Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 53. Augsburg, 22. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Eröffnung der dießjährigen Versammlung der Landstände ist, wie Sie wissen, auf den 24 d. M. festgesetzt. Das von mehreren Zeitungen verbreitete Gerücht, als habe der verstorbene Herzog die Sache des Don Carlos mit großen Geldsummen unterstützt, ist eine Erdichtung. Ebenso das Gerücht, als habe derselbe Millionen in der englischen Bank liegen gehabt. .. Die von Holland für Gebietsabtretungen im Großherzogthum Luxemburg an Nassau bezahlte Entschädigung beträgt 750,000 fl. Diese Summe liegt als Depositum bei dem Bankhause der Gebrüder v. Rothschild in Frankfurt, ohne daß man noch zur Zeit weiß, welche Bestimmung sie erhalten wird. - Die Großfürstin Helene von Rußland, Schwester der verwittweten Frau Herzogin von Nassau, wird im Monat Mai dahier eintreffen und längere Zeit bei uns verweilen. Ein neu erbautes, an der Chaussee nach Frankfurt gelegenes Haus des Majors und Flügeladjutanten v. Rettberg wird zu ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesetzt. - Der bekannte Improvisator Langenschwarz hat bei der hiesigen Regierung um die Erlaubniß zur Herausgabe einer inländischen Zeitung nachgesucht, jedoch eine abschlägige Resolution erhalten.

In der Sitzung der Stände vom 11 Febr. erfolgte der Commissionsbericht über eine ablehnende Erwiederung der Regierung auf das Auskunftsersuchen der Ständeversammlung über das Staatsinventar. Der Bericht führt aus, nach §. 140 der Verfassungsurkunde habe die Ständeversammlung nicht nur ein Recht auf die Aufstellung des Verzeichnisses, sondern auch auf Nachweisung, ob die darin erwähnte Vereinbarung zu Grunde gelegt sey, so wenig der Berichterstatter auch daran zweifle. Dieß sey der Schlußstein der Regulirung jener Angelegenheit. Nach §. 142 haben die Stände für Erhaltung der Bestandtheile des Staatsvermögens zu wachen, was nur durch Einsicht des Inventars möglich sey. Sollen nun die Stände nach §. 143 für Aufbringung des Staatsbedarfs sorgen, so weit die übrigen Hülfsmittel (Aufkommen aus Domänen etc.) nicht reichen, so müssen sie ebenfalls jene Bestandtheile kennen. Der §. 144 gebe den Ständen das Recht, Auskunft aus Acten, Belegen etc. zu verlangen; diese Auskunft könne hier nicht anders, als durch vollständige, reine Abschrift, oder Einsicht des Inventars erlangt werden. Früher habe man auch von Seite der Regierung nie eine Weigerung der Mittheilung des Inventars vernommen, sondern sich nur darauf berufen, daß dasselbe noch nicht vollendet sey. Der Ausschuß stellte den Antrag, die Regierung um Auskunft und Nachricht zu ersuchen, aus welchen Gegenständen das Inventar bestehe, und ob die Vereinbarung über die Trennung des Staats- und Fideicommißvermögens zu Grunde gelegt sey, oder dem Budgetausschuß die Einsicht zu gestatten. Der Landtagscommissär erwiederte: die Anträge wie die Ausführung des Berichts könnten zu Streit führen; die Regierung erkenne kein Visitationsrecht der Ständeversammlung an. Die Kammer genehmigte den Antrag des Ausschusses mit einigen Abänderungen, der Landtagscommissär aber protestirte gegen die Beschlußnahme und den Inhalt des Brichts. (Kass. A. Z.)

Schweden.

Wenn die Beamtenpartei - denn man darf ihr nicht die Ehre anthun, sie die Regierungspartei zu nennen - über die angebliche Niederlage, d. h. darüber, daß Graf Anckarswärd überstimmt wurde, triumphirt, so möchte sie die Rechnung stark ohne den Wirth machen. Wenn unter 370 Mitgliedern sich eine Mehrheit von 30 Stimmen gegen Anckarswärds Antrag erklärte, so kann man sich darüber keinen Augenblick wundern, sobald man weiß, daß im Ritterhause Hauptleute, Lieutenants, Fähndriche in ziemlicher Anzahl, und selbst ein Wachtmeister sitzen, der höhern Civil- und Militärbeamten gar nicht zu gedenken. Daher sprechen auch die Oppositionsblätter von der "gewöhnlichen, wohlbekannten Ritterhausmajorität," und man darf sich nur wundern, daß bei einem Antrag, der darauf hinauslief, den Civil- und Militäretat so wesentlich zu beschränken, noch 150 Mitglieder des Adelsstandes sich fanden, welche entschieden dafür stimmten. So viel zur Orientirung. Während dieß im Ritterhause vorging, wurde im Bürgerstand von einem Hrn. Ekholm ein Antrag über Aemterbesetzung gemacht, der darauf hinauslief, daß man künftig keine Beamte ohne vorhergegangene Prüfung anstelle, daß man den höhern Stellen das Recht zurückgeben solle, ihr untergeordnetes Personal selbst anzustellen (es war damit ein grober Mißbrauch und ein wahrer Aemterverkauf getrieben worden), und daß man für wichtigere Aemter mit großer Verantwortlichkeit nicht mehr Leute auf unbestimmte Zeit, nicht mehr wie oft geschah, auf ein halbes Jahr anstellen solle. Diese Vorschläge greifen gleichfalls dem unmäßigen und unerträglich gewordenen Schreiberunwesen ans Leben, und der Beifall, den sie fanden, beweist, daß man auf der Bahn praktischer Verbesserungen nicht stillstehen will. Hans Janssons vorgeschlagene Antwortsadresse auf die Thronrede ist durch eine Stimmenmehrheit von 84 gegen 34 an den Constitutionsausschuß verwiesen worden, d. h. man hat ihr die höchste Wichtigkeit beigelegt, indem sie auf diesem Wege selbst zur Anklage gegen die Minister werden kann, wenn man es so weit treiben will. Wenn nach diesen Beispielen die Mehrzahl des Bürger- und Bauernstandes entschieden auf praktischen Verbesserungen beharrt, so kann das Widerstreben des Ritterhauses, dem Anckarswärd augenscheinlich durch seinen Antrag einen gewissen Glanz sichern wollte, da er die geringe moralische Macht, die dasselbe ausübt, recht wohl kennt, nur unglückliche Früchte tragen, und zu einer längst gefürchteten Spaltung der Stände führen.

Oesterreich.
"On forms of government let fools contest,
The best administered is the best!"

Dieser alte Spruch Pope's findet in unserer Zeit mehr Anwendung, als in der, wo er das erstemal gebraucht wurde; er beweist zugleich, daß die Zeiten sich mehr ähnlich sehen, als wir gemeinhin zuzugeben geneigt sind. Entbrennt heut zu Tage der Krieg der Meinungen weniger um die Form der Dinge, und ist man weiter gekommen in der ruhigen Beurtheilung ihrer Wesenheit, als zu Pope's Zeiten? Schwerlich! - Vielmehr hat sich hierzu noch eine babylonische Sprachverwirrung gesellt, die sich nachgerade aller Begriffe bemächtigt, die natürliche Deutung des Ausdrucks durch willkürliche und völlig unwahre Unterstellungen verfälscht, und eine Unzahl unhaltbarer Behauptungen festgestellt, die das ganze Wesen der Dinge unter einen verschobenen Gesichtspunkt gebracht, und in politischer und socialer Beziehung Meinungen Anhang verschafft haben, die auch nicht auf einer klaren Anschauung beruhen. Welcher Mißbrauch ist nicht mit den Worten "Monarchie, Legitimität, Absolutismus, Reform, Conservatismus, Liberalismus" getrieben worden? Hat ein einziges im Gährkessel des Parteikampfes wohl seine ursprüngliche Geltung behalten? Wäre es nicht an der Zeit, diese Worte wieder auf ihre eigenthümliche Bedeutung zurückzuführen, und so wieder zu richtigerer Würdigung der Begriffe zu gelangen?

Auf der Linie, auf der die Regierungsformen neben einander stehen, nimmt der absolute, über das Gesetz sich erhebende Einzelwille, und der eben so absolute kein Gesetz achtende

Die Eröffnung der dießjährigen Versammlung der Landstände ist, wie Sie wissen, auf den 24 d. M. festgesetzt. Das von mehreren Zeitungen verbreitete Gerücht, als habe der verstorbene Herzog die Sache des Don Carlos mit großen Geldsummen unterstützt, ist eine Erdichtung. Ebenso das Gerücht, als habe derselbe Millionen in der englischen Bank liegen gehabt. .. Die von Holland für Gebietsabtretungen im Großherzogthum Luxemburg an Nassau bezahlte Entschädigung beträgt 750,000 fl. Diese Summe liegt als Depositum bei dem Bankhause der Gebrüder v. Rothschild in Frankfurt, ohne daß man noch zur Zeit weiß, welche Bestimmung sie erhalten wird. – Die Großfürstin Helene von Rußland, Schwester der verwittweten Frau Herzogin von Nassau, wird im Monat Mai dahier eintreffen und längere Zeit bei uns verweilen. Ein neu erbautes, an der Chaussée nach Frankfurt gelegenes Haus des Majors und Flügeladjutanten v. Rettberg wird zu ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesetzt. – Der bekannte Improvisator Langenschwarz hat bei der hiesigen Regierung um die Erlaubniß zur Herausgabe einer inländischen Zeitung nachgesucht, jedoch eine abschlägige Resolution erhalten.

In der Sitzung der Stände vom 11 Febr. erfolgte der Commissionsbericht über eine ablehnende Erwiederung der Regierung auf das Auskunftsersuchen der Ständeversammlung über das Staatsinventar. Der Bericht führt aus, nach §. 140 der Verfassungsurkunde habe die Ständeversammlung nicht nur ein Recht auf die Aufstellung des Verzeichnisses, sondern auch auf Nachweisung, ob die darin erwähnte Vereinbarung zu Grunde gelegt sey, so wenig der Berichterstatter auch daran zweifle. Dieß sey der Schlußstein der Regulirung jener Angelegenheit. Nach §. 142 haben die Stände für Erhaltung der Bestandtheile des Staatsvermögens zu wachen, was nur durch Einsicht des Inventars möglich sey. Sollen nun die Stände nach §. 143 für Aufbringung des Staatsbedarfs sorgen, so weit die übrigen Hülfsmittel (Aufkommen aus Domänen etc.) nicht reichen, so müssen sie ebenfalls jene Bestandtheile kennen. Der §. 144 gebe den Ständen das Recht, Auskunft aus Acten, Belegen etc. zu verlangen; diese Auskunft könne hier nicht anders, als durch vollständige, reine Abschrift, oder Einsicht des Inventars erlangt werden. Früher habe man auch von Seite der Regierung nie eine Weigerung der Mittheilung des Inventars vernommen, sondern sich nur darauf berufen, daß dasselbe noch nicht vollendet sey. Der Ausschuß stellte den Antrag, die Regierung um Auskunft und Nachricht zu ersuchen, aus welchen Gegenständen das Inventar bestehe, und ob die Vereinbarung über die Trennung des Staats- und Fideicommißvermögens zu Grunde gelegt sey, oder dem Budgetausschuß die Einsicht zu gestatten. Der Landtagscommissär erwiederte: die Anträge wie die Ausführung des Berichts könnten zu Streit führen; die Regierung erkenne kein Visitationsrecht der Ständeversammlung an. Die Kammer genehmigte den Antrag des Ausschusses mit einigen Abänderungen, der Landtagscommissär aber protestirte gegen die Beschlußnahme und den Inhalt des Brichts. (Kass. A. Z.)

Schweden.

Wenn die Beamtenpartei – denn man darf ihr nicht die Ehre anthun, sie die Regierungspartei zu nennen – über die angebliche Niederlage, d. h. darüber, daß Graf Anckarswärd überstimmt wurde, triumphirt, so möchte sie die Rechnung stark ohne den Wirth machen. Wenn unter 370 Mitgliedern sich eine Mehrheit von 30 Stimmen gegen Anckarswärds Antrag erklärte, so kann man sich darüber keinen Augenblick wundern, sobald man weiß, daß im Ritterhause Hauptleute, Lieutenants, Fähndriche in ziemlicher Anzahl, und selbst ein Wachtmeister sitzen, der höhern Civil- und Militärbeamten gar nicht zu gedenken. Daher sprechen auch die Oppositionsblätter von der „gewöhnlichen, wohlbekannten Ritterhausmajorität,“ und man darf sich nur wundern, daß bei einem Antrag, der darauf hinauslief, den Civil- und Militäretat so wesentlich zu beschränken, noch 150 Mitglieder des Adelsstandes sich fanden, welche entschieden dafür stimmten. So viel zur Orientirung. Während dieß im Ritterhause vorging, wurde im Bürgerstand von einem Hrn. Ekholm ein Antrag über Aemterbesetzung gemacht, der darauf hinauslief, daß man künftig keine Beamte ohne vorhergegangene Prüfung anstelle, daß man den höhern Stellen das Recht zurückgeben solle, ihr untergeordnetes Personal selbst anzustellen (es war damit ein grober Mißbrauch und ein wahrer Aemterverkauf getrieben worden), und daß man für wichtigere Aemter mit großer Verantwortlichkeit nicht mehr Leute auf unbestimmte Zeit, nicht mehr wie oft geschah, auf ein halbes Jahr anstellen solle. Diese Vorschläge greifen gleichfalls dem unmäßigen und unerträglich gewordenen Schreiberunwesen ans Leben, und der Beifall, den sie fanden, beweist, daß man auf der Bahn praktischer Verbesserungen nicht stillstehen will. Hans Janssons vorgeschlagene Antwortsadresse auf die Thronrede ist durch eine Stimmenmehrheit von 84 gegen 34 an den Constitutionsausschuß verwiesen worden, d. h. man hat ihr die höchste Wichtigkeit beigelegt, indem sie auf diesem Wege selbst zur Anklage gegen die Minister werden kann, wenn man es so weit treiben will. Wenn nach diesen Beispielen die Mehrzahl des Bürger- und Bauernstandes entschieden auf praktischen Verbesserungen beharrt, so kann das Widerstreben des Ritterhauses, dem Anckarswärd augenscheinlich durch seinen Antrag einen gewissen Glanz sichern wollte, da er die geringe moralische Macht, die dasselbe ausübt, recht wohl kennt, nur unglückliche Früchte tragen, und zu einer längst gefürchteten Spaltung der Stände führen.

Oesterreich.
„On forms of government let fools contest,
The best administered is the best!“

Dieser alte Spruch Pope's findet in unserer Zeit mehr Anwendung, als in der, wo er das erstemal gebraucht wurde; er beweist zugleich, daß die Zeiten sich mehr ähnlich sehen, als wir gemeinhin zuzugeben geneigt sind. Entbrennt heut zu Tage der Krieg der Meinungen weniger um die Form der Dinge, und ist man weiter gekommen in der ruhigen Beurtheilung ihrer Wesenheit, als zu Pope's Zeiten? Schwerlich! – Vielmehr hat sich hierzu noch eine babylonische Sprachverwirrung gesellt, die sich nachgerade aller Begriffe bemächtigt, die natürliche Deutung des Ausdrucks durch willkürliche und völlig unwahre Unterstellungen verfälscht, und eine Unzahl unhaltbarer Behauptungen festgestellt, die das ganze Wesen der Dinge unter einen verschobenen Gesichtspunkt gebracht, und in politischer und socialer Beziehung Meinungen Anhang verschafft haben, die auch nicht auf einer klaren Anschauung beruhen. Welcher Mißbrauch ist nicht mit den Worten „Monarchie, Legitimität, Absolutismus, Reform, Conservatismus, Liberalismus“ getrieben worden? Hat ein einziges im Gährkessel des Parteikampfes wohl seine ursprüngliche Geltung behalten? Wäre es nicht an der Zeit, diese Worte wieder auf ihre eigenthümliche Bedeutung zurückzuführen, und so wieder zu richtigerer Würdigung der Begriffe zu gelangen?

Auf der Linie, auf der die Regierungsformen neben einander stehen, nimmt der absolute, über das Gesetz sich erhebende Einzelwille, und der eben so absolute kein Gesetz achtende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0006" n="0422"/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Wiesbaden,</hi> 17 Febr.</dateline>
          <p> Die Eröffnung der dießjährigen Versammlung der Landstände ist, wie Sie wissen, auf den 24 d. M. festgesetzt. Das von mehreren Zeitungen verbreitete Gerücht, als habe der verstorbene Herzog die Sache des Don Carlos mit großen Geldsummen unterstützt, ist eine Erdichtung. Ebenso das Gerücht, als habe derselbe Millionen in der englischen Bank liegen gehabt. .. Die von Holland für Gebietsabtretungen im Großherzogthum Luxemburg an Nassau bezahlte Entschädigung beträgt 750,000 fl. Diese Summe liegt als Depositum bei dem Bankhause der Gebrüder v. Rothschild in Frankfurt, ohne daß man noch zur Zeit weiß, welche Bestimmung sie erhalten wird. &#x2013; Die Großfürstin Helene von Rußland, Schwester der verwittweten Frau Herzogin von Nassau, wird im Monat Mai dahier eintreffen und längere Zeit bei uns verweilen. Ein neu erbautes, an der Chaussée nach Frankfurt gelegenes Haus des Majors und Flügeladjutanten v. Rettberg wird zu ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesetzt. &#x2013; Der bekannte Improvisator Langenschwarz hat bei der hiesigen Regierung um die Erlaubniß zur Herausgabe einer inländischen Zeitung nachgesucht, jedoch eine abschlägige Resolution erhalten.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Kassel,</hi> 14 Febr.</dateline>
          <p> In der Sitzung der Stände vom 11 Febr. erfolgte der Commissionsbericht über eine ablehnende Erwiederung der Regierung auf das Auskunftsersuchen der Ständeversammlung über das Staatsinventar. Der Bericht führt aus, nach §. 140 der Verfassungsurkunde habe die Ständeversammlung nicht nur ein Recht auf die Aufstellung des Verzeichnisses, sondern auch auf Nachweisung, ob die darin erwähnte Vereinbarung zu Grunde gelegt sey, so wenig der Berichterstatter auch daran zweifle. Dieß sey der Schlußstein der Regulirung jener Angelegenheit. Nach §. 142 haben die Stände für Erhaltung der Bestandtheile des Staatsvermögens zu wachen, was nur durch Einsicht des Inventars möglich sey. Sollen nun die Stände nach §. 143 für Aufbringung des Staatsbedarfs sorgen, so weit die übrigen Hülfsmittel (Aufkommen aus Domänen etc.) nicht reichen, so müssen sie ebenfalls jene Bestandtheile kennen. Der §. 144 gebe den Ständen das Recht, Auskunft aus Acten, Belegen etc. zu verlangen; diese Auskunft könne hier nicht anders, als durch vollständige, reine Abschrift, oder Einsicht des Inventars erlangt werden. Früher habe man auch von Seite der Regierung nie eine Weigerung der Mittheilung des Inventars vernommen, sondern sich nur darauf berufen, daß dasselbe noch nicht vollendet sey. Der Ausschuß stellte den Antrag, die Regierung um Auskunft und Nachricht zu ersuchen, aus welchen Gegenständen das Inventar bestehe, und ob die Vereinbarung über die Trennung des Staats- und Fideicommißvermögens zu Grunde gelegt sey, oder dem Budgetausschuß die Einsicht zu gestatten. Der Landtagscommissär erwiederte: die Anträge wie die Ausführung des Berichts könnten zu Streit führen; die Regierung erkenne kein Visitationsrecht der Ständeversammlung an. Die Kammer genehmigte den Antrag des Ausschusses mit einigen Abänderungen, der Landtagscommissär aber protestirte gegen die Beschlußnahme und den Inhalt des Brichts. (<hi rendition="#g">Kass</hi>. A. Z.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Schweden.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Stockholm,</hi> 7 Febr.</dateline>
          <p> Wenn die Beamtenpartei &#x2013; denn man darf ihr nicht die Ehre anthun, sie die Regierungspartei zu nennen &#x2013; über die angebliche Niederlage, d. h. darüber, daß Graf Anckarswärd überstimmt wurde, triumphirt, so möchte sie die Rechnung stark ohne den Wirth machen. Wenn unter 370 Mitgliedern sich eine Mehrheit von 30 Stimmen gegen Anckarswärds Antrag erklärte, so kann man sich darüber keinen Augenblick wundern, sobald man weiß, daß im Ritterhause Hauptleute, Lieutenants, Fähndriche in ziemlicher Anzahl, und selbst ein Wachtmeister sitzen, der höhern Civil- und Militärbeamten gar nicht zu gedenken. Daher sprechen auch die Oppositionsblätter von der &#x201E;gewöhnlichen, wohlbekannten Ritterhausmajorität,&#x201C; und man darf sich nur wundern, daß bei einem Antrag, der darauf hinauslief, den Civil- und Militäretat so wesentlich zu beschränken, noch 150 Mitglieder des Adelsstandes sich fanden, welche entschieden dafür stimmten. So viel zur Orientirung. Während dieß im Ritterhause vorging, wurde im Bürgerstand von einem Hrn. Ekholm ein Antrag über Aemterbesetzung gemacht, der darauf hinauslief, daß man künftig keine Beamte ohne vorhergegangene Prüfung anstelle, daß man den höhern Stellen das Recht zurückgeben solle, ihr untergeordnetes Personal selbst anzustellen (es war damit ein grober Mißbrauch und ein wahrer Aemterverkauf getrieben worden), und daß man für wichtigere Aemter mit großer Verantwortlichkeit nicht mehr Leute auf unbestimmte Zeit, nicht mehr wie oft geschah, auf ein halbes Jahr anstellen solle. Diese Vorschläge greifen gleichfalls dem unmäßigen und unerträglich gewordenen Schreiberunwesen ans Leben, und der Beifall, den sie fanden, beweist, daß man auf der Bahn praktischer Verbesserungen nicht stillstehen will. Hans Janssons vorgeschlagene Antwortsadresse auf die Thronrede ist durch eine Stimmenmehrheit von 84 gegen 34 an den Constitutionsausschuß verwiesen worden, d. h. man hat ihr die höchste Wichtigkeit beigelegt, indem sie auf diesem Wege selbst zur Anklage gegen die Minister werden kann, wenn man es so weit treiben will. Wenn nach diesen Beispielen die Mehrzahl des Bürger- und Bauernstandes entschieden auf praktischen Verbesserungen beharrt, so kann das Widerstreben des Ritterhauses, dem Anckarswärd augenscheinlich durch seinen Antrag einen gewissen Glanz sichern wollte, da er die geringe moralische Macht, die dasselbe ausübt, recht wohl kennt, nur unglückliche Früchte tragen, und zu einer längst gefürchteten Spaltung der Stände führen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Oesterreich.</hi> </head><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;On forms of government let fools contest,</l><lb/>
          <l>The best administered is the best!&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <p>Dieser alte Spruch Pope's findet in unserer Zeit mehr Anwendung, als in der, wo er das erstemal gebraucht wurde; er beweist zugleich, daß die Zeiten sich mehr ähnlich sehen, als wir gemeinhin zuzugeben geneigt sind. Entbrennt heut zu Tage der Krieg der Meinungen weniger um die Form der Dinge, und ist man weiter gekommen in der ruhigen Beurtheilung ihrer Wesenheit, als zu Pope's Zeiten? Schwerlich! &#x2013; Vielmehr hat sich hierzu noch eine babylonische Sprachverwirrung gesellt, die sich nachgerade aller Begriffe bemächtigt, die natürliche Deutung des Ausdrucks durch willkürliche und völlig unwahre Unterstellungen verfälscht, und eine Unzahl unhaltbarer Behauptungen festgestellt, die das ganze Wesen der Dinge unter einen verschobenen Gesichtspunkt gebracht, und in politischer und socialer Beziehung Meinungen Anhang verschafft haben, die auch nicht auf einer klaren Anschauung beruhen. Welcher Mißbrauch ist nicht mit den Worten &#x201E;Monarchie, Legitimität, Absolutismus, Reform, Conservatismus, Liberalismus&#x201C; getrieben worden? Hat ein einziges im Gährkessel des Parteikampfes wohl seine ursprüngliche Geltung behalten? Wäre es nicht an der Zeit, diese Worte wieder auf ihre eigenthümliche Bedeutung zurückzuführen, und so wieder zu richtigerer Würdigung der Begriffe zu gelangen?</p><lb/>
        <p>Auf der Linie, auf der die Regierungsformen neben einander stehen, nimmt der absolute, über das Gesetz sich erhebende <hi rendition="#g">Einzel</hi>wille, und der eben so absolute kein Gesetz achtende<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0422/0006] _ Wiesbaden, 17 Febr. Die Eröffnung der dießjährigen Versammlung der Landstände ist, wie Sie wissen, auf den 24 d. M. festgesetzt. Das von mehreren Zeitungen verbreitete Gerücht, als habe der verstorbene Herzog die Sache des Don Carlos mit großen Geldsummen unterstützt, ist eine Erdichtung. Ebenso das Gerücht, als habe derselbe Millionen in der englischen Bank liegen gehabt. .. Die von Holland für Gebietsabtretungen im Großherzogthum Luxemburg an Nassau bezahlte Entschädigung beträgt 750,000 fl. Diese Summe liegt als Depositum bei dem Bankhause der Gebrüder v. Rothschild in Frankfurt, ohne daß man noch zur Zeit weiß, welche Bestimmung sie erhalten wird. – Die Großfürstin Helene von Rußland, Schwester der verwittweten Frau Herzogin von Nassau, wird im Monat Mai dahier eintreffen und längere Zeit bei uns verweilen. Ein neu erbautes, an der Chaussée nach Frankfurt gelegenes Haus des Majors und Flügeladjutanten v. Rettberg wird zu ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesetzt. – Der bekannte Improvisator Langenschwarz hat bei der hiesigen Regierung um die Erlaubniß zur Herausgabe einer inländischen Zeitung nachgesucht, jedoch eine abschlägige Resolution erhalten. _ Kassel, 14 Febr. In der Sitzung der Stände vom 11 Febr. erfolgte der Commissionsbericht über eine ablehnende Erwiederung der Regierung auf das Auskunftsersuchen der Ständeversammlung über das Staatsinventar. Der Bericht führt aus, nach §. 140 der Verfassungsurkunde habe die Ständeversammlung nicht nur ein Recht auf die Aufstellung des Verzeichnisses, sondern auch auf Nachweisung, ob die darin erwähnte Vereinbarung zu Grunde gelegt sey, so wenig der Berichterstatter auch daran zweifle. Dieß sey der Schlußstein der Regulirung jener Angelegenheit. Nach §. 142 haben die Stände für Erhaltung der Bestandtheile des Staatsvermögens zu wachen, was nur durch Einsicht des Inventars möglich sey. Sollen nun die Stände nach §. 143 für Aufbringung des Staatsbedarfs sorgen, so weit die übrigen Hülfsmittel (Aufkommen aus Domänen etc.) nicht reichen, so müssen sie ebenfalls jene Bestandtheile kennen. Der §. 144 gebe den Ständen das Recht, Auskunft aus Acten, Belegen etc. zu verlangen; diese Auskunft könne hier nicht anders, als durch vollständige, reine Abschrift, oder Einsicht des Inventars erlangt werden. Früher habe man auch von Seite der Regierung nie eine Weigerung der Mittheilung des Inventars vernommen, sondern sich nur darauf berufen, daß dasselbe noch nicht vollendet sey. Der Ausschuß stellte den Antrag, die Regierung um Auskunft und Nachricht zu ersuchen, aus welchen Gegenständen das Inventar bestehe, und ob die Vereinbarung über die Trennung des Staats- und Fideicommißvermögens zu Grunde gelegt sey, oder dem Budgetausschuß die Einsicht zu gestatten. Der Landtagscommissär erwiederte: die Anträge wie die Ausführung des Berichts könnten zu Streit führen; die Regierung erkenne kein Visitationsrecht der Ständeversammlung an. Die Kammer genehmigte den Antrag des Ausschusses mit einigen Abänderungen, der Landtagscommissär aber protestirte gegen die Beschlußnahme und den Inhalt des Brichts. (Kass. A. Z.) Schweden. _ Stockholm, 7 Febr. Wenn die Beamtenpartei – denn man darf ihr nicht die Ehre anthun, sie die Regierungspartei zu nennen – über die angebliche Niederlage, d. h. darüber, daß Graf Anckarswärd überstimmt wurde, triumphirt, so möchte sie die Rechnung stark ohne den Wirth machen. Wenn unter 370 Mitgliedern sich eine Mehrheit von 30 Stimmen gegen Anckarswärds Antrag erklärte, so kann man sich darüber keinen Augenblick wundern, sobald man weiß, daß im Ritterhause Hauptleute, Lieutenants, Fähndriche in ziemlicher Anzahl, und selbst ein Wachtmeister sitzen, der höhern Civil- und Militärbeamten gar nicht zu gedenken. Daher sprechen auch die Oppositionsblätter von der „gewöhnlichen, wohlbekannten Ritterhausmajorität,“ und man darf sich nur wundern, daß bei einem Antrag, der darauf hinauslief, den Civil- und Militäretat so wesentlich zu beschränken, noch 150 Mitglieder des Adelsstandes sich fanden, welche entschieden dafür stimmten. So viel zur Orientirung. Während dieß im Ritterhause vorging, wurde im Bürgerstand von einem Hrn. Ekholm ein Antrag über Aemterbesetzung gemacht, der darauf hinauslief, daß man künftig keine Beamte ohne vorhergegangene Prüfung anstelle, daß man den höhern Stellen das Recht zurückgeben solle, ihr untergeordnetes Personal selbst anzustellen (es war damit ein grober Mißbrauch und ein wahrer Aemterverkauf getrieben worden), und daß man für wichtigere Aemter mit großer Verantwortlichkeit nicht mehr Leute auf unbestimmte Zeit, nicht mehr wie oft geschah, auf ein halbes Jahr anstellen solle. Diese Vorschläge greifen gleichfalls dem unmäßigen und unerträglich gewordenen Schreiberunwesen ans Leben, und der Beifall, den sie fanden, beweist, daß man auf der Bahn praktischer Verbesserungen nicht stillstehen will. Hans Janssons vorgeschlagene Antwortsadresse auf die Thronrede ist durch eine Stimmenmehrheit von 84 gegen 34 an den Constitutionsausschuß verwiesen worden, d. h. man hat ihr die höchste Wichtigkeit beigelegt, indem sie auf diesem Wege selbst zur Anklage gegen die Minister werden kann, wenn man es so weit treiben will. Wenn nach diesen Beispielen die Mehrzahl des Bürger- und Bauernstandes entschieden auf praktischen Verbesserungen beharrt, so kann das Widerstreben des Ritterhauses, dem Anckarswärd augenscheinlich durch seinen Antrag einen gewissen Glanz sichern wollte, da er die geringe moralische Macht, die dasselbe ausübt, recht wohl kennt, nur unglückliche Früchte tragen, und zu einer längst gefürchteten Spaltung der Stände führen. Oesterreich. „On forms of government let fools contest, The best administered is the best!“ Dieser alte Spruch Pope's findet in unserer Zeit mehr Anwendung, als in der, wo er das erstemal gebraucht wurde; er beweist zugleich, daß die Zeiten sich mehr ähnlich sehen, als wir gemeinhin zuzugeben geneigt sind. Entbrennt heut zu Tage der Krieg der Meinungen weniger um die Form der Dinge, und ist man weiter gekommen in der ruhigen Beurtheilung ihrer Wesenheit, als zu Pope's Zeiten? Schwerlich! – Vielmehr hat sich hierzu noch eine babylonische Sprachverwirrung gesellt, die sich nachgerade aller Begriffe bemächtigt, die natürliche Deutung des Ausdrucks durch willkürliche und völlig unwahre Unterstellungen verfälscht, und eine Unzahl unhaltbarer Behauptungen festgestellt, die das ganze Wesen der Dinge unter einen verschobenen Gesichtspunkt gebracht, und in politischer und socialer Beziehung Meinungen Anhang verschafft haben, die auch nicht auf einer klaren Anschauung beruhen. Welcher Mißbrauch ist nicht mit den Worten „Monarchie, Legitimität, Absolutismus, Reform, Conservatismus, Liberalismus“ getrieben worden? Hat ein einziges im Gährkessel des Parteikampfes wohl seine ursprüngliche Geltung behalten? Wäre es nicht an der Zeit, diese Worte wieder auf ihre eigenthümliche Bedeutung zurückzuführen, und so wieder zu richtigerer Würdigung der Begriffe zu gelangen? Auf der Linie, auf der die Regierungsformen neben einander stehen, nimmt der absolute, über das Gesetz sich erhebende Einzelwille, und der eben so absolute kein Gesetz achtende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_053_18400222
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_053_18400222/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 53. Augsburg, 22. Februar 1840, S. 0422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_053_18400222/6>, abgerufen am 28.04.2024.