Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 45. Augsburg, 14. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

hat, und man braucht ihn nur zu sehen, wie ihm bei dem Namen Paris das Selbstbewußtseyn und der Nationalstolz wächst, um zu begreifen, daß er nur einer einzigen Stadt unter allen die Ehre zuerkennt, Frankreich vor der Welt würdig zu vertreten.

An die Frage des Moliere'schen Monuments knüpfen sich andere von hohem Interesse, die das Pantheon in seiner zweiten Bestimmung, die das Louvre und seine vortrefflichen Kunstgalerien, die den Platz des Louvre und der Tuilerien, die königliche Bibliothek und deren gesicherten Aufbewahrungsort betreffen. Diese Fragen sind auch den fremden Besuchern in Paris wichtig, und wir denken, einige Bemerkungen in dieser Beziehung werden den Lesern der Allgem. Zeitung nicht unwillkommen seyn; nächstens also.

Die flamändische Sprache in Belgien.

Folgendes ist die (bereits erwähnte) Petition aus Gent in Bezug auf die flamändische Sprache:

"An die Repräsentanten des belgischen Volks! Es ist bekannt, daß die Flamänder, Brabanter und Limburger, welche das Flamändische sprechen, mindestens sechs Jahrhunderte lang in ihrer Muttersprache regiert worden sind, und daß sich ihre Nationalität niemals in größerem Glanze gezeigt hat, als wenn diese Sprache aller ihrer Rechte genoß. Ueberall, wo man in der ältesten Zeit sich des Flamändischen bediente, spricht man noch dieselbe Sprache. Unsere alten Verfassungen oder joyeuses entrees des Souveräns, unsere alten Gesetze und Localgebräuche sind ursprünglich im Flamändischen abgefaßt. Tausende von Büchern sind in dieser Sprache gedruckt, die unsere Vorfahren niemals als ein gemeines Patois betrachtet haben. Vergebens suchte das Haus Burgund, sie zu unterdrücken; vergebens wurde unter der französischen Herrschaft der Gebrauch derselben bei öffentlichen Handlungen verboten: die große Mehrzahl der Belgier bedient sich noch der flamändischen Sprache, und wenn sie allerdings viele Personen heutzutage verachten, so rührt dieß davon her, daß die Erziehung in Belgien seit der französischen Herrschaft mehr französisch als belgisch ist, und man dasjenige nicht zu achten vermag, was man nicht kennt. Diese wenig nationale Richtung der Erziehung hat nun bereits folgende Früchte getragen. Es herrscht sehr wenig Einigkeit zwischen den höheren Classen, die französisch sprechen, und den unteren, welche die alten Sitten des Landes bewahren. Die Gallomanie hat eine große Anzahl Ausländer nach Belgien gezogen, die sich bemühen, theils durch die Journale, theils durch den öffentlichen Unterricht oder dadurch, daß sie sich der höchsten Aemter bemächtigen, uns immer mehr französisch zu machen. Die sonst so religiöse belgische Jugend gibt sich jetzt fast ausschließlich den französischen Ideen und der Lecture schädlicher Werke hin, mit denen unser Land überschwemmt ist, und welche dieselbe Erschlaffung und Irreligiosität herbeiführen, die wir bei unsern Nachbarn wahrnehmen. Diejenigen Classen, welche die Gewalt in Belgien in Händen haben, machen sich kein Gewissen mehr daraus, bei der Verwaltung des flamändischen Gebiets Personen anzustellen, die das Flamändische nicht sprechen können oder nicht sprechen wollen, obwohl diese Personen vermöge ihres Amtes oft in den Fall kommen, über Gegenstände zu entscheiden, die mit unseren Sitten zusammenhängen, welche sie gar nicht oder doch nur unvollkommen kennen. Unsere Landleute sind genöthigt, Actenstücke zu unterzeichnen, die in einer ihnen unverständlichen Sprache abgefaßt sind, was zu vielen Processen, Bestrafungen und Kosten Anlaß gibt. In vielen Orten ist es unmöglich, Personen zu finden, die fähig sind, Bürgermeister, Communalschreiber oder andere Beamte zu werden, weil sie mit den oberen Behörden nicht correspondiren können. Viele Flamänder sind gezwungen, sich der Dolmetscher oder dritter Personen zu bedienen, um mit gewissen Beamten, namentlich unter den Richtern, sprechen zu können. Mehr als ein Angeklagter ist vor den Gerichtshöfen verurtheilt worden, ohne von den Verhandlungen etwas zu verstehen, oder ohne die häufig von den Advocaten bei der Vertheidigung begangenen Fehler verbessern zu können. Mit Einem Worte, alle mit der Verwaltung des Flamändischen Gebiets verknüpften Wohlthaten und Vorrechte sind denen zugefallen, die französisch sprechen. Die übrigen Bewohner, obwohl weit zahlreicher, sind genöthigt, dem Antriebe der ersteren blind zu folgen und sich von ihnen ausplündern zu lassen, was direct dazu führt, einen Theil der Nation herabzuwürdigen. Können wir jetzt, da wir unsere Nationalität wieder erlangt haben, nicht auch unsere natürlichen Rechte wieder gewinnen? In Dänemark, in der Schweiz werden, wie in Belgien, verschiedene Sprachen geredet, aber die Bewohner werden daselbst in dem jedem Gebiete eigenthümlichen Idiom regiert, ohne daß dieß der gemeinsamen Nationalität nachtheilig wäre. In früheren Jahrhunderten hat das Haus Burgund die flamändische Sprache respectiren müssen und die österreichische Regierung hat die Vorrechte derselben nicht angetastet; will die belgische Regierung sie unterdrücken? Gewiß nicht. Wir können unmöglich glauben, daß die Männer, welche uns regieren, wie sehr sie auch sonst die französische Sprache schätzen mögen, sich so wenig edelmüthig gegen ihre Landsleute zeigen werden, daß sie sich weigern, die Sprache der von ihnen regierten Menschen zu erlernen. Wir glauben im Gegentheil, daß sie uns die Hand reichen werden, um die Einigkeit wieder herzustellen, und daß sie uns erlauben werden, Flamänder zu bleiben, wie unsere Geschichte es uns lehrt und wie Gott uns geschaffen hat."

Die neueste Wendung der Dinge in den Vereinigten Staaten.

Meine mehrwöchentliche nothgedrungene Abwesenheit von der Hauptstadt war die Ursache meines langen Stillschweigens, und ich beeile mich daher, sogleich bei meiner Zurückkunft Ihnen über die vorzüglichsten Ereignisse, die Sie vielleicht theilweise bereits aus englischen Blättern kennen, umständlichen Bericht zu erstatten. Wie ich bereits im Monat August vorhersagte, daß die Wahlen im Staate New-York zu Gunsten der Regierung ausfallen würden, so ist es gekommen, und mit der mächtigsten Provinz der Union ist beinahe das ganze Volk im Süden und Norden dem Regierungsplane beigetreten, der das heillose Banksystem wenigstens von der Staatsverwaltung getrennt haben will. Das ganze Land vom Staate Maine bis nach Orleans hinab ist in der Sprache unsrer Parteigänger Loco foco, d. h. für eine unabhängige Schatzkammer, besonders seit - die Actien unsrer Nationalbank auf 67 gefallen, ihre Noten aber 25 Proc. unter Pari stehen, während die der einzelnen Staaten und Privatbanken vollen Curs haben, und nur 2 1/2 Proc. gegen Gold verlieren. So scheiterte am Ende die ganze verbündete Macht unsrer Geldkörperschaften (moneyed corporations) an dem geraden Sinn und dem offenen Charakter eines Mannes, der im neunzehnten Jahrhundert die Idee einer demokratischen Republik nicht aufgegeben hatte, und die Massen selbst eines commerciellen Staates nicht für unfähig hielt, an der legislativen Gewalt Antheil zu nehmen. Jetzt sind wir zum erstenmal wirklich

hat, und man braucht ihn nur zu sehen, wie ihm bei dem Namen Paris das Selbstbewußtseyn und der Nationalstolz wächst, um zu begreifen, daß er nur einer einzigen Stadt unter allen die Ehre zuerkennt, Frankreich vor der Welt würdig zu vertreten.

An die Frage des Molière'schen Monuments knüpfen sich andere von hohem Interesse, die das Pantheon in seiner zweiten Bestimmung, die das Louvre und seine vortrefflichen Kunstgalerien, die den Platz des Louvre und der Tuilerien, die königliche Bibliothek und deren gesicherten Aufbewahrungsort betreffen. Diese Fragen sind auch den fremden Besuchern in Paris wichtig, und wir denken, einige Bemerkungen in dieser Beziehung werden den Lesern der Allgem. Zeitung nicht unwillkommen seyn; nächstens also.

Die flamändische Sprache in Belgien.

Folgendes ist die (bereits erwähnte) Petition aus Gent in Bezug auf die flamändische Sprache:

„An die Repräsentanten des belgischen Volks! Es ist bekannt, daß die Flamänder, Brabanter und Limburger, welche das Flamändische sprechen, mindestens sechs Jahrhunderte lang in ihrer Muttersprache regiert worden sind, und daß sich ihre Nationalität niemals in größerem Glanze gezeigt hat, als wenn diese Sprache aller ihrer Rechte genoß. Ueberall, wo man in der ältesten Zeit sich des Flamändischen bediente, spricht man noch dieselbe Sprache. Unsere alten Verfassungen oder joyeuses entrées des Souveräns, unsere alten Gesetze und Localgebräuche sind ursprünglich im Flamändischen abgefaßt. Tausende von Büchern sind in dieser Sprache gedruckt, die unsere Vorfahren niemals als ein gemeines Patois betrachtet haben. Vergebens suchte das Haus Burgund, sie zu unterdrücken; vergebens wurde unter der französischen Herrschaft der Gebrauch derselben bei öffentlichen Handlungen verboten: die große Mehrzahl der Belgier bedient sich noch der flamändischen Sprache, und wenn sie allerdings viele Personen heutzutage verachten, so rührt dieß davon her, daß die Erziehung in Belgien seit der französischen Herrschaft mehr französisch als belgisch ist, und man dasjenige nicht zu achten vermag, was man nicht kennt. Diese wenig nationale Richtung der Erziehung hat nun bereits folgende Früchte getragen. Es herrscht sehr wenig Einigkeit zwischen den höheren Classen, die französisch sprechen, und den unteren, welche die alten Sitten des Landes bewahren. Die Gallomanie hat eine große Anzahl Ausländer nach Belgien gezogen, die sich bemühen, theils durch die Journale, theils durch den öffentlichen Unterricht oder dadurch, daß sie sich der höchsten Aemter bemächtigen, uns immer mehr französisch zu machen. Die sonst so religiöse belgische Jugend gibt sich jetzt fast ausschließlich den französischen Ideen und der Lecture schädlicher Werke hin, mit denen unser Land überschwemmt ist, und welche dieselbe Erschlaffung und Irreligiosität herbeiführen, die wir bei unsern Nachbarn wahrnehmen. Diejenigen Classen, welche die Gewalt in Belgien in Händen haben, machen sich kein Gewissen mehr daraus, bei der Verwaltung des flamändischen Gebiets Personen anzustellen, die das Flamändische nicht sprechen können oder nicht sprechen wollen, obwohl diese Personen vermöge ihres Amtes oft in den Fall kommen, über Gegenstände zu entscheiden, die mit unseren Sitten zusammenhängen, welche sie gar nicht oder doch nur unvollkommen kennen. Unsere Landleute sind genöthigt, Actenstücke zu unterzeichnen, die in einer ihnen unverständlichen Sprache abgefaßt sind, was zu vielen Processen, Bestrafungen und Kosten Anlaß gibt. In vielen Orten ist es unmöglich, Personen zu finden, die fähig sind, Bürgermeister, Communalschreiber oder andere Beamte zu werden, weil sie mit den oberen Behörden nicht correspondiren können. Viele Flamänder sind gezwungen, sich der Dolmetscher oder dritter Personen zu bedienen, um mit gewissen Beamten, namentlich unter den Richtern, sprechen zu können. Mehr als ein Angeklagter ist vor den Gerichtshöfen verurtheilt worden, ohne von den Verhandlungen etwas zu verstehen, oder ohne die häufig von den Advocaten bei der Vertheidigung begangenen Fehler verbessern zu können. Mit Einem Worte, alle mit der Verwaltung des Flamändischen Gebiets verknüpften Wohlthaten und Vorrechte sind denen zugefallen, die französisch sprechen. Die übrigen Bewohner, obwohl weit zahlreicher, sind genöthigt, dem Antriebe der ersteren blind zu folgen und sich von ihnen ausplündern zu lassen, was direct dazu führt, einen Theil der Nation herabzuwürdigen. Können wir jetzt, da wir unsere Nationalität wieder erlangt haben, nicht auch unsere natürlichen Rechte wieder gewinnen? In Dänemark, in der Schweiz werden, wie in Belgien, verschiedene Sprachen geredet, aber die Bewohner werden daselbst in dem jedem Gebiete eigenthümlichen Idiom regiert, ohne daß dieß der gemeinsamen Nationalität nachtheilig wäre. In früheren Jahrhunderten hat das Haus Burgund die flamändische Sprache respectiren müssen und die österreichische Regierung hat die Vorrechte derselben nicht angetastet; will die belgische Regierung sie unterdrücken? Gewiß nicht. Wir können unmöglich glauben, daß die Männer, welche uns regieren, wie sehr sie auch sonst die französische Sprache schätzen mögen, sich so wenig edelmüthig gegen ihre Landsleute zeigen werden, daß sie sich weigern, die Sprache der von ihnen regierten Menschen zu erlernen. Wir glauben im Gegentheil, daß sie uns die Hand reichen werden, um die Einigkeit wieder herzustellen, und daß sie uns erlauben werden, Flamänder zu bleiben, wie unsere Geschichte es uns lehrt und wie Gott uns geschaffen hat.“

Die neueste Wendung der Dinge in den Vereinigten Staaten.

Meine mehrwöchentliche nothgedrungene Abwesenheit von der Hauptstadt war die Ursache meines langen Stillschweigens, und ich beeile mich daher, sogleich bei meiner Zurückkunft Ihnen über die vorzüglichsten Ereignisse, die Sie vielleicht theilweise bereits aus englischen Blättern kennen, umständlichen Bericht zu erstatten. Wie ich bereits im Monat August vorhersagte, daß die Wahlen im Staate New-York zu Gunsten der Regierung ausfallen würden, so ist es gekommen, und mit der mächtigsten Provinz der Union ist beinahe das ganze Volk im Süden und Norden dem Regierungsplane beigetreten, der das heillose Banksystem wenigstens von der Staatsverwaltung getrennt haben will. Das ganze Land vom Staate Maine bis nach Orleans hinab ist in der Sprache unsrer Parteigänger Loco foco, d. h. für eine unabhängige Schatzkammer, besonders seit – die Actien unsrer Nationalbank auf 67 gefallen, ihre Noten aber 25 Proc. unter Pari stehen, während die der einzelnen Staaten und Privatbanken vollen Curs haben, und nur 2 1/2 Proc. gegen Gold verlieren. So scheiterte am Ende die ganze verbündete Macht unsrer Geldkörperschaften (moneyed corporations) an dem geraden Sinn und dem offenen Charakter eines Mannes, der im neunzehnten Jahrhundert die Idee einer demokratischen Republik nicht aufgegeben hatte, und die Massen selbst eines commerciellen Staates nicht für unfähig hielt, an der legislativen Gewalt Antheil zu nehmen. Jetzt sind wir zum erstenmal wirklich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0010" n="0354"/>
hat, und man braucht ihn nur zu sehen, wie ihm bei dem Namen Paris das Selbstbewußtseyn und der Nationalstolz wächst, um zu begreifen, daß er nur einer einzigen Stadt unter allen die Ehre zuerkennt, Frankreich vor der Welt würdig zu vertreten.</p><lb/>
          <p>An die Frage des Molière'schen Monuments knüpfen sich andere von hohem Interesse, die das Pantheon in seiner zweiten Bestimmung, die das Louvre und seine vortrefflichen Kunstgalerien, die den Platz des Louvre und der Tuilerien, die königliche Bibliothek und deren gesicherten Aufbewahrungsort betreffen. Diese Fragen sind auch den fremden Besuchern in Paris wichtig, und wir denken, einige Bemerkungen in dieser Beziehung werden den Lesern der Allgem. Zeitung nicht unwillkommen seyn; nächstens also.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die flamändische Sprache in Belgien</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Folgendes ist die (bereits erwähnte) Petition aus <hi rendition="#b">Gent</hi> in Bezug auf die flamändische Sprache:</p><lb/>
        <p>&#x201E;An die Repräsentanten des belgischen Volks! Es ist bekannt, daß die Flamänder, Brabanter und Limburger, welche das Flamändische sprechen, mindestens sechs Jahrhunderte lang in ihrer Muttersprache regiert worden sind, und daß sich ihre Nationalität niemals in größerem Glanze gezeigt hat, als wenn diese Sprache aller ihrer Rechte genoß. Ueberall, wo man in der ältesten Zeit sich des Flamändischen bediente, spricht man noch dieselbe Sprache. Unsere alten Verfassungen oder joyeuses entrées des Souveräns, unsere alten Gesetze und Localgebräuche sind ursprünglich im Flamändischen abgefaßt. Tausende von Büchern sind in dieser Sprache gedruckt, die unsere Vorfahren niemals als ein gemeines Patois betrachtet haben. Vergebens suchte das Haus Burgund, sie zu unterdrücken; vergebens wurde unter der französischen Herrschaft der Gebrauch derselben bei öffentlichen Handlungen verboten: die große Mehrzahl der Belgier bedient sich noch der flamändischen Sprache, und wenn sie allerdings viele Personen heutzutage verachten, so rührt dieß davon her, daß die Erziehung in Belgien seit der französischen Herrschaft mehr französisch als belgisch ist, und man dasjenige nicht zu achten vermag, was man nicht kennt. Diese wenig nationale Richtung der Erziehung hat nun bereits folgende Früchte getragen. Es herrscht sehr wenig Einigkeit zwischen den höheren Classen, die französisch sprechen, und den unteren, welche die alten Sitten des Landes bewahren. Die Gallomanie hat eine große Anzahl Ausländer nach Belgien gezogen, die sich bemühen, theils durch die Journale, theils durch den öffentlichen Unterricht oder dadurch, daß sie sich der höchsten Aemter bemächtigen, uns immer mehr französisch zu machen. Die sonst so religiöse belgische Jugend gibt sich jetzt fast ausschließlich den französischen Ideen und der Lecture schädlicher Werke hin, mit denen unser Land überschwemmt ist, und welche dieselbe Erschlaffung und Irreligiosität herbeiführen, die wir bei unsern Nachbarn wahrnehmen. Diejenigen Classen, welche die Gewalt in Belgien in Händen haben, machen sich kein Gewissen mehr daraus, bei der Verwaltung des flamändischen Gebiets Personen anzustellen, die das Flamändische nicht sprechen können oder nicht sprechen wollen, obwohl diese Personen vermöge ihres Amtes oft in den Fall kommen, über Gegenstände zu entscheiden, die mit unseren Sitten zusammenhängen, welche sie gar nicht oder doch nur unvollkommen kennen. Unsere Landleute sind genöthigt, Actenstücke zu unterzeichnen, die in einer ihnen unverständlichen Sprache abgefaßt sind, was zu vielen Processen, Bestrafungen und Kosten Anlaß gibt. In vielen Orten ist es unmöglich, Personen zu finden, die fähig sind, Bürgermeister, Communalschreiber oder andere Beamte zu werden, weil sie mit den oberen Behörden nicht correspondiren können. Viele Flamänder sind gezwungen, sich der Dolmetscher oder dritter Personen zu bedienen, um mit gewissen Beamten, namentlich unter den Richtern, sprechen zu können. Mehr als ein Angeklagter ist vor den Gerichtshöfen verurtheilt worden, ohne von den Verhandlungen etwas zu verstehen, oder ohne die häufig von den Advocaten bei der Vertheidigung begangenen Fehler verbessern zu können. Mit Einem Worte, alle mit der Verwaltung des Flamändischen Gebiets verknüpften Wohlthaten und Vorrechte sind denen zugefallen, die französisch sprechen. Die übrigen Bewohner, obwohl weit zahlreicher, sind genöthigt, dem Antriebe der ersteren blind zu folgen und sich von ihnen ausplündern zu lassen, was direct dazu führt, einen Theil der Nation herabzuwürdigen. Können wir jetzt, da wir unsere Nationalität wieder erlangt haben, nicht auch unsere natürlichen Rechte wieder gewinnen? In Dänemark, in der Schweiz werden, wie in Belgien, verschiedene Sprachen geredet, aber die Bewohner werden daselbst in dem jedem Gebiete eigenthümlichen Idiom regiert, ohne daß dieß der gemeinsamen Nationalität nachtheilig wäre. In früheren Jahrhunderten hat das Haus Burgund die flamändische Sprache respectiren müssen und die österreichische Regierung hat die Vorrechte derselben nicht angetastet; will die belgische Regierung sie unterdrücken? Gewiß nicht. Wir können unmöglich glauben, daß die Männer, welche uns regieren, wie sehr sie auch sonst die französische Sprache schätzen mögen, sich so wenig edelmüthig gegen ihre Landsleute zeigen werden, daß sie sich weigern, die Sprache der von ihnen regierten Menschen zu erlernen. Wir glauben im Gegentheil, daß sie uns die Hand reichen werden, um die Einigkeit wieder herzustellen, und daß sie uns erlauben werden, Flamänder zu bleiben, wie unsere Geschichte es uns lehrt und wie Gott uns geschaffen hat.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die neueste Wendung der Dinge in den Vereinigten Staaten</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Washington,</hi> 8 Jan.</dateline>
          <p> Meine mehrwöchentliche nothgedrungene Abwesenheit von der Hauptstadt war die Ursache meines langen Stillschweigens, und ich beeile mich daher, sogleich bei meiner Zurückkunft Ihnen über die vorzüglichsten Ereignisse, die Sie vielleicht theilweise bereits aus englischen Blättern kennen, umständlichen Bericht zu erstatten. Wie ich bereits im Monat August vorhersagte, daß die Wahlen im Staate New-York zu Gunsten der Regierung ausfallen würden, so ist es gekommen, und mit der mächtigsten Provinz der Union ist beinahe das ganze Volk im Süden und Norden dem Regierungsplane beigetreten, der das heillose Banksystem wenigstens von der <hi rendition="#g">Staatsverwaltung</hi> getrennt haben will. Das ganze Land vom Staate Maine bis nach Orleans hinab ist in der Sprache unsrer Parteigänger Loco foco, d. h. für eine unabhängige Schatzkammer, besonders seit &#x2013; die Actien unsrer Nationalbank auf 67 gefallen, ihre Noten aber 25 Proc. unter Pari stehen, während die der einzelnen Staaten und Privatbanken vollen Curs haben, und nur 2 1/2 Proc. gegen Gold verlieren. So scheiterte am Ende die ganze verbündete Macht unsrer Geldkörperschaften (moneyed corporations) an dem geraden Sinn und dem offenen Charakter eines Mannes, der im neunzehnten Jahrhundert die Idee einer demokratischen Republik nicht aufgegeben hatte, und die Massen selbst eines commerciellen Staates nicht für unfähig hielt, an der legislativen Gewalt Antheil zu nehmen. Jetzt sind wir zum erstenmal wirklich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354/0010] hat, und man braucht ihn nur zu sehen, wie ihm bei dem Namen Paris das Selbstbewußtseyn und der Nationalstolz wächst, um zu begreifen, daß er nur einer einzigen Stadt unter allen die Ehre zuerkennt, Frankreich vor der Welt würdig zu vertreten. An die Frage des Molière'schen Monuments knüpfen sich andere von hohem Interesse, die das Pantheon in seiner zweiten Bestimmung, die das Louvre und seine vortrefflichen Kunstgalerien, die den Platz des Louvre und der Tuilerien, die königliche Bibliothek und deren gesicherten Aufbewahrungsort betreffen. Diese Fragen sind auch den fremden Besuchern in Paris wichtig, und wir denken, einige Bemerkungen in dieser Beziehung werden den Lesern der Allgem. Zeitung nicht unwillkommen seyn; nächstens also. Die flamändische Sprache in Belgien. Folgendes ist die (bereits erwähnte) Petition aus Gent in Bezug auf die flamändische Sprache: „An die Repräsentanten des belgischen Volks! Es ist bekannt, daß die Flamänder, Brabanter und Limburger, welche das Flamändische sprechen, mindestens sechs Jahrhunderte lang in ihrer Muttersprache regiert worden sind, und daß sich ihre Nationalität niemals in größerem Glanze gezeigt hat, als wenn diese Sprache aller ihrer Rechte genoß. Ueberall, wo man in der ältesten Zeit sich des Flamändischen bediente, spricht man noch dieselbe Sprache. Unsere alten Verfassungen oder joyeuses entrées des Souveräns, unsere alten Gesetze und Localgebräuche sind ursprünglich im Flamändischen abgefaßt. Tausende von Büchern sind in dieser Sprache gedruckt, die unsere Vorfahren niemals als ein gemeines Patois betrachtet haben. Vergebens suchte das Haus Burgund, sie zu unterdrücken; vergebens wurde unter der französischen Herrschaft der Gebrauch derselben bei öffentlichen Handlungen verboten: die große Mehrzahl der Belgier bedient sich noch der flamändischen Sprache, und wenn sie allerdings viele Personen heutzutage verachten, so rührt dieß davon her, daß die Erziehung in Belgien seit der französischen Herrschaft mehr französisch als belgisch ist, und man dasjenige nicht zu achten vermag, was man nicht kennt. Diese wenig nationale Richtung der Erziehung hat nun bereits folgende Früchte getragen. Es herrscht sehr wenig Einigkeit zwischen den höheren Classen, die französisch sprechen, und den unteren, welche die alten Sitten des Landes bewahren. Die Gallomanie hat eine große Anzahl Ausländer nach Belgien gezogen, die sich bemühen, theils durch die Journale, theils durch den öffentlichen Unterricht oder dadurch, daß sie sich der höchsten Aemter bemächtigen, uns immer mehr französisch zu machen. Die sonst so religiöse belgische Jugend gibt sich jetzt fast ausschließlich den französischen Ideen und der Lecture schädlicher Werke hin, mit denen unser Land überschwemmt ist, und welche dieselbe Erschlaffung und Irreligiosität herbeiführen, die wir bei unsern Nachbarn wahrnehmen. Diejenigen Classen, welche die Gewalt in Belgien in Händen haben, machen sich kein Gewissen mehr daraus, bei der Verwaltung des flamändischen Gebiets Personen anzustellen, die das Flamändische nicht sprechen können oder nicht sprechen wollen, obwohl diese Personen vermöge ihres Amtes oft in den Fall kommen, über Gegenstände zu entscheiden, die mit unseren Sitten zusammenhängen, welche sie gar nicht oder doch nur unvollkommen kennen. Unsere Landleute sind genöthigt, Actenstücke zu unterzeichnen, die in einer ihnen unverständlichen Sprache abgefaßt sind, was zu vielen Processen, Bestrafungen und Kosten Anlaß gibt. In vielen Orten ist es unmöglich, Personen zu finden, die fähig sind, Bürgermeister, Communalschreiber oder andere Beamte zu werden, weil sie mit den oberen Behörden nicht correspondiren können. Viele Flamänder sind gezwungen, sich der Dolmetscher oder dritter Personen zu bedienen, um mit gewissen Beamten, namentlich unter den Richtern, sprechen zu können. Mehr als ein Angeklagter ist vor den Gerichtshöfen verurtheilt worden, ohne von den Verhandlungen etwas zu verstehen, oder ohne die häufig von den Advocaten bei der Vertheidigung begangenen Fehler verbessern zu können. Mit Einem Worte, alle mit der Verwaltung des Flamändischen Gebiets verknüpften Wohlthaten und Vorrechte sind denen zugefallen, die französisch sprechen. Die übrigen Bewohner, obwohl weit zahlreicher, sind genöthigt, dem Antriebe der ersteren blind zu folgen und sich von ihnen ausplündern zu lassen, was direct dazu führt, einen Theil der Nation herabzuwürdigen. Können wir jetzt, da wir unsere Nationalität wieder erlangt haben, nicht auch unsere natürlichen Rechte wieder gewinnen? In Dänemark, in der Schweiz werden, wie in Belgien, verschiedene Sprachen geredet, aber die Bewohner werden daselbst in dem jedem Gebiete eigenthümlichen Idiom regiert, ohne daß dieß der gemeinsamen Nationalität nachtheilig wäre. In früheren Jahrhunderten hat das Haus Burgund die flamändische Sprache respectiren müssen und die österreichische Regierung hat die Vorrechte derselben nicht angetastet; will die belgische Regierung sie unterdrücken? Gewiß nicht. Wir können unmöglich glauben, daß die Männer, welche uns regieren, wie sehr sie auch sonst die französische Sprache schätzen mögen, sich so wenig edelmüthig gegen ihre Landsleute zeigen werden, daß sie sich weigern, die Sprache der von ihnen regierten Menschen zu erlernen. Wir glauben im Gegentheil, daß sie uns die Hand reichen werden, um die Einigkeit wieder herzustellen, und daß sie uns erlauben werden, Flamänder zu bleiben, wie unsere Geschichte es uns lehrt und wie Gott uns geschaffen hat.“ Die neueste Wendung der Dinge in den Vereinigten Staaten. _ Washington, 8 Jan. Meine mehrwöchentliche nothgedrungene Abwesenheit von der Hauptstadt war die Ursache meines langen Stillschweigens, und ich beeile mich daher, sogleich bei meiner Zurückkunft Ihnen über die vorzüglichsten Ereignisse, die Sie vielleicht theilweise bereits aus englischen Blättern kennen, umständlichen Bericht zu erstatten. Wie ich bereits im Monat August vorhersagte, daß die Wahlen im Staate New-York zu Gunsten der Regierung ausfallen würden, so ist es gekommen, und mit der mächtigsten Provinz der Union ist beinahe das ganze Volk im Süden und Norden dem Regierungsplane beigetreten, der das heillose Banksystem wenigstens von der Staatsverwaltung getrennt haben will. Das ganze Land vom Staate Maine bis nach Orleans hinab ist in der Sprache unsrer Parteigänger Loco foco, d. h. für eine unabhängige Schatzkammer, besonders seit – die Actien unsrer Nationalbank auf 67 gefallen, ihre Noten aber 25 Proc. unter Pari stehen, während die der einzelnen Staaten und Privatbanken vollen Curs haben, und nur 2 1/2 Proc. gegen Gold verlieren. So scheiterte am Ende die ganze verbündete Macht unsrer Geldkörperschaften (moneyed corporations) an dem geraden Sinn und dem offenen Charakter eines Mannes, der im neunzehnten Jahrhundert die Idee einer demokratischen Republik nicht aufgegeben hatte, und die Massen selbst eines commerciellen Staates nicht für unfähig hielt, an der legislativen Gewalt Antheil zu nehmen. Jetzt sind wir zum erstenmal wirklich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 45. Augsburg, 14. Februar 1840, S. 0354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214/10>, abgerufen am 19.04.2024.