Allgemeine Zeitung. Nr. 58. Augsburg, 27. Februar 1840.Geologische Briefe. II. Historische Orientirung. (Fortsetzung.) Wir sehen in der uns umgebenden Natur die organischen Geschöpfe streng an gewisse Lebensbedingungen geknüpft. Die einen können nur auf dem Lande, die andern nur im Meere leben; manche hausen nur im brackichten Wasser der Flußmündungen, andere kommen nur im süßen Gewässer fort, noch andere wechseln zwischen Land und Wasser. Gleicherweise zeigen sich die Organismen nach unsern jetzigen Klimaten vertheilt: es gibt Polarthiere und Polarpflanzen; es gibt welche, die auf die heiße Zone, andere, die auf die gemäßigten Landstriche beschränkt sind. Ja, die Verbreitung sehr vieler hängt daneben noch in jedem Klima von den Verhältnissen der Feuchtigkeit oder Trockenheit und von der Erhebung über dem Niveau des Meeres ab. Wenn wir nicht den ganzen Begriff vom ewigen Naturzusammenhang aufgeben wollen, so sind wir zu dem Schluß genöthigt, daß in frühern Perioden die Vertheilung der Geschöpfe und ihre ganze Oekonomie eine analoge gewesen seyn werde. Die den jetzigen, wo nicht gleichen, doch in allen wesentlichen Punkten der Organisation mit ihnen übereinstimmenden fossilen Thiere müssen einst eine analoge Rolle im Haushalt der Natur gespielt haben. Der fossile Nautilus oder die fossile Auster muß einst im Ocean, das unserm Elephanten fast ganz entsprechende Thier muß auf dem Lande, und zwar in reicher Pflanzenumgebung gelebt haben; die fossile Eidechse mit Rudern, statt der Extremitäten mit geschiedenen Zehen, kann höchstens gelegentlich und mühsam ein Bewohner des Landes gewesen seyn u. s. w. Der Ueberblick der fossilen Organismen zeigt uns nun aber die auffallendsten Abweichungen von diesem Schema der Vertheilung. Wir sehen die Reste von Geschöpfen, welche ihrem ganzen Bau nach ächte Seethiere waren, überall in den Gebirgsschichten auf dem Festlande zerstreut, und zwar in allen Höhen, vom Spiegel des jetzigen Meeres bis zu den Gipfeln der höchsten Berge. Muschelbänke, in den allgemeinen Verhältnissen denen des heutigen Meeres völlig gleich, verbreiten sich tief im Lande über ganze Provinzen. Auf den Schweizer Alpen, in der Höhe von 12,000 Fuß über dem Meer, liegen Schichten voll Konchylien oft ganz wagerecht, als wären sie hier noch genau am Ort, wo die Thiere einst gelebt. In der Kette der Himalayas findet man dergleichen Zeugen alter Meere noch in der Höhe von 14,000 Fuß. Andrerseits sehen wir Landpflanzen, wie Palmen und baumartige Farrenkräuter, in ältern Gebirgsschichten tief unter Meeresbildungen begraben; ja, manche Steinkohlengruben sind bis zu 1000 und 1200 Fuß unter der jetzigen Meeresfläche ausgebeutet worden, und setzen wohl noch viel weiter in die Tiefe fort. In den Kohlenschichten stehen noch Stämme auf ihren Wurzeln aufrecht, Blätter und Früchte sind oft in ihrer zartesten Organisation vollkommen erhalten. Schon dieß, neben andern entscheidenden Umständen, beweist, daß sie nicht etwa zusammengeschwemmt worden, sondern daß sie wirklich auf dem Boden stehen, dem sie einst entwachsen. Aber diese jetzt so tief verschütteten Vegetabilien können einst nicht anders als an Luft und Licht gelebt haben. Aus diesen allgemeinen Thatsachen ergibt sich mit Nothwendigkeit, daß im Laufe der Erdbildungen das verticale Verhältniß zwischen Meer und Land verschiedenemal ein anderes geworden ist, sey es nun, daß das Meer wiederholt gestiegen und gefallen, oder daß das Land diese Bewegung gemacht hat. Dieses Resultat, das durch die ganz allgemeine Betrachtung der in den großen Flötzformationen eingeschlossenen Organismen erhalten wird, findet sich im Localen und Kleinen vollends auffallend bestätigt. An vielen Orten, und zwar meist in verhältnißmäßig sehr neuen Erdbildungen, sieht man mehrfältig Schichten, welche Meeresproducte enthalten, mit solchen abwechseln, welche nur Pflanzen und Thiere des festen Landes oder des süßen Wassers führen. Dieß beweist streng, daß in einzelnen Theilen der Erdrinde dieselben Striche mehrmals abwechselnd Meeresboden und festes Land gewesen sind; und zwar mußte der beiderseitige Zustand jedesmal so lange andauern, daß sich die Land- und Wassergeschöpfe in zahlreichen Generationen entwickelt hatten, bevor die Veränderung eintrat, die ihre Reste begrub. Aber die allgemeine Uebersicht der fossilen Organismen beweist nicht nur, daß das Höhenverhältniß zwischen Land und Meer im Laufe der Erdbildung, im Großen wie im Kleinen, mehrfach geschwankt hat; sie leitet auch zu wichtigen Schlüssen über das Horizontalverhältniß zwischen diesen beiden Elementen und über die allmähliche Entwicklung des Festlandes im Großen. In den ältesten Gebirgen, welche überhaupt noch Versteinerungen führen, kommen lediglich nur Meeresbewohner, Zoophyten, Muschel- und Krustenthiere vor, und die ganze Constitution dieser Schichten weist überhaupt auf eine noch fast allgemeine Meeresbedeckung des Planeten hin. Bald aber treten in den ältesten Steinkohlengebirgen Zeugen dafür auf, daß bereits in diesen frühen Epochen einzelne Landstriche, wahrscheinlich insularisch, sich aus dem Wasser erhoben und eine üppige Pflanzenwelt ernährten. Das Wesen der frühesten Landthiere, die man bis jetzt entdeckt, entspricht ganz der Vorstellung, daß das Festland, zerschlagen und zerstreut, noch lange keine Selbstständigkeit erhalten habe: denn jene Thiere sind Amphibien, noch mit der größern Hälfte ihrer Organisation und ihrer Triebe an das Wasser gefesselt, kaltblütige, eierlegende Vierfüßer, die sich am Land nur schwerfällig bewegten. Von Säugethieren, von vollkommenen Luft- und Landthieren, zeigen sich in der ganzen Reihe der sogenannten secundären Gebirge kaum einzelne und zweifelhafte Spuren; die Verbreitung und die Natur der fossilen Pflanzenreste weist übrigens auf ein immer wachsendes Verhältniß des festen Landes hin. Aber erst in den tertiären, verhältnißmäßig sehr modernen, Bildungen tritt nun auf einmal eine ganze fossile Säugethierwelt auf, als Zeuge der definitiven Ausbildung der Festländer. Zu gleich merkwürdigen Ergebnissen führt es, wenn man die jetzt lebenden Thiere und Pflanzen in Hinsicht auf ihre jetzige klimatische Vertheilung mit den ihnen am nächsten stehenden fossilen Organismen vergleicht. Es zeigt sich, daß die Temperaturverhältnisse einst, und zwar sehr weit herauf in der Geschichte der Erdbildung, ganz andere gewesen seyn müssen als jetzt, daß die gegenwärtige Abstufung der Klimate von einer eisigen zu einer glühenden Zone nicht bestand, daß die Temperatur der Atmosphäre nicht nur weit gleichförmiger, sondern auch absolut höher war als in der heutigen Periode. In allen bekannten Ländern schließen die Flötze gleichmäßig Thier- und Pflanzenformen ein, welche den jetzt in den tropischen Meeren bestehenden analog sind, vermischt mit den Verwandten solcher, welche wir gegenwärtig auf mittlere und höhere Breiten beschränkt Geologische Briefe. II. Historische Orientirung. (Fortsetzung.) Wir sehen in der uns umgebenden Natur die organischen Geschöpfe streng an gewisse Lebensbedingungen geknüpft. Die einen können nur auf dem Lande, die andern nur im Meere leben; manche hausen nur im brackichten Wasser der Flußmündungen, andere kommen nur im süßen Gewässer fort, noch andere wechseln zwischen Land und Wasser. Gleicherweise zeigen sich die Organismen nach unsern jetzigen Klimaten vertheilt: es gibt Polarthiere und Polarpflanzen; es gibt welche, die auf die heiße Zone, andere, die auf die gemäßigten Landstriche beschränkt sind. Ja, die Verbreitung sehr vieler hängt daneben noch in jedem Klima von den Verhältnissen der Feuchtigkeit oder Trockenheit und von der Erhebung über dem Niveau des Meeres ab. Wenn wir nicht den ganzen Begriff vom ewigen Naturzusammenhang aufgeben wollen, so sind wir zu dem Schluß genöthigt, daß in frühern Perioden die Vertheilung der Geschöpfe und ihre ganze Oekonomie eine analoge gewesen seyn werde. Die den jetzigen, wo nicht gleichen, doch in allen wesentlichen Punkten der Organisation mit ihnen übereinstimmenden fossilen Thiere müssen einst eine analoge Rolle im Haushalt der Natur gespielt haben. Der fossile Nautilus oder die fossile Auster muß einst im Ocean, das unserm Elephanten fast ganz entsprechende Thier muß auf dem Lande, und zwar in reicher Pflanzenumgebung gelebt haben; die fossile Eidechse mit Rudern, statt der Extremitäten mit geschiedenen Zehen, kann höchstens gelegentlich und mühsam ein Bewohner des Landes gewesen seyn u. s. w. Der Ueberblick der fossilen Organismen zeigt uns nun aber die auffallendsten Abweichungen von diesem Schema der Vertheilung. Wir sehen die Reste von Geschöpfen, welche ihrem ganzen Bau nach ächte Seethiere waren, überall in den Gebirgsschichten auf dem Festlande zerstreut, und zwar in allen Höhen, vom Spiegel des jetzigen Meeres bis zu den Gipfeln der höchsten Berge. Muschelbänke, in den allgemeinen Verhältnissen denen des heutigen Meeres völlig gleich, verbreiten sich tief im Lande über ganze Provinzen. Auf den Schweizer Alpen, in der Höhe von 12,000 Fuß über dem Meer, liegen Schichten voll Konchylien oft ganz wagerecht, als wären sie hier noch genau am Ort, wo die Thiere einst gelebt. In der Kette der Himalayas findet man dergleichen Zeugen alter Meere noch in der Höhe von 14,000 Fuß. Andrerseits sehen wir Landpflanzen, wie Palmen und baumartige Farrenkräuter, in ältern Gebirgsschichten tief unter Meeresbildungen begraben; ja, manche Steinkohlengruben sind bis zu 1000 und 1200 Fuß unter der jetzigen Meeresfläche ausgebeutet worden, und setzen wohl noch viel weiter in die Tiefe fort. In den Kohlenschichten stehen noch Stämme auf ihren Wurzeln aufrecht, Blätter und Früchte sind oft in ihrer zartesten Organisation vollkommen erhalten. Schon dieß, neben andern entscheidenden Umständen, beweist, daß sie nicht etwa zusammengeschwemmt worden, sondern daß sie wirklich auf dem Boden stehen, dem sie einst entwachsen. Aber diese jetzt so tief verschütteten Vegetabilien können einst nicht anders als an Luft und Licht gelebt haben. Aus diesen allgemeinen Thatsachen ergibt sich mit Nothwendigkeit, daß im Laufe der Erdbildungen das verticale Verhältniß zwischen Meer und Land verschiedenemal ein anderes geworden ist, sey es nun, daß das Meer wiederholt gestiegen und gefallen, oder daß das Land diese Bewegung gemacht hat. Dieses Resultat, das durch die ganz allgemeine Betrachtung der in den großen Flötzformationen eingeschlossenen Organismen erhalten wird, findet sich im Localen und Kleinen vollends auffallend bestätigt. An vielen Orten, und zwar meist in verhältnißmäßig sehr neuen Erdbildungen, sieht man mehrfältig Schichten, welche Meeresproducte enthalten, mit solchen abwechseln, welche nur Pflanzen und Thiere des festen Landes oder des süßen Wassers führen. Dieß beweist streng, daß in einzelnen Theilen der Erdrinde dieselben Striche mehrmals abwechselnd Meeresboden und festes Land gewesen sind; und zwar mußte der beiderseitige Zustand jedesmal so lange andauern, daß sich die Land- und Wassergeschöpfe in zahlreichen Generationen entwickelt hatten, bevor die Veränderung eintrat, die ihre Reste begrub. Aber die allgemeine Uebersicht der fossilen Organismen beweist nicht nur, daß das Höhenverhältniß zwischen Land und Meer im Laufe der Erdbildung, im Großen wie im Kleinen, mehrfach geschwankt hat; sie leitet auch zu wichtigen Schlüssen über das Horizontalverhältniß zwischen diesen beiden Elementen und über die allmähliche Entwicklung des Festlandes im Großen. In den ältesten Gebirgen, welche überhaupt noch Versteinerungen führen, kommen lediglich nur Meeresbewohner, Zoophyten, Muschel- und Krustenthiere vor, und die ganze Constitution dieser Schichten weist überhaupt auf eine noch fast allgemeine Meeresbedeckung des Planeten hin. Bald aber treten in den ältesten Steinkohlengebirgen Zeugen dafür auf, daß bereits in diesen frühen Epochen einzelne Landstriche, wahrscheinlich insularisch, sich aus dem Wasser erhoben und eine üppige Pflanzenwelt ernährten. Das Wesen der frühesten Landthiere, die man bis jetzt entdeckt, entspricht ganz der Vorstellung, daß das Festland, zerschlagen und zerstreut, noch lange keine Selbstständigkeit erhalten habe: denn jene Thiere sind Amphibien, noch mit der größern Hälfte ihrer Organisation und ihrer Triebe an das Wasser gefesselt, kaltblütige, eierlegende Vierfüßer, die sich am Land nur schwerfällig bewegten. Von Säugethieren, von vollkommenen Luft- und Landthieren, zeigen sich in der ganzen Reihe der sogenannten secundären Gebirge kaum einzelne und zweifelhafte Spuren; die Verbreitung und die Natur der fossilen Pflanzenreste weist übrigens auf ein immer wachsendes Verhältniß des festen Landes hin. Aber erst in den tertiären, verhältnißmäßig sehr modernen, Bildungen tritt nun auf einmal eine ganze fossile Säugethierwelt auf, als Zeuge der definitiven Ausbildung der Festländer. Zu gleich merkwürdigen Ergebnissen führt es, wenn man die jetzt lebenden Thiere und Pflanzen in Hinsicht auf ihre jetzige klimatische Vertheilung mit den ihnen am nächsten stehenden fossilen Organismen vergleicht. Es zeigt sich, daß die Temperaturverhältnisse einst, und zwar sehr weit herauf in der Geschichte der Erdbildung, ganz andere gewesen seyn müssen als jetzt, daß die gegenwärtige Abstufung der Klimate von einer eisigen zu einer glühenden Zone nicht bestand, daß die Temperatur der Atmosphäre nicht nur weit gleichförmiger, sondern auch absolut höher war als in der heutigen Periode. In allen bekannten Ländern schließen die Flötze gleichmäßig Thier- und Pflanzenformen ein, welche den jetzt in den tropischen Meeren bestehenden analog sind, vermischt mit den Verwandten solcher, welche wir gegenwärtig auf mittlere und höhere Breiten beschränkt <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="0457"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Geologische Briefe</hi>.</hi> </head><lb/> <p>II. <hi rendition="#g">Historische Orientirung</hi>.</p><lb/> <p>(Fortsetzung.)</p><lb/> <p>Wir sehen in der uns umgebenden Natur die organischen Geschöpfe streng an gewisse Lebensbedingungen geknüpft. 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Muschelbänke, in den allgemeinen Verhältnissen denen des heutigen Meeres völlig gleich, verbreiten sich tief im Lande über ganze Provinzen. Auf den Schweizer Alpen, in der Höhe von 12,000 Fuß über dem Meer, liegen Schichten voll Konchylien oft ganz wagerecht, als wären sie hier noch genau am Ort, wo die Thiere einst gelebt. In der Kette der Himalayas findet man dergleichen Zeugen alter Meere noch in der Höhe von 14,000 Fuß. Andrerseits sehen wir Landpflanzen, wie Palmen und baumartige Farrenkräuter, in ältern Gebirgsschichten tief unter Meeresbildungen begraben; ja, manche Steinkohlengruben sind bis zu 1000 und 1200 Fuß unter der jetzigen Meeresfläche ausgebeutet worden, und setzen wohl noch viel weiter in die Tiefe fort. In den Kohlenschichten stehen noch Stämme auf ihren Wurzeln aufrecht, Blätter und Früchte sind oft in ihrer zartesten Organisation vollkommen erhalten. Schon dieß, neben andern entscheidenden Umständen, beweist, daß sie nicht etwa zusammengeschwemmt worden, sondern daß sie wirklich auf dem Boden stehen, dem sie einst entwachsen. Aber diese jetzt so tief verschütteten Vegetabilien können einst nicht anders als an Luft und Licht gelebt haben. Aus diesen allgemeinen Thatsachen ergibt sich mit Nothwendigkeit, daß im Laufe der Erdbildungen das verticale Verhältniß zwischen Meer und Land verschiedenemal ein anderes geworden ist, sey es nun, daß das Meer wiederholt gestiegen und gefallen, oder daß das Land diese Bewegung gemacht hat. Dieses Resultat, das durch die ganz allgemeine Betrachtung der in den großen Flötzformationen eingeschlossenen Organismen erhalten wird, findet sich im Localen und Kleinen vollends auffallend bestätigt. An vielen Orten, und zwar meist in verhältnißmäßig sehr neuen Erdbildungen, sieht man mehrfältig Schichten, welche Meeresproducte enthalten, mit solchen abwechseln, welche nur Pflanzen und Thiere des festen Landes oder des süßen Wassers führen. Dieß beweist streng, daß in einzelnen Theilen der Erdrinde dieselben Striche mehrmals abwechselnd Meeresboden und festes Land gewesen sind; und zwar mußte der beiderseitige Zustand jedesmal so lange andauern, daß sich die Land- und Wassergeschöpfe in zahlreichen Generationen entwickelt hatten, bevor die Veränderung eintrat, die ihre Reste begrub.</p><lb/> <p>Aber die allgemeine Uebersicht der fossilen Organismen beweist nicht nur, daß das <hi rendition="#g">Höhenverhältniß</hi> zwischen Land und Meer im Laufe der Erdbildung, im Großen wie im Kleinen, mehrfach geschwankt hat; sie leitet auch zu wichtigen Schlüssen über das <hi rendition="#g">Horizontalverhältniß</hi> zwischen diesen beiden Elementen und über die allmähliche Entwicklung des Festlandes im Großen. 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Von Säugethieren, von vollkommenen Luft- und Landthieren, zeigen sich in der ganzen Reihe der sogenannten secundären Gebirge kaum einzelne und zweifelhafte Spuren; die Verbreitung und die Natur der fossilen Pflanzenreste weist übrigens auf ein immer wachsendes Verhältniß des festen Landes hin. Aber erst in den tertiären, verhältnißmäßig sehr modernen, Bildungen tritt nun auf einmal eine ganze fossile Säugethierwelt auf, als Zeuge der definitiven Ausbildung der Festländer.</p><lb/> <p>Zu gleich merkwürdigen Ergebnissen führt es, wenn man die jetzt lebenden Thiere und Pflanzen in Hinsicht auf ihre jetzige klimatische Vertheilung mit den ihnen am nächsten stehenden fossilen Organismen vergleicht. 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Geologische Briefe.
II. Historische Orientirung.
(Fortsetzung.)
Wir sehen in der uns umgebenden Natur die organischen Geschöpfe streng an gewisse Lebensbedingungen geknüpft. Die einen können nur auf dem Lande, die andern nur im Meere leben; manche hausen nur im brackichten Wasser der Flußmündungen, andere kommen nur im süßen Gewässer fort, noch andere wechseln zwischen Land und Wasser. Gleicherweise zeigen sich die Organismen nach unsern jetzigen Klimaten vertheilt: es gibt Polarthiere und Polarpflanzen; es gibt welche, die auf die heiße Zone, andere, die auf die gemäßigten Landstriche beschränkt sind. Ja, die Verbreitung sehr vieler hängt daneben noch in jedem Klima von den Verhältnissen der Feuchtigkeit oder Trockenheit und von der Erhebung über dem Niveau des Meeres ab. Wenn wir nicht den ganzen Begriff vom ewigen Naturzusammenhang aufgeben wollen, so sind wir zu dem Schluß genöthigt, daß in frühern Perioden die Vertheilung der Geschöpfe und ihre ganze Oekonomie eine analoge gewesen seyn werde. Die den jetzigen, wo nicht gleichen, doch in allen wesentlichen Punkten der Organisation mit ihnen übereinstimmenden fossilen Thiere müssen einst eine analoge Rolle im Haushalt der Natur gespielt haben. Der fossile Nautilus oder die fossile Auster muß einst im Ocean, das unserm Elephanten fast ganz entsprechende Thier muß auf dem Lande, und zwar in reicher Pflanzenumgebung gelebt haben; die fossile Eidechse mit Rudern, statt der Extremitäten mit geschiedenen Zehen, kann höchstens gelegentlich und mühsam ein Bewohner des Landes gewesen seyn u. s. w. Der Ueberblick der fossilen Organismen zeigt uns nun aber die auffallendsten Abweichungen von diesem Schema der Vertheilung. Wir sehen die Reste von Geschöpfen, welche ihrem ganzen Bau nach ächte Seethiere waren, überall in den Gebirgsschichten auf dem Festlande zerstreut, und zwar in allen Höhen, vom Spiegel des jetzigen Meeres bis zu den Gipfeln der höchsten Berge. Muschelbänke, in den allgemeinen Verhältnissen denen des heutigen Meeres völlig gleich, verbreiten sich tief im Lande über ganze Provinzen. Auf den Schweizer Alpen, in der Höhe von 12,000 Fuß über dem Meer, liegen Schichten voll Konchylien oft ganz wagerecht, als wären sie hier noch genau am Ort, wo die Thiere einst gelebt. In der Kette der Himalayas findet man dergleichen Zeugen alter Meere noch in der Höhe von 14,000 Fuß. Andrerseits sehen wir Landpflanzen, wie Palmen und baumartige Farrenkräuter, in ältern Gebirgsschichten tief unter Meeresbildungen begraben; ja, manche Steinkohlengruben sind bis zu 1000 und 1200 Fuß unter der jetzigen Meeresfläche ausgebeutet worden, und setzen wohl noch viel weiter in die Tiefe fort. In den Kohlenschichten stehen noch Stämme auf ihren Wurzeln aufrecht, Blätter und Früchte sind oft in ihrer zartesten Organisation vollkommen erhalten. Schon dieß, neben andern entscheidenden Umständen, beweist, daß sie nicht etwa zusammengeschwemmt worden, sondern daß sie wirklich auf dem Boden stehen, dem sie einst entwachsen. Aber diese jetzt so tief verschütteten Vegetabilien können einst nicht anders als an Luft und Licht gelebt haben. Aus diesen allgemeinen Thatsachen ergibt sich mit Nothwendigkeit, daß im Laufe der Erdbildungen das verticale Verhältniß zwischen Meer und Land verschiedenemal ein anderes geworden ist, sey es nun, daß das Meer wiederholt gestiegen und gefallen, oder daß das Land diese Bewegung gemacht hat. Dieses Resultat, das durch die ganz allgemeine Betrachtung der in den großen Flötzformationen eingeschlossenen Organismen erhalten wird, findet sich im Localen und Kleinen vollends auffallend bestätigt. An vielen Orten, und zwar meist in verhältnißmäßig sehr neuen Erdbildungen, sieht man mehrfältig Schichten, welche Meeresproducte enthalten, mit solchen abwechseln, welche nur Pflanzen und Thiere des festen Landes oder des süßen Wassers führen. Dieß beweist streng, daß in einzelnen Theilen der Erdrinde dieselben Striche mehrmals abwechselnd Meeresboden und festes Land gewesen sind; und zwar mußte der beiderseitige Zustand jedesmal so lange andauern, daß sich die Land- und Wassergeschöpfe in zahlreichen Generationen entwickelt hatten, bevor die Veränderung eintrat, die ihre Reste begrub.
Aber die allgemeine Uebersicht der fossilen Organismen beweist nicht nur, daß das Höhenverhältniß zwischen Land und Meer im Laufe der Erdbildung, im Großen wie im Kleinen, mehrfach geschwankt hat; sie leitet auch zu wichtigen Schlüssen über das Horizontalverhältniß zwischen diesen beiden Elementen und über die allmähliche Entwicklung des Festlandes im Großen. In den ältesten Gebirgen, welche überhaupt noch Versteinerungen führen, kommen lediglich nur Meeresbewohner, Zoophyten, Muschel- und Krustenthiere vor, und die ganze Constitution dieser Schichten weist überhaupt auf eine noch fast allgemeine Meeresbedeckung des Planeten hin. Bald aber treten in den ältesten Steinkohlengebirgen Zeugen dafür auf, daß bereits in diesen frühen Epochen einzelne Landstriche, wahrscheinlich insularisch, sich aus dem Wasser erhoben und eine üppige Pflanzenwelt ernährten. Das Wesen der frühesten Landthiere, die man bis jetzt entdeckt, entspricht ganz der Vorstellung, daß das Festland, zerschlagen und zerstreut, noch lange keine Selbstständigkeit erhalten habe: denn jene Thiere sind Amphibien, noch mit der größern Hälfte ihrer Organisation und ihrer Triebe an das Wasser gefesselt, kaltblütige, eierlegende Vierfüßer, die sich am Land nur schwerfällig bewegten. Von Säugethieren, von vollkommenen Luft- und Landthieren, zeigen sich in der ganzen Reihe der sogenannten secundären Gebirge kaum einzelne und zweifelhafte Spuren; die Verbreitung und die Natur der fossilen Pflanzenreste weist übrigens auf ein immer wachsendes Verhältniß des festen Landes hin. Aber erst in den tertiären, verhältnißmäßig sehr modernen, Bildungen tritt nun auf einmal eine ganze fossile Säugethierwelt auf, als Zeuge der definitiven Ausbildung der Festländer.
Zu gleich merkwürdigen Ergebnissen führt es, wenn man die jetzt lebenden Thiere und Pflanzen in Hinsicht auf ihre jetzige klimatische Vertheilung mit den ihnen am nächsten stehenden fossilen Organismen vergleicht. Es zeigt sich, daß die Temperaturverhältnisse einst, und zwar sehr weit herauf in der Geschichte der Erdbildung, ganz andere gewesen seyn müssen als jetzt, daß die gegenwärtige Abstufung der Klimate von einer eisigen zu einer glühenden Zone nicht bestand, daß die Temperatur der Atmosphäre nicht nur weit gleichförmiger, sondern auch absolut höher war als in der heutigen Periode. In allen bekannten Ländern schließen die Flötze gleichmäßig Thier- und Pflanzenformen ein, welche den jetzt in den tropischen Meeren bestehenden analog sind, vermischt mit den Verwandten solcher, welche wir gegenwärtig auf mittlere und höhere Breiten beschränkt
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