Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.nur so lange dauern, als dessen Handlungen mit den Wünschen der Linken übereinstimmten. Vorläufig verspricht der Courrier, daß seine Partei gegen das Ministerium keine Opposition machen werde. Paris, 2 März. Ungeachtet der bestimmten Versicherungen von Seite der Thiers'schen Blätter, daß das Ministerium ernannt sey, wollte man im Publicum doch nicht fest daran glauben, weil der Moniteur bis heute gezögert hatte die Ernennung bekannt zu machen. Ja noch heute wird versichert, im Centrum spuke ein böser Geist, der dem Thiers'schen Ministerium keinen langen Bestand verheiße. Die Mehrzahl dieser Partei, als die neue Ernennung bekannt geworden, habe erklärt, sie werde nichts unversucht lassen, Hrn. Thiers zu stürzen und den 12 Mai, mit Hrn. v. Mole an der Spitze, wieder aufleben zu machen. Diese Kriegserklärung wäre bloß dann bedenklicher Art, wenn ihr eine geheime Parole zu Grunde läge. Man weiß, daß ein Theil des Centrums einem außerhalb der Kammer befindlichem Willen gehorcht. Ist dieß nicht der Fall, so hat die Drohung wenig zu bedeuten, denn die Erfahrung lehrt, daß die Mitglieder des Centrums dem Ministerium gegenüber eben nicht die unbezähmbarsten der Opponenten sind. Auch ist heute im Constitutionnel (welcher von nun an das ministerielle Journal seyn wird) ein, ohne Zweifel von Thiers' Meisterhand verfaßter Artikel darauf berechnet, das Centrum zu besänftigen und die Nothwendigkeit eines Ministeriums zu beweisen, welches zwischen dem Centrum und der linken Seite eine vermittelnde Stellung behaupte. In der That scheint nur ein Ministerium Thiers bei der gegenwärtigen Constellation der Verhältnisse im Stande zu seyn, Frankreich Ruhe und Prosperität und Europa den Frieden zu sichern. Es ist zu hoffen, man werde sich davon in den höheren Regionen mehr und mehr überzeugen und eher trachten diesem Ministerium Stätigkeit zu geben, als es zu untergraben. Nichts ist der Befestigung des öffentlichen Vertrauens in den Bestand der Dinge, den Fortschritten jeder Art und somit der Ruhe von Frankreich so gefährlich als der ewige Ministerwechsel; durch denselben ist die Administration selbst bereits an den Rand der Anarchie gerathen. In dem gegenwärtigen Ministerium aber vereinigt sich Alles, was erforderlich ist, den Schaden wieder gut zu machen, das Wollen und das Können. Cousin, Jaubert, Remusat, Roussin sind Männer von umfassenden Kenntnissen und großartigen Talenten. Pelet ist ein vorzüglicher Administrator, Gouin ein in hoher Achtung stehender Bankier, und Vivien wegen seiner Rechtschaffenheit und seiner Einsichten allgemein geschätzt. Von allen Mitgliedern des neuen Ministeriums trägt nur der General Cubieres entschieden die Hoffarbe. Die drei Erstgenannten sind erprobte Redner, insbesondere Jaubert; ihm stehen die scharfen Waffen des Witzes und der Satyre zu Gebot. Für die großartigen Transportverbesserungen und öffentlichen Werke, welche in Vorschlag sind, ist von den speciellen Kenntnissen und der Energie dieses Ministers Außergewöhnliches zu erwarten. Es läßt sich mit Zuversicht sagen, daß diese Ernennung von der großen Mehrzahl der französischen Nation mit Beifall aufgenommen worden ist, und daß die Hoffnung auf bessere Zeiten dadurch wiederum einigen Boden gewonnen hat. Paris, 2 März. Man hatte dem abtretenden Ministerium vorgeworfen, es sey ein Ministerium ohne Kopf; bereits sagt man von dem neuen, es sey ein Ministerium ohne Leib und das nichts habe als einen Kopf. Gewiß ist jedenfalls, daß eine große Verantwortlichkeit auf Thiers lastet, der sich mit Männern umgeben hat, die, wiewohl von unbestreitbarer Fähigkeit, doch mehr oder minder seine absolute Suprematie anerkennen und deren etwaige Widerspänstigkeit wie bei Hrn. v. Remusat, dem Minister des Innern, man durch die Beigesellung eines controlirenden Sous-Secretärs, gelähmt hat. Wenn Thiers, was ja so leicht denkbar ist, nicht mehr ausreichen, mit der Kammer sich nicht vertragen sollte, was dann? Auf welcher Seite, und wie wird Louis Philipp sein neues Ministerium bilden? Werden wir in die Arme des Hrn. v. Mole fallen? Das wäre ein Rückfall im wahren Sinne des Wortes, denn die feine Eleganz der Sitten macht noch nicht den Ministerpräsidenten, dessen Frankreich im Jahr 1840bedarf; oder aber umarmen wir Odilon-Barrot und die linke Seite? Das wäre, im Sinne der Hofleute, eine wahre Revolution, begleitet mit Compte-Rendu und Wahlreform, die sie seit 9 Jahren standhaft bestritten haben. Denn wenn auch Odilon-Barrot, für seine Person, sehr unverfänglich ist, so kann er doch nicht anders ins Ministerium treten, als begleitet von seinen Freunden, der Linken und deren Anhängern, und wo wäre das Ende dieses Anfangs? Ich spreche nicht bloß in einer rein undenkbaren Hypothese; die Möglichkeit dessen, was ich hier andeute, liegt ziemlich nahe. Wie, wenn die Kammer dem Ministerium Thiers die geheimen Gelder nicht zuerkennen will? Wie, wenn Louis Philipp, um sich für die Niederlage der Nemours'schen Ausstattung zu entschädigen, einen Gesetzesvorschlag vorlegte, der den Ersatz der Ausgaben zu Versailles aus dem Landesbudget verlangte, und dieses Gesetz wie sein älteres verworfen würde? Das erstere aber, die Bestreitung der geheimen Gelder, wäre um so möglicher, als das abgetretene Ministerium diesen Umstand zum Deckmantel seiner Angriffe gegen Thiers und seine Collegen nehmen und für sich ferner anrufen kann, daß es ja bereits alle Subvention der Journale abgeschafft habe! Einen solchen Stoß aber würde Thiers nicht überleben, denn in seiner Natur ist es einmal nicht, ohne geheime Gelder zu regieren, er, der das Geld für nichts achtet, beinahe so wenig als die Menschen! Die andere Hypothese aber, die von Versailles, habe ich früher schon berührt; sie liegt in dem Charakter des Königs, sie ist ein schlußgerechtes Glied in der Kette seiner Handlungen, und dieser offenkundigen Thatsache muß der merkwürdige Umstand zugeschrieben werden, daß sie in der öffentlichen Meinung als nahe bevorstehend bereits besprochen wird. - Wir bedauern unter den abtretenden Ministern besonders den Siegelbewahrer Teste, der bei anerkanntem Talent und einem ausgezeichneten Rufe als Advocat mehrere Entwürfe wirklicher Verbesserungen in dem Gerichts- und Beamtenwesen vorgebracht hatte, und wir erwarten am Ruder den neuen Minister des öffentlichen Unterrichts, Hrn. Cousin, der mindestens in den zu machenden Verbesserungen des hiesigen Schulwesens die Vergleichung des Zustandes in andern Ländern, namentlich in Deutschland, benützen kann. Niederlande. Nach dem Amsterdam'schen Handelsblad soll die Reise des Königs nach Amsterdam auf den 4 d. festgesetzt seyn. Da diese jährliche Reise des Königs nach Amsterdam sonst immer erst im April oder Mai vorgenommen wird, so gibt das frühe Unternehmen derselben Anlaß zu mancherlei Bemerkungen. Nach einem Schreiben im Arnhem'schen Courant aus dem Haag vom 28 Febr. glaubt man dort, der König wolle in Amsterdam die Ansichten des höhern Bürgerstandes über die Veränderungen im Grundgesetze persönlich kennen lernen, ehe er darüber einen Entschluß fasse; andere sind indeß der Meinung, die Reise werde nur deßhalb so früh unternommen, weil mehrere Mitglieder der königlichen Familie in kurzer Zeit weitere Reisen antreten und doch auch in Amsterdam anwesend seyn wollten. nur so lange dauern, als dessen Handlungen mit den Wünschen der Linken übereinstimmten. Vorläufig verspricht der Courrier, daß seine Partei gegen das Ministerium keine Opposition machen werde. Paris, 2 März. Ungeachtet der bestimmten Versicherungen von Seite der Thiers'schen Blätter, daß das Ministerium ernannt sey, wollte man im Publicum doch nicht fest daran glauben, weil der Moniteur bis heute gezögert hatte die Ernennung bekannt zu machen. Ja noch heute wird versichert, im Centrum spuke ein böser Geist, der dem Thiers'schen Ministerium keinen langen Bestand verheiße. Die Mehrzahl dieser Partei, als die neue Ernennung bekannt geworden, habe erklärt, sie werde nichts unversucht lassen, Hrn. Thiers zu stürzen und den 12 Mai, mit Hrn. v. Molé an der Spitze, wieder aufleben zu machen. Diese Kriegserklärung wäre bloß dann bedenklicher Art, wenn ihr eine geheime Parole zu Grunde läge. Man weiß, daß ein Theil des Centrums einem außerhalb der Kammer befindlichem Willen gehorcht. Ist dieß nicht der Fall, so hat die Drohung wenig zu bedeuten, denn die Erfahrung lehrt, daß die Mitglieder des Centrums dem Ministerium gegenüber eben nicht die unbezähmbarsten der Opponenten sind. Auch ist heute im Constitutionnel (welcher von nun an das ministerielle Journal seyn wird) ein, ohne Zweifel von Thiers' Meisterhand verfaßter Artikel darauf berechnet, das Centrum zu besänftigen und die Nothwendigkeit eines Ministeriums zu beweisen, welches zwischen dem Centrum und der linken Seite eine vermittelnde Stellung behaupte. In der That scheint nur ein Ministerium Thiers bei der gegenwärtigen Constellation der Verhältnisse im Stande zu seyn, Frankreich Ruhe und Prosperität und Europa den Frieden zu sichern. Es ist zu hoffen, man werde sich davon in den höheren Regionen mehr und mehr überzeugen und eher trachten diesem Ministerium Stätigkeit zu geben, als es zu untergraben. Nichts ist der Befestigung des öffentlichen Vertrauens in den Bestand der Dinge, den Fortschritten jeder Art und somit der Ruhe von Frankreich so gefährlich als der ewige Ministerwechsel; durch denselben ist die Administration selbst bereits an den Rand der Anarchie gerathen. In dem gegenwärtigen Ministerium aber vereinigt sich Alles, was erforderlich ist, den Schaden wieder gut zu machen, das Wollen und das Können. Cousin, Jaubert, Remusat, Roussin sind Männer von umfassenden Kenntnissen und großartigen Talenten. Pelet ist ein vorzüglicher Administrator, Gouin ein in hoher Achtung stehender Bankier, und Vivien wegen seiner Rechtschaffenheit und seiner Einsichten allgemein geschätzt. Von allen Mitgliedern des neuen Ministeriums trägt nur der General Cubières entschieden die Hoffarbe. Die drei Erstgenannten sind erprobte Redner, insbesondere Jaubert; ihm stehen die scharfen Waffen des Witzes und der Satyre zu Gebot. Für die großartigen Transportverbesserungen und öffentlichen Werke, welche in Vorschlag sind, ist von den speciellen Kenntnissen und der Energie dieses Ministers Außergewöhnliches zu erwarten. Es läßt sich mit Zuversicht sagen, daß diese Ernennung von der großen Mehrzahl der französischen Nation mit Beifall aufgenommen worden ist, und daß die Hoffnung auf bessere Zeiten dadurch wiederum einigen Boden gewonnen hat. Paris, 2 März. Man hatte dem abtretenden Ministerium vorgeworfen, es sey ein Ministerium ohne Kopf; bereits sagt man von dem neuen, es sey ein Ministerium ohne Leib und das nichts habe als einen Kopf. Gewiß ist jedenfalls, daß eine große Verantwortlichkeit auf Thiers lastet, der sich mit Männern umgeben hat, die, wiewohl von unbestreitbarer Fähigkeit, doch mehr oder minder seine absolute Suprematie anerkennen und deren etwaige Widerspänstigkeit wie bei Hrn. v. Rémusat, dem Minister des Innern, man durch die Beigesellung eines controlirenden Sous-Secretärs, gelähmt hat. Wenn Thiers, was ja so leicht denkbar ist, nicht mehr ausreichen, mit der Kammer sich nicht vertragen sollte, was dann? Auf welcher Seite, und wie wird Louis Philipp sein neues Ministerium bilden? Werden wir in die Arme des Hrn. v. Molé fallen? Das wäre ein Rückfall im wahren Sinne des Wortes, denn die feine Eleganz der Sitten macht noch nicht den Ministerpräsidenten, dessen Frankreich im Jahr 1840bedarf; oder aber umarmen wir Odilon-Barrot und die linke Seite? Das wäre, im Sinne der Hofleute, eine wahre Revolution, begleitet mit Compte-Rendu und Wahlreform, die sie seit 9 Jahren standhaft bestritten haben. Denn wenn auch Odilon-Barrot, für seine Person, sehr unverfänglich ist, so kann er doch nicht anders ins Ministerium treten, als begleitet von seinen Freunden, der Linken und deren Anhängern, und wo wäre das Ende dieses Anfangs? Ich spreche nicht bloß in einer rein undenkbaren Hypothese; die Möglichkeit dessen, was ich hier andeute, liegt ziemlich nahe. Wie, wenn die Kammer dem Ministerium Thiers die geheimen Gelder nicht zuerkennen will? Wie, wenn Louis Philipp, um sich für die Niederlage der Nemours'schen Ausstattung zu entschädigen, einen Gesetzesvorschlag vorlegte, der den Ersatz der Ausgaben zu Versailles aus dem Landesbudget verlangte, und dieses Gesetz wie sein älteres verworfen würde? Das erstere aber, die Bestreitung der geheimen Gelder, wäre um so möglicher, als das abgetretene Ministerium diesen Umstand zum Deckmantel seiner Angriffe gegen Thiers und seine Collegen nehmen und für sich ferner anrufen kann, daß es ja bereits alle Subvention der Journale abgeschafft habe! Einen solchen Stoß aber würde Thiers nicht überleben, denn in seiner Natur ist es einmal nicht, ohne geheime Gelder zu regieren, er, der das Geld für nichts achtet, beinahe so wenig als die Menschen! Die andere Hypothese aber, die von Versailles, habe ich früher schon berührt; sie liegt in dem Charakter des Königs, sie ist ein schlußgerechtes Glied in der Kette seiner Handlungen, und dieser offenkundigen Thatsache muß der merkwürdige Umstand zugeschrieben werden, daß sie in der öffentlichen Meinung als nahe bevorstehend bereits besprochen wird. – Wir bedauern unter den abtretenden Ministern besonders den Siegelbewahrer Teste, der bei anerkanntem Talent und einem ausgezeichneten Rufe als Advocat mehrere Entwürfe wirklicher Verbesserungen in dem Gerichts- und Beamtenwesen vorgebracht hatte, und wir erwarten am Ruder den neuen Minister des öffentlichen Unterrichts, Hrn. Cousin, der mindestens in den zu machenden Verbesserungen des hiesigen Schulwesens die Vergleichung des Zustandes in andern Ländern, namentlich in Deutschland, benützen kann. Niederlande. Nach dem Amsterdam'schen Handelsblad soll die Reise des Königs nach Amsterdam auf den 4 d. festgesetzt seyn. Da diese jährliche Reise des Königs nach Amsterdam sonst immer erst im April oder Mai vorgenommen wird, so gibt das frühe Unternehmen derselben Anlaß zu mancherlei Bemerkungen. Nach einem Schreiben im Arnhem'schen Courant aus dem Haag vom 28 Febr. glaubt man dort, der König wolle in Amsterdam die Ansichten des höhern Bürgerstandes über die Veränderungen im Grundgesetze persönlich kennen lernen, ehe er darüber einen Entschluß fasse; andere sind indeß der Meinung, die Reise werde nur deßhalb so früh unternommen, weil mehrere Mitglieder der königlichen Familie in kurzer Zeit weitere Reisen antreten und doch auch in Amsterdam anwesend seyn wollten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="0533"/> nur so lange dauern, als dessen Handlungen mit den Wünschen der Linken übereinstimmten. 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Man weiß, daß ein Theil des Centrums einem außerhalb der Kammer befindlichem Willen gehorcht. Ist dieß nicht der Fall, so hat die Drohung wenig zu bedeuten, denn die Erfahrung lehrt, daß die Mitglieder des Centrums dem Ministerium gegenüber eben nicht die unbezähmbarsten der Opponenten sind. Auch ist heute im Constitutionnel (welcher von nun an das ministerielle Journal seyn wird) ein, ohne Zweifel von Thiers' Meisterhand verfaßter Artikel darauf berechnet, das Centrum zu besänftigen und die Nothwendigkeit eines Ministeriums zu beweisen, welches zwischen dem Centrum und der linken Seite eine vermittelnde Stellung behaupte. In der That scheint nur ein Ministerium Thiers bei der gegenwärtigen Constellation der Verhältnisse im Stande zu seyn, Frankreich Ruhe und Prosperität und Europa den Frieden zu sichern. Es ist zu hoffen, man werde sich davon in den höheren Regionen mehr und mehr überzeugen und eher trachten diesem Ministerium Stätigkeit zu geben, als es zu untergraben. Nichts ist der Befestigung des öffentlichen Vertrauens in den Bestand der Dinge, den Fortschritten jeder Art und somit der Ruhe von Frankreich so gefährlich als der ewige Ministerwechsel; durch denselben ist die Administration selbst bereits an den Rand der Anarchie gerathen. In dem gegenwärtigen Ministerium aber vereinigt sich Alles, was erforderlich ist, den Schaden wieder gut zu machen, das Wollen und das Können. Cousin, Jaubert, Remusat, Roussin sind Männer von umfassenden Kenntnissen und großartigen Talenten. Pelet ist ein vorzüglicher Administrator, Gouin ein in hoher Achtung stehender Bankier, und Vivien wegen seiner Rechtschaffenheit und seiner Einsichten allgemein geschätzt. Von allen Mitgliedern des neuen Ministeriums trägt nur der General Cubières entschieden die Hoffarbe. Die drei Erstgenannten sind erprobte Redner, insbesondere Jaubert; ihm stehen die scharfen Waffen des Witzes und der Satyre zu Gebot. Für die großartigen Transportverbesserungen und öffentlichen Werke, welche in Vorschlag sind, ist von den speciellen Kenntnissen und der Energie dieses Ministers Außergewöhnliches zu erwarten. Es läßt sich mit Zuversicht sagen, daß diese Ernennung von der großen Mehrzahl der französischen Nation mit Beifall aufgenommen worden ist, und daß die Hoffnung auf bessere Zeiten dadurch wiederum einigen Boden gewonnen hat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor>=</docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 2 März.</dateline> <p> Man hatte dem abtretenden Ministerium vorgeworfen, es sey ein Ministerium ohne Kopf; bereits sagt man von dem neuen, es sey ein Ministerium ohne Leib und das nichts habe als einen Kopf. Gewiß ist jedenfalls, daß eine große Verantwortlichkeit auf Thiers lastet, der sich mit Männern umgeben hat, die, wiewohl von unbestreitbarer Fähigkeit, doch mehr oder minder seine absolute Suprematie anerkennen und deren etwaige Widerspänstigkeit wie bei Hrn. v. Rémusat, dem Minister des Innern, man durch die Beigesellung eines controlirenden Sous-Secretärs, gelähmt hat. Wenn Thiers, was ja so leicht denkbar ist, nicht mehr ausreichen, mit der Kammer sich nicht vertragen sollte, was dann? Auf welcher Seite, und wie wird Louis Philipp sein neues Ministerium bilden? Werden wir in die Arme des Hrn. v. Molé fallen? Das wäre ein Rückfall im wahren Sinne des Wortes, denn die feine Eleganz der Sitten macht noch nicht den Ministerpräsidenten, dessen Frankreich im Jahr 1840bedarf; oder aber umarmen wir Odilon-Barrot und die linke Seite? Das wäre, im Sinne der Hofleute, eine wahre Revolution, begleitet mit Compte-Rendu und Wahlreform, die sie seit 9 Jahren standhaft bestritten haben. Denn wenn auch Odilon-Barrot, für seine Person, sehr unverfänglich ist, so kann er doch nicht anders ins Ministerium treten, als begleitet von seinen Freunden, der Linken und deren Anhängern, und wo wäre das Ende dieses Anfangs? Ich spreche nicht bloß in einer rein undenkbaren Hypothese; die Möglichkeit dessen, was ich hier andeute, liegt ziemlich nahe. Wie, wenn die Kammer dem Ministerium Thiers die geheimen Gelder nicht zuerkennen will? Wie, wenn Louis Philipp, um sich für die Niederlage der Nemours'schen Ausstattung zu entschädigen, einen Gesetzesvorschlag vorlegte, der den Ersatz der Ausgaben zu Versailles aus dem Landesbudget verlangte, und dieses Gesetz wie sein älteres verworfen würde? 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Die andere Hypothese aber, die von Versailles, habe ich früher schon berührt; sie liegt in dem Charakter des Königs, sie ist ein schlußgerechtes Glied in der Kette seiner Handlungen, und dieser offenkundigen Thatsache muß der merkwürdige Umstand zugeschrieben werden, daß sie in der öffentlichen Meinung als nahe bevorstehend bereits besprochen wird. – Wir bedauern unter den abtretenden Ministern besonders den Siegelbewahrer Teste, der bei anerkanntem Talent und einem ausgezeichneten Rufe als Advocat mehrere Entwürfe wirklicher Verbesserungen in dem Gerichts- und Beamtenwesen vorgebracht hatte, und wir erwarten am Ruder den neuen Minister des öffentlichen Unterrichts, Hrn. Cousin, der mindestens in den zu machenden Verbesserungen des hiesigen Schulwesens die Vergleichung des Zustandes in andern Ländern, namentlich in Deutschland, benützen kann.</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/> <p>Nach dem Amsterdam'schen <hi rendition="#g">Handelsblad</hi> soll die Reise des Königs nach Amsterdam auf den 4 d. festgesetzt seyn. Da diese jährliche Reise des Königs nach Amsterdam sonst immer erst im April oder Mai vorgenommen wird, so gibt das frühe Unternehmen derselben Anlaß zu mancherlei Bemerkungen. Nach einem Schreiben im Arnhem'schen Courant aus dem Haag vom 28 Febr. glaubt man dort, der König wolle in Amsterdam die Ansichten des höhern Bürgerstandes über die Veränderungen im Grundgesetze persönlich kennen lernen, ehe er darüber einen Entschluß fasse; andere sind indeß der Meinung, die Reise werde nur deßhalb so früh unternommen, weil mehrere Mitglieder der königlichen Familie in kurzer Zeit weitere Reisen antreten und doch auch in Amsterdam anwesend seyn wollten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0533/0005]
nur so lange dauern, als dessen Handlungen mit den Wünschen der Linken übereinstimmten. Vorläufig verspricht der Courrier, daß seine Partei gegen das Ministerium keine Opposition machen werde.
△ Paris, 2 März. Ungeachtet der bestimmten Versicherungen von Seite der Thiers'schen Blätter, daß das Ministerium ernannt sey, wollte man im Publicum doch nicht fest daran glauben, weil der Moniteur bis heute gezögert hatte die Ernennung bekannt zu machen. Ja noch heute wird versichert, im Centrum spuke ein böser Geist, der dem Thiers'schen Ministerium keinen langen Bestand verheiße. Die Mehrzahl dieser Partei, als die neue Ernennung bekannt geworden, habe erklärt, sie werde nichts unversucht lassen, Hrn. Thiers zu stürzen und den 12 Mai, mit Hrn. v. Molé an der Spitze, wieder aufleben zu machen. Diese Kriegserklärung wäre bloß dann bedenklicher Art, wenn ihr eine geheime Parole zu Grunde läge. Man weiß, daß ein Theil des Centrums einem außerhalb der Kammer befindlichem Willen gehorcht. Ist dieß nicht der Fall, so hat die Drohung wenig zu bedeuten, denn die Erfahrung lehrt, daß die Mitglieder des Centrums dem Ministerium gegenüber eben nicht die unbezähmbarsten der Opponenten sind. Auch ist heute im Constitutionnel (welcher von nun an das ministerielle Journal seyn wird) ein, ohne Zweifel von Thiers' Meisterhand verfaßter Artikel darauf berechnet, das Centrum zu besänftigen und die Nothwendigkeit eines Ministeriums zu beweisen, welches zwischen dem Centrum und der linken Seite eine vermittelnde Stellung behaupte. In der That scheint nur ein Ministerium Thiers bei der gegenwärtigen Constellation der Verhältnisse im Stande zu seyn, Frankreich Ruhe und Prosperität und Europa den Frieden zu sichern. Es ist zu hoffen, man werde sich davon in den höheren Regionen mehr und mehr überzeugen und eher trachten diesem Ministerium Stätigkeit zu geben, als es zu untergraben. Nichts ist der Befestigung des öffentlichen Vertrauens in den Bestand der Dinge, den Fortschritten jeder Art und somit der Ruhe von Frankreich so gefährlich als der ewige Ministerwechsel; durch denselben ist die Administration selbst bereits an den Rand der Anarchie gerathen. In dem gegenwärtigen Ministerium aber vereinigt sich Alles, was erforderlich ist, den Schaden wieder gut zu machen, das Wollen und das Können. Cousin, Jaubert, Remusat, Roussin sind Männer von umfassenden Kenntnissen und großartigen Talenten. Pelet ist ein vorzüglicher Administrator, Gouin ein in hoher Achtung stehender Bankier, und Vivien wegen seiner Rechtschaffenheit und seiner Einsichten allgemein geschätzt. Von allen Mitgliedern des neuen Ministeriums trägt nur der General Cubières entschieden die Hoffarbe. Die drei Erstgenannten sind erprobte Redner, insbesondere Jaubert; ihm stehen die scharfen Waffen des Witzes und der Satyre zu Gebot. Für die großartigen Transportverbesserungen und öffentlichen Werke, welche in Vorschlag sind, ist von den speciellen Kenntnissen und der Energie dieses Ministers Außergewöhnliches zu erwarten. Es läßt sich mit Zuversicht sagen, daß diese Ernennung von der großen Mehrzahl der französischen Nation mit Beifall aufgenommen worden ist, und daß die Hoffnung auf bessere Zeiten dadurch wiederum einigen Boden gewonnen hat.
= Paris, 2 März. Man hatte dem abtretenden Ministerium vorgeworfen, es sey ein Ministerium ohne Kopf; bereits sagt man von dem neuen, es sey ein Ministerium ohne Leib und das nichts habe als einen Kopf. Gewiß ist jedenfalls, daß eine große Verantwortlichkeit auf Thiers lastet, der sich mit Männern umgeben hat, die, wiewohl von unbestreitbarer Fähigkeit, doch mehr oder minder seine absolute Suprematie anerkennen und deren etwaige Widerspänstigkeit wie bei Hrn. v. Rémusat, dem Minister des Innern, man durch die Beigesellung eines controlirenden Sous-Secretärs, gelähmt hat. Wenn Thiers, was ja so leicht denkbar ist, nicht mehr ausreichen, mit der Kammer sich nicht vertragen sollte, was dann? Auf welcher Seite, und wie wird Louis Philipp sein neues Ministerium bilden? Werden wir in die Arme des Hrn. v. Molé fallen? Das wäre ein Rückfall im wahren Sinne des Wortes, denn die feine Eleganz der Sitten macht noch nicht den Ministerpräsidenten, dessen Frankreich im Jahr 1840bedarf; oder aber umarmen wir Odilon-Barrot und die linke Seite? Das wäre, im Sinne der Hofleute, eine wahre Revolution, begleitet mit Compte-Rendu und Wahlreform, die sie seit 9 Jahren standhaft bestritten haben. Denn wenn auch Odilon-Barrot, für seine Person, sehr unverfänglich ist, so kann er doch nicht anders ins Ministerium treten, als begleitet von seinen Freunden, der Linken und deren Anhängern, und wo wäre das Ende dieses Anfangs? Ich spreche nicht bloß in einer rein undenkbaren Hypothese; die Möglichkeit dessen, was ich hier andeute, liegt ziemlich nahe. Wie, wenn die Kammer dem Ministerium Thiers die geheimen Gelder nicht zuerkennen will? Wie, wenn Louis Philipp, um sich für die Niederlage der Nemours'schen Ausstattung zu entschädigen, einen Gesetzesvorschlag vorlegte, der den Ersatz der Ausgaben zu Versailles aus dem Landesbudget verlangte, und dieses Gesetz wie sein älteres verworfen würde? Das erstere aber, die Bestreitung der geheimen Gelder, wäre um so möglicher, als das abgetretene Ministerium diesen Umstand zum Deckmantel seiner Angriffe gegen Thiers und seine Collegen nehmen und für sich ferner anrufen kann, daß es ja bereits alle Subvention der Journale abgeschafft habe! Einen solchen Stoß aber würde Thiers nicht überleben, denn in seiner Natur ist es einmal nicht, ohne geheime Gelder zu regieren, er, der das Geld für nichts achtet, beinahe so wenig als die Menschen! Die andere Hypothese aber, die von Versailles, habe ich früher schon berührt; sie liegt in dem Charakter des Königs, sie ist ein schlußgerechtes Glied in der Kette seiner Handlungen, und dieser offenkundigen Thatsache muß der merkwürdige Umstand zugeschrieben werden, daß sie in der öffentlichen Meinung als nahe bevorstehend bereits besprochen wird. – Wir bedauern unter den abtretenden Ministern besonders den Siegelbewahrer Teste, der bei anerkanntem Talent und einem ausgezeichneten Rufe als Advocat mehrere Entwürfe wirklicher Verbesserungen in dem Gerichts- und Beamtenwesen vorgebracht hatte, und wir erwarten am Ruder den neuen Minister des öffentlichen Unterrichts, Hrn. Cousin, der mindestens in den zu machenden Verbesserungen des hiesigen Schulwesens die Vergleichung des Zustandes in andern Ländern, namentlich in Deutschland, benützen kann.
Niederlande.
Nach dem Amsterdam'schen Handelsblad soll die Reise des Königs nach Amsterdam auf den 4 d. festgesetzt seyn. Da diese jährliche Reise des Königs nach Amsterdam sonst immer erst im April oder Mai vorgenommen wird, so gibt das frühe Unternehmen derselben Anlaß zu mancherlei Bemerkungen. Nach einem Schreiben im Arnhem'schen Courant aus dem Haag vom 28 Febr. glaubt man dort, der König wolle in Amsterdam die Ansichten des höhern Bürgerstandes über die Veränderungen im Grundgesetze persönlich kennen lernen, ehe er darüber einen Entschluß fasse; andere sind indeß der Meinung, die Reise werde nur deßhalb so früh unternommen, weil mehrere Mitglieder der königlichen Familie in kurzer Zeit weitere Reisen antreten und doch auch in Amsterdam anwesend seyn wollten.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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