Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 76. Augsburg, 16. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Haltung, das linke Centrum aber und die Linke bezeugten ihren Beifall bei der Stelle der Darstellung, wo es hieß, daß das vorige Cabinet durch Unterdrückung jeder geheimen Unterstützung für die Presse ein gutes Beispiel gegeben, so wie bei der Stelle, welche dieses Votum des Vertrauens als Prüfung verlangt, und den Grundsatz aufstellt, daß die Existenz jedes Ministeriums von dem Willen der Kammer abhänge. Der Tag der Berathschlagung über diesen Entwurf in den Bureaux ward von der Kammer auf den nächsten Sonnabend (14) festgesetzt. Hr. Chapuis Montlaville verlas dann auf der Tribune einen Vorschlag, den 123 Franzosen, die in der Schanze von Mazagran 12,000 Arabern Widerstand geleistet haben, eine Nationalbelohnung zu bewilligen. General Paixhans stellt allgemeine Betrachtungen über die Sterblichkeit der in Afrika und in den Colonien garnisonirenden Truppen an, und wünscht einen Zusatz zu dem Recrutirungsgesetz. Nach einer Erörterung, woran der Kriegsminister, Hr. Fulchiron, Hr. Genty de Bussy, General Bugeaud und Hr. Piscatory Theil genommen, ward der Gesetzesentwurf zu einer Aushebung von 80,000 Mann von der Classe von 1839 angenommen.

Die Pairskammer hatte in der Sitzung am 9 März, nachdem sie bereits die Hauptbedingungen festgesetzt, unter welchen die Kinder in Zukunft bei den großen industriellen Werkstätten zugelassen werden sollen, über denjenigen Theil des Entwurfs zu statuiren, welcher es der Verwaltung überläßt, durch besondere Vorschriften die allgemeinen Anordnungen zu vervollständigen. Die Verwaltung soll dabei hauptsächlich die nöthigen Maaßregeln zur Aufrechthaltung der guten Sitten und des äußern Anstands in den Werkstätten im Auge haben, um den Kindern den Elementarunterricht zu verschaffen, eine schlechte Behandlung und Mißbrauch der Züchtigung bei den Kindern zu verhüten, für gute Luft in den Werkstätten und für die Gesundheit der Kinder zu sorgen. Gegen diesen Artikel erhoben sich mehrfache Reclamationen, besonders von Seite der HH. Guy-Lussac und Humblot-Conte. Sie suchten den Entwurf überhaupt als einen Eingriff der gesetzgebenden und der administrativen Gewalt in die Unabhängigkeit und Freiheit der Industrie darzustellen. Die Kammer theilte aber diese Bedenklichkeiten nicht. Sie behauptete, daß die dem Staate aufgelegte Verbindlichkeit, für Maaßregeln der Ordnung und der Polizei, die alle Bürger interessiren, zu sorgen, doppelt dringend werde, wenn es sich davon handle, über das Schicksal einer unglücklichen Classe zu wachen, die im schwachen Alter ohne Unterscheidung, ohne Vorsicht den von einer übermäßigen und gezwungenen Arbeit unzertrennlichen Gefahren überliefert werde. Der Marquis Laplace machte noch besonders auf eine Rücksicht aufmerksam, welche die höchsten Interessen der Politik berührt. Es ist für den Staat von hoher Wichtigkeit, gesunde und starke Vertheidiger, welche die Kriegsstrapazen ertragen können, zu haben. Nun zeigt die Erfahrung, daß der vergleichenden Tabelle zufolge, welche Hr. Karl Dupin zwischen 10 ackerbauenden und 10 Fabrikdepartements aufgenommen hat, die erstern nur 4029 Gebrechliche, oder Mißgestaltete darbieten, während man bei den letztern 9930 solche Ausschußmenschen gefunden hat. Die Kammer nahm hierauf den Artikel an, so wie auch die weitere Verfügung, der Verwaltung das Recht zu geben, die neuen Gesetzesvorschriften auf verschiedene Arten von Anstalten auszudehnen, die in dem Entwurfe nicht besonders genannt sind. Derselbe Artikel gibt der Regierung das Recht, die Bedingungen des Alters zu erhöhen und die Dauer der Arbeit bei besondern Industrien zu vermindern, wo die Erfahrung zeigen würde, daß die Arbeit der Kinder außer Verhältniß mit ihrer Kraft stehen und ihre Gesundheit bloßstellen würde. Nach kurzer Erörterung wurden dann noch die Strafbestimmungen gegen Verletzungen der in dem neuen Gesetze enthaltenen Punkte angenommen.

In der Sitzung der Pairskammer am 10 März, worin, wie wir gestern erwähnten, über den Gesetzesentwurf, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, abgestimmt wurde, hatte noch ein von der Commission vorgelegter Zusatzartikel die Bestimmung enthalten, daß das Gesetz erst sechs Monate nach seiner Promulgation zur Vollziehung kommen solle. Diese Verfügung ward dadurch gerechtfertigt, daß sie der Verwaltung die nöthige Zeit vergönnt, die Vollziehung des neuen Gesetzes vorzubereiten und zu sichern. Der Entwurf wegen der Pension für die Wittwe des Obristen Combes ward einstimmig angenommen.

Hr. Milhot de Vernoux, einer der reichsten französischen Ansiedler in Algier und Mitglied der dortigen Handelskammer, hat in den Toulonnais ein langes Schreiben mit seiner Namensunterschrift einrücken lassen, worin er die klägliche Lage Algiers schildert und den Marschall Valee schonungslos angreift. Die Bevölkerung von Algier ist von einer Hungersnoth heimgesucht; der Preis des Fleisches ist seit dem Friedensbruch fast ums Zehnfache gestiegen, und selbst zu diesem hohen Preis gibt es wenige Verkäufer. "Hätten wir - heißt es in diesem Schreiben - einen andern Gouverneur, als den Marschall Valee, so würde dieser Zustand der Noth nicht so bald gekommen seyn. Eine Colonne von 3000 Mann wäre hinreichend, bei dem Feind so viel Vieh zu holen, als wir nöthig haben; Obrist Lamoriciere hat sich sogar erboten, 3000 Ochsen herbeizuschaffen, wenn der Marschall wolle. Aber man beharrte lieber bei dem System zu schlafen und die Arme zu kreuzen während des schönsten Winters, den wir bis jetzt gehabt. Dieß geschah nicht nur zur Zeit, wo die Araber unser Eigenthum dicht bei den Lagern niederbrannten und plünderten, sondern man befolgt dieses System sogar heute noch, nachdem man uns 30,000 Mann von Frankreich geschickt hat, welche der Gouverneur nicht dazu verwendet, den Räuberbanden das Handwerk zu legen, sondern die er uns nur helfen läßt, die wenigen Lebensmittel, die uns geblieben, aufzuzehren. Offen und mit fester Ueberzeugung erkläre ich: der Marschall Valee mag ein guter Artilleriegeneral seyn, aber er ist der schlechteste Gouverneur, den man uns geben konnte. Er verhinderte die Ansiedlung europäischer Colonisten in Constantine und Belida und sah ruhig zu, wie Alles, was von den Pflanzern in der Metidscha geschaffen war, zerstört wurde. Die Unfähigkeit des Marschalls als Obergeneral hat der Capitän Prebois in seiner kürzlich herausgegebenen Flugschrift nachgewiesen. Trotz seiner Fonds secrets hat der Marschall sich von einigen undisciplinirten Räuberbanden überfallen lassen. Obwohl an Zahl dem Feind überlegen, zerstreute er seine Armee in den Lagern, welche zum Schutze der Pflanzer ganz überflüssig waren, denn es wurde den Soldaten verboten, Ausfälle zu machen. Seit zwei Monaten bleibt er mit 30,000 Mann Verstärkung müßig und läßt uns verhungern. Die Regierung, welche all diese Fehler wohl kennt, ist entweder mit Blindheit geschlagen oder zu unserm Verderben mit verschworen, wenn sie uns nicht baldigst von diesem Mann befreit. Nach unserer heutigen Lage mag man bedenken, was aus uns im Falle einer Blokade werden würde, wenn wir keine hinreichende Zahl von Cultur-Etablissements besitzen, uns mit Lebensmitteln zu versehen. Mit einem Gouverneur, wie Lamoriciere oder Changarnier würden wir zwar lange Widerstand leisten können, am Ende aber bliebe uns, von der Landseite durch die Beduinen eingeschlossen und von der Seeseite durch die Engländer blokirt, was in Folge der

Haltung, das linke Centrum aber und die Linke bezeugten ihren Beifall bei der Stelle der Darstellung, wo es hieß, daß das vorige Cabinet durch Unterdrückung jeder geheimen Unterstützung für die Presse ein gutes Beispiel gegeben, so wie bei der Stelle, welche dieses Votum des Vertrauens als Prüfung verlangt, und den Grundsatz aufstellt, daß die Existenz jedes Ministeriums von dem Willen der Kammer abhänge. Der Tag der Berathschlagung über diesen Entwurf in den Bureaux ward von der Kammer auf den nächsten Sonnabend (14) festgesetzt. Hr. Chapuis Montlaville verlas dann auf der Tribune einen Vorschlag, den 123 Franzosen, die in der Schanze von Mazagran 12,000 Arabern Widerstand geleistet haben, eine Nationalbelohnung zu bewilligen. General Paixhans stellt allgemeine Betrachtungen über die Sterblichkeit der in Afrika und in den Colonien garnisonirenden Truppen an, und wünscht einen Zusatz zu dem Recrutirungsgesetz. Nach einer Erörterung, woran der Kriegsminister, Hr. Fulchiron, Hr. Genty de Bussy, General Bugeaud und Hr. Piscatory Theil genommen, ward der Gesetzesentwurf zu einer Aushebung von 80,000 Mann von der Classe von 1839 angenommen.

Die Pairskammer hatte in der Sitzung am 9 März, nachdem sie bereits die Hauptbedingungen festgesetzt, unter welchen die Kinder in Zukunft bei den großen industriellen Werkstätten zugelassen werden sollen, über denjenigen Theil des Entwurfs zu statuiren, welcher es der Verwaltung überläßt, durch besondere Vorschriften die allgemeinen Anordnungen zu vervollständigen. Die Verwaltung soll dabei hauptsächlich die nöthigen Maaßregeln zur Aufrechthaltung der guten Sitten und des äußern Anstands in den Werkstätten im Auge haben, um den Kindern den Elementarunterricht zu verschaffen, eine schlechte Behandlung und Mißbrauch der Züchtigung bei den Kindern zu verhüten, für gute Luft in den Werkstätten und für die Gesundheit der Kinder zu sorgen. Gegen diesen Artikel erhoben sich mehrfache Reclamationen, besonders von Seite der HH. Guy-Lussac und Humblot-Conté. Sie suchten den Entwurf überhaupt als einen Eingriff der gesetzgebenden und der administrativen Gewalt in die Unabhängigkeit und Freiheit der Industrie darzustellen. Die Kammer theilte aber diese Bedenklichkeiten nicht. Sie behauptete, daß die dem Staate aufgelegte Verbindlichkeit, für Maaßregeln der Ordnung und der Polizei, die alle Bürger interessiren, zu sorgen, doppelt dringend werde, wenn es sich davon handle, über das Schicksal einer unglücklichen Classe zu wachen, die im schwachen Alter ohne Unterscheidung, ohne Vorsicht den von einer übermäßigen und gezwungenen Arbeit unzertrennlichen Gefahren überliefert werde. Der Marquis Laplace machte noch besonders auf eine Rücksicht aufmerksam, welche die höchsten Interessen der Politik berührt. Es ist für den Staat von hoher Wichtigkeit, gesunde und starke Vertheidiger, welche die Kriegsstrapazen ertragen können, zu haben. Nun zeigt die Erfahrung, daß der vergleichenden Tabelle zufolge, welche Hr. Karl Dupin zwischen 10 ackerbauenden und 10 Fabrikdepartements aufgenommen hat, die erstern nur 4029 Gebrechliche, oder Mißgestaltete darbieten, während man bei den letztern 9930 solche Ausschußmenschen gefunden hat. Die Kammer nahm hierauf den Artikel an, so wie auch die weitere Verfügung, der Verwaltung das Recht zu geben, die neuen Gesetzesvorschriften auf verschiedene Arten von Anstalten auszudehnen, die in dem Entwurfe nicht besonders genannt sind. Derselbe Artikel gibt der Regierung das Recht, die Bedingungen des Alters zu erhöhen und die Dauer der Arbeit bei besondern Industrien zu vermindern, wo die Erfahrung zeigen würde, daß die Arbeit der Kinder außer Verhältniß mit ihrer Kraft stehen und ihre Gesundheit bloßstellen würde. Nach kurzer Erörterung wurden dann noch die Strafbestimmungen gegen Verletzungen der in dem neuen Gesetze enthaltenen Punkte angenommen.

In der Sitzung der Pairskammer am 10 März, worin, wie wir gestern erwähnten, über den Gesetzesentwurf, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, abgestimmt wurde, hatte noch ein von der Commission vorgelegter Zusatzartikel die Bestimmung enthalten, daß das Gesetz erst sechs Monate nach seiner Promulgation zur Vollziehung kommen solle. Diese Verfügung ward dadurch gerechtfertigt, daß sie der Verwaltung die nöthige Zeit vergönnt, die Vollziehung des neuen Gesetzes vorzubereiten und zu sichern. Der Entwurf wegen der Pension für die Wittwe des Obristen Combes ward einstimmig angenommen.

Hr. Milhot de Vernoux, einer der reichsten französischen Ansiedler in Algier und Mitglied der dortigen Handelskammer, hat in den Toulonnais ein langes Schreiben mit seiner Namensunterschrift einrücken lassen, worin er die klägliche Lage Algiers schildert und den Marschall Valée schonungslos angreift. Die Bevölkerung von Algier ist von einer Hungersnoth heimgesucht; der Preis des Fleisches ist seit dem Friedensbruch fast ums Zehnfache gestiegen, und selbst zu diesem hohen Preis gibt es wenige Verkäufer. „Hätten wir – heißt es in diesem Schreiben – einen andern Gouverneur, als den Marschall Valée, so würde dieser Zustand der Noth nicht so bald gekommen seyn. Eine Colonne von 3000 Mann wäre hinreichend, bei dem Feind so viel Vieh zu holen, als wir nöthig haben; Obrist Lamoricière hat sich sogar erboten, 3000 Ochsen herbeizuschaffen, wenn der Marschall wolle. Aber man beharrte lieber bei dem System zu schlafen und die Arme zu kreuzen während des schönsten Winters, den wir bis jetzt gehabt. Dieß geschah nicht nur zur Zeit, wo die Araber unser Eigenthum dicht bei den Lagern niederbrannten und plünderten, sondern man befolgt dieses System sogar heute noch, nachdem man uns 30,000 Mann von Frankreich geschickt hat, welche der Gouverneur nicht dazu verwendet, den Räuberbanden das Handwerk zu legen, sondern die er uns nur helfen läßt, die wenigen Lebensmittel, die uns geblieben, aufzuzehren. Offen und mit fester Ueberzeugung erkläre ich: der Marschall Valée mag ein guter Artilleriegeneral seyn, aber er ist der schlechteste Gouverneur, den man uns geben konnte. Er verhinderte die Ansiedlung europäischer Colonisten in Constantine und Belida und sah ruhig zu, wie Alles, was von den Pflanzern in der Metidscha geschaffen war, zerstört wurde. Die Unfähigkeit des Marschalls als Obergeneral hat der Capitän Prébois in seiner kürzlich herausgegebenen Flugschrift nachgewiesen. Trotz seiner Fonds secrets hat der Marschall sich von einigen undisciplinirten Räuberbanden überfallen lassen. Obwohl an Zahl dem Feind überlegen, zerstreute er seine Armee in den Lagern, welche zum Schutze der Pflanzer ganz überflüssig waren, denn es wurde den Soldaten verboten, Ausfälle zu machen. Seit zwei Monaten bleibt er mit 30,000 Mann Verstärkung müßig und läßt uns verhungern. Die Regierung, welche all diese Fehler wohl kennt, ist entweder mit Blindheit geschlagen oder zu unserm Verderben mit verschworen, wenn sie uns nicht baldigst von diesem Mann befreit. Nach unserer heutigen Lage mag man bedenken, was aus uns im Falle einer Blokade werden würde, wenn wir keine hinreichende Zahl von Cultur-Etablissements besitzen, uns mit Lebensmitteln zu versehen. Mit einem Gouverneur, wie Lamoricière oder Changarnier würden wir zwar lange Widerstand leisten können, am Ende aber bliebe uns, von der Landseite durch die Beduinen eingeschlossen und von der Seeseite durch die Engländer blokirt, was in Folge der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0604"/>
Haltung, das linke Centrum aber und die Linke bezeugten ihren Beifall bei der Stelle der Darstellung, wo es hieß, daß das vorige Cabinet durch Unterdrückung jeder geheimen Unterstützung für die Presse ein gutes Beispiel gegeben, so wie bei der Stelle, welche dieses Votum des Vertrauens als Prüfung verlangt, und den Grundsatz aufstellt, daß die Existenz jedes Ministeriums von dem Willen der Kammer abhänge. Der Tag der Berathschlagung über diesen Entwurf in den Bureaux ward von der Kammer auf den nächsten Sonnabend (14) festgesetzt. Hr. Chapuis <hi rendition="#g">Montlaville</hi> verlas dann auf der Tribune einen Vorschlag, den 123 Franzosen, die in der Schanze von Mazagran 12,000 Arabern Widerstand geleistet haben, eine Nationalbelohnung zu bewilligen. General Paixhans stellt allgemeine Betrachtungen über die Sterblichkeit der in Afrika und in den Colonien garnisonirenden Truppen an, und wünscht einen Zusatz zu dem Recrutirungsgesetz. Nach einer Erörterung, woran der Kriegsminister, Hr. Fulchiron, Hr. Genty de Bussy, General Bugeaud und Hr. Piscatory Theil genommen, ward der Gesetzesentwurf zu einer Aushebung von 80,000 Mann von der Classe von 1839 angenommen.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> hatte in der Sitzung am 9 März, nachdem sie bereits die Hauptbedingungen festgesetzt, unter welchen die Kinder in Zukunft bei den großen industriellen Werkstätten zugelassen werden sollen, über denjenigen Theil des Entwurfs zu statuiren, welcher es der Verwaltung überläßt, durch besondere Vorschriften die allgemeinen Anordnungen zu vervollständigen. Die Verwaltung soll dabei hauptsächlich die nöthigen Maaßregeln zur Aufrechthaltung der guten Sitten und des äußern Anstands in den Werkstätten im Auge haben, um den Kindern den Elementarunterricht zu verschaffen, eine schlechte Behandlung und Mißbrauch der Züchtigung bei den Kindern zu verhüten, für gute Luft in den Werkstätten und für die Gesundheit der Kinder zu sorgen. Gegen diesen Artikel erhoben sich mehrfache Reclamationen, besonders von Seite der HH. Guy-Lussac und Humblot-Conté. Sie suchten den Entwurf überhaupt als einen Eingriff der gesetzgebenden und der administrativen Gewalt in die Unabhängigkeit und Freiheit der Industrie darzustellen. Die Kammer theilte aber diese Bedenklichkeiten nicht. Sie behauptete, daß die dem Staate aufgelegte Verbindlichkeit, für Maaßregeln der Ordnung und der Polizei, die alle Bürger interessiren, zu sorgen, doppelt dringend werde, wenn es sich davon handle, über das Schicksal einer unglücklichen Classe zu wachen, die im schwachen Alter ohne Unterscheidung, ohne Vorsicht den von einer übermäßigen und gezwungenen Arbeit unzertrennlichen Gefahren überliefert werde. Der Marquis Laplace machte noch besonders auf eine Rücksicht aufmerksam, welche die höchsten Interessen der Politik berührt. Es ist für den Staat von hoher Wichtigkeit, gesunde und starke Vertheidiger, welche die Kriegsstrapazen ertragen können, zu haben. Nun zeigt die Erfahrung, daß der vergleichenden Tabelle zufolge, welche Hr. Karl Dupin zwischen 10 ackerbauenden und 10 Fabrikdepartements aufgenommen hat, die erstern nur 4029 Gebrechliche, oder Mißgestaltete darbieten, während man bei den letztern 9930 solche Ausschußmenschen gefunden hat. Die Kammer nahm hierauf den Artikel an, so wie auch die weitere Verfügung, der Verwaltung das Recht zu geben, die neuen Gesetzesvorschriften auf verschiedene Arten von Anstalten auszudehnen, die in dem Entwurfe nicht besonders genannt sind. Derselbe Artikel gibt der Regierung das Recht, die Bedingungen des Alters zu erhöhen und die Dauer der Arbeit bei besondern Industrien zu vermindern, wo die Erfahrung zeigen würde, daß die Arbeit der Kinder außer Verhältniß mit ihrer Kraft stehen und ihre Gesundheit bloßstellen würde. Nach kurzer Erörterung wurden dann noch die Strafbestimmungen gegen Verletzungen der in dem neuen Gesetze enthaltenen Punkte angenommen.</p><lb/>
          <p>In der Sitzung der <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> am 10 März, worin, wie wir gestern erwähnten, über den Gesetzesentwurf, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, abgestimmt wurde, hatte noch ein von der Commission vorgelegter Zusatzartikel die Bestimmung enthalten, daß das Gesetz erst sechs Monate nach seiner Promulgation zur Vollziehung kommen solle. Diese Verfügung ward dadurch gerechtfertigt, daß sie der Verwaltung die nöthige Zeit vergönnt, die Vollziehung des neuen Gesetzes vorzubereiten und zu sichern. Der Entwurf wegen der Pension für die Wittwe des Obristen Combes ward <hi rendition="#g">einstimmig</hi> angenommen.</p><lb/>
          <p>Hr. Milhot de Vernoux, einer der reichsten französischen Ansiedler in Algier und Mitglied der dortigen Handelskammer, hat in den <hi rendition="#g">Toulonnais</hi> ein langes Schreiben mit seiner Namensunterschrift einrücken lassen, worin er die klägliche Lage Algiers schildert und den Marschall Valée schonungslos angreift. Die Bevölkerung von Algier ist von einer Hungersnoth heimgesucht; der Preis des Fleisches ist seit dem Friedensbruch fast ums Zehnfache gestiegen, und selbst zu diesem hohen Preis gibt es wenige Verkäufer. &#x201E;Hätten wir &#x2013; heißt es in diesem Schreiben &#x2013; einen andern Gouverneur, als den Marschall Valée, so würde dieser Zustand der Noth nicht so bald gekommen seyn. Eine Colonne von 3000 Mann wäre hinreichend, bei dem Feind so viel Vieh zu holen, als wir nöthig haben; Obrist Lamoricière hat sich sogar erboten, 3000 Ochsen herbeizuschaffen, wenn der Marschall wolle. Aber man beharrte lieber bei dem System zu schlafen und die Arme zu kreuzen während des schönsten Winters, den wir bis jetzt gehabt. Dieß geschah nicht nur zur Zeit, wo die Araber unser Eigenthum dicht bei den Lagern niederbrannten und plünderten, sondern man befolgt dieses System sogar heute noch, nachdem man uns 30,000 Mann von Frankreich geschickt hat, welche der Gouverneur nicht dazu verwendet, den Räuberbanden das Handwerk zu legen, sondern die er uns nur helfen läßt, die wenigen Lebensmittel, die uns geblieben, aufzuzehren. Offen und mit fester Ueberzeugung erkläre ich: der Marschall Valée mag ein guter Artilleriegeneral seyn, aber er ist der schlechteste Gouverneur, den man uns geben konnte. Er verhinderte die Ansiedlung europäischer Colonisten in Constantine und Belida und sah ruhig zu, wie Alles, was von den Pflanzern in der Metidscha geschaffen war, zerstört wurde. Die Unfähigkeit des Marschalls als Obergeneral hat der Capitän Prébois in seiner kürzlich herausgegebenen Flugschrift nachgewiesen. Trotz seiner Fonds secrets hat der Marschall sich von einigen undisciplinirten Räuberbanden überfallen lassen. Obwohl an Zahl dem Feind überlegen, zerstreute er seine Armee in den Lagern, welche zum Schutze der Pflanzer ganz überflüssig waren, denn es wurde den Soldaten verboten, Ausfälle zu machen. Seit zwei Monaten bleibt er mit 30,000 Mann Verstärkung müßig und läßt uns verhungern. Die Regierung, welche all diese Fehler wohl kennt, ist entweder mit Blindheit geschlagen oder zu unserm Verderben mit verschworen, wenn sie uns nicht baldigst von diesem Mann befreit. Nach unserer heutigen Lage mag man bedenken, was aus uns im Falle einer Blokade werden würde, wenn wir keine hinreichende Zahl von Cultur-Etablissements besitzen, uns mit Lebensmitteln zu versehen. Mit einem Gouverneur, wie Lamoricière oder Changarnier würden wir zwar lange Widerstand leisten können, am Ende aber bliebe uns, von der Landseite durch die Beduinen eingeschlossen und von der Seeseite durch die Engländer blokirt, was in Folge der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0604/0004] Haltung, das linke Centrum aber und die Linke bezeugten ihren Beifall bei der Stelle der Darstellung, wo es hieß, daß das vorige Cabinet durch Unterdrückung jeder geheimen Unterstützung für die Presse ein gutes Beispiel gegeben, so wie bei der Stelle, welche dieses Votum des Vertrauens als Prüfung verlangt, und den Grundsatz aufstellt, daß die Existenz jedes Ministeriums von dem Willen der Kammer abhänge. Der Tag der Berathschlagung über diesen Entwurf in den Bureaux ward von der Kammer auf den nächsten Sonnabend (14) festgesetzt. Hr. Chapuis Montlaville verlas dann auf der Tribune einen Vorschlag, den 123 Franzosen, die in der Schanze von Mazagran 12,000 Arabern Widerstand geleistet haben, eine Nationalbelohnung zu bewilligen. General Paixhans stellt allgemeine Betrachtungen über die Sterblichkeit der in Afrika und in den Colonien garnisonirenden Truppen an, und wünscht einen Zusatz zu dem Recrutirungsgesetz. Nach einer Erörterung, woran der Kriegsminister, Hr. Fulchiron, Hr. Genty de Bussy, General Bugeaud und Hr. Piscatory Theil genommen, ward der Gesetzesentwurf zu einer Aushebung von 80,000 Mann von der Classe von 1839 angenommen. Die Pairskammer hatte in der Sitzung am 9 März, nachdem sie bereits die Hauptbedingungen festgesetzt, unter welchen die Kinder in Zukunft bei den großen industriellen Werkstätten zugelassen werden sollen, über denjenigen Theil des Entwurfs zu statuiren, welcher es der Verwaltung überläßt, durch besondere Vorschriften die allgemeinen Anordnungen zu vervollständigen. Die Verwaltung soll dabei hauptsächlich die nöthigen Maaßregeln zur Aufrechthaltung der guten Sitten und des äußern Anstands in den Werkstätten im Auge haben, um den Kindern den Elementarunterricht zu verschaffen, eine schlechte Behandlung und Mißbrauch der Züchtigung bei den Kindern zu verhüten, für gute Luft in den Werkstätten und für die Gesundheit der Kinder zu sorgen. Gegen diesen Artikel erhoben sich mehrfache Reclamationen, besonders von Seite der HH. Guy-Lussac und Humblot-Conté. Sie suchten den Entwurf überhaupt als einen Eingriff der gesetzgebenden und der administrativen Gewalt in die Unabhängigkeit und Freiheit der Industrie darzustellen. Die Kammer theilte aber diese Bedenklichkeiten nicht. Sie behauptete, daß die dem Staate aufgelegte Verbindlichkeit, für Maaßregeln der Ordnung und der Polizei, die alle Bürger interessiren, zu sorgen, doppelt dringend werde, wenn es sich davon handle, über das Schicksal einer unglücklichen Classe zu wachen, die im schwachen Alter ohne Unterscheidung, ohne Vorsicht den von einer übermäßigen und gezwungenen Arbeit unzertrennlichen Gefahren überliefert werde. Der Marquis Laplace machte noch besonders auf eine Rücksicht aufmerksam, welche die höchsten Interessen der Politik berührt. Es ist für den Staat von hoher Wichtigkeit, gesunde und starke Vertheidiger, welche die Kriegsstrapazen ertragen können, zu haben. Nun zeigt die Erfahrung, daß der vergleichenden Tabelle zufolge, welche Hr. Karl Dupin zwischen 10 ackerbauenden und 10 Fabrikdepartements aufgenommen hat, die erstern nur 4029 Gebrechliche, oder Mißgestaltete darbieten, während man bei den letztern 9930 solche Ausschußmenschen gefunden hat. Die Kammer nahm hierauf den Artikel an, so wie auch die weitere Verfügung, der Verwaltung das Recht zu geben, die neuen Gesetzesvorschriften auf verschiedene Arten von Anstalten auszudehnen, die in dem Entwurfe nicht besonders genannt sind. Derselbe Artikel gibt der Regierung das Recht, die Bedingungen des Alters zu erhöhen und die Dauer der Arbeit bei besondern Industrien zu vermindern, wo die Erfahrung zeigen würde, daß die Arbeit der Kinder außer Verhältniß mit ihrer Kraft stehen und ihre Gesundheit bloßstellen würde. Nach kurzer Erörterung wurden dann noch die Strafbestimmungen gegen Verletzungen der in dem neuen Gesetze enthaltenen Punkte angenommen. In der Sitzung der Pairskammer am 10 März, worin, wie wir gestern erwähnten, über den Gesetzesentwurf, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, abgestimmt wurde, hatte noch ein von der Commission vorgelegter Zusatzartikel die Bestimmung enthalten, daß das Gesetz erst sechs Monate nach seiner Promulgation zur Vollziehung kommen solle. Diese Verfügung ward dadurch gerechtfertigt, daß sie der Verwaltung die nöthige Zeit vergönnt, die Vollziehung des neuen Gesetzes vorzubereiten und zu sichern. Der Entwurf wegen der Pension für die Wittwe des Obristen Combes ward einstimmig angenommen. Hr. Milhot de Vernoux, einer der reichsten französischen Ansiedler in Algier und Mitglied der dortigen Handelskammer, hat in den Toulonnais ein langes Schreiben mit seiner Namensunterschrift einrücken lassen, worin er die klägliche Lage Algiers schildert und den Marschall Valée schonungslos angreift. Die Bevölkerung von Algier ist von einer Hungersnoth heimgesucht; der Preis des Fleisches ist seit dem Friedensbruch fast ums Zehnfache gestiegen, und selbst zu diesem hohen Preis gibt es wenige Verkäufer. „Hätten wir – heißt es in diesem Schreiben – einen andern Gouverneur, als den Marschall Valée, so würde dieser Zustand der Noth nicht so bald gekommen seyn. Eine Colonne von 3000 Mann wäre hinreichend, bei dem Feind so viel Vieh zu holen, als wir nöthig haben; Obrist Lamoricière hat sich sogar erboten, 3000 Ochsen herbeizuschaffen, wenn der Marschall wolle. Aber man beharrte lieber bei dem System zu schlafen und die Arme zu kreuzen während des schönsten Winters, den wir bis jetzt gehabt. Dieß geschah nicht nur zur Zeit, wo die Araber unser Eigenthum dicht bei den Lagern niederbrannten und plünderten, sondern man befolgt dieses System sogar heute noch, nachdem man uns 30,000 Mann von Frankreich geschickt hat, welche der Gouverneur nicht dazu verwendet, den Räuberbanden das Handwerk zu legen, sondern die er uns nur helfen läßt, die wenigen Lebensmittel, die uns geblieben, aufzuzehren. Offen und mit fester Ueberzeugung erkläre ich: der Marschall Valée mag ein guter Artilleriegeneral seyn, aber er ist der schlechteste Gouverneur, den man uns geben konnte. Er verhinderte die Ansiedlung europäischer Colonisten in Constantine und Belida und sah ruhig zu, wie Alles, was von den Pflanzern in der Metidscha geschaffen war, zerstört wurde. Die Unfähigkeit des Marschalls als Obergeneral hat der Capitän Prébois in seiner kürzlich herausgegebenen Flugschrift nachgewiesen. Trotz seiner Fonds secrets hat der Marschall sich von einigen undisciplinirten Räuberbanden überfallen lassen. Obwohl an Zahl dem Feind überlegen, zerstreute er seine Armee in den Lagern, welche zum Schutze der Pflanzer ganz überflüssig waren, denn es wurde den Soldaten verboten, Ausfälle zu machen. Seit zwei Monaten bleibt er mit 30,000 Mann Verstärkung müßig und läßt uns verhungern. Die Regierung, welche all diese Fehler wohl kennt, ist entweder mit Blindheit geschlagen oder zu unserm Verderben mit verschworen, wenn sie uns nicht baldigst von diesem Mann befreit. Nach unserer heutigen Lage mag man bedenken, was aus uns im Falle einer Blokade werden würde, wenn wir keine hinreichende Zahl von Cultur-Etablissements besitzen, uns mit Lebensmitteln zu versehen. Mit einem Gouverneur, wie Lamoricière oder Changarnier würden wir zwar lange Widerstand leisten können, am Ende aber bliebe uns, von der Landseite durch die Beduinen eingeschlossen und von der Seeseite durch die Engländer blokirt, was in Folge der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_076_18400316
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_076_18400316/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 76. Augsburg, 16. März 1840, S. 0604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_076_18400316/4>, abgerufen am 04.12.2024.