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Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840.

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begründeten und consolidirten ihre Ansiedlungen am Flusse Ural: Orenburg, Troizk, Uralsk, Juriew u. s. w. Ihre Colonien vermehrten und bevölkerten sich dort mehr und mehr. Sie befestigten die kleine und mittlere Horde der Kirgisen in der Abhängigkeit von ihnen, und knüpfen noch auf mehreren Punkten Handelsverbindungen mit Turan an. Sie verlangten für die steigende Bevölkerung des großen Reichs nicht nur mehr und mehr indische und bocharische Producte, mehr Baumwolle, Indigo, rohe Seide, Kaschemirs, seidene Stoffe, chinesisches Porcellan, bocharische Lämmerfelle, Goldstaub, Perlen, Edelsteine u. s. w., sondern die sich begründenden und immer mehrenden Fabriken des Reichs strebten auch immer begieriger nach Absatz und Ausfuhr von Papier, Sammet, Zucker, Tüchern, Kupfer, Blei, Kattun, Wollenwaaren, Spiegeln, Messern, Kämmen u. s. w. Die billigen Preise, zu denen sie diese Sachen lieferten, lockten die Kirgisen, die Usbeken, die Sarten, die Bocharen, die Truchmenen, die Taschkenter, Samarkander und Afghanen. Freundschaftliche Gesandtschaften wurden nach Bochara und Chiwa geschickt, Reisen, wenn auch nicht gerade von Russen, doch von russischen Unterthanen, Tataren, Armeniern u. s. w. vielfältig in jene Länder unternommen. Mit Kokan und Taschkend wurden seit 1810 freundliche Verbindungen angeknüpft. Und so kam es denn, daß die Karawanen, welche zwischen Turan und Rußland hin und her gingen, sich von Jahr zu Jahr vermehrten, und daß - wenn der Verfasser der Pentarchie, dem wir diese Notiz entnehmen, gut berichtet ist - bloß vom Jahr 1824 bis 1832 der Handel Rußlands mit dem Dschagatai von 8 Millionen auf 20 Millionen stieg.

Daß diese so ungemein rasch sich entwickelnden Verbindungen nicht noch schneller vorschritten, daran war allein der bisher noch mangelnde directe militärische Einfluß der Russen auf die Nomaden der zwischenliegenden Wüsten, und insbesondere auch der kriegerische, Handelsunternehmungen wenig günstige Geist der usbekischen Herrschaft in Chiwa schuld. Es war daher schon lange Rußlands Wunsch, diese Hemmnisse zu beseitigen. Mittlerweile mehrte sich auch die Colonie gefangener Russen in Chiwa von Jahr zu Jahr. Murawieff schätzte sie 1820 auf 3000 Mann, und zuletzt soll sie gar 6000 betragen haben. Dieß machte die Expedition noch wünschenswerther, und in der letzten Zeit wurde sie denn auch wirklich fast jedes Jahr vom Publicum als gewiß angekündigt. Doch bedurfte es erst der Expedition der Engländer gegen Kabul, um das Project zur völligen Reife zu bringen, und dann auch die Ausführung rasch wie ein Blitz folgen zu lassen.

Bisher waren die äußersten Gränzen der Russen am Fluß Ural und die der Engländer am Indus durch eine Entfernung von 300 Meilen getrennt, und die weiten zwischenliegenden Ländermassen - Dschagatai auf Seite der Russen, Afghanistan auf Seite der Engländer - waren nur noch ein Schauplatz der verschiedenen Reisen, Gesandtschaften diplomatischer und kaufmännischer Speculationen. Jetzt, nachdem die Engländer ihre Militärmacht über den Indus nach Kabul lancirten und die Russen die ihre über den Ural nach Chiwa, sind sie in diesen äußersten Standquartieren nur noch 100 Meilen weit auseinander. Haben die Russen sich erst in Dschagatai und die Engländer noch mehr in Afghanistan befestigt, so stehen sie sich dann Stirn an Stirn gegenüber; kein Staat liegt mehr dazwischen; der Streit, der bisher nur ein Ringen der Kaufleute und Diplomaten war, wird sich in blutigen Waffenkampf verwandeln, und wir können die Vermischung germanischer und slavischer Schwerter auf den Schlachtfeldern Alexanders des Großen als ein nun nicht mehr allzu fernes Schauspiel erwarten.

Doch muß allerdings zuvor noch mancherlei geschehen. Vor allen Dingen muß zuvor die Expedition gegen Chiwa selber gelingen. Im Ganzen scheint Niemand an diesem Gelingen zu zweifeln. Auch ist wohl die politische und militärische Macht des von Rußland angegriffenen Staates wenig geeignet, es bezweifeln zu lassen. Freilich haben auch die Chowaresmier, wie fast alle asiatischen Staaten und Völker, in neuerer Zeit ihre Militärmacht auf europäische Weise zu organisiren gesucht. Der letzte Chan Mohammed Rachim ließ Kanonengießer und Bohrer aus Konstantinopel kommen, und schuf sich eine Artillerie von etwa 30 Geschützen. Allein die Stücke werden von russischen Gefangenen bedient, und es läßt sich nicht vermuthen, daß diese einen sehr eifrigen Gebrauch davon gegen ihre Landsleute machen werden. Ueberdieß sollen die Befestigungen der Städte, nach gewöhnlicher orientalischer Weise, in schlechtem Zustande seyn, und das Heer, das der Chan aufbringen kann, mag sich kaum auf 30,000 Mann belaufen.

Auch der jetzige Chan, Roman Kuli, scheint, wie Murawieff ihn schildert, kein ganz gewöhnlicher Mann zu seyn. Er ist von einer außerordentlichen Stärke, besitzt eine große Energie des Geistes und hat die Reformen seines Vaters noch weiter ausgebildet. Nichtsdestoweniger lohnt sich die Frage wohl keiner näheren Untersuchung, ob der "Herr der Länder des Orients" dem Feldherrn des weißen Czaren, wenn dieser nur glücklich durch die Wüsten gelangt, wird widerstehen können oder nicht. Die unermüdlichen, zähen und ausdauernden Russen sind, wenn irgend eine Nation, die rechten Leute dazu, um durch Wüsten zu marschiren, und wenn überhaupt Jemand, so kommen gewiß sie gut durch. Allein gefährlich ist das Wagstück immerhin, zumal da sie in einer Jahreszeit auszogen, die auch in jenen Gegenden zu den ungünstigen gehört. Der Winter der truchmenischen Wüste ist nichts weniger als mild, die Kälte oft bedeutend, die Stürme immer unbarmherzig. Dabei sind der Quellen ungemein wenige, und selbst die wenigen schlecht, und im Winter natürlich oft verschneit oder eingefroren. Allerdings gibt es einige Gegenden dieser Wüste, die alle ohne Quellen sind, und die daher im Winter, wenn Schnee fällt, für Karawanen noch gangbarer sind als im Frühling. Man könnte demnach denken, daß die Russen auf den Schnee des Winters gerechnet hätten. Und in der That, wenn sie viel Schnee treffen, wird sie dieß nicht wenig begünstigen. *)*) Allein das Schlimmste ist, daß diese Gegenden sehr selten viel Schnee empfangen. Kahlfröste sind weit gewöhnlicher als Schneegestöber, und dann auch das arge und allen in den Steppen Reisenden so äußerst unerwünschte Glatteis. Finden die Russen viel Glatteis auf ihrem Zuge, so wird es ihnen nicht wenig empfindlichen Aufenthalt verursachen. Denn das Kamel kommt auf dem Glatteis nicht von der Stelle. Die Chiwaer selbst, die besten Kenner der sie umgebenden Wüsten, haben nicht selten auf ihren Zügen gegen Persien durch solches Glatteis alle ihre Kamele, ja ihre ganze Cavallerie verloren.

Zum Theil mögen die Russen auch deßwegen den Winter gewählt haben, weil dann alle Steppenbewohner, die Kirgisen, Truchmenen u. s. w. gewöhnlich in sehr ausgehungertem und trübseligem Zustande sich befinden, sowohl Menschen als Pferde, und daher leichter zu besiegen seyn möchten, als im Frühling, wo der Ueberfluß der Nahrung sie alle frisch, übermüthig und kampflustig macht. Die Russen, die mit größeren Kräften für Vorräthe und Magazine sorgen können, haben also den Vortheil,

*) Wir verweisen auf den in der heutigen Zeitung gelieferten Brief eines russischen Officiers aus dem Lager am Emba.

begründeten und consolidirten ihre Ansiedlungen am Flusse Ural: Orenburg, Troizk, Uralsk, Juriew u. s. w. Ihre Colonien vermehrten und bevölkerten sich dort mehr und mehr. Sie befestigten die kleine und mittlere Horde der Kirgisen in der Abhängigkeit von ihnen, und knüpfen noch auf mehreren Punkten Handelsverbindungen mit Turan an. Sie verlangten für die steigende Bevölkerung des großen Reichs nicht nur mehr und mehr indische und bocharische Producte, mehr Baumwolle, Indigo, rohe Seide, Kaschemirs, seidene Stoffe, chinesisches Porcellan, bocharische Lämmerfelle, Goldstaub, Perlen, Edelsteine u. s. w., sondern die sich begründenden und immer mehrenden Fabriken des Reichs strebten auch immer begieriger nach Absatz und Ausfuhr von Papier, Sammet, Zucker, Tüchern, Kupfer, Blei, Kattun, Wollenwaaren, Spiegeln, Messern, Kämmen u. s. w. Die billigen Preise, zu denen sie diese Sachen lieferten, lockten die Kirgisen, die Usbeken, die Sarten, die Bocharen, die Truchmenen, die Taschkenter, Samarkander und Afghanen. Freundschaftliche Gesandtschaften wurden nach Bochara und Chiwa geschickt, Reisen, wenn auch nicht gerade von Russen, doch von russischen Unterthanen, Tataren, Armeniern u. s. w. vielfältig in jene Länder unternommen. Mit Kokan und Taschkend wurden seit 1810 freundliche Verbindungen angeknüpft. Und so kam es denn, daß die Karawanen, welche zwischen Turan und Rußland hin und her gingen, sich von Jahr zu Jahr vermehrten, und daß – wenn der Verfasser der Pentarchie, dem wir diese Notiz entnehmen, gut berichtet ist – bloß vom Jahr 1824 bis 1832 der Handel Rußlands mit dem Dschagatai von 8 Millionen auf 20 Millionen stieg.

Daß diese so ungemein rasch sich entwickelnden Verbindungen nicht noch schneller vorschritten, daran war allein der bisher noch mangelnde directe militärische Einfluß der Russen auf die Nomaden der zwischenliegenden Wüsten, und insbesondere auch der kriegerische, Handelsunternehmungen wenig günstige Geist der usbekischen Herrschaft in Chiwa schuld. Es war daher schon lange Rußlands Wunsch, diese Hemmnisse zu beseitigen. Mittlerweile mehrte sich auch die Colonie gefangener Russen in Chiwa von Jahr zu Jahr. Murawieff schätzte sie 1820 auf 3000 Mann, und zuletzt soll sie gar 6000 betragen haben. Dieß machte die Expedition noch wünschenswerther, und in der letzten Zeit wurde sie denn auch wirklich fast jedes Jahr vom Publicum als gewiß angekündigt. Doch bedurfte es erst der Expedition der Engländer gegen Kabul, um das Project zur völligen Reife zu bringen, und dann auch die Ausführung rasch wie ein Blitz folgen zu lassen.

Bisher waren die äußersten Gränzen der Russen am Fluß Ural und die der Engländer am Indus durch eine Entfernung von 300 Meilen getrennt, und die weiten zwischenliegenden Ländermassen – Dschagatai auf Seite der Russen, Afghanistan auf Seite der Engländer – waren nur noch ein Schauplatz der verschiedenen Reisen, Gesandtschaften diplomatischer und kaufmännischer Speculationen. Jetzt, nachdem die Engländer ihre Militärmacht über den Indus nach Kabul lancirten und die Russen die ihre über den Ural nach Chiwa, sind sie in diesen äußersten Standquartieren nur noch 100 Meilen weit auseinander. Haben die Russen sich erst in Dschagatai und die Engländer noch mehr in Afghanistan befestigt, so stehen sie sich dann Stirn an Stirn gegenüber; kein Staat liegt mehr dazwischen; der Streit, der bisher nur ein Ringen der Kaufleute und Diplomaten war, wird sich in blutigen Waffenkampf verwandeln, und wir können die Vermischung germanischer und slavischer Schwerter auf den Schlachtfeldern Alexanders des Großen als ein nun nicht mehr allzu fernes Schauspiel erwarten.

Doch muß allerdings zuvor noch mancherlei geschehen. Vor allen Dingen muß zuvor die Expedition gegen Chiwa selber gelingen. Im Ganzen scheint Niemand an diesem Gelingen zu zweifeln. Auch ist wohl die politische und militärische Macht des von Rußland angegriffenen Staates wenig geeignet, es bezweifeln zu lassen. Freilich haben auch die Chowaresmier, wie fast alle asiatischen Staaten und Völker, in neuerer Zeit ihre Militärmacht auf europäische Weise zu organisiren gesucht. Der letzte Chan Mohammed Rachim ließ Kanonengießer und Bohrer aus Konstantinopel kommen, und schuf sich eine Artillerie von etwa 30 Geschützen. Allein die Stücke werden von russischen Gefangenen bedient, und es läßt sich nicht vermuthen, daß diese einen sehr eifrigen Gebrauch davon gegen ihre Landsleute machen werden. Ueberdieß sollen die Befestigungen der Städte, nach gewöhnlicher orientalischer Weise, in schlechtem Zustande seyn, und das Heer, das der Chan aufbringen kann, mag sich kaum auf 30,000 Mann belaufen.

Auch der jetzige Chan, Roman Kuli, scheint, wie Murawieff ihn schildert, kein ganz gewöhnlicher Mann zu seyn. Er ist von einer außerordentlichen Stärke, besitzt eine große Energie des Geistes und hat die Reformen seines Vaters noch weiter ausgebildet. Nichtsdestoweniger lohnt sich die Frage wohl keiner näheren Untersuchung, ob der „Herr der Länder des Orients“ dem Feldherrn des weißen Czaren, wenn dieser nur glücklich durch die Wüsten gelangt, wird widerstehen können oder nicht. Die unermüdlichen, zähen und ausdauernden Russen sind, wenn irgend eine Nation, die rechten Leute dazu, um durch Wüsten zu marschiren, und wenn überhaupt Jemand, so kommen gewiß sie gut durch. Allein gefährlich ist das Wagstück immerhin, zumal da sie in einer Jahreszeit auszogen, die auch in jenen Gegenden zu den ungünstigen gehört. Der Winter der truchmenischen Wüste ist nichts weniger als mild, die Kälte oft bedeutend, die Stürme immer unbarmherzig. Dabei sind der Quellen ungemein wenige, und selbst die wenigen schlecht, und im Winter natürlich oft verschneit oder eingefroren. Allerdings gibt es einige Gegenden dieser Wüste, die alle ohne Quellen sind, und die daher im Winter, wenn Schnee fällt, für Karawanen noch gangbarer sind als im Frühling. Man könnte demnach denken, daß die Russen auf den Schnee des Winters gerechnet hätten. Und in der That, wenn sie viel Schnee treffen, wird sie dieß nicht wenig begünstigen. *)*) Allein das Schlimmste ist, daß diese Gegenden sehr selten viel Schnee empfangen. Kahlfröste sind weit gewöhnlicher als Schneegestöber, und dann auch das arge und allen in den Steppen Reisenden so äußerst unerwünschte Glatteis. Finden die Russen viel Glatteis auf ihrem Zuge, so wird es ihnen nicht wenig empfindlichen Aufenthalt verursachen. Denn das Kamel kommt auf dem Glatteis nicht von der Stelle. Die Chiwaer selbst, die besten Kenner der sie umgebenden Wüsten, haben nicht selten auf ihren Zügen gegen Persien durch solches Glatteis alle ihre Kamele, ja ihre ganze Cavallerie verloren.

Zum Theil mögen die Russen auch deßwegen den Winter gewählt haben, weil dann alle Steppenbewohner, die Kirgisen, Truchmenen u. s. w. gewöhnlich in sehr ausgehungertem und trübseligem Zustande sich befinden, sowohl Menschen als Pferde, und daher leichter zu besiegen seyn möchten, als im Frühling, wo der Ueberfluß der Nahrung sie alle frisch, übermüthig und kampflustig macht. Die Russen, die mit größeren Kräften für Vorräthe und Magazine sorgen können, haben also den Vortheil,

*) Wir verweisen auf den in der heutigen Zeitung gelieferten Brief eines russischen Officiers aus dem Lager am Emba.
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[0572/0012] begründeten und consolidirten ihre Ansiedlungen am Flusse Ural: Orenburg, Troizk, Uralsk, Juriew u. s. w. Ihre Colonien vermehrten und bevölkerten sich dort mehr und mehr. Sie befestigten die kleine und mittlere Horde der Kirgisen in der Abhängigkeit von ihnen, und knüpfen noch auf mehreren Punkten Handelsverbindungen mit Turan an. Sie verlangten für die steigende Bevölkerung des großen Reichs nicht nur mehr und mehr indische und bocharische Producte, mehr Baumwolle, Indigo, rohe Seide, Kaschemirs, seidene Stoffe, chinesisches Porcellan, bocharische Lämmerfelle, Goldstaub, Perlen, Edelsteine u. s. w., sondern die sich begründenden und immer mehrenden Fabriken des Reichs strebten auch immer begieriger nach Absatz und Ausfuhr von Papier, Sammet, Zucker, Tüchern, Kupfer, Blei, Kattun, Wollenwaaren, Spiegeln, Messern, Kämmen u. s. w. Die billigen Preise, zu denen sie diese Sachen lieferten, lockten die Kirgisen, die Usbeken, die Sarten, die Bocharen, die Truchmenen, die Taschkenter, Samarkander und Afghanen. Freundschaftliche Gesandtschaften wurden nach Bochara und Chiwa geschickt, Reisen, wenn auch nicht gerade von Russen, doch von russischen Unterthanen, Tataren, Armeniern u. s. w. vielfältig in jene Länder unternommen. Mit Kokan und Taschkend wurden seit 1810 freundliche Verbindungen angeknüpft. Und so kam es denn, daß die Karawanen, welche zwischen Turan und Rußland hin und her gingen, sich von Jahr zu Jahr vermehrten, und daß – wenn der Verfasser der Pentarchie, dem wir diese Notiz entnehmen, gut berichtet ist – bloß vom Jahr 1824 bis 1832 der Handel Rußlands mit dem Dschagatai von 8 Millionen auf 20 Millionen stieg. Daß diese so ungemein rasch sich entwickelnden Verbindungen nicht noch schneller vorschritten, daran war allein der bisher noch mangelnde directe militärische Einfluß der Russen auf die Nomaden der zwischenliegenden Wüsten, und insbesondere auch der kriegerische, Handelsunternehmungen wenig günstige Geist der usbekischen Herrschaft in Chiwa schuld. Es war daher schon lange Rußlands Wunsch, diese Hemmnisse zu beseitigen. Mittlerweile mehrte sich auch die Colonie gefangener Russen in Chiwa von Jahr zu Jahr. Murawieff schätzte sie 1820 auf 3000 Mann, und zuletzt soll sie gar 6000 betragen haben. Dieß machte die Expedition noch wünschenswerther, und in der letzten Zeit wurde sie denn auch wirklich fast jedes Jahr vom Publicum als gewiß angekündigt. Doch bedurfte es erst der Expedition der Engländer gegen Kabul, um das Project zur völligen Reife zu bringen, und dann auch die Ausführung rasch wie ein Blitz folgen zu lassen. Bisher waren die äußersten Gränzen der Russen am Fluß Ural und die der Engländer am Indus durch eine Entfernung von 300 Meilen getrennt, und die weiten zwischenliegenden Ländermassen – Dschagatai auf Seite der Russen, Afghanistan auf Seite der Engländer – waren nur noch ein Schauplatz der verschiedenen Reisen, Gesandtschaften diplomatischer und kaufmännischer Speculationen. Jetzt, nachdem die Engländer ihre Militärmacht über den Indus nach Kabul lancirten und die Russen die ihre über den Ural nach Chiwa, sind sie in diesen äußersten Standquartieren nur noch 100 Meilen weit auseinander. Haben die Russen sich erst in Dschagatai und die Engländer noch mehr in Afghanistan befestigt, so stehen sie sich dann Stirn an Stirn gegenüber; kein Staat liegt mehr dazwischen; der Streit, der bisher nur ein Ringen der Kaufleute und Diplomaten war, wird sich in blutigen Waffenkampf verwandeln, und wir können die Vermischung germanischer und slavischer Schwerter auf den Schlachtfeldern Alexanders des Großen als ein nun nicht mehr allzu fernes Schauspiel erwarten. Doch muß allerdings zuvor noch mancherlei geschehen. Vor allen Dingen muß zuvor die Expedition gegen Chiwa selber gelingen. Im Ganzen scheint Niemand an diesem Gelingen zu zweifeln. Auch ist wohl die politische und militärische Macht des von Rußland angegriffenen Staates wenig geeignet, es bezweifeln zu lassen. Freilich haben auch die Chowaresmier, wie fast alle asiatischen Staaten und Völker, in neuerer Zeit ihre Militärmacht auf europäische Weise zu organisiren gesucht. Der letzte Chan Mohammed Rachim ließ Kanonengießer und Bohrer aus Konstantinopel kommen, und schuf sich eine Artillerie von etwa 30 Geschützen. Allein die Stücke werden von russischen Gefangenen bedient, und es läßt sich nicht vermuthen, daß diese einen sehr eifrigen Gebrauch davon gegen ihre Landsleute machen werden. Ueberdieß sollen die Befestigungen der Städte, nach gewöhnlicher orientalischer Weise, in schlechtem Zustande seyn, und das Heer, das der Chan aufbringen kann, mag sich kaum auf 30,000 Mann belaufen. Auch der jetzige Chan, Roman Kuli, scheint, wie Murawieff ihn schildert, kein ganz gewöhnlicher Mann zu seyn. Er ist von einer außerordentlichen Stärke, besitzt eine große Energie des Geistes und hat die Reformen seines Vaters noch weiter ausgebildet. Nichtsdestoweniger lohnt sich die Frage wohl keiner näheren Untersuchung, ob der „Herr der Länder des Orients“ dem Feldherrn des weißen Czaren, wenn dieser nur glücklich durch die Wüsten gelangt, wird widerstehen können oder nicht. Die unermüdlichen, zähen und ausdauernden Russen sind, wenn irgend eine Nation, die rechten Leute dazu, um durch Wüsten zu marschiren, und wenn überhaupt Jemand, so kommen gewiß sie gut durch. Allein gefährlich ist das Wagstück immerhin, zumal da sie in einer Jahreszeit auszogen, die auch in jenen Gegenden zu den ungünstigen gehört. Der Winter der truchmenischen Wüste ist nichts weniger als mild, die Kälte oft bedeutend, die Stürme immer unbarmherzig. Dabei sind der Quellen ungemein wenige, und selbst die wenigen schlecht, und im Winter natürlich oft verschneit oder eingefroren. Allerdings gibt es einige Gegenden dieser Wüste, die alle ohne Quellen sind, und die daher im Winter, wenn Schnee fällt, für Karawanen noch gangbarer sind als im Frühling. Man könnte demnach denken, daß die Russen auf den Schnee des Winters gerechnet hätten. Und in der That, wenn sie viel Schnee treffen, wird sie dieß nicht wenig begünstigen. *) *) Allein das Schlimmste ist, daß diese Gegenden sehr selten viel Schnee empfangen. Kahlfröste sind weit gewöhnlicher als Schneegestöber, und dann auch das arge und allen in den Steppen Reisenden so äußerst unerwünschte Glatteis. Finden die Russen viel Glatteis auf ihrem Zuge, so wird es ihnen nicht wenig empfindlichen Aufenthalt verursachen. Denn das Kamel kommt auf dem Glatteis nicht von der Stelle. Die Chiwaer selbst, die besten Kenner der sie umgebenden Wüsten, haben nicht selten auf ihren Zügen gegen Persien durch solches Glatteis alle ihre Kamele, ja ihre ganze Cavallerie verloren. Zum Theil mögen die Russen auch deßwegen den Winter gewählt haben, weil dann alle Steppenbewohner, die Kirgisen, Truchmenen u. s. w. gewöhnlich in sehr ausgehungertem und trübseligem Zustande sich befinden, sowohl Menschen als Pferde, und daher leichter zu besiegen seyn möchten, als im Frühling, wo der Ueberfluß der Nahrung sie alle frisch, übermüthig und kampflustig macht. Die Russen, die mit größeren Kräften für Vorräthe und Magazine sorgen können, haben also den Vortheil, *) Wir verweisen auf den in der heutigen Zeitung gelieferten Brief eines russischen Officiers aus dem Lager am Emba.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840, S. 0572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_072_18400312/12>, abgerufen am 27.11.2024.