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Allgemeine Zeitung. Nr. 49. Augsburg, 18. Februar 1840.

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Kind ruhig seine Tage lebt - daß, sagen wir, das Volk im Allgemeinen an der Standesveränderung seiner Königin den herzlichsten Antheil nahm. Jene Classen hingegen, die sich in den Parlamentshäusern und in den Journalen Jahr aus Jahr ein und Tag für Tag um den Besitz der Gewalt raufen, haben nicht verfehlt, auch die Hochzeit der Königin mit in den Bereich ihres Haders zu ziehen. So schrieb die M. Post vom 10: "Mit Entrüstung und Verachtung wird das loyale und patriotische England (nämlich das torystische) vernehmen, daß die Minister alles, was nur in ihrer Macht stand, gethan haben, um die Nationalfeier dieses Tags zu einem bloßen Partei-Schaugepränge herabzuwürdigen. Die Rathgeber der Souveränin haben es für schicklich erachtet, sämmtliche Pairs von Großbritannien und Irland, die nicht ihrer eigenen Partei im Staat angehören, mit einzigen zwei Ausnahmen von der erhabenen Feierlichkeit auszuschließen. Die eine dieser Ausnahmen ist der Graf v. Liverpool, welchen, da er die persönliche Freundschaft der Königin genießt, die Minister auszuschließen nicht wagen durften. Die andere Ausnahme ist der Herzog v. Wellington. Daß die Minister aber Lust hatten, sogar den Helden von Waterloo auszuschließen, geht daraus hervor, daß die Einladung an ihn erst am 7 Febr. erlassen wurde." - Das M. Chronicle benützte den Hochzeittag der Königin zu einer Auseinandersetzung, welche schwere Lasten auf der "ohnehin kleinen" Civilliste liegen, wie dieselbe durch Pensionen und Wohlthaten so vielfach in Anspruch genommen sey, wie die Königin überdieß rein aus ihrer Civilliste die Schulden ihres verstorbenen Vaters bezahlt habe u. s. w. Der Courier wittert hinter diesem ministeriellen Artikel eine klingende reservatio mentalis. - Was die Beleuchtung der Hauptstadt betrifft, so war sie besonders glänzend in dem fashionablen Westende der Stadt, ziemlich spärlich in der City und vollends dürftig in der Oxfordstraße. Unter den Gesandschaftshotels war das französische am geschmackvollsten beleuchtet; die Fronte des Hotels zeigte in kolossaler Form das Wappen Frankreichs mit der Namenschiffre Ludwig Philipps, darüber die Buchstaben V. und A. Sämmtliche Minister und andere hohe Staatsbeamte gaben Abends glänzende Bankete; Lord Palmerston den auswärtigen Gesandten (nur der portugiesische, Baron Moncorvo, fehlte wegen des vor einigen Tagen im Wochenbett erfolgten Todes seiner Gemahlin). Ihrer Maj. Gewerbsleute speisten zusammen in der Freimaurertaberne. Der große Hochzeitkuchen, der Nachmittags 3 Uhr bei dem "Hochzeitfrühstück" angeschnitten wurde, reichte für viele aus; selbst die Cantoreiknaben, die in der St. Jamescapelle mitgesungen, empfingen ihr Theil davon. Bei dem großen Abendbanket im Buckinghampalast, zu welchem das kostbare Goldservice aus dem Windsorschloß hereingeholt worden, waren die Herzogin von Kent und ihr erlauchter Bruder, der regierende Herzog von Coburg, die Ehrengäste. Bei dem großen torystischen Banket im Carlton-Club führte Sir Robert Peel den Vorsitz und der Herzog v. Wellington saß zu seiner Rechten.

Wie die amtliche Gazette anzeigt, hatte Se. Exc. Graf Sebastiani, der bisherige französische Gesandte, am 8 Febr. bei Ihrer Maj. Audienz, worin er seine Abberufungsschreiben übergab. Auch die Gräfin Sebastiani hatte Abschiedsaudienz.

Lord Durham liegt seit 14 Tagen an einem heftigen Grippanfall in Cleveland-House darnieder.

Die Verwickelungen der Stockdale'schen Sache werden immer bunter und krauser. Jetzt sind die beiden gefangenen Sheriffs gesonnen, durch den Unter-Sheriff France dem Sprecher des Hauses der Gemeinen einen Proceß wegen falscher (ungehöriger) Einkerkerung anzuhängen.

(Hampshire Telegraph.) Man hat der Regierung in unsern Händeln mit China Saumseligkeit vorgeworfen, die Wahrheit aber ist, daß zu einer ernstlichen Demonstration gegen China die thätigsten Maaßregeln im Gange sind. Seit langem war beschlossen, eine Landmacht abzusenden, um den bornirten Bewohnern des himmlischen Reichs etwas Vernunft beizubringen; einige Verzögerung wurde nur durch die Frage veranlaßt, welche Art von Truppen dazu verwendet werden solle. Jetzt ist entschieden, einen Theil der eingebornen ostindischen Soldaten (Sipahis) dazu zu verwenden. Nicht weniger als 16,000 Mann sollen eingeschifft werden. Ein großer Theil derselben wird aus Cavallerie bestehen, die aus der Insel Hainan, an der südlichen Spitze des chinesischen Reichs, mit Pferden versorgt werden kann. Diese Streitmacht wird die Stadt Canton in Contribution versetzen, und im Nothfall zusammenschießen. Wird durch diese Demonstration die chinesische Hauptmacht aus dem Norden zur Vertheidigung des Reichs herbeigelockt, dann werden unsere Truppen sich plötzlich einschiffen und mit Benützung der südlichen Monsuns nach dem Meerbusen von Petecheelee steuern, bei Takoo, das ungefähr 100 engl. Meilen von Peking entlegen ist, ans Land steigen, und den Kaiser in seiner Residenz zwingen, sich künftig anständiger zu benehmen. Alles das mag chimärisch erscheinen, aber alles das ist möglich. Außer den Schiffen von England werden auch welche vom Cap der guten Hoffnung und von der Station im stillen Meer in die chinesischen Gewässer abgehen, und das Unternehmen kann nicht ermangeln gute Früchte zu tragen. Läßt sich ein befriedigendes Handelsetablissement für die Zukunft nicht in Canton sichern, so wird der chinesische Handel nach einer weiter gegen Norden hinauf, an der Küste gelegenen Insel, die einen guten Hafen hat, übertragen werden. Dahin müssen dann die chinesischen Käufer und Verkäufer kommen, und unsere Kreuzer werden dafür zu sorgen wissen, daß die chinesischen Kriegsdschunken den Verkehr nicht stören.

Die königliche Vermählung ist vorüber, und nach einem Tage freudigen Taumels ist die Nation wieder an ihre tägliche Beschäftigung zurückgekehrt. Hier in London wenigstens war der gestrige Tag ein wahrer Feiertag, und trotz des abscheulichen Wetters das Gedränge fast so groß als am Krönungstage, besonders da die Strecke, welche der Zug zurückzulegen hatte, so viel kürzer war. Und so begierig war das Volk (und darunter sehr viele recht artig gekleidete Frauenzimmer) das königliche Paar zu sehen, daß selbst der Regen, welcher vor der Ankunft des Zuges über eine Stunde in Strömen fiel, die gedrängten Massen nicht auseinander zu treiben vermochte. Zum Glück hörte es sowohl bei dem Hin- als Herzug auf zu regnen, und während der Vermählungsfeierlichkeit öffnete sich (möge es ein Zeichen guter Vorbedeutung für das edle Paar seyn!) das Gewölke, und die Sonne warf ihre Strahlen über die versammelten Tausende eines treuen Volkes, und durch die gemalten Scheiben in die königliche Capelle. Die Monarchin sowohl als der Prinz, wurden bei ihrem ersten Erscheinen mit einem Jauchzen empfangen, wie man es selbst am Krönungstage nicht vernommen, und dieses wurde wo möglich noch lauter und herzlicher, als das junge Paar aus der Capelle zurückkam. Ohne Zweifel fühlte sich das Volk von dem Bewußtseyn, daß weder kalte Politik, noch kriechende Hofcabale, sondern reine Liebe das schöne Band geknüpft, und daß mitten unter allem königlichen Pomp dieses merkwürdige Paar eben als Albert und Victoria, als "Mann" und "Weib" vor dem Altar gekniet und sich im Angesichte Gottes ewige Liebe und Treue gelobt, menschlich berührt. Den Tag über blieben (was ganz freiwillig geschah) fast alle Läden, Lagerhäuser,

Kind ruhig seine Tage lebt – daß, sagen wir, das Volk im Allgemeinen an der Standesveränderung seiner Königin den herzlichsten Antheil nahm. Jene Classen hingegen, die sich in den Parlamentshäusern und in den Journalen Jahr aus Jahr ein und Tag für Tag um den Besitz der Gewalt raufen, haben nicht verfehlt, auch die Hochzeit der Königin mit in den Bereich ihres Haders zu ziehen. So schrieb die M. Post vom 10: „Mit Entrüstung und Verachtung wird das loyale und patriotische England (nämlich das torystische) vernehmen, daß die Minister alles, was nur in ihrer Macht stand, gethan haben, um die Nationalfeier dieses Tags zu einem bloßen Partei-Schaugepränge herabzuwürdigen. Die Rathgeber der Souveränin haben es für schicklich erachtet, sämmtliche Pairs von Großbritannien und Irland, die nicht ihrer eigenen Partei im Staat angehören, mit einzigen zwei Ausnahmen von der erhabenen Feierlichkeit auszuschließen. Die eine dieser Ausnahmen ist der Graf v. Liverpool, welchen, da er die persönliche Freundschaft der Königin genießt, die Minister auszuschließen nicht wagen durften. Die andere Ausnahme ist der Herzog v. Wellington. Daß die Minister aber Lust hatten, sogar den Helden von Waterloo auszuschließen, geht daraus hervor, daß die Einladung an ihn erst am 7 Febr. erlassen wurde.“ – Das M. Chronicle benützte den Hochzeittag der Königin zu einer Auseinandersetzung, welche schwere Lasten auf der „ohnehin kleinen“ Civilliste liegen, wie dieselbe durch Pensionen und Wohlthaten so vielfach in Anspruch genommen sey, wie die Königin überdieß rein aus ihrer Civilliste die Schulden ihres verstorbenen Vaters bezahlt habe u. s. w. Der Courier wittert hinter diesem ministeriellen Artikel eine klingende reservatio mentalis. – Was die Beleuchtung der Hauptstadt betrifft, so war sie besonders glänzend in dem fashionablen Westende der Stadt, ziemlich spärlich in der City und vollends dürftig in der Oxfordstraße. Unter den Gesandschaftshotels war das französische am geschmackvollsten beleuchtet; die Fronte des Hotels zeigte in kolossaler Form das Wappen Frankreichs mit der Namenschiffre Ludwig Philipps, darüber die Buchstaben V. und A. Sämmtliche Minister und andere hohe Staatsbeamte gaben Abends glänzende Bankete; Lord Palmerston den auswärtigen Gesandten (nur der portugiesische, Baron Moncorvo, fehlte wegen des vor einigen Tagen im Wochenbett erfolgten Todes seiner Gemahlin). Ihrer Maj. Gewerbsleute speisten zusammen in der Freimaurertaberne. Der große Hochzeitkuchen, der Nachmittags 3 Uhr bei dem „Hochzeitfrühstück“ angeschnitten wurde, reichte für viele aus; selbst die Cantoreiknaben, die in der St. Jamescapelle mitgesungen, empfingen ihr Theil davon. Bei dem großen Abendbanket im Buckinghampalast, zu welchem das kostbare Goldservice aus dem Windsorschloß hereingeholt worden, waren die Herzogin von Kent und ihr erlauchter Bruder, der regierende Herzog von Coburg, die Ehrengäste. Bei dem großen torystischen Banket im Carlton-Club führte Sir Robert Peel den Vorsitz und der Herzog v. Wellington saß zu seiner Rechten.

Wie die amtliche Gazette anzeigt, hatte Se. Exc. Graf Sebastiani, der bisherige französische Gesandte, am 8 Febr. bei Ihrer Maj. Audienz, worin er seine Abberufungsschreiben übergab. Auch die Gräfin Sebastiani hatte Abschiedsaudienz.

Lord Durham liegt seit 14 Tagen an einem heftigen Grippanfall in Cleveland-House darnieder.

Die Verwickelungen der Stockdale'schen Sache werden immer bunter und krauser. Jetzt sind die beiden gefangenen Sheriffs gesonnen, durch den Unter-Sheriff France dem Sprecher des Hauses der Gemeinen einen Proceß wegen falscher (ungehöriger) Einkerkerung anzuhängen.

(Hampshire Telegraph.) Man hat der Regierung in unsern Händeln mit China Saumseligkeit vorgeworfen, die Wahrheit aber ist, daß zu einer ernstlichen Demonstration gegen China die thätigsten Maaßregeln im Gange sind. Seit langem war beschlossen, eine Landmacht abzusenden, um den bornirten Bewohnern des himmlischen Reichs etwas Vernunft beizubringen; einige Verzögerung wurde nur durch die Frage veranlaßt, welche Art von Truppen dazu verwendet werden solle. Jetzt ist entschieden, einen Theil der eingebornen ostindischen Soldaten (Sipahis) dazu zu verwenden. Nicht weniger als 16,000 Mann sollen eingeschifft werden. Ein großer Theil derselben wird aus Cavallerie bestehen, die aus der Insel Hainan, an der südlichen Spitze des chinesischen Reichs, mit Pferden versorgt werden kann. Diese Streitmacht wird die Stadt Canton in Contribution versetzen, und im Nothfall zusammenschießen. Wird durch diese Demonstration die chinesische Hauptmacht aus dem Norden zur Vertheidigung des Reichs herbeigelockt, dann werden unsere Truppen sich plötzlich einschiffen und mit Benützung der südlichen Monsuns nach dem Meerbusen von Petecheelee steuern, bei Takoo, das ungefähr 100 engl. Meilen von Peking entlegen ist, ans Land steigen, und den Kaiser in seiner Residenz zwingen, sich künftig anständiger zu benehmen. Alles das mag chimärisch erscheinen, aber alles das ist möglich. Außer den Schiffen von England werden auch welche vom Cap der guten Hoffnung und von der Station im stillen Meer in die chinesischen Gewässer abgehen, und das Unternehmen kann nicht ermangeln gute Früchte zu tragen. Läßt sich ein befriedigendes Handelsetablissement für die Zukunft nicht in Canton sichern, so wird der chinesische Handel nach einer weiter gegen Norden hinauf, an der Küste gelegenen Insel, die einen guten Hafen hat, übertragen werden. Dahin müssen dann die chinesischen Käufer und Verkäufer kommen, und unsere Kreuzer werden dafür zu sorgen wissen, daß die chinesischen Kriegsdschunken den Verkehr nicht stören.

Die königliche Vermählung ist vorüber, und nach einem Tage freudigen Taumels ist die Nation wieder an ihre tägliche Beschäftigung zurückgekehrt. Hier in London wenigstens war der gestrige Tag ein wahrer Feiertag, und trotz des abscheulichen Wetters das Gedränge fast so groß als am Krönungstage, besonders da die Strecke, welche der Zug zurückzulegen hatte, so viel kürzer war. Und so begierig war das Volk (und darunter sehr viele recht artig gekleidete Frauenzimmer) das königliche Paar zu sehen, daß selbst der Regen, welcher vor der Ankunft des Zuges über eine Stunde in Strömen fiel, die gedrängten Massen nicht auseinander zu treiben vermochte. Zum Glück hörte es sowohl bei dem Hin- als Herzug auf zu regnen, und während der Vermählungsfeierlichkeit öffnete sich (möge es ein Zeichen guter Vorbedeutung für das edle Paar seyn!) das Gewölke, und die Sonne warf ihre Strahlen über die versammelten Tausende eines treuen Volkes, und durch die gemalten Scheiben in die königliche Capelle. Die Monarchin sowohl als der Prinz, wurden bei ihrem ersten Erscheinen mit einem Jauchzen empfangen, wie man es selbst am Krönungstage nicht vernommen, und dieses wurde wo möglich noch lauter und herzlicher, als das junge Paar aus der Capelle zurückkam. Ohne Zweifel fühlte sich das Volk von dem Bewußtseyn, daß weder kalte Politik, noch kriechende Hofcabale, sondern reine Liebe das schöne Band geknüpft, und daß mitten unter allem königlichen Pomp dieses merkwürdige Paar eben als Albert und Victoria, als „Mann“ und „Weib“ vor dem Altar gekniet und sich im Angesichte Gottes ewige Liebe und Treue gelobt, menschlich berührt. Den Tag über blieben (was ganz freiwillig geschah) fast alle Läden, Lagerhäuser,

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[0386/0002] Kind ruhig seine Tage lebt – daß, sagen wir, das Volk im Allgemeinen an der Standesveränderung seiner Königin den herzlichsten Antheil nahm. Jene Classen hingegen, die sich in den Parlamentshäusern und in den Journalen Jahr aus Jahr ein und Tag für Tag um den Besitz der Gewalt raufen, haben nicht verfehlt, auch die Hochzeit der Königin mit in den Bereich ihres Haders zu ziehen. So schrieb die M. Post vom 10: „Mit Entrüstung und Verachtung wird das loyale und patriotische England (nämlich das torystische) vernehmen, daß die Minister alles, was nur in ihrer Macht stand, gethan haben, um die Nationalfeier dieses Tags zu einem bloßen Partei-Schaugepränge herabzuwürdigen. Die Rathgeber der Souveränin haben es für schicklich erachtet, sämmtliche Pairs von Großbritannien und Irland, die nicht ihrer eigenen Partei im Staat angehören, mit einzigen zwei Ausnahmen von der erhabenen Feierlichkeit auszuschließen. Die eine dieser Ausnahmen ist der Graf v. Liverpool, welchen, da er die persönliche Freundschaft der Königin genießt, die Minister auszuschließen nicht wagen durften. Die andere Ausnahme ist der Herzog v. Wellington. Daß die Minister aber Lust hatten, sogar den Helden von Waterloo auszuschließen, geht daraus hervor, daß die Einladung an ihn erst am 7 Febr. erlassen wurde.“ – Das M. Chronicle benützte den Hochzeittag der Königin zu einer Auseinandersetzung, welche schwere Lasten auf der „ohnehin kleinen“ Civilliste liegen, wie dieselbe durch Pensionen und Wohlthaten so vielfach in Anspruch genommen sey, wie die Königin überdieß rein aus ihrer Civilliste die Schulden ihres verstorbenen Vaters bezahlt habe u. s. w. Der Courier wittert hinter diesem ministeriellen Artikel eine klingende reservatio mentalis. – Was die Beleuchtung der Hauptstadt betrifft, so war sie besonders glänzend in dem fashionablen Westende der Stadt, ziemlich spärlich in der City und vollends dürftig in der Oxfordstraße. Unter den Gesandschaftshotels war das französische am geschmackvollsten beleuchtet; die Fronte des Hotels zeigte in kolossaler Form das Wappen Frankreichs mit der Namenschiffre Ludwig Philipps, darüber die Buchstaben V. und A. Sämmtliche Minister und andere hohe Staatsbeamte gaben Abends glänzende Bankete; Lord Palmerston den auswärtigen Gesandten (nur der portugiesische, Baron Moncorvo, fehlte wegen des vor einigen Tagen im Wochenbett erfolgten Todes seiner Gemahlin). Ihrer Maj. Gewerbsleute speisten zusammen in der Freimaurertaberne. Der große Hochzeitkuchen, der Nachmittags 3 Uhr bei dem „Hochzeitfrühstück“ angeschnitten wurde, reichte für viele aus; selbst die Cantoreiknaben, die in der St. Jamescapelle mitgesungen, empfingen ihr Theil davon. Bei dem großen Abendbanket im Buckinghampalast, zu welchem das kostbare Goldservice aus dem Windsorschloß hereingeholt worden, waren die Herzogin von Kent und ihr erlauchter Bruder, der regierende Herzog von Coburg, die Ehrengäste. Bei dem großen torystischen Banket im Carlton-Club führte Sir Robert Peel den Vorsitz und der Herzog v. Wellington saß zu seiner Rechten. Wie die amtliche Gazette anzeigt, hatte Se. Exc. Graf Sebastiani, der bisherige französische Gesandte, am 8 Febr. bei Ihrer Maj. Audienz, worin er seine Abberufungsschreiben übergab. Auch die Gräfin Sebastiani hatte Abschiedsaudienz. Lord Durham liegt seit 14 Tagen an einem heftigen Grippanfall in Cleveland-House darnieder. Die Verwickelungen der Stockdale'schen Sache werden immer bunter und krauser. Jetzt sind die beiden gefangenen Sheriffs gesonnen, durch den Unter-Sheriff France dem Sprecher des Hauses der Gemeinen einen Proceß wegen falscher (ungehöriger) Einkerkerung anzuhängen. (Hampshire Telegraph.) Man hat der Regierung in unsern Händeln mit China Saumseligkeit vorgeworfen, die Wahrheit aber ist, daß zu einer ernstlichen Demonstration gegen China die thätigsten Maaßregeln im Gange sind. Seit langem war beschlossen, eine Landmacht abzusenden, um den bornirten Bewohnern des himmlischen Reichs etwas Vernunft beizubringen; einige Verzögerung wurde nur durch die Frage veranlaßt, welche Art von Truppen dazu verwendet werden solle. Jetzt ist entschieden, einen Theil der eingebornen ostindischen Soldaten (Sipahis) dazu zu verwenden. Nicht weniger als 16,000 Mann sollen eingeschifft werden. Ein großer Theil derselben wird aus Cavallerie bestehen, die aus der Insel Hainan, an der südlichen Spitze des chinesischen Reichs, mit Pferden versorgt werden kann. Diese Streitmacht wird die Stadt Canton in Contribution versetzen, und im Nothfall zusammenschießen. Wird durch diese Demonstration die chinesische Hauptmacht aus dem Norden zur Vertheidigung des Reichs herbeigelockt, dann werden unsere Truppen sich plötzlich einschiffen und mit Benützung der südlichen Monsuns nach dem Meerbusen von Petecheelee steuern, bei Takoo, das ungefähr 100 engl. Meilen von Peking entlegen ist, ans Land steigen, und den Kaiser in seiner Residenz zwingen, sich künftig anständiger zu benehmen. Alles das mag chimärisch erscheinen, aber alles das ist möglich. Außer den Schiffen von England werden auch welche vom Cap der guten Hoffnung und von der Station im stillen Meer in die chinesischen Gewässer abgehen, und das Unternehmen kann nicht ermangeln gute Früchte zu tragen. Läßt sich ein befriedigendes Handelsetablissement für die Zukunft nicht in Canton sichern, so wird der chinesische Handel nach einer weiter gegen Norden hinauf, an der Küste gelegenen Insel, die einen guten Hafen hat, übertragen werden. Dahin müssen dann die chinesischen Käufer und Verkäufer kommen, und unsere Kreuzer werden dafür zu sorgen wissen, daß die chinesischen Kriegsdschunken den Verkehr nicht stören. _ London, 13 Febr. Die königliche Vermählung ist vorüber, und nach einem Tage freudigen Taumels ist die Nation wieder an ihre tägliche Beschäftigung zurückgekehrt. Hier in London wenigstens war der gestrige Tag ein wahrer Feiertag, und trotz des abscheulichen Wetters das Gedränge fast so groß als am Krönungstage, besonders da die Strecke, welche der Zug zurückzulegen hatte, so viel kürzer war. Und so begierig war das Volk (und darunter sehr viele recht artig gekleidete Frauenzimmer) das königliche Paar zu sehen, daß selbst der Regen, welcher vor der Ankunft des Zuges über eine Stunde in Strömen fiel, die gedrängten Massen nicht auseinander zu treiben vermochte. Zum Glück hörte es sowohl bei dem Hin- als Herzug auf zu regnen, und während der Vermählungsfeierlichkeit öffnete sich (möge es ein Zeichen guter Vorbedeutung für das edle Paar seyn!) das Gewölke, und die Sonne warf ihre Strahlen über die versammelten Tausende eines treuen Volkes, und durch die gemalten Scheiben in die königliche Capelle. Die Monarchin sowohl als der Prinz, wurden bei ihrem ersten Erscheinen mit einem Jauchzen empfangen, wie man es selbst am Krönungstage nicht vernommen, und dieses wurde wo möglich noch lauter und herzlicher, als das junge Paar aus der Capelle zurückkam. Ohne Zweifel fühlte sich das Volk von dem Bewußtseyn, daß weder kalte Politik, noch kriechende Hofcabale, sondern reine Liebe das schöne Band geknüpft, und daß mitten unter allem königlichen Pomp dieses merkwürdige Paar eben als Albert und Victoria, als „Mann“ und „Weib“ vor dem Altar gekniet und sich im Angesichte Gottes ewige Liebe und Treue gelobt, menschlich berührt. Den Tag über blieben (was ganz freiwillig geschah) fast alle Läden, Lagerhäuser,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 49. Augsburg, 18. Februar 1840, S. 0386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_049_18400218/2>, abgerufen am 28.03.2024.