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Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840.

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der Restauration der Armee einigen Aufschwung zu geben. Verschiedene Projecte kamen bereits zur Sprache, unter welche vorzüglich der vorgeschlagene, allerhöchsten Orts nicht ganz adoptirte Plan zu einer Anleihe gehört. Aber auch ein anderes Project scheint sich darauf zu beziehen, obwohl es die Regierung mit günstigen Farben zu übertünchen sucht. Man geht nämlich mit dem Gedanken um, eine Nationalbank zu errichten, mit beschränkter mercantilischer Wirksamkeit, da sie eigentlich nach dem Entwurfe eine Zettelbank werden müßte, deren Geschäft auf die Emission von Papiergeld sich zu beschränken hätte. Reschid Pascha, dieser rastlose Geist, ist wieder die Seele des Unternehmens, und behauptet, eine solche Maaßregel wäre die geeignetste, um der commerciellen und industriellen Thätigkeit des Landes aufzuhelfen. Doch brachte die väterliche Sorgfalt des Ministers nur Schrecken unter die Handelswelt, die in ihrer Ungelehrigkeit behauptet, nur bei gefüllten Staatscassen können durch Papiergeld wohlthätige Wirkungen erzielt werden, während in dem gegenwärtigen Augenblick durch solche Vorkehrungen der letzte Ruin über das Land gebracht würde. - Es sind dieser Tage neue Befehle von hier aus an den Kaimakam des Kapudan Pascha's nach Alexandrien abgegangen; man erfährt indessen über den Inhalt derselben nichts Näheres. Daß Mustapha Pascha die Verwaltung der osmanischen Flotte im Hafen von Alexandrien bereits übernommen, werden Sie ohnehin auf directem Wege erfahren haben. Ebenso wird Ihnen nicht unbekannt geblieben seyn, daß Frankreich dem Vicekönig den Rath ertheilt hatte, die Flotte nach Konstantinopel zurückzusenden, indem der Vicekönig durch diesen Act offenbarer Großmuth die gegen ihn herrschende Erbitterung mildern und die öffentliche Meinung in Europa für sich gewonnen würde. Diese Maaßregel war aber mit unter denen begriffen, deren Verschiebung dem Vicekönig durch die Depeschen vom 16 Jan., die der Acheron nach Aegypten brachte, angerathen ward. Die arme, verrathene Pforte! sie ist der Spielball aller europäischen Chicanen geworden; selbst die wohlthätigen Effecte einer augenblicklichen Beängstigung des Cabinets der Tuilerien sollten ihr unerwartet wieder entrissen werden! Von allen Seiten wird sie gedrängt und gemartert; man hat sich das Wort gegeben, ihr keinen Augenblick Ruhe zu gönnen. Nebst den jonischen Angelegenheiten, mit denen sie von Lord Ponsonby und Hrn. v. Butenieff in entgegengesetztem Sinne bestürmt wird, kommt nun auch der Fürst von der Wallachei mit einer langen Beschwerdeschrift über das Betragen des in Bucharest residirenden englischen Agenten und der Bitte, die Pforte möge ihn von diesem Manne auf irgend eine Art befreien; er sehe sich zu diesem extremen Schritt gezwungen, da die Anmaßungen des brittischen Generalconsuls ihn zur Verzweiflung brächten. Doch ist man hier so ziemlich überzeugt, daß Hr. Ghika mit einem andern brittischen Agenten eben so schwer auskommen werde, als es bei dem gegenwärtigen der Fall ist.

Aegypten.

Die Ankunft Achmed-Kapitans, der dem Mustapha Pascha seine Ernennung zum Kaimakam der türkischen Flotte brachte, hat den Pascha doch verdrossen. Er sagte: die Türken in Konstantinopel baumeln immer mit den Beinen, bevor sie noch auf dem Esel sitzen. Ungeachtet der Kapudan Pascha immer noch fortfährt die türkische Flotte zu commandiren, hat ihn seine Quasi-Absetzung (quasi, weil sie nicht positiv ausgesprochen ist) in eine schiefe Stellung zu den Officieren und Soldaten der Flotte gesetzt. Er wird aus diesem Grunde wahrscheinlich das bei Rosette zusammen zu ziehende Corps zum Commando erhalten, und die beiden auf der Flotte anwesenden türkischen Landwehr-Regimenter damit vereinen. Sämmtliche türkische Truppen sind nun ägyptisch gekleidet; sie sehen darin aus wie die Bären; man muß aber auch gestehen, daß es in der ganzen Welt kein gröberes Segeltuch gibt, als die Leinwand, in die der Pascha sie gesteckt. Kürzlich hat man ihnen wieder den Sold gezahlt, und einige Tage nach dem Kurban-Bairam, der mit heute zu Ende geht, werden sie wieder einen Monat Gage erhalten. Nie hat Mehemed Ali etwas so pünktlich gezahlt als den Sold an diese Flotte. Die Mannschaft derselben hat sich bedeutend vermindert, woran hauptsächlich der gänzliche Mangel an Sanitäts-Officieren Schuld ist. - Aus Arabien will man wissen, daß einige Truppenabtheilungen des Pascha eine Schlappe erlitten, jedoch kann sie nur höchst unbedeutend seyn, da directe ganz frische Briefe aus Dschidda nicht ein Wort davon sagen. Im Sennaar wüthet das Fieber dieses Jahr stärker als gewöhnlich, auch mehrere daselbst angestellte Europäer unterlagen demselben. Die persische Gesandtschaft ist wieder zurückgekehrt. Aus Syrien nichts Neues. Mit den Anase's steht Ibrahim in Unterhandlungen, wozu die erstern selbst die Hand geboten haben. Sie werden sich wahrscheinlich ganz unterwerfen, und dafür Concessionen erhalten, im Fall eines Krieges aber einen Theil ihrer Cavallerie stellen. Mit den Kurden des Diarbekir steht Ibrahim auf dem freundlichsten Fuß. Sie zahlen keine Abgaben, werden nicht zum Militärdienst gezwungen, und dieß ist Alles, was sie verlangen. Sie werden Ibrahim noch von großem Nutzen seyn, dieß fühlt er, und deßhalb schont er sie und schmeichelt ihnen auf alle mögliche Weise.

Für den Fall einer definitiven Allianz Englands und Rußlands hat der Pascha energische Maaßregeln beschlossen. Diese bestehen fürs erste in der Aufstellung eines Truppencorps in der Gegend von Rosette, eines andern nördlich von Kairo, in der Zusammenziehung bedeutender Massen Beduinen auf der nordöstlichen wie auf der nordwestlichen Gränze Aegyptens, in der Vollendung der Verschanzungen der angreifbaren Küste, und endlich in der Bearbeitung des Volks zu einer Erhebung in Masse, wofern eine europäische Armee in Aegypten ans Land steigen sollte. Das Project einer einzuexercirenden Landwehr ist, wie ich es voraussagte, aufgegeben worden, da die Gährung unter den Städtern wie unter dem Landvolk zu bedeutend ward. Dagegen wendet man sich an den Fanatismus dieser Leute, und dieß ist eine Saite, die keineswegs verhallt ist, wie höchst oberflächliche Beobachter, die im Orient einige Monate reisten, behaupten. Ich war vor einigen Tagen selbst im Delta, und habe mich überzeugt, was die Bauern dort sagen. Die Aufregung ist allgemein, und trotz der Noth, in der sie leben, hört man nur Verwünschungen gegen die Christen, die ein Land nehmen wollen, das Gott den Muselmännern geschenkt habe. Ich habe Ihnen schon einmal geschrieben: die Muselmänner lassen sich lieber von einem Muselmann, mag er einer Nation angehören, welcher er immer wolle, schinden, als sich von einer christlichen Herrschaft beglücken, und der elende, gebeugte, mit Stockschlägen mißhandelte Fellah wird zu seinen Knüppeln greifen, denn andere Waffen hat er nicht, und zum erstenmale der willige Sklave Mehemed Ali's seyn. In Syrien ist es ganz dasselbe, trotz aller Empörungen gegen die Herrschaft des Pascha's. Ein Aufruf an sämmtliche Moslims, im Fall eine europäische Armee wirklich auf Syrien marschirt, bringt das ganze Land unter die Waffen, und zwar zu Gunsten des Pascha's. Ich wage dieß vorauszusagen, obgleich sich viele finden werden, die der entgegengesetzten Meinung sind. Sollten, wenn man den Berichten aus Europa trauen darf, nur 25,000 Mann Russen zur Occupation Syriens bestimmt seyn, und würden diese vom Ufer des schwarzen

der Restauration der Armee einigen Aufschwung zu geben. Verschiedene Projecte kamen bereits zur Sprache, unter welche vorzüglich der vorgeschlagene, allerhöchsten Orts nicht ganz adoptirte Plan zu einer Anleihe gehört. Aber auch ein anderes Project scheint sich darauf zu beziehen, obwohl es die Regierung mit günstigen Farben zu übertünchen sucht. Man geht nämlich mit dem Gedanken um, eine Nationalbank zu errichten, mit beschränkter mercantilischer Wirksamkeit, da sie eigentlich nach dem Entwurfe eine Zettelbank werden müßte, deren Geschäft auf die Emission von Papiergeld sich zu beschränken hätte. Reschid Pascha, dieser rastlose Geist, ist wieder die Seele des Unternehmens, und behauptet, eine solche Maaßregel wäre die geeignetste, um der commerciellen und industriellen Thätigkeit des Landes aufzuhelfen. Doch brachte die väterliche Sorgfalt des Ministers nur Schrecken unter die Handelswelt, die in ihrer Ungelehrigkeit behauptet, nur bei gefüllten Staatscassen können durch Papiergeld wohlthätige Wirkungen erzielt werden, während in dem gegenwärtigen Augenblick durch solche Vorkehrungen der letzte Ruin über das Land gebracht würde. – Es sind dieser Tage neue Befehle von hier aus an den Kaimakam des Kapudan Pascha's nach Alexandrien abgegangen; man erfährt indessen über den Inhalt derselben nichts Näheres. Daß Mustapha Pascha die Verwaltung der osmanischen Flotte im Hafen von Alexandrien bereits übernommen, werden Sie ohnehin auf directem Wege erfahren haben. Ebenso wird Ihnen nicht unbekannt geblieben seyn, daß Frankreich dem Vicekönig den Rath ertheilt hatte, die Flotte nach Konstantinopel zurückzusenden, indem der Vicekönig durch diesen Act offenbarer Großmuth die gegen ihn herrschende Erbitterung mildern und die öffentliche Meinung in Europa für sich gewonnen würde. Diese Maaßregel war aber mit unter denen begriffen, deren Verschiebung dem Vicekönig durch die Depeschen vom 16 Jan., die der Acheron nach Aegypten brachte, angerathen ward. Die arme, verrathene Pforte! sie ist der Spielball aller europäischen Chicanen geworden; selbst die wohlthätigen Effecte einer augenblicklichen Beängstigung des Cabinets der Tuilerien sollten ihr unerwartet wieder entrissen werden! Von allen Seiten wird sie gedrängt und gemartert; man hat sich das Wort gegeben, ihr keinen Augenblick Ruhe zu gönnen. Nebst den jonischen Angelegenheiten, mit denen sie von Lord Ponsonby und Hrn. v. Butenieff in entgegengesetztem Sinne bestürmt wird, kommt nun auch der Fürst von der Wallachei mit einer langen Beschwerdeschrift über das Betragen des in Bucharest residirenden englischen Agenten und der Bitte, die Pforte möge ihn von diesem Manne auf irgend eine Art befreien; er sehe sich zu diesem extremen Schritt gezwungen, da die Anmaßungen des brittischen Generalconsuls ihn zur Verzweiflung brächten. Doch ist man hier so ziemlich überzeugt, daß Hr. Ghika mit einem andern brittischen Agenten eben so schwer auskommen werde, als es bei dem gegenwärtigen der Fall ist.

Aegypten.

Die Ankunft Achmed-Kapitans, der dem Mustapha Pascha seine Ernennung zum Kaimakam der türkischen Flotte brachte, hat den Pascha doch verdrossen. Er sagte: die Türken in Konstantinopel baumeln immer mit den Beinen, bevor sie noch auf dem Esel sitzen. Ungeachtet der Kapudan Pascha immer noch fortfährt die türkische Flotte zu commandiren, hat ihn seine Quasi-Absetzung (quasi, weil sie nicht positiv ausgesprochen ist) in eine schiefe Stellung zu den Officieren und Soldaten der Flotte gesetzt. Er wird aus diesem Grunde wahrscheinlich das bei Rosette zusammen zu ziehende Corps zum Commando erhalten, und die beiden auf der Flotte anwesenden türkischen Landwehr-Regimenter damit vereinen. Sämmtliche türkische Truppen sind nun ägyptisch gekleidet; sie sehen darin aus wie die Bären; man muß aber auch gestehen, daß es in der ganzen Welt kein gröberes Segeltuch gibt, als die Leinwand, in die der Pascha sie gesteckt. Kürzlich hat man ihnen wieder den Sold gezahlt, und einige Tage nach dem Kurban-Bairam, der mit heute zu Ende geht, werden sie wieder einen Monat Gage erhalten. Nie hat Mehemed Ali etwas so pünktlich gezahlt als den Sold an diese Flotte. Die Mannschaft derselben hat sich bedeutend vermindert, woran hauptsächlich der gänzliche Mangel an Sanitäts-Officieren Schuld ist. – Aus Arabien will man wissen, daß einige Truppenabtheilungen des Pascha eine Schlappe erlitten, jedoch kann sie nur höchst unbedeutend seyn, da directe ganz frische Briefe aus Dschidda nicht ein Wort davon sagen. Im Sennaar wüthet das Fieber dieses Jahr stärker als gewöhnlich, auch mehrere daselbst angestellte Europäer unterlagen demselben. Die persische Gesandtschaft ist wieder zurückgekehrt. Aus Syrien nichts Neues. Mit den Anase's steht Ibrahim in Unterhandlungen, wozu die erstern selbst die Hand geboten haben. Sie werden sich wahrscheinlich ganz unterwerfen, und dafür Concessionen erhalten, im Fall eines Krieges aber einen Theil ihrer Cavallerie stellen. Mit den Kurden des Diarbekir steht Ibrahim auf dem freundlichsten Fuß. Sie zahlen keine Abgaben, werden nicht zum Militärdienst gezwungen, und dieß ist Alles, was sie verlangen. Sie werden Ibrahim noch von großem Nutzen seyn, dieß fühlt er, und deßhalb schont er sie und schmeichelt ihnen auf alle mögliche Weise.

Für den Fall einer definitiven Allianz Englands und Rußlands hat der Pascha energische Maaßregeln beschlossen. Diese bestehen fürs erste in der Aufstellung eines Truppencorps in der Gegend von Rosette, eines andern nördlich von Kairo, in der Zusammenziehung bedeutender Massen Beduinen auf der nordöstlichen wie auf der nordwestlichen Gränze Aegyptens, in der Vollendung der Verschanzungen der angreifbaren Küste, und endlich in der Bearbeitung des Volks zu einer Erhebung in Masse, wofern eine europäische Armee in Aegypten ans Land steigen sollte. Das Project einer einzuexercirenden Landwehr ist, wie ich es voraussagte, aufgegeben worden, da die Gährung unter den Städtern wie unter dem Landvolk zu bedeutend ward. Dagegen wendet man sich an den Fanatismus dieser Leute, und dieß ist eine Saite, die keineswegs verhallt ist, wie höchst oberflächliche Beobachter, die im Orient einige Monate reisten, behaupten. Ich war vor einigen Tagen selbst im Delta, und habe mich überzeugt, was die Bauern dort sagen. Die Aufregung ist allgemein, und trotz der Noth, in der sie leben, hört man nur Verwünschungen gegen die Christen, die ein Land nehmen wollen, das Gott den Muselmännern geschenkt habe. Ich habe Ihnen schon einmal geschrieben: die Muselmänner lassen sich lieber von einem Muselmann, mag er einer Nation angehören, welcher er immer wolle, schinden, als sich von einer christlichen Herrschaft beglücken, und der elende, gebeugte, mit Stockschlägen mißhandelte Fellah wird zu seinen Knüppeln greifen, denn andere Waffen hat er nicht, und zum erstenmale der willige Sklave Mehemed Ali's seyn. In Syrien ist es ganz dasselbe, trotz aller Empörungen gegen die Herrschaft des Pascha's. Ein Aufruf an sämmtliche Moslims, im Fall eine europäische Armee wirklich auf Syrien marschirt, bringt das ganze Land unter die Waffen, und zwar zu Gunsten des Pascha's. Ich wage dieß vorauszusagen, obgleich sich viele finden werden, die der entgegengesetzten Meinung sind. Sollten, wenn man den Berichten aus Europa trauen darf, nur 25,000 Mann Russen zur Occupation Syriens bestimmt seyn, und würden diese vom Ufer des schwarzen

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der Restauration der Armee einigen Aufschwung zu geben. Verschiedene Projecte kamen bereits zur Sprache, unter welche vorzüglich der vorgeschlagene, allerhöchsten Orts nicht ganz adoptirte Plan zu einer Anleihe gehört. Aber auch ein anderes Project scheint sich darauf zu beziehen, obwohl es die Regierung mit günstigen Farben zu übertünchen sucht. Man geht nämlich mit dem Gedanken um, eine <hi rendition="#g">Nationalbank</hi> zu errichten, mit beschränkter mercantilischer Wirksamkeit, da sie eigentlich nach dem Entwurfe eine Zettelbank werden müßte, deren Geschäft auf die Emission von Papiergeld sich zu beschränken hätte. Reschid Pascha, dieser rastlose Geist, ist wieder die Seele des Unternehmens, und behauptet, eine solche Maaßregel wäre die geeignetste, um der commerciellen und industriellen Thätigkeit des Landes aufzuhelfen. Doch brachte die väterliche Sorgfalt des Ministers nur Schrecken unter die Handelswelt, die in ihrer Ungelehrigkeit behauptet, nur bei gefüllten Staatscassen können durch Papiergeld wohlthätige Wirkungen erzielt werden, während in dem gegenwärtigen Augenblick durch solche Vorkehrungen der letzte Ruin über das Land gebracht würde. &#x2013; Es sind dieser Tage neue Befehle von hier aus an den Kaimakam des Kapudan Pascha's nach Alexandrien abgegangen; man erfährt indessen über den Inhalt derselben nichts Näheres. Daß Mustapha Pascha die Verwaltung der osmanischen Flotte im Hafen von Alexandrien bereits übernommen, werden Sie ohnehin auf directem Wege erfahren haben. Ebenso wird Ihnen nicht unbekannt geblieben seyn, daß Frankreich dem Vicekönig den Rath ertheilt hatte, die Flotte nach Konstantinopel zurückzusenden, indem der Vicekönig durch diesen Act offenbarer Großmuth die gegen ihn herrschende Erbitterung mildern und die öffentliche Meinung in Europa für sich gewonnen würde. Diese Maaßregel war aber mit unter denen begriffen, deren Verschiebung dem Vicekönig durch die Depeschen vom 16 Jan., die der Acheron nach Aegypten brachte, angerathen ward. Die arme, verrathene Pforte! sie ist der Spielball aller europäischen Chicanen geworden; selbst die wohlthätigen Effecte einer augenblicklichen Beängstigung des Cabinets der Tuilerien sollten ihr unerwartet wieder entrissen werden! Von allen Seiten wird sie gedrängt und gemartert; man hat sich das Wort gegeben, ihr keinen Augenblick Ruhe zu gönnen. Nebst den jonischen Angelegenheiten, mit denen sie von Lord Ponsonby und Hrn. v. Butenieff in entgegengesetztem Sinne bestürmt wird, kommt nun auch der Fürst von der Wallachei mit einer langen Beschwerdeschrift über das Betragen des in Bucharest residirenden englischen Agenten und der Bitte, die Pforte möge ihn von diesem Manne auf irgend eine Art befreien; er sehe sich zu diesem extremen Schritt gezwungen, da die Anmaßungen des brittischen Generalconsuls ihn zur Verzweiflung brächten. Doch ist man hier so ziemlich überzeugt, daß Hr. Ghika mit einem andern <hi rendition="#g">brittischen</hi> Agenten eben so schwer auskommen werde, als es bei dem gegenwärtigen der Fall ist.</p><lb/>
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[0567/0007] der Restauration der Armee einigen Aufschwung zu geben. Verschiedene Projecte kamen bereits zur Sprache, unter welche vorzüglich der vorgeschlagene, allerhöchsten Orts nicht ganz adoptirte Plan zu einer Anleihe gehört. Aber auch ein anderes Project scheint sich darauf zu beziehen, obwohl es die Regierung mit günstigen Farben zu übertünchen sucht. Man geht nämlich mit dem Gedanken um, eine Nationalbank zu errichten, mit beschränkter mercantilischer Wirksamkeit, da sie eigentlich nach dem Entwurfe eine Zettelbank werden müßte, deren Geschäft auf die Emission von Papiergeld sich zu beschränken hätte. Reschid Pascha, dieser rastlose Geist, ist wieder die Seele des Unternehmens, und behauptet, eine solche Maaßregel wäre die geeignetste, um der commerciellen und industriellen Thätigkeit des Landes aufzuhelfen. Doch brachte die väterliche Sorgfalt des Ministers nur Schrecken unter die Handelswelt, die in ihrer Ungelehrigkeit behauptet, nur bei gefüllten Staatscassen können durch Papiergeld wohlthätige Wirkungen erzielt werden, während in dem gegenwärtigen Augenblick durch solche Vorkehrungen der letzte Ruin über das Land gebracht würde. – Es sind dieser Tage neue Befehle von hier aus an den Kaimakam des Kapudan Pascha's nach Alexandrien abgegangen; man erfährt indessen über den Inhalt derselben nichts Näheres. Daß Mustapha Pascha die Verwaltung der osmanischen Flotte im Hafen von Alexandrien bereits übernommen, werden Sie ohnehin auf directem Wege erfahren haben. Ebenso wird Ihnen nicht unbekannt geblieben seyn, daß Frankreich dem Vicekönig den Rath ertheilt hatte, die Flotte nach Konstantinopel zurückzusenden, indem der Vicekönig durch diesen Act offenbarer Großmuth die gegen ihn herrschende Erbitterung mildern und die öffentliche Meinung in Europa für sich gewonnen würde. Diese Maaßregel war aber mit unter denen begriffen, deren Verschiebung dem Vicekönig durch die Depeschen vom 16 Jan., die der Acheron nach Aegypten brachte, angerathen ward. Die arme, verrathene Pforte! sie ist der Spielball aller europäischen Chicanen geworden; selbst die wohlthätigen Effecte einer augenblicklichen Beängstigung des Cabinets der Tuilerien sollten ihr unerwartet wieder entrissen werden! Von allen Seiten wird sie gedrängt und gemartert; man hat sich das Wort gegeben, ihr keinen Augenblick Ruhe zu gönnen. Nebst den jonischen Angelegenheiten, mit denen sie von Lord Ponsonby und Hrn. v. Butenieff in entgegengesetztem Sinne bestürmt wird, kommt nun auch der Fürst von der Wallachei mit einer langen Beschwerdeschrift über das Betragen des in Bucharest residirenden englischen Agenten und der Bitte, die Pforte möge ihn von diesem Manne auf irgend eine Art befreien; er sehe sich zu diesem extremen Schritt gezwungen, da die Anmaßungen des brittischen Generalconsuls ihn zur Verzweiflung brächten. Doch ist man hier so ziemlich überzeugt, daß Hr. Ghika mit einem andern brittischen Agenten eben so schwer auskommen werde, als es bei dem gegenwärtigen der Fall ist. Aegypten. _ Alexandria, 15 Febr. Die Ankunft Achmed-Kapitans, der dem Mustapha Pascha seine Ernennung zum Kaimakam der türkischen Flotte brachte, hat den Pascha doch verdrossen. Er sagte: die Türken in Konstantinopel baumeln immer mit den Beinen, bevor sie noch auf dem Esel sitzen. Ungeachtet der Kapudan Pascha immer noch fortfährt die türkische Flotte zu commandiren, hat ihn seine Quasi-Absetzung (quasi, weil sie nicht positiv ausgesprochen ist) in eine schiefe Stellung zu den Officieren und Soldaten der Flotte gesetzt. Er wird aus diesem Grunde wahrscheinlich das bei Rosette zusammen zu ziehende Corps zum Commando erhalten, und die beiden auf der Flotte anwesenden türkischen Landwehr-Regimenter damit vereinen. Sämmtliche türkische Truppen sind nun ägyptisch gekleidet; sie sehen darin aus wie die Bären; man muß aber auch gestehen, daß es in der ganzen Welt kein gröberes Segeltuch gibt, als die Leinwand, in die der Pascha sie gesteckt. Kürzlich hat man ihnen wieder den Sold gezahlt, und einige Tage nach dem Kurban-Bairam, der mit heute zu Ende geht, werden sie wieder einen Monat Gage erhalten. Nie hat Mehemed Ali etwas so pünktlich gezahlt als den Sold an diese Flotte. Die Mannschaft derselben hat sich bedeutend vermindert, woran hauptsächlich der gänzliche Mangel an Sanitäts-Officieren Schuld ist. – Aus Arabien will man wissen, daß einige Truppenabtheilungen des Pascha eine Schlappe erlitten, jedoch kann sie nur höchst unbedeutend seyn, da directe ganz frische Briefe aus Dschidda nicht ein Wort davon sagen. Im Sennaar wüthet das Fieber dieses Jahr stärker als gewöhnlich, auch mehrere daselbst angestellte Europäer unterlagen demselben. Die persische Gesandtschaft ist wieder zurückgekehrt. Aus Syrien nichts Neues. Mit den Anase's steht Ibrahim in Unterhandlungen, wozu die erstern selbst die Hand geboten haben. Sie werden sich wahrscheinlich ganz unterwerfen, und dafür Concessionen erhalten, im Fall eines Krieges aber einen Theil ihrer Cavallerie stellen. Mit den Kurden des Diarbekir steht Ibrahim auf dem freundlichsten Fuß. Sie zahlen keine Abgaben, werden nicht zum Militärdienst gezwungen, und dieß ist Alles, was sie verlangen. Sie werden Ibrahim noch von großem Nutzen seyn, dieß fühlt er, und deßhalb schont er sie und schmeichelt ihnen auf alle mögliche Weise. _ Alexandria, 16 Febr. Für den Fall einer definitiven Allianz Englands und Rußlands hat der Pascha energische Maaßregeln beschlossen. Diese bestehen fürs erste in der Aufstellung eines Truppencorps in der Gegend von Rosette, eines andern nördlich von Kairo, in der Zusammenziehung bedeutender Massen Beduinen auf der nordöstlichen wie auf der nordwestlichen Gränze Aegyptens, in der Vollendung der Verschanzungen der angreifbaren Küste, und endlich in der Bearbeitung des Volks zu einer Erhebung in Masse, wofern eine europäische Armee in Aegypten ans Land steigen sollte. Das Project einer einzuexercirenden Landwehr ist, wie ich es voraussagte, aufgegeben worden, da die Gährung unter den Städtern wie unter dem Landvolk zu bedeutend ward. Dagegen wendet man sich an den Fanatismus dieser Leute, und dieß ist eine Saite, die keineswegs verhallt ist, wie höchst oberflächliche Beobachter, die im Orient einige Monate reisten, behaupten. Ich war vor einigen Tagen selbst im Delta, und habe mich überzeugt, was die Bauern dort sagen. Die Aufregung ist allgemein, und trotz der Noth, in der sie leben, hört man nur Verwünschungen gegen die Christen, die ein Land nehmen wollen, das Gott den Muselmännern geschenkt habe. Ich habe Ihnen schon einmal geschrieben: die Muselmänner lassen sich lieber von einem Muselmann, mag er einer Nation angehören, welcher er immer wolle, schinden, als sich von einer christlichen Herrschaft beglücken, und der elende, gebeugte, mit Stockschlägen mißhandelte Fellah wird zu seinen Knüppeln greifen, denn andere Waffen hat er nicht, und zum erstenmale der willige Sklave Mehemed Ali's seyn. In Syrien ist es ganz dasselbe, trotz aller Empörungen gegen die Herrschaft des Pascha's. Ein Aufruf an sämmtliche Moslims, im Fall eine europäische Armee wirklich auf Syrien marschirt, bringt das ganze Land unter die Waffen, und zwar zu Gunsten des Pascha's. Ich wage dieß vorauszusagen, obgleich sich viele finden werden, die der entgegengesetzten Meinung sind. Sollten, wenn man den Berichten aus Europa trauen darf, nur 25,000 Mann Russen zur Occupation Syriens bestimmt seyn, und würden diese vom Ufer des schwarzen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840, S. 0567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311/7>, abgerufen am 24.11.2024.