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Allgemeine Zeitung. Nr. 65. Augsburg, 5. März 1840.

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konnte man wohl mit Talent und Erfolg schreiben, aber der Mensch bleibt an ihm noch zu zeichnen. Der Zeichner aber, welcher alle Geheimnisse dieser riesenhaften, unvollständigen und unzusammenhängenden Natur zu enthüllen wüßte, wäre eine eben so erstaunenswerthe Erscheinung, als das Urbild selbst. Und doch hat sich dieser Zeichner gefunden; Napoleon selbst war es. Als ich ihn in einer jener vertrauten Unterredungen, welche zu den theuersten Erinnerungen meines Lebens gehören, zum erstenmal über sich selbst reden hörte, als von einem seltsamen Wesen, daß er auf das aufmerksamste studirt habe, ohne daß sein Urtheil dabei durch Befangenheit und Eigenliebe getäuscht worden, da fühlte ich in mir einen gewissen Schauer, gleich als sehe ich eines der Gesetze der Natur meinen Blicken offen. Sie werden selbst bald hören, warum Napoleon Männer von dem Schlage des Generals Bernard suchte und aus dem großen Haufen zu ziehen sich bemühte. Entschuldigen Sie übrigens diese Abschweifung, welche zu kurz ist, um all meine Gedanken über diesen Gegenstand zu sagen, und die Ihnen doch vielleicht schon zu lang geworden. Heutiges Tags macht sich jeder einen Napoleon, wie er ihn braucht. (Gelächter.) Man scheut sich nicht, diesem großen Namen Ideen zu leihen, die er am meisten verabscheute - Leidenschaften, welche unterdrückt oder beschwichtigt zu haben sein ewiger Ruhm bleiben wird. General Bernard bemerkte dieß, und klagte darüber öfters mit mir. Indem ich von diesem Gefühl, das wir beide in gleichem Grad theilten, hier Erwähnung mache, glaube ich seinem Andenken eine Huldigung mehr zu erweisen.

"Bernard wurde bald nach seiner Rückkehr von Oesterreich zum Bataillonschef erhoben und reiste nach Ingolstadt, dessen Festungswerke er schleifen sollte. Von dort ging er nach Dalmatien, und kämpfte unter den Befehlen des Herzogs von Ragusa gegen die Montenegriner, durch deren wildes Land er prächtige Fahrstraßen anlegen ließ. Aus Illyrien wurde er nach Antwerpen berufen, um die Festungsbauten zu leiten, während unter meiner Direction damals die dortigen Hafenbauten standen. Im September 1811 kam der Kaiser nach Antwerpen. Ein Conseil, aus Officieren des Geniecorps und Civilingenieurs bestehend, wurde zusammenberufen, um über die Hafen- und Vertheidigungsarbeiten sich zu berathen; damals sah ich Bernard zum erstenmal. Nach gehaltenem Conseil blieb ich mit dem Kaiser allein. "Haben Sie, fragte er, den blonden jungen Genieofficier bemerkt? So oft ich einen Mann dieses Schlags finde, schiebe ich ihn vor und zeige ihn den Andern; es würde mich gar nicht Wunder nehmen, wenn er Washington lieber als mich gehabt hätte; was liegt daran? Glaubt man, ich suche nur die Menschen, die keine Ueberzeugungen haben? Ich verlange von keinem, daß er denke, wie ich; ich verlange von jedem nur, daß er mir beistehe, die Franzosen zum ersten Volk der Welt zu machen. Ich habe an diesem jungen Mann einen meiner besten Ingenieurs; ich fand in ihm einen Muth, der jede Probe besteht, und besonders ein Pflichtgefühl, eine Geradheit des Charakters, eine Aufrichtigkeit, wie ich sie bei andern selten bemerke. Solche Eigenschaften gehen bei mir über alle andern; ich will, daß man dieß wisse. Bernard ist Plebejer und das Kind seiner Thaten. Das Kind seiner Thaten, setzte er lächelnd hinzu, 's ist derselbe Fall, wie bei mir, und das interessirt mich immer!"

"Im Jahre 1813 wurde Bernard bei Beginn des blutigen Feldzugs, der mit der Schlacht bei Leipzig endigte, zum Obristen des Genie und zum Adjutanten des Kaisers ernannt. Als er damals über eine enge Brücke neben dem Kutschenschlag des Kaisers galoppirte, wurde er umgeworfen und stürzte mit seinem Pferd in den Fluß. Das Pferd ertrank; Bernard hatte das Bein gebrochen, fand aber doch Kraft genug, ans Ufer zu schwimmen und ins Hauptquartier sich zu schleppen. Der Chirurg Iwan erklärte, er könne nicht geheilt werden, wenn er sich nicht etwas Ruhe gönnte und für einige Zeit wenigstens hinter der Armee zurückbliebe. Bernard wollte aber nicht hören, sondern folgte der Armee auf einer Tragbahre. Napoleon hatte einem Chirurgen befohlen, ihn Tag und Nacht zu begleiten und sich mit ihm gefangen nehmen zu lassen, wenn er in die Hände der Alliirten fallen würde. Den Regenströmen, wie dem mörderischen Feuer des Feindes ausgesetzt, warf sich Bernard mit 8000 Mann, die der Graf Louis von Narbonne befehligte, nach Torgau. Während drei Monaten einer furchtbaren Belagerung, wo Fieber und Hungersnoth aufs entsetzlichste wütheten, war Bernard die Seele der Vertheidigung. Trotz seiner Schwäche und körperlichen Leiden dirigirte er die Arbeiten in Person und wurde dabei von seinem treuen Diener Clement auf den Schultern getragen. Unsere Truppen räumten Torgau, und Bernard, welcher ganz wieder hergestellt worden, erhielt den traurigen Auftrag, die Capitulation nach Frankreich zu bringen. Bei Straßburg wurde der Postwagen umgeworfen, und Bernard brach das rechte Bein aufs neue an derselben Stelle. Er ließ sich aber sogleich wieder in den Wagen heben, ohne das Bein verbinden zu lassen und setzte in aller Eile seine Reise fort bis nach Chalons an der Marne, wo der Kaiser war. Als Napoleon ihn sah, schloß er ihn in seine Arme, ließ ihn auf den Teppich nieder legen, setzte sich an seine Seite und hörte, die Plane vor Augen, Bernards Erzählung an, welche dieser in aller Umständlichkeit dem Kaiser gab. Hierauf reiste Bernard nach Paris, wo er sich ärztlicher Behandlung überließ; nur mit Mühe entging er der Amputation, so große Fortschritte hatte die Entzündung gemacht. Der Kaiser ernannte ihn zum Marechal-de-Camp. Er brachte das Jahr 1814, sehr leidend, mit mathematischen Studien zu. Am 20 März 1815 nach der Rückkehr Napoleons von Elba übernahm Bernard wieder bei ihm die Functionen eines Adjutanten und wurde mit der Leitung des topographischen Cabinets beauftragt. Er kmpf te mit bei Waterloo und versuchte nach der Schlacht vier Tage lang vergeblich, eine Armee zu sammeln und zu reformiren. General Bernard begab sich damals nach Malmaison und folgte dem Kaiser nach Rochefort, wo er die Erlaubniß, mit ihm nach St. Helena sich einzuschiffen, nicht erlangen konnte.

" Nach seiner Rückkehr nach Paris hegte Bernard keinen andern Plan, als inmitten seiner Familie friedlich zu leben. Er gehörte zu jenen, welche denken, daß man sich dem Vaterland unter allen Regierungen, welche das Vaterland sich gibt oder annimmt, schuldig sey. Zwar hielt ihn seine Dankbarkeit gegen den Kaiser, seine Anhänglichkeit an dessen Person ab, fernerhin im Dienst zu bleiben. Doch übernahm er damals auf den Wunsch des Kriegsministers eine wichtige Arbeit, die vielleicht nur er allein ausführen konnte. Aber weder sein vorsichtiges Benehmen, noch sein ehrenwerther Charakter konnten ihn vor dem Argwohn und den Denunciationen, welche jene Epoche so traurig bezeichnen, bewahren. Er erhielt den Befehl, Paris zu verlassen, und nach Dole, seiner Geburtsstadt sich zu begeben, wo er unter Aufsicht gestellt wurde. Je reiner aber die Seele, je einfacher das Gemüth ist, um so mehr fühlt man sich durch Ungerechtigkeit empört, und um so leichter verliert man die Resignation. Bernard entschloß sich, das Vaterland, für welches er dem Tod so oft die Stirne geboten, zu verlassen; er schrieb an den General Lafayette, daß seine Absicht sey, mit ihm in Amerika zusammenzutreffen. Und, um ein letztes Beispiel von seinem Gehorsam gegen die Regierung seines Landes zu geben, erbat und erhielt

konnte man wohl mit Talent und Erfolg schreiben, aber der Mensch bleibt an ihm noch zu zeichnen. Der Zeichner aber, welcher alle Geheimnisse dieser riesenhaften, unvollständigen und unzusammenhängenden Natur zu enthüllen wüßte, wäre eine eben so erstaunenswerthe Erscheinung, als das Urbild selbst. Und doch hat sich dieser Zeichner gefunden; Napoleon selbst war es. Als ich ihn in einer jener vertrauten Unterredungen, welche zu den theuersten Erinnerungen meines Lebens gehören, zum erstenmal über sich selbst reden hörte, als von einem seltsamen Wesen, daß er auf das aufmerksamste studirt habe, ohne daß sein Urtheil dabei durch Befangenheit und Eigenliebe getäuscht worden, da fühlte ich in mir einen gewissen Schauer, gleich als sehe ich eines der Gesetze der Natur meinen Blicken offen. Sie werden selbst bald hören, warum Napoleon Männer von dem Schlage des Generals Bernard suchte und aus dem großen Haufen zu ziehen sich bemühte. Entschuldigen Sie übrigens diese Abschweifung, welche zu kurz ist, um all meine Gedanken über diesen Gegenstand zu sagen, und die Ihnen doch vielleicht schon zu lang geworden. Heutiges Tags macht sich jeder einen Napoleon, wie er ihn braucht. (Gelächter.) Man scheut sich nicht, diesem großen Namen Ideen zu leihen, die er am meisten verabscheute – Leidenschaften, welche unterdrückt oder beschwichtigt zu haben sein ewiger Ruhm bleiben wird. General Bernard bemerkte dieß, und klagte darüber öfters mit mir. Indem ich von diesem Gefühl, das wir beide in gleichem Grad theilten, hier Erwähnung mache, glaube ich seinem Andenken eine Huldigung mehr zu erweisen.

„Bernard wurde bald nach seiner Rückkehr von Oesterreich zum Bataillonschef erhoben und reiste nach Ingolstadt, dessen Festungswerke er schleifen sollte. Von dort ging er nach Dalmatien, und kämpfte unter den Befehlen des Herzogs von Ragusa gegen die Montenegriner, durch deren wildes Land er prächtige Fahrstraßen anlegen ließ. Aus Illyrien wurde er nach Antwerpen berufen, um die Festungsbauten zu leiten, während unter meiner Direction damals die dortigen Hafenbauten standen. Im September 1811 kam der Kaiser nach Antwerpen. Ein Conseil, aus Officieren des Geniecorps und Civilingenieurs bestehend, wurde zusammenberufen, um über die Hafen- und Vertheidigungsarbeiten sich zu berathen; damals sah ich Bernard zum erstenmal. Nach gehaltenem Conseil blieb ich mit dem Kaiser allein. „Haben Sie, fragte er, den blonden jungen Genieofficier bemerkt? So oft ich einen Mann dieses Schlags finde, schiebe ich ihn vor und zeige ihn den Andern; es würde mich gar nicht Wunder nehmen, wenn er Washington lieber als mich gehabt hätte; was liegt daran? Glaubt man, ich suche nur die Menschen, die keine Ueberzeugungen haben? Ich verlange von keinem, daß er denke, wie ich; ich verlange von jedem nur, daß er mir beistehe, die Franzosen zum ersten Volk der Welt zu machen. Ich habe an diesem jungen Mann einen meiner besten Ingenieurs; ich fand in ihm einen Muth, der jede Probe besteht, und besonders ein Pflichtgefühl, eine Geradheit des Charakters, eine Aufrichtigkeit, wie ich sie bei andern selten bemerke. Solche Eigenschaften gehen bei mir über alle andern; ich will, daß man dieß wisse. Bernard ist Plebejer und das Kind seiner Thaten. Das Kind seiner Thaten, setzte er lächelnd hinzu, 's ist derselbe Fall, wie bei mir, und das interessirt mich immer!“

„Im Jahre 1813 wurde Bernard bei Beginn des blutigen Feldzugs, der mit der Schlacht bei Leipzig endigte, zum Obristen des Genie und zum Adjutanten des Kaisers ernannt. Als er damals über eine enge Brücke neben dem Kutschenschlag des Kaisers galoppirte, wurde er umgeworfen und stürzte mit seinem Pferd in den Fluß. Das Pferd ertrank; Bernard hatte das Bein gebrochen, fand aber doch Kraft genug, ans Ufer zu schwimmen und ins Hauptquartier sich zu schleppen. Der Chirurg Iwan erklärte, er könne nicht geheilt werden, wenn er sich nicht etwas Ruhe gönnte und für einige Zeit wenigstens hinter der Armee zurückbliebe. Bernard wollte aber nicht hören, sondern folgte der Armee auf einer Tragbahre. Napoleon hatte einem Chirurgen befohlen, ihn Tag und Nacht zu begleiten und sich mit ihm gefangen nehmen zu lassen, wenn er in die Hände der Alliirten fallen würde. Den Regenströmen, wie dem mörderischen Feuer des Feindes ausgesetzt, warf sich Bernard mit 8000 Mann, die der Graf Louis von Narbonne befehligte, nach Torgau. Während drei Monaten einer furchtbaren Belagerung, wo Fieber und Hungersnoth aufs entsetzlichste wütheten, war Bernard die Seele der Vertheidigung. Trotz seiner Schwäche und körperlichen Leiden dirigirte er die Arbeiten in Person und wurde dabei von seinem treuen Diener Clement auf den Schultern getragen. Unsere Truppen räumten Torgau, und Bernard, welcher ganz wieder hergestellt worden, erhielt den traurigen Auftrag, die Capitulation nach Frankreich zu bringen. Bei Straßburg wurde der Postwagen umgeworfen, und Bernard brach das rechte Bein aufs neue an derselben Stelle. Er ließ sich aber sogleich wieder in den Wagen heben, ohne das Bein verbinden zu lassen und setzte in aller Eile seine Reise fort bis nach Chalons an der Marne, wo der Kaiser war. Als Napoleon ihn sah, schloß er ihn in seine Arme, ließ ihn auf den Teppich nieder legen, setzte sich an seine Seite und hörte, die Plane vor Augen, Bernards Erzählung an, welche dieser in aller Umständlichkeit dem Kaiser gab. Hierauf reiste Bernard nach Paris, wo er sich ärztlicher Behandlung überließ; nur mit Mühe entging er der Amputation, so große Fortschritte hatte die Entzündung gemacht. Der Kaiser ernannte ihn zum Maréchal-de-Camp. Er brachte das Jahr 1814, sehr leidend, mit mathematischen Studien zu. Am 20 März 1815 nach der Rückkehr Napoleons von Elba übernahm Bernard wieder bei ihm die Functionen eines Adjutanten und wurde mit der Leitung des topographischen Cabinets beauftragt. Er kmpf te mit bei Waterloo und versuchte nach der Schlacht vier Tage lang vergeblich, eine Armee zu sammeln und zu reformiren. General Bernard begab sich damals nach Malmaison und folgte dem Kaiser nach Rochefort, wo er die Erlaubniß, mit ihm nach St. Helena sich einzuschiffen, nicht erlangen konnte.

„ Nach seiner Rückkehr nach Paris hegte Bernard keinen andern Plan, als inmitten seiner Familie friedlich zu leben. Er gehörte zu jenen, welche denken, daß man sich dem Vaterland unter allen Regierungen, welche das Vaterland sich gibt oder annimmt, schuldig sey. Zwar hielt ihn seine Dankbarkeit gegen den Kaiser, seine Anhänglichkeit an dessen Person ab, fernerhin im Dienst zu bleiben. Doch übernahm er damals auf den Wunsch des Kriegsministers eine wichtige Arbeit, die vielleicht nur er allein ausführen konnte. Aber weder sein vorsichtiges Benehmen, noch sein ehrenwerther Charakter konnten ihn vor dem Argwohn und den Denunciationen, welche jene Epoche so traurig bezeichnen, bewahren. Er erhielt den Befehl, Paris zu verlassen, und nach Dôle, seiner Geburtsstadt sich zu begeben, wo er unter Aufsicht gestellt wurde. Je reiner aber die Seele, je einfacher das Gemüth ist, um so mehr fühlt man sich durch Ungerechtigkeit empört, und um so leichter verliert man die Resignation. Bernard entschloß sich, das Vaterland, für welches er dem Tod so oft die Stirne geboten, zu verlassen; er schrieb an den General Lafayette, daß seine Absicht sey, mit ihm in Amerika zusammenzutreffen. Und, um ein letztes Beispiel von seinem Gehorsam gegen die Regierung seines Landes zu geben, erbat und erhielt

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konnte man wohl mit Talent und Erfolg schreiben, aber der Mensch bleibt an ihm noch zu zeichnen. Der Zeichner aber, welcher alle Geheimnisse dieser riesenhaften, unvollständigen und unzusammenhängenden Natur zu enthüllen wüßte, wäre eine eben so erstaunenswerthe Erscheinung, als das Urbild selbst. Und doch hat sich dieser Zeichner gefunden; Napoleon selbst war es. Als ich ihn in einer jener vertrauten Unterredungen, welche zu den theuersten Erinnerungen meines Lebens gehören, zum erstenmal über sich selbst reden hörte, als von einem seltsamen Wesen, daß er auf das aufmerksamste studirt habe, ohne daß sein Urtheil dabei durch Befangenheit und Eigenliebe getäuscht worden, da fühlte ich in mir einen gewissen Schauer, gleich als sehe ich eines der Gesetze der Natur meinen Blicken offen. Sie werden selbst bald hören, warum Napoleon Männer von dem Schlage des Generals Bernard suchte und aus dem großen Haufen zu ziehen sich bemühte. Entschuldigen Sie übrigens diese Abschweifung, welche zu kurz ist, um all meine Gedanken über diesen Gegenstand zu sagen, und die Ihnen doch vielleicht schon zu lang geworden. Heutiges Tags macht sich jeder einen Napoleon, wie er ihn braucht. (Gelächter.) Man scheut sich nicht, diesem großen Namen Ideen zu leihen, die er am meisten verabscheute &#x2013; Leidenschaften, welche unterdrückt oder beschwichtigt zu haben sein ewiger Ruhm bleiben wird. General Bernard bemerkte dieß, und klagte darüber öfters mit mir. Indem ich von diesem Gefühl, das wir beide in gleichem Grad theilten, hier Erwähnung mache, glaube ich seinem Andenken eine Huldigung mehr zu erweisen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bernard wurde bald nach seiner Rückkehr von Oesterreich zum Bataillonschef erhoben und reiste nach Ingolstadt, dessen Festungswerke er schleifen sollte. Von dort ging er nach Dalmatien, und kämpfte unter den Befehlen des Herzogs von Ragusa gegen die Montenegriner, durch deren wildes Land er prächtige Fahrstraßen anlegen ließ. Aus Illyrien wurde er nach Antwerpen berufen, um die Festungsbauten zu leiten, während unter meiner Direction damals die dortigen Hafenbauten standen. Im September 1811 kam der Kaiser nach Antwerpen. Ein Conseil, aus Officieren des Geniecorps und Civilingenieurs bestehend, wurde zusammenberufen, um über die Hafen- und Vertheidigungsarbeiten sich zu berathen; damals sah ich Bernard zum erstenmal. Nach gehaltenem Conseil blieb ich mit dem Kaiser allein. &#x201E;Haben Sie, fragte er, den blonden jungen Genieofficier bemerkt? So oft ich einen Mann dieses Schlags finde, schiebe ich ihn vor und zeige ihn den Andern; es würde mich gar nicht Wunder nehmen, wenn er Washington lieber als mich gehabt hätte; was liegt daran? Glaubt man, ich suche nur die Menschen, die keine Ueberzeugungen haben? Ich verlange von keinem, daß er denke, wie ich; ich verlange von jedem nur, daß er mir beistehe, die Franzosen zum ersten Volk der Welt zu machen. Ich habe an diesem jungen Mann einen meiner besten Ingenieurs; ich fand in ihm einen Muth, der jede Probe besteht, und besonders ein Pflichtgefühl, eine Geradheit des Charakters, eine Aufrichtigkeit, wie ich sie bei andern selten bemerke. Solche Eigenschaften gehen bei mir über alle andern; ich will, daß man dieß wisse. Bernard ist Plebejer und das Kind seiner Thaten. Das Kind seiner Thaten, setzte er lächelnd hinzu, 's ist derselbe Fall, wie bei mir, und das interessirt mich immer!&#x201C;</p><lb/>
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[0514/0010] konnte man wohl mit Talent und Erfolg schreiben, aber der Mensch bleibt an ihm noch zu zeichnen. Der Zeichner aber, welcher alle Geheimnisse dieser riesenhaften, unvollständigen und unzusammenhängenden Natur zu enthüllen wüßte, wäre eine eben so erstaunenswerthe Erscheinung, als das Urbild selbst. Und doch hat sich dieser Zeichner gefunden; Napoleon selbst war es. Als ich ihn in einer jener vertrauten Unterredungen, welche zu den theuersten Erinnerungen meines Lebens gehören, zum erstenmal über sich selbst reden hörte, als von einem seltsamen Wesen, daß er auf das aufmerksamste studirt habe, ohne daß sein Urtheil dabei durch Befangenheit und Eigenliebe getäuscht worden, da fühlte ich in mir einen gewissen Schauer, gleich als sehe ich eines der Gesetze der Natur meinen Blicken offen. Sie werden selbst bald hören, warum Napoleon Männer von dem Schlage des Generals Bernard suchte und aus dem großen Haufen zu ziehen sich bemühte. Entschuldigen Sie übrigens diese Abschweifung, welche zu kurz ist, um all meine Gedanken über diesen Gegenstand zu sagen, und die Ihnen doch vielleicht schon zu lang geworden. Heutiges Tags macht sich jeder einen Napoleon, wie er ihn braucht. (Gelächter.) Man scheut sich nicht, diesem großen Namen Ideen zu leihen, die er am meisten verabscheute – Leidenschaften, welche unterdrückt oder beschwichtigt zu haben sein ewiger Ruhm bleiben wird. General Bernard bemerkte dieß, und klagte darüber öfters mit mir. Indem ich von diesem Gefühl, das wir beide in gleichem Grad theilten, hier Erwähnung mache, glaube ich seinem Andenken eine Huldigung mehr zu erweisen. „Bernard wurde bald nach seiner Rückkehr von Oesterreich zum Bataillonschef erhoben und reiste nach Ingolstadt, dessen Festungswerke er schleifen sollte. Von dort ging er nach Dalmatien, und kämpfte unter den Befehlen des Herzogs von Ragusa gegen die Montenegriner, durch deren wildes Land er prächtige Fahrstraßen anlegen ließ. Aus Illyrien wurde er nach Antwerpen berufen, um die Festungsbauten zu leiten, während unter meiner Direction damals die dortigen Hafenbauten standen. Im September 1811 kam der Kaiser nach Antwerpen. Ein Conseil, aus Officieren des Geniecorps und Civilingenieurs bestehend, wurde zusammenberufen, um über die Hafen- und Vertheidigungsarbeiten sich zu berathen; damals sah ich Bernard zum erstenmal. Nach gehaltenem Conseil blieb ich mit dem Kaiser allein. „Haben Sie, fragte er, den blonden jungen Genieofficier bemerkt? So oft ich einen Mann dieses Schlags finde, schiebe ich ihn vor und zeige ihn den Andern; es würde mich gar nicht Wunder nehmen, wenn er Washington lieber als mich gehabt hätte; was liegt daran? Glaubt man, ich suche nur die Menschen, die keine Ueberzeugungen haben? Ich verlange von keinem, daß er denke, wie ich; ich verlange von jedem nur, daß er mir beistehe, die Franzosen zum ersten Volk der Welt zu machen. Ich habe an diesem jungen Mann einen meiner besten Ingenieurs; ich fand in ihm einen Muth, der jede Probe besteht, und besonders ein Pflichtgefühl, eine Geradheit des Charakters, eine Aufrichtigkeit, wie ich sie bei andern selten bemerke. Solche Eigenschaften gehen bei mir über alle andern; ich will, daß man dieß wisse. Bernard ist Plebejer und das Kind seiner Thaten. Das Kind seiner Thaten, setzte er lächelnd hinzu, 's ist derselbe Fall, wie bei mir, und das interessirt mich immer!“ „Im Jahre 1813 wurde Bernard bei Beginn des blutigen Feldzugs, der mit der Schlacht bei Leipzig endigte, zum Obristen des Genie und zum Adjutanten des Kaisers ernannt. Als er damals über eine enge Brücke neben dem Kutschenschlag des Kaisers galoppirte, wurde er umgeworfen und stürzte mit seinem Pferd in den Fluß. Das Pferd ertrank; Bernard hatte das Bein gebrochen, fand aber doch Kraft genug, ans Ufer zu schwimmen und ins Hauptquartier sich zu schleppen. Der Chirurg Iwan erklärte, er könne nicht geheilt werden, wenn er sich nicht etwas Ruhe gönnte und für einige Zeit wenigstens hinter der Armee zurückbliebe. Bernard wollte aber nicht hören, sondern folgte der Armee auf einer Tragbahre. Napoleon hatte einem Chirurgen befohlen, ihn Tag und Nacht zu begleiten und sich mit ihm gefangen nehmen zu lassen, wenn er in die Hände der Alliirten fallen würde. Den Regenströmen, wie dem mörderischen Feuer des Feindes ausgesetzt, warf sich Bernard mit 8000 Mann, die der Graf Louis von Narbonne befehligte, nach Torgau. Während drei Monaten einer furchtbaren Belagerung, wo Fieber und Hungersnoth aufs entsetzlichste wütheten, war Bernard die Seele der Vertheidigung. Trotz seiner Schwäche und körperlichen Leiden dirigirte er die Arbeiten in Person und wurde dabei von seinem treuen Diener Clement auf den Schultern getragen. Unsere Truppen räumten Torgau, und Bernard, welcher ganz wieder hergestellt worden, erhielt den traurigen Auftrag, die Capitulation nach Frankreich zu bringen. Bei Straßburg wurde der Postwagen umgeworfen, und Bernard brach das rechte Bein aufs neue an derselben Stelle. Er ließ sich aber sogleich wieder in den Wagen heben, ohne das Bein verbinden zu lassen und setzte in aller Eile seine Reise fort bis nach Chalons an der Marne, wo der Kaiser war. Als Napoleon ihn sah, schloß er ihn in seine Arme, ließ ihn auf den Teppich nieder legen, setzte sich an seine Seite und hörte, die Plane vor Augen, Bernards Erzählung an, welche dieser in aller Umständlichkeit dem Kaiser gab. Hierauf reiste Bernard nach Paris, wo er sich ärztlicher Behandlung überließ; nur mit Mühe entging er der Amputation, so große Fortschritte hatte die Entzündung gemacht. Der Kaiser ernannte ihn zum Maréchal-de-Camp. Er brachte das Jahr 1814, sehr leidend, mit mathematischen Studien zu. Am 20 März 1815 nach der Rückkehr Napoleons von Elba übernahm Bernard wieder bei ihm die Functionen eines Adjutanten und wurde mit der Leitung des topographischen Cabinets beauftragt. Er kmpf te mit bei Waterloo und versuchte nach der Schlacht vier Tage lang vergeblich, eine Armee zu sammeln und zu reformiren. General Bernard begab sich damals nach Malmaison und folgte dem Kaiser nach Rochefort, wo er die Erlaubniß, mit ihm nach St. Helena sich einzuschiffen, nicht erlangen konnte. „ Nach seiner Rückkehr nach Paris hegte Bernard keinen andern Plan, als inmitten seiner Familie friedlich zu leben. Er gehörte zu jenen, welche denken, daß man sich dem Vaterland unter allen Regierungen, welche das Vaterland sich gibt oder annimmt, schuldig sey. Zwar hielt ihn seine Dankbarkeit gegen den Kaiser, seine Anhänglichkeit an dessen Person ab, fernerhin im Dienst zu bleiben. Doch übernahm er damals auf den Wunsch des Kriegsministers eine wichtige Arbeit, die vielleicht nur er allein ausführen konnte. Aber weder sein vorsichtiges Benehmen, noch sein ehrenwerther Charakter konnten ihn vor dem Argwohn und den Denunciationen, welche jene Epoche so traurig bezeichnen, bewahren. Er erhielt den Befehl, Paris zu verlassen, und nach Dôle, seiner Geburtsstadt sich zu begeben, wo er unter Aufsicht gestellt wurde. Je reiner aber die Seele, je einfacher das Gemüth ist, um so mehr fühlt man sich durch Ungerechtigkeit empört, und um so leichter verliert man die Resignation. Bernard entschloß sich, das Vaterland, für welches er dem Tod so oft die Stirne geboten, zu verlassen; er schrieb an den General Lafayette, daß seine Absicht sey, mit ihm in Amerika zusammenzutreffen. Und, um ein letztes Beispiel von seinem Gehorsam gegen die Regierung seines Landes zu geben, erbat und erhielt

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 65. Augsburg, 5. März 1840, S. 0514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_065_18400305/10>, abgerufen am 23.11.2024.