Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

besonders nach dem armen Westen zielenden Handels- und Waarenströme, sich aus dem Indusgebiete abzweigend, durch das Thal des Amu seinen Lauf, wo er die seit Alters blühenden Städte Samarkand, Bochara u. s. w. mit stets neuem Lebensstoff nährt. An der Mündung des Oxus, der sich in den schilfigen, seichten und sumpfigen Aralsee verliert, erreicht diese große, nach Westen vorschreitende indisch-bochari'sche Handelsströmung ein flußloses und wüstes Land, den von Truchmenen bevölkerten Isthmus zwischen dem kaspischen und Aralsee. Weit und breit zeigt sich hier kein fahrbarer Strom, kein große Verbindungen eröffnendes Meer. Die Wolga, der Don, die östlichen Theile des schwarzen Meeres sind die nächsten, die schon Europa und andern sehr entfernt stehenden Völkern angehören. Es begründete sich daher hier am Ende des Amu-Thales ein Staat, der die Vermittlung jener europäischen Gegenden mit dem Orient übernahm, ein handelndes Volk, welchem die Weiterschaffung der durch das fruchtbare Amuthal überkommenen indischen Waaren nach jenen westlichen Punkten zufiel. Dieser Staat ist Chiwa, und dieses Volk die ihn als alte Urbewohner bevölkernden Sarten oder Tadschiks, die, freilich nicht mehr Herren im Lande, vielmehr von den kriegerischen Usbeken beherrscht, nichtsdestoweniger auf der einen Seite handelnd und einkaufend überall auf den Märkten Kabulistans und Bochara's, so wie auf der andern Seite in den russischen Städten Orenburg, Astrachan, ja in Nischnei-Nowgorod, Charkow und Moskau gefunden werden.

Dieses den Orient und den nordwestlichen Occident vermittelnde Glied der asiatischen Länderkette ist also der Staat, dessen sich Rußland bemächtigen will, theilweise allerdings in der Absicht, eine Menge armer leidender Mitbrüder aus der Sklaverei zu befreien, anderntheils aber, um ein an Hülfsmitteln nicht armes Land seinem Ländergebiet hinzuzufügen, ferner um seinen Einfluß auf die mittlern asiatischen Centralstaaten fester zu begründen, so wie um den natürlich hieher strömenden indischen Handel von den Fesseln, die ihm der kriegerische usbekische Beherrscher der unkriegerischen handelslustigen Sarten oder Tadschiks anlegte, zu befreien, endlich um eine rasche Diversion gegen die Engländer zu machen, die nach ihrem letzten bedrohlichen Vorrücken gegen Nordwesten in allen jenen Punkten den Russen zuvorkommen könnten.

Die Verbindungen der jetzt von den Moskowiten beherrschten Länder und Völker mit dem Orient durch die Vermittlung der Chiwaer oder Chowaresmier ist uralt, und die Handelswege, welche von jeher die Kaufleute und Waaren hier gingen, sind vom grauesten Alterthum her im Ganzen genommen so unverändert geblieben, wie die ihre Richtung bestimmenden Configurationen der Meere, Länder und Flüsse selbst. Selbst Herodots Angaben über diese Handelswege, und namentlich über die zu seiner Zeit von den Griechen an den nordöstlichen Enden des schwarzen und kaspischen Meeres abgeholten indischen Producte stimmen ganz mit dem überein, was noch heutzutage hier geschieht. Die Venetianer und Genueser folgten den Miletern, Sinopern und den Römern, die Waaren, Handelswege und Verbindungen blieben dieselben. Im Mittelalter wissen wir, wie orientalische Waaren fortwährend bei der Wolgamündung von der Oxusmündung herzuströmten, und die Wolga hinaufgehend bis nach Biarmien, Groß-Nowgorod und Wisby zu den arktischen und baltischen Meeren kamen, wie sie noch in diesem Augenblick zu dem großen Markt von Nischnei-Nowgorod auf denselben Bahnen gelangen. Je nach der politischen Lage der Welt wurden freilich die natürlichen Wege mehr oder weniger lebhaft benützt. Die Völkerwanderungen, die Zerstörungen und der erfall fleißiger Handelscolonien am schwarzen Meer, die Eroberungen der Mongolen u. s. w. störten die Verbindungen, verstopften hie und da die Quellen, doch spann sich im Laufe der Zeiten Alles wieder von neuem an, und es zog sich Alles immer wieder auf die alte Weise zurecht. Von den Ereignissen der neueren Jahrhunderte wirkte auf diesen chowaresmisch-asiatischen Handelsverkehr nichts entschiedener ein, als die Begründung der türkischen Macht am schwarzen Meer und die Entwicklung des russischen Staats im Norden dieses Meeres. Unter den Türken verfiel die Schifffahrt des schwarzen Meeres vollkommen, und der indische Handel fand in dieser Richtung keinen Absatz mehr. Unter den Russen dagegen blühte das Wolgagebiet und die dem kaspischen Meere nahen Länder empor, und die nach Norden hin abgehende Verzweigung der indischen Verkehrsströme gewann bis auf unsere Tage herab mehr und mehr an Kraft und Wichtigkeit. Die handels- und speculationslustigen Russen haben allmählich diese ganze nördliche Verzweigung in ihr Gebiet hinübergezogen, und sind jetzt im Begriff, den Abzweigungsknoten selbst sich nachzuholen.

(Beschluß folgt.)

Großbritannien.

Am 28 Febr. waren, wie wir erwähnt haben, die angeblichen Störungen des brittischen Handels an der Westküste von Afrika, namentlich des brittischen Gummihandels mit Portendic, der Gegenstand langer Oberhausdebatten. Viscount Strangford (bekannt als vormaliger Gesandter in Konstantinopel, Lissabon und St. Petersburg) bemerkte, indem er die Petition des betheiligten Londoner Handelsstandes überreichte: "Als ich in der vorjährigen Session die von gewissen französischen Behörden verübten Eingriffe in unsern westafrikanischen Handel und all den Verlust und die Schmach, die wir dadurch erlitten, in Anregung brachte, da durfte ich nach dem sehr angemessenen und entschiedenen Ton, den der edle Viscount gegenüber (Melbourne) in dieser Sache annahm, so wie nach seiner Versicherung, daß die Sache auf eine Englands würdige Weise verhandelt werden solle, wohl die Hoffnung fassen, seine Remonstrationen bei der französischen Regierung würden die Wirkung haben, wenn nicht volle Genugthuung für frühere Beschädigungen und Unbilden zu erlangen, doch einer Wiederholung derselben vorzubauen. Mylords! ich hege von der Achtung, welche den Vorstellungen einer brittischen Regierung gebührt, in der That eine zu hohe Meinung, als daß ich mir auch nur träumen lassen konnte, ich würde in der nächsten, in der jetzigen Session eine Bittschrift zu überreichen haben, worin der bestimmte Beweis geliefert ist, daß jene Remonstrationen nicht nur in Bezug auf frühere Vorgänge ganz fruchtlos geblieben sind, sondern daß sie Frankreich auch nicht von neuen, und zwar noch empörenderen Versuchen, unsern Handel zu beschädigen und unsere Flagge herabzuwürdigen, abgehalten haben. Ich frage Sie, Mylords, wie muß es um England stehen, wenn Unterthanen Ihrer Maj., unter Benachtheiligungen und Unbilden seufzend, und an dem Schutz ihrer Landesregierung verzweifelnd, eine solche Bitte stellen?" Der edle Lord liest hier zuerst den Schluß der Petition, welcher also lautet: ""So tief wir, die unterzeichneten Bittsteller, auch die Wichtigkeit unserer westafrikanischen Besitzungen, sowohl in commercieller Hinsicht als in Bezug auf die Unterdrückung des Sklavenhandels, fühlen - in ersterem Betracht, besonders in dieser Zeit, wo neue Märkte für unsere Fabriken dem Mutterland so nöthig werden - so sehen wir doch durch die Verluste und Unbilden,

besonders nach dem armen Westen zielenden Handels- und Waarenströme, sich aus dem Indusgebiete abzweigend, durch das Thal des Amu seinen Lauf, wo er die seit Alters blühenden Städte Samarkand, Bochara u. s. w. mit stets neuem Lebensstoff nährt. An der Mündung des Oxus, der sich in den schilfigen, seichten und sumpfigen Aralsee verliert, erreicht diese große, nach Westen vorschreitende indisch-bochari'sche Handelsströmung ein flußloses und wüstes Land, den von Truchmenen bevölkerten Isthmus zwischen dem kaspischen und Aralsee. Weit und breit zeigt sich hier kein fahrbarer Strom, kein große Verbindungen eröffnendes Meer. Die Wolga, der Don, die östlichen Theile des schwarzen Meeres sind die nächsten, die schon Europa und andern sehr entfernt stehenden Völkern angehören. Es begründete sich daher hier am Ende des Amu-Thales ein Staat, der die Vermittlung jener europäischen Gegenden mit dem Orient übernahm, ein handelndes Volk, welchem die Weiterschaffung der durch das fruchtbare Amuthal überkommenen indischen Waaren nach jenen westlichen Punkten zufiel. Dieser Staat ist Chiwa, und dieses Volk die ihn als alte Urbewohner bevölkernden Sarten oder Tadschiks, die, freilich nicht mehr Herren im Lande, vielmehr von den kriegerischen Usbeken beherrscht, nichtsdestoweniger auf der einen Seite handelnd und einkaufend überall auf den Märkten Kabulistans und Bochara's, so wie auf der andern Seite in den russischen Städten Orenburg, Astrachan, ja in Nischnei-Nowgorod, Charkow und Moskau gefunden werden.

Dieses den Orient und den nordwestlichen Occident vermittelnde Glied der asiatischen Länderkette ist also der Staat, dessen sich Rußland bemächtigen will, theilweise allerdings in der Absicht, eine Menge armer leidender Mitbrüder aus der Sklaverei zu befreien, anderntheils aber, um ein an Hülfsmitteln nicht armes Land seinem Ländergebiet hinzuzufügen, ferner um seinen Einfluß auf die mittlern asiatischen Centralstaaten fester zu begründen, so wie um den natürlich hieher strömenden indischen Handel von den Fesseln, die ihm der kriegerische usbekische Beherrscher der unkriegerischen handelslustigen Sarten oder Tadschiks anlegte, zu befreien, endlich um eine rasche Diversion gegen die Engländer zu machen, die nach ihrem letzten bedrohlichen Vorrücken gegen Nordwesten in allen jenen Punkten den Russen zuvorkommen könnten.

Die Verbindungen der jetzt von den Moskowiten beherrschten Länder und Völker mit dem Orient durch die Vermittlung der Chiwaer oder Chowaresmier ist uralt, und die Handelswege, welche von jeher die Kaufleute und Waaren hier gingen, sind vom grauesten Alterthum her im Ganzen genommen so unverändert geblieben, wie die ihre Richtung bestimmenden Configurationen der Meere, Länder und Flüsse selbst. Selbst Herodots Angaben über diese Handelswege, und namentlich über die zu seiner Zeit von den Griechen an den nordöstlichen Enden des schwarzen und kaspischen Meeres abgeholten indischen Producte stimmen ganz mit dem überein, was noch heutzutage hier geschieht. Die Venetianer und Genueser folgten den Miletern, Sinopern und den Römern, die Waaren, Handelswege und Verbindungen blieben dieselben. Im Mittelalter wissen wir, wie orientalische Waaren fortwährend bei der Wolgamündung von der Oxusmündung herzuströmten, und die Wolga hinaufgehend bis nach Biarmien, Groß-Nowgorod und Wisby zu den arktischen und baltischen Meeren kamen, wie sie noch in diesem Augenblick zu dem großen Markt von Nischnei-Nowgorod auf denselben Bahnen gelangen. Je nach der politischen Lage der Welt wurden freilich die natürlichen Wege mehr oder weniger lebhaft benützt. Die Völkerwanderungen, die Zerstörungen und der erfall fleißiger Handelscolonien am schwarzen Meer, die Eroberungen der Mongolen u. s. w. störten die Verbindungen, verstopften hie und da die Quellen, doch spann sich im Laufe der Zeiten Alles wieder von neuem an, und es zog sich Alles immer wieder auf die alte Weise zurecht. Von den Ereignissen der neueren Jahrhunderte wirkte auf diesen chowaresmisch-asiatischen Handelsverkehr nichts entschiedener ein, als die Begründung der türkischen Macht am schwarzen Meer und die Entwicklung des russischen Staats im Norden dieses Meeres. Unter den Türken verfiel die Schifffahrt des schwarzen Meeres vollkommen, und der indische Handel fand in dieser Richtung keinen Absatz mehr. Unter den Russen dagegen blühte das Wolgagebiet und die dem kaspischen Meere nahen Länder empor, und die nach Norden hin abgehende Verzweigung der indischen Verkehrsströme gewann bis auf unsere Tage herab mehr und mehr an Kraft und Wichtigkeit. Die handels- und speculationslustigen Russen haben allmählich diese ganze nördliche Verzweigung in ihr Gebiet hinübergezogen, und sind jetzt im Begriff, den Abzweigungsknoten selbst sich nachzuholen.

(Beschluß folgt.)

Großbritannien.

Am 28 Febr. waren, wie wir erwähnt haben, die angeblichen Störungen des brittischen Handels an der Westküste von Afrika, namentlich des brittischen Gummihandels mit Portendic, der Gegenstand langer Oberhausdebatten. Viscount Strangford (bekannt als vormaliger Gesandter in Konstantinopel, Lissabon und St. Petersburg) bemerkte, indem er die Petition des betheiligten Londoner Handelsstandes überreichte: „Als ich in der vorjährigen Session die von gewissen französischen Behörden verübten Eingriffe in unsern westafrikanischen Handel und all den Verlust und die Schmach, die wir dadurch erlitten, in Anregung brachte, da durfte ich nach dem sehr angemessenen und entschiedenen Ton, den der edle Viscount gegenüber (Melbourne) in dieser Sache annahm, so wie nach seiner Versicherung, daß die Sache auf eine Englands würdige Weise verhandelt werden solle, wohl die Hoffnung fassen, seine Remonstrationen bei der französischen Regierung würden die Wirkung haben, wenn nicht volle Genugthuung für frühere Beschädigungen und Unbilden zu erlangen, doch einer Wiederholung derselben vorzubauen. Mylords! ich hege von der Achtung, welche den Vorstellungen einer brittischen Regierung gebührt, in der That eine zu hohe Meinung, als daß ich mir auch nur träumen lassen konnte, ich würde in der nächsten, in der jetzigen Session eine Bittschrift zu überreichen haben, worin der bestimmte Beweis geliefert ist, daß jene Remonstrationen nicht nur in Bezug auf frühere Vorgänge ganz fruchtlos geblieben sind, sondern daß sie Frankreich auch nicht von neuen, und zwar noch empörenderen Versuchen, unsern Handel zu beschädigen und unsere Flagge herabzuwürdigen, abgehalten haben. Ich frage Sie, Mylords, wie muß es um England stehen, wenn Unterthanen Ihrer Maj., unter Benachtheiligungen und Unbilden seufzend, und an dem Schutz ihrer Landesregierung verzweifelnd, eine solche Bitte stellen?“ Der edle Lord liest hier zuerst den Schluß der Petition, welcher also lautet: „„So tief wir, die unterzeichneten Bittsteller, auch die Wichtigkeit unserer westafrikanischen Besitzungen, sowohl in commercieller Hinsicht als in Bezug auf die Unterdrückung des Sklavenhandels, fühlen – in ersterem Betracht, besonders in dieser Zeit, wo neue Märkte für unsere Fabriken dem Mutterland so nöthig werden – so sehen wir doch durch die Verluste und Unbilden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="0562"/>
besonders nach dem armen Westen zielenden Handels- und Waarenströme, sich aus dem Indusgebiete abzweigend, durch das Thal des Amu seinen Lauf, wo er die seit Alters blühenden Städte Samarkand, Bochara u. s. w. mit stets neuem Lebensstoff nährt. An der Mündung des Oxus, der sich in den schilfigen, seichten und sumpfigen Aralsee verliert, erreicht diese große, nach Westen vorschreitende indisch-bochari'sche Handelsströmung ein flußloses und wüstes Land, den von Truchmenen bevölkerten Isthmus zwischen dem kaspischen und Aralsee. Weit und breit zeigt sich hier kein fahrbarer Strom, kein große Verbindungen eröffnendes Meer. Die Wolga, der Don, die östlichen Theile des schwarzen Meeres sind die nächsten, die schon Europa und andern sehr entfernt stehenden Völkern angehören. Es begründete sich daher hier am Ende des Amu-Thales ein Staat, der die Vermittlung jener europäischen Gegenden mit dem Orient übernahm, ein handelndes Volk, welchem die Weiterschaffung der durch das fruchtbare Amuthal überkommenen indischen Waaren nach jenen westlichen Punkten zufiel. Dieser Staat ist Chiwa, und dieses Volk die ihn als alte Urbewohner bevölkernden Sarten oder Tadschiks, die, freilich nicht mehr Herren im Lande, vielmehr von den kriegerischen Usbeken beherrscht, nichtsdestoweniger auf der einen Seite handelnd und einkaufend überall auf den Märkten Kabulistans und Bochara's, so wie auf der andern Seite in den russischen Städten Orenburg, Astrachan, ja in Nischnei-Nowgorod, Charkow und Moskau gefunden werden.</p><lb/>
        <p>Dieses den Orient und den nordwestlichen Occident vermittelnde Glied der asiatischen Länderkette ist also der Staat, dessen sich Rußland bemächtigen will, theilweise allerdings in der Absicht, eine Menge armer leidender Mitbrüder aus der Sklaverei zu befreien, anderntheils aber, um ein an Hülfsmitteln nicht armes Land seinem Ländergebiet hinzuzufügen, ferner um seinen Einfluß auf die mittlern asiatischen Centralstaaten fester zu begründen, so wie um den natürlich hieher strömenden indischen Handel von den Fesseln, die ihm der kriegerische usbekische Beherrscher der unkriegerischen handelslustigen Sarten oder Tadschiks anlegte, zu befreien, endlich um eine rasche Diversion gegen die Engländer zu machen, die nach ihrem letzten bedrohlichen Vorrücken gegen Nordwesten in allen jenen Punkten den Russen zuvorkommen könnten.</p><lb/>
        <p>Die Verbindungen der jetzt von den Moskowiten beherrschten Länder und Völker mit dem Orient durch die Vermittlung der Chiwaer oder Chowaresmier ist uralt, und die Handelswege, welche von jeher die Kaufleute und Waaren hier gingen, sind vom grauesten Alterthum her im Ganzen genommen so unverändert geblieben, wie die ihre Richtung bestimmenden Configurationen der Meere, Länder und Flüsse selbst. Selbst Herodots Angaben über diese Handelswege, und namentlich über die zu seiner Zeit von den Griechen an den nordöstlichen Enden des schwarzen und kaspischen Meeres abgeholten indischen Producte stimmen ganz mit dem überein, was noch heutzutage hier geschieht. Die Venetianer und Genueser folgten den Miletern, Sinopern und den Römern, die Waaren, Handelswege und Verbindungen blieben dieselben. Im Mittelalter wissen wir, wie orientalische Waaren fortwährend bei der Wolgamündung von der Oxusmündung herzuströmten, und die Wolga hinaufgehend bis nach Biarmien, Groß-Nowgorod und Wisby zu den arktischen und baltischen Meeren kamen, wie sie noch in diesem Augenblick zu dem großen Markt von Nischnei-Nowgorod auf denselben Bahnen gelangen. Je nach der politischen Lage der Welt wurden freilich die natürlichen Wege mehr oder weniger lebhaft benützt. Die Völkerwanderungen, die Zerstörungen und der erfall fleißiger Handelscolonien am schwarzen Meer, die Eroberungen der Mongolen u. s. w. störten die Verbindungen, verstopften hie und da die Quellen, doch spann sich im Laufe der Zeiten Alles wieder von neuem an, und es zog sich Alles immer wieder auf die alte Weise zurecht. Von den Ereignissen der neueren Jahrhunderte wirkte auf diesen chowaresmisch-asiatischen Handelsverkehr nichts entschiedener ein, als die Begründung der türkischen Macht am schwarzen Meer und die Entwicklung des russischen Staats im Norden dieses Meeres. Unter den Türken verfiel die Schifffahrt des schwarzen Meeres vollkommen, und der indische Handel fand in dieser Richtung keinen Absatz mehr. Unter den Russen dagegen blühte das Wolgagebiet und die dem kaspischen Meere nahen Länder empor, und die nach Norden hin abgehende Verzweigung der indischen Verkehrsströme gewann bis auf unsere Tage herab mehr und mehr an Kraft und Wichtigkeit. Die handels- und speculationslustigen Russen haben allmählich diese ganze nördliche Verzweigung in ihr Gebiet hinübergezogen, und sind jetzt im Begriff, den Abzweigungsknoten selbst sich nachzuholen.</p><lb/>
        <p>(Beschluß folgt.)</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 1 März.</dateline>
          <p> Am 28 Febr. waren, wie wir erwähnt haben, die angeblichen Störungen des brittischen Handels an der Westküste von Afrika, namentlich des brittischen Gummihandels mit Portendic, der Gegenstand langer <hi rendition="#g">Oberhausdebatten</hi>. Viscount <hi rendition="#g">Strangford</hi> (bekannt als vormaliger Gesandter in Konstantinopel, Lissabon und St. Petersburg) bemerkte, indem er die Petition des betheiligten Londoner Handelsstandes überreichte: &#x201E;Als ich in der vorjährigen Session die von gewissen französischen Behörden verübten Eingriffe in unsern westafrikanischen Handel und all den Verlust und die Schmach, die wir dadurch erlitten, in Anregung brachte, da durfte ich nach dem sehr angemessenen und entschiedenen Ton, den der edle Viscount gegenüber (Melbourne) in dieser Sache annahm, so wie nach seiner Versicherung, daß die Sache auf eine Englands würdige Weise verhandelt werden solle, wohl die Hoffnung fassen, seine Remonstrationen bei der französischen Regierung würden die Wirkung haben, wenn nicht volle Genugthuung für frühere Beschädigungen und Unbilden zu erlangen, doch einer Wiederholung derselben vorzubauen. Mylords! ich hege von der Achtung, welche den Vorstellungen einer brittischen Regierung gebührt, in der That eine zu hohe Meinung, als daß ich mir auch nur träumen lassen konnte, ich würde in der nächsten, in der jetzigen Session eine Bittschrift zu überreichen haben, worin der bestimmte Beweis geliefert ist, daß jene Remonstrationen nicht nur in Bezug auf frühere Vorgänge ganz fruchtlos geblieben sind, sondern daß sie Frankreich auch nicht von neuen, und zwar noch empörenderen Versuchen, unsern Handel zu beschädigen und unsere Flagge herabzuwürdigen, abgehalten haben. Ich frage Sie, Mylords, wie muß es um England stehen, wenn Unterthanen Ihrer Maj., unter Benachtheiligungen und Unbilden seufzend, und an dem Schutz ihrer Landesregierung verzweifelnd, eine solche Bitte stellen?&#x201C; Der edle Lord liest hier zuerst den Schluß der Petition, welcher also lautet: &#x201E;&#x201E;So tief wir, die unterzeichneten Bittsteller, auch die Wichtigkeit unserer westafrikanischen Besitzungen, sowohl in commercieller Hinsicht als in Bezug auf die Unterdrückung des Sklavenhandels, fühlen &#x2013; in ersterem Betracht, besonders in dieser Zeit, wo neue Märkte für unsere Fabriken dem Mutterland so nöthig werden &#x2013; so sehen wir doch durch die Verluste und Unbilden,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0562/0010] besonders nach dem armen Westen zielenden Handels- und Waarenströme, sich aus dem Indusgebiete abzweigend, durch das Thal des Amu seinen Lauf, wo er die seit Alters blühenden Städte Samarkand, Bochara u. s. w. mit stets neuem Lebensstoff nährt. An der Mündung des Oxus, der sich in den schilfigen, seichten und sumpfigen Aralsee verliert, erreicht diese große, nach Westen vorschreitende indisch-bochari'sche Handelsströmung ein flußloses und wüstes Land, den von Truchmenen bevölkerten Isthmus zwischen dem kaspischen und Aralsee. Weit und breit zeigt sich hier kein fahrbarer Strom, kein große Verbindungen eröffnendes Meer. Die Wolga, der Don, die östlichen Theile des schwarzen Meeres sind die nächsten, die schon Europa und andern sehr entfernt stehenden Völkern angehören. Es begründete sich daher hier am Ende des Amu-Thales ein Staat, der die Vermittlung jener europäischen Gegenden mit dem Orient übernahm, ein handelndes Volk, welchem die Weiterschaffung der durch das fruchtbare Amuthal überkommenen indischen Waaren nach jenen westlichen Punkten zufiel. Dieser Staat ist Chiwa, und dieses Volk die ihn als alte Urbewohner bevölkernden Sarten oder Tadschiks, die, freilich nicht mehr Herren im Lande, vielmehr von den kriegerischen Usbeken beherrscht, nichtsdestoweniger auf der einen Seite handelnd und einkaufend überall auf den Märkten Kabulistans und Bochara's, so wie auf der andern Seite in den russischen Städten Orenburg, Astrachan, ja in Nischnei-Nowgorod, Charkow und Moskau gefunden werden. Dieses den Orient und den nordwestlichen Occident vermittelnde Glied der asiatischen Länderkette ist also der Staat, dessen sich Rußland bemächtigen will, theilweise allerdings in der Absicht, eine Menge armer leidender Mitbrüder aus der Sklaverei zu befreien, anderntheils aber, um ein an Hülfsmitteln nicht armes Land seinem Ländergebiet hinzuzufügen, ferner um seinen Einfluß auf die mittlern asiatischen Centralstaaten fester zu begründen, so wie um den natürlich hieher strömenden indischen Handel von den Fesseln, die ihm der kriegerische usbekische Beherrscher der unkriegerischen handelslustigen Sarten oder Tadschiks anlegte, zu befreien, endlich um eine rasche Diversion gegen die Engländer zu machen, die nach ihrem letzten bedrohlichen Vorrücken gegen Nordwesten in allen jenen Punkten den Russen zuvorkommen könnten. Die Verbindungen der jetzt von den Moskowiten beherrschten Länder und Völker mit dem Orient durch die Vermittlung der Chiwaer oder Chowaresmier ist uralt, und die Handelswege, welche von jeher die Kaufleute und Waaren hier gingen, sind vom grauesten Alterthum her im Ganzen genommen so unverändert geblieben, wie die ihre Richtung bestimmenden Configurationen der Meere, Länder und Flüsse selbst. Selbst Herodots Angaben über diese Handelswege, und namentlich über die zu seiner Zeit von den Griechen an den nordöstlichen Enden des schwarzen und kaspischen Meeres abgeholten indischen Producte stimmen ganz mit dem überein, was noch heutzutage hier geschieht. Die Venetianer und Genueser folgten den Miletern, Sinopern und den Römern, die Waaren, Handelswege und Verbindungen blieben dieselben. Im Mittelalter wissen wir, wie orientalische Waaren fortwährend bei der Wolgamündung von der Oxusmündung herzuströmten, und die Wolga hinaufgehend bis nach Biarmien, Groß-Nowgorod und Wisby zu den arktischen und baltischen Meeren kamen, wie sie noch in diesem Augenblick zu dem großen Markt von Nischnei-Nowgorod auf denselben Bahnen gelangen. Je nach der politischen Lage der Welt wurden freilich die natürlichen Wege mehr oder weniger lebhaft benützt. Die Völkerwanderungen, die Zerstörungen und der erfall fleißiger Handelscolonien am schwarzen Meer, die Eroberungen der Mongolen u. s. w. störten die Verbindungen, verstopften hie und da die Quellen, doch spann sich im Laufe der Zeiten Alles wieder von neuem an, und es zog sich Alles immer wieder auf die alte Weise zurecht. Von den Ereignissen der neueren Jahrhunderte wirkte auf diesen chowaresmisch-asiatischen Handelsverkehr nichts entschiedener ein, als die Begründung der türkischen Macht am schwarzen Meer und die Entwicklung des russischen Staats im Norden dieses Meeres. Unter den Türken verfiel die Schifffahrt des schwarzen Meeres vollkommen, und der indische Handel fand in dieser Richtung keinen Absatz mehr. Unter den Russen dagegen blühte das Wolgagebiet und die dem kaspischen Meere nahen Länder empor, und die nach Norden hin abgehende Verzweigung der indischen Verkehrsströme gewann bis auf unsere Tage herab mehr und mehr an Kraft und Wichtigkeit. Die handels- und speculationslustigen Russen haben allmählich diese ganze nördliche Verzweigung in ihr Gebiet hinübergezogen, und sind jetzt im Begriff, den Abzweigungsknoten selbst sich nachzuholen. (Beschluß folgt.) Großbritannien. _ London, 1 März. Am 28 Febr. waren, wie wir erwähnt haben, die angeblichen Störungen des brittischen Handels an der Westküste von Afrika, namentlich des brittischen Gummihandels mit Portendic, der Gegenstand langer Oberhausdebatten. Viscount Strangford (bekannt als vormaliger Gesandter in Konstantinopel, Lissabon und St. Petersburg) bemerkte, indem er die Petition des betheiligten Londoner Handelsstandes überreichte: „Als ich in der vorjährigen Session die von gewissen französischen Behörden verübten Eingriffe in unsern westafrikanischen Handel und all den Verlust und die Schmach, die wir dadurch erlitten, in Anregung brachte, da durfte ich nach dem sehr angemessenen und entschiedenen Ton, den der edle Viscount gegenüber (Melbourne) in dieser Sache annahm, so wie nach seiner Versicherung, daß die Sache auf eine Englands würdige Weise verhandelt werden solle, wohl die Hoffnung fassen, seine Remonstrationen bei der französischen Regierung würden die Wirkung haben, wenn nicht volle Genugthuung für frühere Beschädigungen und Unbilden zu erlangen, doch einer Wiederholung derselben vorzubauen. Mylords! ich hege von der Achtung, welche den Vorstellungen einer brittischen Regierung gebührt, in der That eine zu hohe Meinung, als daß ich mir auch nur träumen lassen konnte, ich würde in der nächsten, in der jetzigen Session eine Bittschrift zu überreichen haben, worin der bestimmte Beweis geliefert ist, daß jene Remonstrationen nicht nur in Bezug auf frühere Vorgänge ganz fruchtlos geblieben sind, sondern daß sie Frankreich auch nicht von neuen, und zwar noch empörenderen Versuchen, unsern Handel zu beschädigen und unsere Flagge herabzuwürdigen, abgehalten haben. Ich frage Sie, Mylords, wie muß es um England stehen, wenn Unterthanen Ihrer Maj., unter Benachtheiligungen und Unbilden seufzend, und an dem Schutz ihrer Landesregierung verzweifelnd, eine solche Bitte stellen?“ Der edle Lord liest hier zuerst den Schluß der Petition, welcher also lautet: „„So tief wir, die unterzeichneten Bittsteller, auch die Wichtigkeit unserer westafrikanischen Besitzungen, sowohl in commercieller Hinsicht als in Bezug auf die Unterdrückung des Sklavenhandels, fühlen – in ersterem Betracht, besonders in dieser Zeit, wo neue Märkte für unsere Fabriken dem Mutterland so nöthig werden – so sehen wir doch durch die Verluste und Unbilden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840, S. 0562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_071_18400311/10>, abgerufen am 24.11.2024.