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Allgemeine Zeitung. Nr. 52. Augsburg, 21. Februar 1840.

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zwei Drittel der Verarmten und drei Viertel der Verbrecher zu dieser Classe gehören. Da sind Mäßigkeitsvereine allerdings ein Erforderniß.

Frankreich.

(Sonntag.)

Der Courrier meldet, daß Marschall Grouchy gefährlich krank sey.

Hr. Amilhau schloß in der Sitzung der Deputirtenkammer am 15 Febr. seinen Bericht für den Dotationsentwurf des Herzogs von Nemours folgendermaßen: "Zu allen Zeiten wurden die französischen Prinzen von dem Staate dotirt. Der Kaiser schuf für jeden der von ihm zu ernennenden Fürsten drei Millionen Einkünfte. Ich muß noch zum Schlusse die Aeußerung eines Mannes anführen, dessen Familie mit ihrem Haupte das Recht bezahlt hatte, in diesen Mauern zu sprechen. Hr. v. Lameth sagte im Jahr 1832 in Betreff des Königs der Franzosen: "Ich kenne Ludwig Philipp seit 40 Jahren, und Sie dürfen überzeugt seyn, daß bei ihm nie ein Ueberfluß vorhanden seyn wird, so lange einem Unglücklichen das Nothwendigste fehlt." Wohlan! meine Herren, der Herzog von Nemours hat alle Tugenden seines Vaters. Die Commission schlägt mit der angegebenen Modification die Annahme des Gesetzesentwurfs vor."

Der Temps sagt über diesen Bericht: "Die Wahl des Hrn. Amilhau bei einem solchen Anlaß war schon eine sehr ausdrucksvolle Manifestation des Geistes, der die mit Prüfung der Dotation für den Herzog von Nemours beauftragte Commission beseelte; wir müssen aber gestehen, daß dieser Deputirte Alles, was man von seinem chronisch gewordenen Ministerialismus erwarten oder fürchten konnte, übertroffen hat. Noch nie waren engherzigere, knechtisch gehorsamere Ideen in einer gemeinern Sprache ausgedrückt worden, und auch dießmal wird der Eifer eines ungeschickten Freundes der Frage schaden, die mehr der Gewandtheit, die man ihm zutraute, als seiner Ergebenheit, woran man nicht zweifelte, anvertraut war. Das Schweigen der Centren und das Murren der Opposition haben den Deputirten der obern Garonne mehr als einmal daran erinnert, daß es Schranken für die Wohldienerei gebe, und daß die Tribune kein Vorzimmer sey. Besonders als er die Geldforderung unter den Schutz des Hrn. Karl Lameth stellte, offenbarte sich das Gefühl öffentlicher Scham mit der größten Energie, wie wenn sie gegen jene Appellation an eine gesunkene Intelligenz zu Gunsten einer compromittirten Sache hätte protestiren wollen.

Anders urtheilt das Journal des Debats. "Die Kammer (sagt es) hat den Bericht des Hrn. Amilhau günstig aufgenommen. Wir für unsern Theil billigen vollkommen den Geist der Mäßigung und des Anstandes, womit er abgefaßt ist. Der Berichterstatter hat darin, obgleich Organ der Majorität, die Meinung der Minorität sehr unparteiisch dargelegt. Er hat die Hauptfrage von allen Sophismen, von allen Spitzfindigkeiten, womit der Parteigeist und der Geist der Chicane sie emsig verwirrt hatte, entledigt. Was verlangte die Opposition? Daß die Unzulänglichkeit der Privatdomäne constatirt werde. Wohlan! die Commission ist mit den Beweisstücken in der Hand vorgeschritten. Sie hat die Unzulänglichkeit der Privatdomäne anerkannt. Allerdings wollte die Commission nicht in eine kleinliche Detailprüfung der königlichen Einnahmen und Ausgaben eingehen. Sie wollte nicht mit der Krone eine Rechnung in Sous und Deniers machen. Sie beschränkte sich sonach auf eine allgemeine, und wie der ehrenwerthe Berichterstatter sagte, moralische Erwägung der ihrer Prüfung vorgelegten Documente. Die Opposition, die nun nichts mehr von der Commission hofft, appellirt jetzt an die Kammer, und scheint auf das Resultat der bevorstehenden Erörterung rechnen zu wollen. Die Voten aber, die in der heutigen Sitzung vorgekommen, sind nicht geeignet, ihr dieses Vertrauen zu geben. (Indem die Kammer den von der Opposition verlangten Druck der Documente verweigerte, und die Erörterung, welche die Opposition verschoben wissen wollte, schon auf die nächsten Tage ansetzte.)

Man versichert, sagt der Constitutionnel, daß die Minister in einem am 14 Febr. gehaltenen Cabinetsconseil beschlossen haben, aus dem Entwurf der Dotation eine Cabinetsfrage zu machen.

(Siecle.) Man hat heute (15) in der Deputirtenkammer die gleichzeitige Anwesenheit des Grafen Sebastiani, vormaligen Botschafters zu London, und des Hrn. Guizot, seines Nachfolgers, bemerkt. Der verlängerte Aufenthalt des letztern in Paris wird hauptsächlich dem von ihm gehegten Wunsche, an dem Votum des Dotationsgesetzes Theil zu nehmen, zugeschrieben. Dieß mag eine treffliche Berechnung seyn; wir erwarteten aber Hrn. Guizot eifriger in Erfüllung seiner ihm anvertrauten Mission zu sehen. Seine Anwesenheit in London ist bei den ernsten Verwicklungen der auswärtigen Politik nothwendig.

Die Presse kommt auf die Polemik wegen der von dem Grafen Medem gemachten Reclamationen zurück. Der Moniteur hatte, wie wir gestern gesehen, ihre ganze Darstellung der betreffenden Vorfälle unrichtig genannt; die Presse antwortet: aus den Geständnissen des officiellen Blattes selbst gehe die Wahrheit der von ihr (der Presse) gemachten Angaben hervor; denn wenn der Conseilpräsident wirklich, wie der Moniteur versichere, seine auf der Tribune in Betreff Polens geführte Sprache vollkommen "zugestanden und bestätigt habe," so müsse er doch zu dieser Erklärung aufgefordert worden seyn, und wenn die Presse, wie man ihr vorwerfe, von dem Schritte des Grafen Medem "in dem Augenblick, wo er erfolgt sey," Kenntniß gehabt habe, so sey doch wohl die einfachste Folgerung, daß eben jener Schritt wirklich geschehen sey. Uebrigens sey gewiß, daß bis zum gestrigen Tag noch keine Antwort der Art, wie sie der Moniteur bezeichne, von dem Conseilpräsidenten abgegeben worden; wäre diese erfolgt, so müßte sie erst heute erfolgt seyn. Wenn der Moniteur es der Presse überlasse, sich zu erklären, wie sie Kenntniß erlangt habe von den Schritten des russischen Repräsentanten in dem Augenblick, wo sie stattfanden, so möge ihr der Moniteur gestatten, von dieser Erlaubniß keinen Gebrauch zu machen.

Zwei Enkel Lafayette's, der Graf v. Laubespin, Capitän vom Generalstab und Oscar Lafayette, Artillerielieutenant, sind nach Algier abgereist, um an dem bevorstehenden Feldzug gegen Abd-El-Kader Theil zu nehmen. Auch Cäsar v. Maubourg, Sohn des französischen Gesandten in Rom, ist zu demselben Zweck als gemeiner Soldat ebendahin abgegangen.

Der Grund, warum dem Grafen S. Aulaire der angesuchte Urlaub verweigert wurde, scheint darin gelegen zu haben, daß man einen Augenblick muthmaßte, die orientalische Frage werde eine neue Phase eingehen, bei welcher die Erörterungen wieder in Wien ihren Mittelpunkt finden könnten, wo dann die Anwesenheit unsers Botschafters in der österreichischen Hauptstadt sich als unumgänglich dargestellt hätte. Da seitdem jeder Grund zu solcher Vermuthung wegfiel, so wurde dem Grafen seine Bitte gewährt. Frhr. v. Langsdorff, des letztern Schwiegersohn, wird indessen die Leitung der Missionsgeschäfte in Wien übernehmen, und zu

zwei Drittel der Verarmten und drei Viertel der Verbrecher zu dieser Classe gehören. Da sind Mäßigkeitsvereine allerdings ein Erforderniß.

Frankreich.

(Sonntag.)

Der Courrier meldet, daß Marschall Grouchy gefährlich krank sey.

Hr. Amilhau schloß in der Sitzung der Deputirtenkammer am 15 Febr. seinen Bericht für den Dotationsentwurf des Herzogs von Nemours folgendermaßen: „Zu allen Zeiten wurden die französischen Prinzen von dem Staate dotirt. Der Kaiser schuf für jeden der von ihm zu ernennenden Fürsten drei Millionen Einkünfte. Ich muß noch zum Schlusse die Aeußerung eines Mannes anführen, dessen Familie mit ihrem Haupte das Recht bezahlt hatte, in diesen Mauern zu sprechen. Hr. v. Lameth sagte im Jahr 1832 in Betreff des Königs der Franzosen: „Ich kenne Ludwig Philipp seit 40 Jahren, und Sie dürfen überzeugt seyn, daß bei ihm nie ein Ueberfluß vorhanden seyn wird, so lange einem Unglücklichen das Nothwendigste fehlt.“ Wohlan! meine Herren, der Herzog von Nemours hat alle Tugenden seines Vaters. Die Commission schlägt mit der angegebenen Modification die Annahme des Gesetzesentwurfs vor.“

Der Temps sagt über diesen Bericht: „Die Wahl des Hrn. Amilhau bei einem solchen Anlaß war schon eine sehr ausdrucksvolle Manifestation des Geistes, der die mit Prüfung der Dotation für den Herzog von Nemours beauftragte Commission beseelte; wir müssen aber gestehen, daß dieser Deputirte Alles, was man von seinem chronisch gewordenen Ministerialismus erwarten oder fürchten konnte, übertroffen hat. Noch nie waren engherzigere, knechtisch gehorsamere Ideen in einer gemeinern Sprache ausgedrückt worden, und auch dießmal wird der Eifer eines ungeschickten Freundes der Frage schaden, die mehr der Gewandtheit, die man ihm zutraute, als seiner Ergebenheit, woran man nicht zweifelte, anvertraut war. Das Schweigen der Centren und das Murren der Opposition haben den Deputirten der obern Garonne mehr als einmal daran erinnert, daß es Schranken für die Wohldienerei gebe, und daß die Tribune kein Vorzimmer sey. Besonders als er die Geldforderung unter den Schutz des Hrn. Karl Lameth stellte, offenbarte sich das Gefühl öffentlicher Scham mit der größten Energie, wie wenn sie gegen jene Appellation an eine gesunkene Intelligenz zu Gunsten einer compromittirten Sache hätte protestiren wollen.

Anders urtheilt das Journal des Débats. „Die Kammer (sagt es) hat den Bericht des Hrn. Amilhau günstig aufgenommen. Wir für unsern Theil billigen vollkommen den Geist der Mäßigung und des Anstandes, womit er abgefaßt ist. Der Berichterstatter hat darin, obgleich Organ der Majorität, die Meinung der Minorität sehr unparteiisch dargelegt. Er hat die Hauptfrage von allen Sophismen, von allen Spitzfindigkeiten, womit der Parteigeist und der Geist der Chicane sie emsig verwirrt hatte, entledigt. Was verlangte die Opposition? Daß die Unzulänglichkeit der Privatdomäne constatirt werde. Wohlan! die Commission ist mit den Beweisstücken in der Hand vorgeschritten. Sie hat die Unzulänglichkeit der Privatdomäne anerkannt. Allerdings wollte die Commission nicht in eine kleinliche Detailprüfung der königlichen Einnahmen und Ausgaben eingehen. Sie wollte nicht mit der Krone eine Rechnung in Sous und Deniers machen. Sie beschränkte sich sonach auf eine allgemeine, und wie der ehrenwerthe Berichterstatter sagte, moralische Erwägung der ihrer Prüfung vorgelegten Documente. Die Opposition, die nun nichts mehr von der Commission hofft, appellirt jetzt an die Kammer, und scheint auf das Resultat der bevorstehenden Erörterung rechnen zu wollen. Die Voten aber, die in der heutigen Sitzung vorgekommen, sind nicht geeignet, ihr dieses Vertrauen zu geben. (Indem die Kammer den von der Opposition verlangten Druck der Documente verweigerte, und die Erörterung, welche die Opposition verschoben wissen wollte, schon auf die nächsten Tage ansetzte.)

Man versichert, sagt der Constitutionnel, daß die Minister in einem am 14 Febr. gehaltenen Cabinetsconseil beschlossen haben, aus dem Entwurf der Dotation eine Cabinetsfrage zu machen.

(Siècle.) Man hat heute (15) in der Deputirtenkammer die gleichzeitige Anwesenheit des Grafen Sebastiani, vormaligen Botschafters zu London, und des Hrn. Guizot, seines Nachfolgers, bemerkt. Der verlängerte Aufenthalt des letztern in Paris wird hauptsächlich dem von ihm gehegten Wunsche, an dem Votum des Dotationsgesetzes Theil zu nehmen, zugeschrieben. Dieß mag eine treffliche Berechnung seyn; wir erwarteten aber Hrn. Guizot eifriger in Erfüllung seiner ihm anvertrauten Mission zu sehen. Seine Anwesenheit in London ist bei den ernsten Verwicklungen der auswärtigen Politik nothwendig.

Die Presse kommt auf die Polemik wegen der von dem Grafen Medem gemachten Reclamationen zurück. Der Moniteur hatte, wie wir gestern gesehen, ihre ganze Darstellung der betreffenden Vorfälle unrichtig genannt; die Presse antwortet: aus den Geständnissen des officiellen Blattes selbst gehe die Wahrheit der von ihr (der Presse) gemachten Angaben hervor; denn wenn der Conseilpräsident wirklich, wie der Moniteur versichere, seine auf der Tribune in Betreff Polens geführte Sprache vollkommen „zugestanden und bestätigt habe,“ so müsse er doch zu dieser Erklärung aufgefordert worden seyn, und wenn die Presse, wie man ihr vorwerfe, von dem Schritte des Grafen Medem „in dem Augenblick, wo er erfolgt sey,“ Kenntniß gehabt habe, so sey doch wohl die einfachste Folgerung, daß eben jener Schritt wirklich geschehen sey. Uebrigens sey gewiß, daß bis zum gestrigen Tag noch keine Antwort der Art, wie sie der Moniteur bezeichne, von dem Conseilpräsidenten abgegeben worden; wäre diese erfolgt, so müßte sie erst heute erfolgt seyn. Wenn der Moniteur es der Presse überlasse, sich zu erklären, wie sie Kenntniß erlangt habe von den Schritten des russischen Repräsentanten in dem Augenblick, wo sie stattfanden, so möge ihr der Moniteur gestatten, von dieser Erlaubniß keinen Gebrauch zu machen.

Zwei Enkel Lafayette's, der Graf v. Laubespin, Capitän vom Generalstab und Oscar Lafayette, Artillerielieutenant, sind nach Algier abgereist, um an dem bevorstehenden Feldzug gegen Abd-El-Kader Theil zu nehmen. Auch Cäsar v. Maubourg, Sohn des französischen Gesandten in Rom, ist zu demselben Zweck als gemeiner Soldat ebendahin abgegangen.

Der Grund, warum dem Grafen S. Aulaire der angesuchte Urlaub verweigert wurde, scheint darin gelegen zu haben, daß man einen Augenblick muthmaßte, die orientalische Frage werde eine neue Phase eingehen, bei welcher die Erörterungen wieder in Wien ihren Mittelpunkt finden könnten, wo dann die Anwesenheit unsers Botschafters in der österreichischen Hauptstadt sich als unumgänglich dargestellt hätte. Da seitdem jeder Grund zu solcher Vermuthung wegfiel, so wurde dem Grafen seine Bitte gewährt. Frhr. v. Langsdorff, des letztern Schwiegersohn, wird indessen die Leitung der Missionsgeschäfte in Wien übernehmen, und zu

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[0411/0003] zwei Drittel der Verarmten und drei Viertel der Verbrecher zu dieser Classe gehören. Da sind Mäßigkeitsvereine allerdings ein Erforderniß. Frankreich. _ Paris, 16 Febr. (Sonntag.) Der Courrier meldet, daß Marschall Grouchy gefährlich krank sey. Hr. Amilhau schloß in der Sitzung der Deputirtenkammer am 15 Febr. seinen Bericht für den Dotationsentwurf des Herzogs von Nemours folgendermaßen: „Zu allen Zeiten wurden die französischen Prinzen von dem Staate dotirt. Der Kaiser schuf für jeden der von ihm zu ernennenden Fürsten drei Millionen Einkünfte. Ich muß noch zum Schlusse die Aeußerung eines Mannes anführen, dessen Familie mit ihrem Haupte das Recht bezahlt hatte, in diesen Mauern zu sprechen. Hr. v. Lameth sagte im Jahr 1832 in Betreff des Königs der Franzosen: „Ich kenne Ludwig Philipp seit 40 Jahren, und Sie dürfen überzeugt seyn, daß bei ihm nie ein Ueberfluß vorhanden seyn wird, so lange einem Unglücklichen das Nothwendigste fehlt.“ Wohlan! meine Herren, der Herzog von Nemours hat alle Tugenden seines Vaters. Die Commission schlägt mit der angegebenen Modification die Annahme des Gesetzesentwurfs vor.“ Der Temps sagt über diesen Bericht: „Die Wahl des Hrn. Amilhau bei einem solchen Anlaß war schon eine sehr ausdrucksvolle Manifestation des Geistes, der die mit Prüfung der Dotation für den Herzog von Nemours beauftragte Commission beseelte; wir müssen aber gestehen, daß dieser Deputirte Alles, was man von seinem chronisch gewordenen Ministerialismus erwarten oder fürchten konnte, übertroffen hat. Noch nie waren engherzigere, knechtisch gehorsamere Ideen in einer gemeinern Sprache ausgedrückt worden, und auch dießmal wird der Eifer eines ungeschickten Freundes der Frage schaden, die mehr der Gewandtheit, die man ihm zutraute, als seiner Ergebenheit, woran man nicht zweifelte, anvertraut war. Das Schweigen der Centren und das Murren der Opposition haben den Deputirten der obern Garonne mehr als einmal daran erinnert, daß es Schranken für die Wohldienerei gebe, und daß die Tribune kein Vorzimmer sey. Besonders als er die Geldforderung unter den Schutz des Hrn. Karl Lameth stellte, offenbarte sich das Gefühl öffentlicher Scham mit der größten Energie, wie wenn sie gegen jene Appellation an eine gesunkene Intelligenz zu Gunsten einer compromittirten Sache hätte protestiren wollen. Anders urtheilt das Journal des Débats. „Die Kammer (sagt es) hat den Bericht des Hrn. Amilhau günstig aufgenommen. Wir für unsern Theil billigen vollkommen den Geist der Mäßigung und des Anstandes, womit er abgefaßt ist. Der Berichterstatter hat darin, obgleich Organ der Majorität, die Meinung der Minorität sehr unparteiisch dargelegt. Er hat die Hauptfrage von allen Sophismen, von allen Spitzfindigkeiten, womit der Parteigeist und der Geist der Chicane sie emsig verwirrt hatte, entledigt. Was verlangte die Opposition? Daß die Unzulänglichkeit der Privatdomäne constatirt werde. Wohlan! die Commission ist mit den Beweisstücken in der Hand vorgeschritten. Sie hat die Unzulänglichkeit der Privatdomäne anerkannt. Allerdings wollte die Commission nicht in eine kleinliche Detailprüfung der königlichen Einnahmen und Ausgaben eingehen. Sie wollte nicht mit der Krone eine Rechnung in Sous und Deniers machen. Sie beschränkte sich sonach auf eine allgemeine, und wie der ehrenwerthe Berichterstatter sagte, moralische Erwägung der ihrer Prüfung vorgelegten Documente. Die Opposition, die nun nichts mehr von der Commission hofft, appellirt jetzt an die Kammer, und scheint auf das Resultat der bevorstehenden Erörterung rechnen zu wollen. Die Voten aber, die in der heutigen Sitzung vorgekommen, sind nicht geeignet, ihr dieses Vertrauen zu geben. (Indem die Kammer den von der Opposition verlangten Druck der Documente verweigerte, und die Erörterung, welche die Opposition verschoben wissen wollte, schon auf die nächsten Tage ansetzte.) Man versichert, sagt der Constitutionnel, daß die Minister in einem am 14 Febr. gehaltenen Cabinetsconseil beschlossen haben, aus dem Entwurf der Dotation eine Cabinetsfrage zu machen. (Siècle.) Man hat heute (15) in der Deputirtenkammer die gleichzeitige Anwesenheit des Grafen Sebastiani, vormaligen Botschafters zu London, und des Hrn. Guizot, seines Nachfolgers, bemerkt. Der verlängerte Aufenthalt des letztern in Paris wird hauptsächlich dem von ihm gehegten Wunsche, an dem Votum des Dotationsgesetzes Theil zu nehmen, zugeschrieben. Dieß mag eine treffliche Berechnung seyn; wir erwarteten aber Hrn. Guizot eifriger in Erfüllung seiner ihm anvertrauten Mission zu sehen. Seine Anwesenheit in London ist bei den ernsten Verwicklungen der auswärtigen Politik nothwendig. Die Presse kommt auf die Polemik wegen der von dem Grafen Medem gemachten Reclamationen zurück. Der Moniteur hatte, wie wir gestern gesehen, ihre ganze Darstellung der betreffenden Vorfälle unrichtig genannt; die Presse antwortet: aus den Geständnissen des officiellen Blattes selbst gehe die Wahrheit der von ihr (der Presse) gemachten Angaben hervor; denn wenn der Conseilpräsident wirklich, wie der Moniteur versichere, seine auf der Tribune in Betreff Polens geführte Sprache vollkommen „zugestanden und bestätigt habe,“ so müsse er doch zu dieser Erklärung aufgefordert worden seyn, und wenn die Presse, wie man ihr vorwerfe, von dem Schritte des Grafen Medem „in dem Augenblick, wo er erfolgt sey,“ Kenntniß gehabt habe, so sey doch wohl die einfachste Folgerung, daß eben jener Schritt wirklich geschehen sey. Uebrigens sey gewiß, daß bis zum gestrigen Tag noch keine Antwort der Art, wie sie der Moniteur bezeichne, von dem Conseilpräsidenten abgegeben worden; wäre diese erfolgt, so müßte sie erst heute erfolgt seyn. Wenn der Moniteur es der Presse überlasse, sich zu erklären, wie sie Kenntniß erlangt habe von den Schritten des russischen Repräsentanten in dem Augenblick, wo sie stattfanden, so möge ihr der Moniteur gestatten, von dieser Erlaubniß keinen Gebrauch zu machen. Zwei Enkel Lafayette's, der Graf v. Laubespin, Capitän vom Generalstab und Oscar Lafayette, Artillerielieutenant, sind nach Algier abgereist, um an dem bevorstehenden Feldzug gegen Abd-El-Kader Theil zu nehmen. Auch Cäsar v. Maubourg, Sohn des französischen Gesandten in Rom, ist zu demselben Zweck als gemeiner Soldat ebendahin abgegangen. _ Paris, 14 Febr. Der Grund, warum dem Grafen S. Aulaire der angesuchte Urlaub verweigert wurde, scheint darin gelegen zu haben, daß man einen Augenblick muthmaßte, die orientalische Frage werde eine neue Phase eingehen, bei welcher die Erörterungen wieder in Wien ihren Mittelpunkt finden könnten, wo dann die Anwesenheit unsers Botschafters in der österreichischen Hauptstadt sich als unumgänglich dargestellt hätte. Da seitdem jeder Grund zu solcher Vermuthung wegfiel, so wurde dem Grafen seine Bitte gewährt. Frhr. v. Langsdorff, des letztern Schwiegersohn, wird indessen die Leitung der Missionsgeschäfte in Wien übernehmen, und zu

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 52. Augsburg, 21. Februar 1840, S. 0411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_052_18400221/3>, abgerufen am 20.04.2024.