinge, die im wirklichen Leben ein großes Gewicht in die Wagschale legen; der letzte Funke Enthusiasmus neigte sich seinem Erlöschen zu. Alle Generale und Chefs, alle ohne Ausnahme, sprachen nun offen, daß man Frieden mit dem Feinde schließen müsse; man drängte, man beschwor den General Maroto in förmliche Unterhandlungen mit dem feindlichen Oberbefehlshaber zu treten. Die Generale Villareal, Eguia, Zariateguy, Negri, Elio und Andere hatten häufige mündliche Unterredungen mit dem General en Chef, deren Zweck die schleunige Beendigung des Kriegs und die Transaction mit dem Feinde war. Von Seite der Bevölkerung war nur Eine Stimme: sie forderten den General offen auf, durch Unterhandlung dem Krieg ein Ziel zu setzen, indem sie unter seiner furchtbaren Last zu erliegen drohten. Es wurde beschlossen, die Unterhandlungen mit dem Feinde zu eröffnen, den König selbst an die Spitze der Transaction zu stellen und so mit Einemmale dem gränzenlosen Elende Spaniens ein Ende zu machen, und den segensvollen Frieden auf seinen blutbetränkten Boden zurückzuführen. - Frankreich und England waren in Berathung gezogen; sie boten die Hand. Espartero that die ersten Schritte - es konnte ihnen keine Folge gegeben werden. Es handelte sich um die nöthigen Garantien, weniger von außen als von Seite der Christinischen Regierung selbst; denn wenn man auch die Mitwirkung Frankreichs und Englands annahm, so wollte man doch die Sache zu einer rein nationalen erheben, überzeugt, daß nur so ein wirklich dauerhafter Friede begründet werden könne; er mußte in den Ansichten und ernsten Wünschen der kriegführenden Partei selbst liegen. Die Operationen im Gebirge von Santander brachten endlich die feindlichen Heere und ihre Führer sich näher. Espartero gewann Ramales. Neue Vorschläge von Seite dieses Generals folgten; neue Hindernisse, und dießmal wegen der Person Karls V und der königlichen Familie. Die Operationen wurden fortgesetzt, und Arcinnega und Amurrio aufgegeben. In Zornosa hielt man Kriegsrath, präsidirt von dem König, um konnte, da sie sicher war, jeden Verlust an Menschen und Material sogleich wieder ersetzen zu können. Ihr standen im eigentlichen Sinne des Worts Spaniens, Frankreichs und Englands Arsenale zu Gebote, während wir lediglich auf unsere Bajonnette und ein verhältnißmäßig kleines Kriegstheater beschränkt waren, das ein sechsjähriger Krieg ausgesogen, fast zerstört hatte, und wo der Kampf anfing unpopulär zu werden. Es war der Moment eingetreten, wo es klar war, daß beide kriegführende Parteien sich nicht mit den Waffen in der Hand besiegen konnten. Die moralische Ueberlegenheit des Carlistischen Heeres, von der Politik nicht mehr unterstützt, konnte die überwiegenden Kriegsressourcen und die numerische Ueberlegenheit des Gegners nicht überwältigen; die Christinos ihrerseits durften nicht wagen in das Innere der Provinzen einzudringen, wo die Carlisten, Meister des Terrains, der Natur der Sache nach stets die Gebieter der Schlachten waren. Ein endloser unabsehbarer Vertilgungskampf öffnete sich vor den Blicken Spaniens. Generale und Chefs erkannten und würdigten diese Zustände, und es wurde als letztes entscheidendes Mittel gefunden, die Armeecorps von Catalonien, Aragon und Valencia unter das Obercommando des General Maroto zu stellen und mit ihnen in Verbindung und vereinigt zu operiren. Sie fochten bisher unabhängig, und ihre Operationen waren nichtssagend, sehr oft der großen Armee schädlich; durch ihre Vereinigung schuf man sich neue Kriegsressourcen, und es gab wieder einige Hoffnung etwas Entscheidendes unternehmen zu können. Diese Idee wurde vom Hofe mißbilligt und der Vorschlag verworfen; durch wessen Einfluß, sah man binnen wenig Tagen. Von diesem Moment an war jeder Krieg ein nutzloses Morden, und wie durch Zauber hörte man durch die Provinzen die Worte: transaccion, paz erschallen. Friede tönte es durch die Thäler, Friede schallte es von den Bergen zurück. Niemand wußte wie ihm geschah; Niemand hatte das Wort zuerst ausgesprochen, Niemand wußte woher es kam; aus den gährenden Bewegungen der letzten Jahre war es ein Deus ex machina hervorgegangen. Das Heer und Volk hatten sich zu einem bestimmten nun ausgesprochenen Zwecke stillschweigend verbunden, aber man glaube ja nicht, daß hierin ein planmäßiges Arbeiten und systematisches Wirken statt fand. Nein, es war geschehen, wie hier Alles geschieht – außer Berechnung, auf ungewöhnliche Weise, in Sprüngen und Absätzen. Das Project, die Armeen unter einem Oberbefehl zu vereinigen, war, wie gesagt, vom Hofe verworfen worden; es geschah durch Einfluß der apostolischen Partei, die nicht einen Augenblick aufgehört hatte wirksam zu seyn, obgleich Teixeiro, der Bischof von Leon etc. nach Frankreich verwiesen waren. Der Hof schenkte dem Heer und seinem Oberfeldherrn kein Vertrauen, und unterhielt mit dem verwiesenen Minister und seiner Partei die genauesten Verbindungen, die ihren nächsten störenden Einfluß auf die Bataillone der Gränze ausübten, indem sie dieselben zu gewinnen suchten. Man fühlte im Heer diesen Mangel des Vertrauens von Seite des Hofs sehr, und es entfernte sich von ihm mit raschen Schritten; für Chefs und Officiere gab es nur noch Einen Anhaltspunkt in diesen ewigen Stürmen: es war die Fahne, und Maroto führte sie; an sie schloßen sich die Provinzen an. Im Heer sagte man sich, daß der König mit Arias in Verbindung sey – und man schloß sich enger an einander. Arias Teixeiro erscheint mit königlichem Passe versehen in Aragon im Hauptquartier Cabrera's; nun war erklärt, warum man den König beredet hatte, die Vereinigung der Heere nicht zu genehmigen. Teixeiro in Aragon! – man erstarrte. Also hatte der furchtbare Schritt von Estella keine Folgen gehabt, und der Hof schien nicht zu fühlen, daß sich zwischen ihn und das Heer die blutigen Schatten der gerichteten Generale drängten, sobald er mit Arias sich vereinigte. Maroto that Vorstellungen, Cyrilo machte einen äußersten Versuch, und bewog den König einen Befehl zu erlassen, worin Teixeiro aus Aragon verwiesen wurde. Doch Niemand wollte Glauben schenken. So standen die Dinge, da schickte der General Espartero an Maroto eine aufgefangene Correspondenz. Die Christinischen Blätter haben sie der Oeffentlichkeit übergeben. Die Originalien existiren; es müssen vor der Hand noch Dinge verschwiegen werden, die zu nahe Berührung mit Personen haben. Die Verbindung Arias Teixeiro's und seiner Partei mit dem Hofe war erwiesen, und neue furchtbare Projecte im Werke. Man suchte die königliche Familie nach Aragon zu entführen, und nannte das Heer eine Bande von Räubern und Mördern, dieses Heer, das kaum einen Soldaten zählte, der nicht sein Blut auf dem Schlachtfelde vergossen hatte, dieses Heer, das Jahre lang die größten Entbehrungen und Anstrengungen ohne Murren ertragen, das bereit war, sich jeden Moment aufzuopfern! Es gab nicht Einen Soldaten, dem, als er dieses hörte, nicht eine Thräne des bittersten Mißmuths und des Schmerzes ins Auge getreten wäre. Dieß sind Dinge, die im wirklichen Leben ein großes Gewicht in die Wagschale legen; der letzte Funke Enthusiasmus neigte sich seinem Erlöschen zu. Alle Generale und Chefs, alle ohne Ausnahme, sprachen nun offen, daß man Frieden mit dem Feinde schließen müsse; man drängte, man beschwor den General Maroto in förmliche Unterhandlungen mit dem feindlichen Oberbefehlshaber zu treten. Die Generale Villareal, Eguia, Zariateguy, Negri, Elio und Andere hatten häufige mündliche Unterredungen mit dem General en Chef, deren Zweck die schleunige Beendigung des Kriegs und die Transaction mit dem Feinde war. Von Seite der Bevölkerung war nur Eine Stimme: sie forderten den General offen auf, durch Unterhandlung dem Krieg ein Ziel zu setzen, indem sie unter seiner furchtbaren Last zu erliegen drohten. Es wurde beschlossen, die Unterhandlungen mit dem Feinde zu eröffnen, den König selbst an die Spitze der Transaction zu stellen und so mit Einemmale dem gränzenlosen Elende Spaniens ein Ende zu machen, und den segensvollen Frieden auf seinen blutbetränkten Boden zurückzuführen. – Frankreich und England waren in Berathung gezogen; sie boten die Hand. Espartero that die ersten Schritte – es konnte ihnen keine Folge gegeben werden. Es handelte sich um die nöthigen Garantien, weniger von außen als von Seite der Christinischen Regierung selbst; denn wenn man auch die Mitwirkung Frankreichs und Englands annahm, so wollte man doch die Sache zu einer rein nationalen erheben, überzeugt, daß nur so ein wirklich dauerhafter Friede begründet werden könne; er mußte in den Ansichten und ernsten Wünschen der kriegführenden Partei selbst liegen. Die Operationen im Gebirge von Santander brachten endlich die feindlichen Heere und ihre Führer sich näher. Espartero gewann Ramales. Neue Vorschläge von Seite dieses Generals folgten; neue Hindernisse, und dießmal wegen der Person Karls V und der königlichen Familie. Die Operationen wurden fortgesetzt, und Arciñega und Amurrio aufgegeben. In Zornosa hielt man Kriegsrath, präsidirt von dem König, um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="0651"/> konnte, da sie sicher war, jeden Verlust an Menschen und Material sogleich wieder ersetzen zu können. Ihr standen im eigentlichen Sinne des Worts Spaniens, Frankreichs und Englands Arsenale zu Gebote, während wir lediglich auf unsere Bajonnette und ein verhältnißmäßig kleines Kriegstheater beschränkt waren, das ein sechsjähriger Krieg ausgesogen, fast zerstört hatte, und wo der Kampf anfing unpopulär zu werden.</p><lb/> <p>Es war der Moment eingetreten, wo es klar war, daß beide kriegführende Parteien sich nicht mit den Waffen in der Hand besiegen konnten. 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Sie fochten bisher unabhängig, und ihre Operationen waren nichtssagend, sehr oft der großen Armee schädlich; durch ihre Vereinigung schuf man sich neue Kriegsressourcen, und es gab wieder einige Hoffnung etwas Entscheidendes unternehmen zu können. Diese Idee wurde vom Hofe mißbilligt und der Vorschlag verworfen; durch wessen Einfluß, sah man binnen wenig Tagen. Von diesem Moment an war jeder Krieg ein nutzloses Morden, und wie durch Zauber hörte man durch die Provinzen die Worte: transaccion, paz erschallen. Friede tönte es durch die Thäler, Friede schallte es von den Bergen zurück. Niemand wußte wie ihm geschah; Niemand hatte das Wort zuerst ausgesprochen, Niemand wußte woher es kam; aus den gährenden Bewegungen der letzten Jahre war es ein Deus ex machina hervorgegangen. Das Heer und Volk hatten sich zu einem bestimmten nun ausgesprochenen Zwecke stillschweigend verbunden, aber man glaube ja nicht, daß hierin ein planmäßiges Arbeiten und systematisches Wirken statt fand. Nein, es war geschehen, wie hier Alles geschieht – außer Berechnung, auf ungewöhnliche Weise, in Sprüngen und Absätzen.</p><lb/> <p>Das Project, die Armeen unter einem Oberbefehl zu vereinigen, war, wie gesagt, vom Hofe verworfen worden; es geschah durch Einfluß der apostolischen Partei, die nicht einen Augenblick aufgehört hatte wirksam zu seyn, obgleich Teixeiro, der Bischof von Leon etc. nach Frankreich verwiesen waren. Der Hof schenkte dem Heer und seinem Oberfeldherrn kein Vertrauen, und unterhielt mit dem verwiesenen Minister und seiner Partei die genauesten Verbindungen, die ihren nächsten störenden Einfluß auf die Bataillone der Gränze ausübten, indem sie dieselben zu gewinnen suchten. Man fühlte im Heer diesen Mangel des Vertrauens von Seite des Hofs sehr, und es entfernte sich von ihm mit raschen Schritten; für Chefs und Officiere gab es nur noch Einen Anhaltspunkt in diesen ewigen Stürmen: es war die Fahne, und Maroto führte sie; an sie schloßen sich die Provinzen an. Im Heer sagte man sich, daß der König mit Arias in Verbindung sey – und man schloß sich enger an einander.</p><lb/> <p>Arias Teixeiro erscheint mit königlichem Passe versehen in Aragon im Hauptquartier Cabrera's; nun war erklärt, warum man den König beredet hatte, die Vereinigung der Heere nicht zu genehmigen. Teixeiro in Aragon! – man erstarrte. Also hatte der furchtbare Schritt von Estella keine Folgen gehabt, und der Hof schien nicht zu fühlen, daß sich zwischen ihn und das Heer die blutigen Schatten der gerichteten Generale drängten, sobald er mit Arias sich vereinigte. Maroto that Vorstellungen, Cyrilo machte einen äußersten Versuch, und bewog den König einen Befehl zu erlassen, worin Teixeiro aus Aragon verwiesen wurde. Doch Niemand wollte Glauben schenken.</p><lb/> <p>So standen die Dinge, da schickte der General Espartero an Maroto eine aufgefangene Correspondenz. Die Christinischen Blätter haben sie der Oeffentlichkeit übergeben. Die Originalien existiren; es müssen vor der Hand noch Dinge verschwiegen werden, die zu nahe Berührung mit Personen haben. Die Verbindung Arias Teixeiro's und seiner Partei mit dem Hofe war erwiesen, und neue furchtbare Projecte im Werke. Man suchte die königliche Familie nach Aragon zu entführen, und nannte das Heer eine Bande von Räubern und Mördern, dieses Heer, das kaum einen Soldaten zählte, der nicht sein Blut auf dem Schlachtfelde vergossen hatte, dieses Heer, das Jahre lang die größten Entbehrungen und Anstrengungen ohne Murren ertragen, das bereit war, sich jeden Moment aufzuopfern! Es gab nicht Einen Soldaten, dem, als er dieses hörte, nicht eine Thräne des bittersten Mißmuths und des Schmerzes ins Auge getreten wäre. Dieß sind Dinge, die im wirklichen Leben ein großes Gewicht in die Wagschale legen; der letzte Funke Enthusiasmus neigte sich seinem Erlöschen zu.</p><lb/> <p>Alle Generale und Chefs, alle ohne Ausnahme, sprachen nun offen, daß man Frieden mit dem Feinde schließen müsse; man drängte, man beschwor den General Maroto in förmliche Unterhandlungen mit dem feindlichen Oberbefehlshaber zu treten. Die Generale Villareal, Eguia, Zariateguy, Negri, Elio und Andere hatten häufige mündliche Unterredungen mit dem General en Chef, deren Zweck die schleunige Beendigung des Kriegs und die Transaction mit dem Feinde war. 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konnte, da sie sicher war, jeden Verlust an Menschen und Material sogleich wieder ersetzen zu können. Ihr standen im eigentlichen Sinne des Worts Spaniens, Frankreichs und Englands Arsenale zu Gebote, während wir lediglich auf unsere Bajonnette und ein verhältnißmäßig kleines Kriegstheater beschränkt waren, das ein sechsjähriger Krieg ausgesogen, fast zerstört hatte, und wo der Kampf anfing unpopulär zu werden.
Es war der Moment eingetreten, wo es klar war, daß beide kriegführende Parteien sich nicht mit den Waffen in der Hand besiegen konnten. Die moralische Ueberlegenheit des Carlistischen Heeres, von der Politik nicht mehr unterstützt, konnte die überwiegenden Kriegsressourcen und die numerische Ueberlegenheit des Gegners nicht überwältigen; die Christinos ihrerseits durften nicht wagen in das Innere der Provinzen einzudringen, wo die Carlisten, Meister des Terrains, der Natur der Sache nach stets die Gebieter der Schlachten waren. Ein endloser unabsehbarer Vertilgungskampf öffnete sich vor den Blicken Spaniens.
Generale und Chefs erkannten und würdigten diese Zustände, und es wurde als letztes entscheidendes Mittel gefunden, die Armeecorps von Catalonien, Aragon und Valencia unter das Obercommando des General Maroto zu stellen und mit ihnen in Verbindung und vereinigt zu operiren. Sie fochten bisher unabhängig, und ihre Operationen waren nichtssagend, sehr oft der großen Armee schädlich; durch ihre Vereinigung schuf man sich neue Kriegsressourcen, und es gab wieder einige Hoffnung etwas Entscheidendes unternehmen zu können. Diese Idee wurde vom Hofe mißbilligt und der Vorschlag verworfen; durch wessen Einfluß, sah man binnen wenig Tagen. Von diesem Moment an war jeder Krieg ein nutzloses Morden, und wie durch Zauber hörte man durch die Provinzen die Worte: transaccion, paz erschallen. Friede tönte es durch die Thäler, Friede schallte es von den Bergen zurück. Niemand wußte wie ihm geschah; Niemand hatte das Wort zuerst ausgesprochen, Niemand wußte woher es kam; aus den gährenden Bewegungen der letzten Jahre war es ein Deus ex machina hervorgegangen. Das Heer und Volk hatten sich zu einem bestimmten nun ausgesprochenen Zwecke stillschweigend verbunden, aber man glaube ja nicht, daß hierin ein planmäßiges Arbeiten und systematisches Wirken statt fand. Nein, es war geschehen, wie hier Alles geschieht – außer Berechnung, auf ungewöhnliche Weise, in Sprüngen und Absätzen.
Das Project, die Armeen unter einem Oberbefehl zu vereinigen, war, wie gesagt, vom Hofe verworfen worden; es geschah durch Einfluß der apostolischen Partei, die nicht einen Augenblick aufgehört hatte wirksam zu seyn, obgleich Teixeiro, der Bischof von Leon etc. nach Frankreich verwiesen waren. Der Hof schenkte dem Heer und seinem Oberfeldherrn kein Vertrauen, und unterhielt mit dem verwiesenen Minister und seiner Partei die genauesten Verbindungen, die ihren nächsten störenden Einfluß auf die Bataillone der Gränze ausübten, indem sie dieselben zu gewinnen suchten. Man fühlte im Heer diesen Mangel des Vertrauens von Seite des Hofs sehr, und es entfernte sich von ihm mit raschen Schritten; für Chefs und Officiere gab es nur noch Einen Anhaltspunkt in diesen ewigen Stürmen: es war die Fahne, und Maroto führte sie; an sie schloßen sich die Provinzen an. Im Heer sagte man sich, daß der König mit Arias in Verbindung sey – und man schloß sich enger an einander.
Arias Teixeiro erscheint mit königlichem Passe versehen in Aragon im Hauptquartier Cabrera's; nun war erklärt, warum man den König beredet hatte, die Vereinigung der Heere nicht zu genehmigen. Teixeiro in Aragon! – man erstarrte. Also hatte der furchtbare Schritt von Estella keine Folgen gehabt, und der Hof schien nicht zu fühlen, daß sich zwischen ihn und das Heer die blutigen Schatten der gerichteten Generale drängten, sobald er mit Arias sich vereinigte. Maroto that Vorstellungen, Cyrilo machte einen äußersten Versuch, und bewog den König einen Befehl zu erlassen, worin Teixeiro aus Aragon verwiesen wurde. Doch Niemand wollte Glauben schenken.
So standen die Dinge, da schickte der General Espartero an Maroto eine aufgefangene Correspondenz. Die Christinischen Blätter haben sie der Oeffentlichkeit übergeben. Die Originalien existiren; es müssen vor der Hand noch Dinge verschwiegen werden, die zu nahe Berührung mit Personen haben. Die Verbindung Arias Teixeiro's und seiner Partei mit dem Hofe war erwiesen, und neue furchtbare Projecte im Werke. Man suchte die königliche Familie nach Aragon zu entführen, und nannte das Heer eine Bande von Räubern und Mördern, dieses Heer, das kaum einen Soldaten zählte, der nicht sein Blut auf dem Schlachtfelde vergossen hatte, dieses Heer, das Jahre lang die größten Entbehrungen und Anstrengungen ohne Murren ertragen, das bereit war, sich jeden Moment aufzuopfern! Es gab nicht Einen Soldaten, dem, als er dieses hörte, nicht eine Thräne des bittersten Mißmuths und des Schmerzes ins Auge getreten wäre. Dieß sind Dinge, die im wirklichen Leben ein großes Gewicht in die Wagschale legen; der letzte Funke Enthusiasmus neigte sich seinem Erlöschen zu.
Alle Generale und Chefs, alle ohne Ausnahme, sprachen nun offen, daß man Frieden mit dem Feinde schließen müsse; man drängte, man beschwor den General Maroto in förmliche Unterhandlungen mit dem feindlichen Oberbefehlshaber zu treten. Die Generale Villareal, Eguia, Zariateguy, Negri, Elio und Andere hatten häufige mündliche Unterredungen mit dem General en Chef, deren Zweck die schleunige Beendigung des Kriegs und die Transaction mit dem Feinde war. Von Seite der Bevölkerung war nur Eine Stimme: sie forderten den General offen auf, durch Unterhandlung dem Krieg ein Ziel zu setzen, indem sie unter seiner furchtbaren Last zu erliegen drohten.
Es wurde beschlossen, die Unterhandlungen mit dem Feinde zu eröffnen, den König selbst an die Spitze der Transaction zu stellen und so mit Einemmale dem gränzenlosen Elende Spaniens ein Ende zu machen, und den segensvollen Frieden auf seinen blutbetränkten Boden zurückzuführen. – Frankreich und England waren in Berathung gezogen; sie boten die Hand. Espartero that die ersten Schritte – es konnte ihnen keine Folge gegeben werden. Es handelte sich um die nöthigen Garantien, weniger von außen als von Seite der Christinischen Regierung selbst; denn wenn man auch die Mitwirkung Frankreichs und Englands annahm, so wollte man doch die Sache zu einer rein nationalen erheben, überzeugt, daß nur so ein wirklich dauerhafter Friede begründet werden könne; er mußte in den Ansichten und ernsten Wünschen der kriegführenden Partei selbst liegen.
Die Operationen im Gebirge von Santander brachten endlich die feindlichen Heere und ihre Führer sich näher. Espartero gewann Ramales. Neue Vorschläge von Seite dieses Generals folgten; neue Hindernisse, und dießmal wegen der Person Karls V und der königlichen Familie. Die Operationen wurden fortgesetzt, und Arciñega und Amurrio aufgegeben. In Zornosa hielt man Kriegsrath, präsidirt von dem König, um
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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