Allgemeine Zeitung. Nr. 41. Augsburg, 10. Februar 1840.verschlingt ihn. Das Pferd, entsetzt, wendet alle Kräfte an, um zu entfliehen, und da der im Bauch des Krokodils befindliche Arm seines todten Herrn, an welchem der Strick festgeknüpft war, diesen nicht loslassen konnte, und der Strick auch nicht zerriß, so zog das entsetzte Pferd an demselben das Krokodil selbst nicht nur aus dem Flusse heraus, sondern schleppte es auch über den Sand bis an die Thüre seines eigenen Stalles fort, wo es dann bald von der herbeikommenden Familie getödtet, und der entseelte Körper des Verunglückten noch in seinem Innern ganz intact gefunden wurde." Gegen Mittag kamen 100 Negerrecruten, als Ergänzungsmannschaften für den Krieg im Hedschas bestimmt, zu Schiffe hier an. Sie waren alle in weiße Leinwandhemden gekleidet, und wurden bis zum andern Morgen, um ihr Desertiren zu verhindern, in den Hof des Schlosses eingesperrt, wo sie bivouakirten. Ich besuchte sie des Nachts mit dem Doctor kurz nach ihrer Mahlzeit. Alle lagen in tiefem Schlaf, aber zugleich in so grotesken, wunderlichen Stellungen, wie ich sie nie von Europäern gesehen, wozu sie sämmtlich ihre Leinwandhemden über den Kopf gezogen hatten; denn nur diesen Theil ihres Körpers bedecken die Einwohner immer sorgfältig während des Schlafes. Die Sterblichkeit unter diesen, so robust und stark aussehenden, Leuten soll furchtbar seyn, und viele Tausende von ihnen haben schon im Hedschas ihr Grab gefunden, wo sie meistentheils, nicht durch die Waffen der Feinde, noch selbst am Klima, das obgleich ungesund doch von dem ihrigen nicht sehr verschieden ist, sondern - am Heimweh sterben. Mein Dragoman ward am Abend bedeutend krank an einem entzündlichen Fieber, was mich nöthigte, einige Tage hier zu verweilen, doch stellte ihn seine gute Constitution, unterstützt von einigen Aderlässen und Senfpflastern, bald wieder her. Während dieser Zeit langte ein Boot unter englischer Flagge hier an, auf dem sich Hr. Doctor Holroy befand, ein junger Mann, der seit einem Jahre diese Gegenden bereist, und jetzt aus Kordofan zurückkehrte. Er besuchte mich, und mit ihm verging mir die Zeit angenehmer, als ich hoffen durfte, in lehrreicher Unterhaltung. Obgleich ich mich nun selbst fast eben so unwohl fühlte als mein Dragoman, besonders aber an einer höchst peinigenden Abgespanntheit des ganzen Nervensystems litt, so benutzte ich doch meine Muße noch anderweitig, namentlich um Schendi einigemal zu besuchen. Es ist ein trauriger Anblick, den diese Stadt, welche einstens 50,000 Einwohner zählte, in ihrem jetzigen Zustande gewährt. Noch dehnen sich ihre zerstörten und längst verlassenen Häuser auf allen Seiten gegen die umliegenden Felder aus, welche ebenfalls größtentheils zur Wüste geworden sind. Nur hie und a sieht man noch ein spitzes Strohdach sich erheben, das in der großen Todtenstadt ein einzelnes bewohntes Haus verkündet, alle übrigen sind dachlos und leer, gleich dem fast in der Mitte des Ganzen stehenden kleinen Lehmpalast, in welchem Ismael Pascha sein tragisches Ende fand, und wo die verrätherische Fackel, welche die darum hergehäuften Strohbündel aus Rachsucht anzündete, bestimmt war in grauser Folge eine ganze reiche Provinz mit mehr als der Hälfte ihrer Einwohner zu vernichten. Eine eigene Schickung ist es, daß der Schech, welcher die Verschwörung anzettelte und ausführte, mit seinem Sohne aller Strafe und Rache gänzlich entging. Er lebt noch unter den Arabern der Wüste, und Mehemed Ali hat nie etwas gethan um seiner habhaft zu werden, ja man versicherte mich, daß sein Sohn schon längst wieder zurückgekehrt sey und seit Jahren auf einer Insel nicht fern von Meroe lebe, wo ihn alle seine noch übrigen Anverwandten häufig besuchen, ohne daß die Regierung die mindeste Notiz davon genommen habe. Mehemed Ali, der ein besserer Politiker ist als der Defterdar war, mißbilligte überhaupt dessen Verfahren im höchsten Grade, und hat seitdem Alles gethan, was in seinen Kräften stand, um es vergessen zu machen. Der größte Theil der Schechs in dieser Gegend, von denen mehrere zu mir kamen, erhält Jahrgehalte von ihm ausgezahlt, und der Schech Bischir bezieht monatlich 500 Piaster vom Gouvernement, hier eine bedeutende Summe. Daß ich über Ismael Pascha's Katastrophe nichts weiter erwähne, wird mir hoffentlich Niemand verdenken, da die genauesten Details darüber von jedem seitdem hier Reisenden schon bis zum Ueberdruß wiederholt worden sind. Fr. v. Raumer über Italien. Berlin, 31 Jan. Die gestrige öffentliche Sitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften zur Säcularfeier der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, welche die insonders Berlin in diesem Jahr bevorstehenden Festlichkeiten eröffnet hat, füllte zum größten Theil ein beredter Vortrag Hrn. v. Raumers aus, betreffend dessen vorjährige italienische Reise. Hr. v. Raumer entwarf ein gedrängtes, lebendiges Bild von den öffentlichen Zuständen, von den einzelnen Staaten, von *) Den Zeitungen nach hat er sie jetzt verboten, ich zweifle aber an der Ausführung des Befehls durch die Untergebnen, und selbst an der Aufrichtigkeit desselben.
verschlingt ihn. Das Pferd, entsetzt, wendet alle Kräfte an, um zu entfliehen, und da der im Bauch des Krokodils befindliche Arm seines todten Herrn, an welchem der Strick festgeknüpft war, diesen nicht loslassen konnte, und der Strick auch nicht zerriß, so zog das entsetzte Pferd an demselben das Krokodil selbst nicht nur aus dem Flusse heraus, sondern schleppte es auch über den Sand bis an die Thüre seines eigenen Stalles fort, wo es dann bald von der herbeikommenden Familie getödtet, und der entseelte Körper des Verunglückten noch in seinem Innern ganz intact gefunden wurde.“ Gegen Mittag kamen 100 Negerrecruten, als Ergänzungsmannschaften für den Krieg im Hedschas bestimmt, zu Schiffe hier an. Sie waren alle in weiße Leinwandhemden gekleidet, und wurden bis zum andern Morgen, um ihr Desertiren zu verhindern, in den Hof des Schlosses eingesperrt, wo sie bivouakirten. Ich besuchte sie des Nachts mit dem Doctor kurz nach ihrer Mahlzeit. Alle lagen in tiefem Schlaf, aber zugleich in so grotesken, wunderlichen Stellungen, wie ich sie nie von Europäern gesehen, wozu sie sämmtlich ihre Leinwandhemden über den Kopf gezogen hatten; denn nur diesen Theil ihres Körpers bedecken die Einwohner immer sorgfältig während des Schlafes. Die Sterblichkeit unter diesen, so robust und stark aussehenden, Leuten soll furchtbar seyn, und viele Tausende von ihnen haben schon im Hedschas ihr Grab gefunden, wo sie meistentheils, nicht durch die Waffen der Feinde, noch selbst am Klima, das obgleich ungesund doch von dem ihrigen nicht sehr verschieden ist, sondern – am Heimweh sterben. Mein Dragoman ward am Abend bedeutend krank an einem entzündlichen Fieber, was mich nöthigte, einige Tage hier zu verweilen, doch stellte ihn seine gute Constitution, unterstützt von einigen Aderlässen und Senfpflastern, bald wieder her. Während dieser Zeit langte ein Boot unter englischer Flagge hier an, auf dem sich Hr. Doctor Holroy befand, ein junger Mann, der seit einem Jahre diese Gegenden bereist, und jetzt aus Kordofan zurückkehrte. Er besuchte mich, und mit ihm verging mir die Zeit angenehmer, als ich hoffen durfte, in lehrreicher Unterhaltung. Obgleich ich mich nun selbst fast eben so unwohl fühlte als mein Dragoman, besonders aber an einer höchst peinigenden Abgespanntheit des ganzen Nervensystems litt, so benutzte ich doch meine Muße noch anderweitig, namentlich um Schendi einigemal zu besuchen. Es ist ein trauriger Anblick, den diese Stadt, welche einstens 50,000 Einwohner zählte, in ihrem jetzigen Zustande gewährt. Noch dehnen sich ihre zerstörten und längst verlassenen Häuser auf allen Seiten gegen die umliegenden Felder aus, welche ebenfalls größtentheils zur Wüste geworden sind. Nur hie und a sieht man noch ein spitzes Strohdach sich erheben, das in der großen Todtenstadt ein einzelnes bewohntes Haus verkündet, alle übrigen sind dachlos und leer, gleich dem fast in der Mitte des Ganzen stehenden kleinen Lehmpalast, in welchem Ismael Pascha sein tragisches Ende fand, und wo die verrätherische Fackel, welche die darum hergehäuften Strohbündel aus Rachsucht anzündete, bestimmt war in grauser Folge eine ganze reiche Provinz mit mehr als der Hälfte ihrer Einwohner zu vernichten. Eine eigene Schickung ist es, daß der Schech, welcher die Verschwörung anzettelte und ausführte, mit seinem Sohne aller Strafe und Rache gänzlich entging. Er lebt noch unter den Arabern der Wüste, und Mehemed Ali hat nie etwas gethan um seiner habhaft zu werden, ja man versicherte mich, daß sein Sohn schon längst wieder zurückgekehrt sey und seit Jahren auf einer Insel nicht fern von Meroe lebe, wo ihn alle seine noch übrigen Anverwandten häufig besuchen, ohne daß die Regierung die mindeste Notiz davon genommen habe. Mehemed Ali, der ein besserer Politiker ist als der Defterdar war, mißbilligte überhaupt dessen Verfahren im höchsten Grade, und hat seitdem Alles gethan, was in seinen Kräften stand, um es vergessen zu machen. Der größte Theil der Schechs in dieser Gegend, von denen mehrere zu mir kamen, erhält Jahrgehalte von ihm ausgezahlt, und der Schech Bischir bezieht monatlich 500 Piaster vom Gouvernement, hier eine bedeutende Summe. Daß ich über Ismael Pascha's Katastrophe nichts weiter erwähne, wird mir hoffentlich Niemand verdenken, da die genauesten Details darüber von jedem seitdem hier Reisenden schon bis zum Ueberdruß wiederholt worden sind. Fr. v. Raumer über Italien. Berlin, 31 Jan. Die gestrige öffentliche Sitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften zur Säcularfeier der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, welche die insonders Berlin in diesem Jahr bevorstehenden Festlichkeiten eröffnet hat, füllte zum größten Theil ein beredter Vortrag Hrn. v. Raumers aus, betreffend dessen vorjährige italienische Reise. Hr. v. Raumer entwarf ein gedrängtes, lebendiges Bild von den öffentlichen Zuständen, von den einzelnen Staaten, von *) Den Zeitungen nach hat er sie jetzt verboten, ich zweifle aber an der Ausführung des Befehls durch die Untergebnen, und selbst an der Aufrichtigkeit desselben.
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Ich besuchte sie des Nachts mit dem Doctor kurz nach ihrer Mahlzeit. Alle lagen in tiefem Schlaf, aber zugleich in so grotesken, wunderlichen Stellungen, wie ich sie nie von Europäern gesehen, wozu sie sämmtlich ihre Leinwandhemden über den Kopf gezogen hatten; denn nur diesen Theil ihres Körpers bedecken die Einwohner immer sorgfältig während des Schlafes. Die Sterblichkeit unter diesen, so robust und stark aussehenden, Leuten soll furchtbar seyn, und viele Tausende von ihnen haben schon im Hedschas ihr Grab gefunden, wo sie meistentheils, nicht durch die Waffen der Feinde, noch selbst am Klima, das obgleich ungesund doch von dem ihrigen nicht sehr verschieden ist, sondern – <hi rendition="#g">am Heimweh</hi> sterben.<lb/> Die alle Jahr regelmäßig vorgenommenen Sklavenjagden auf die wilden Neger im Innern, liefern diese Unglücklichen dem Gouvernement, eine Grausamkeit, die nicht zu entschuldigen, leider aber bei allen Völkern im Innern Afrika's so allgemein ist, und allen Gouverneuren dieser Provinzen, die zugleich ihren Privathandel mit den eingefangenen Sklaven treiben, sowie ihren eigenen Bedarf damit versorgen, soviel Vortheil bringt, daß es Mehemed Ali sehr schwer werden würde, sie abzuschaffen. <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Den Zeitungen nach hat er sie jetzt verboten, ich zweifle aber an der Ausführung des Befehls durch die Untergebnen, und selbst an der Aufrichtigkeit desselben.</note> – Je weiter man von hier aus vordringt, je mehr bemerkt man, wie nach und nach des Vicekönigs persönliche Autorität zu schwinden anfängt, und diese dagegen fast ganz auf seine Stellvertreter übergeht, die allein gefürchtet werden, und von denen auch allein etwas gehofft wird. In Karthum und im Kordofan sind des Vicekönigs Gouverneure mächtiger als er, und er muß, so lange sie diese Posten bekleiden, sehr behutsam mit ihnen umgehen, um sich vor ihrem Abfall zu sichern. Höchst bedauernswerth bleibt es daher auch in dieser Hinsicht, daß die furchtsame und unentschlossene Politik der europäischen Mächte nicht längst Mehemed Ali's Verhältnisse so geregelt hat, daß er von dort her nichts mehr zu befürchten brauchte, und von seiner Seite eben so wenig mehr zu befürchten stände. Könnte und müßte er dann seine ganze Kraft, die er jetzt, nur nach Europa blickend, versplittern muß, auf das Innere der zahlreichen Länder die ihm gehorchen, verwenden, so würde nicht nur der Sklavenhandel weit menschlicher modificirt, wo nicht gänzlich aufgehoben werden können, sondern auch die reichen Gegenden zwischen dem blauen und weißen Nil bald Aegypten an Fruchtbarkeit gleichkommen, wozu die Localität Alles darbietet, ja selbst der größte Theil der Wüste in blühende Fluren umgewandelt werden können, wie er es in ältesten Zeiten ohne Zweifel schon einmal war. So ziehen sich Ursach' und Wirkung heute wie eine Kette sichtlich über den ganzen Erdboden hin, und der arme Neger in den tropischen Einöden erfährt, so gut als wir, die nachtheiligen Einflüsse der Schwäche, welche in dem alternden Europa herrscht.</p><lb/> <p>Mein Dragoman ward am Abend bedeutend krank an einem entzündlichen Fieber, was mich nöthigte, einige Tage hier zu verweilen, doch stellte ihn seine gute Constitution, unterstützt von einigen Aderlässen und Senfpflastern, bald wieder her. Während dieser Zeit langte ein Boot unter englischer Flagge hier an, auf dem sich Hr. Doctor Holroy befand, ein junger Mann, der seit einem Jahre diese Gegenden bereist, und jetzt aus Kordofan zurückkehrte. Er besuchte mich, und mit ihm verging mir die Zeit angenehmer, als ich hoffen durfte, in lehrreicher Unterhaltung. Obgleich ich mich nun selbst fast eben so unwohl fühlte als mein Dragoman, besonders aber an einer höchst peinigenden Abgespanntheit des ganzen Nervensystems litt, so benutzte ich doch meine Muße noch anderweitig, namentlich um Schendi einigemal zu besuchen. Es ist ein trauriger Anblick, den diese Stadt, welche einstens 50,000 Einwohner zählte, in ihrem jetzigen Zustande gewährt. Noch dehnen sich ihre zerstörten und längst verlassenen Häuser auf allen Seiten gegen die umliegenden Felder aus, welche ebenfalls größtentheils zur Wüste geworden sind. Nur hie und a sieht man noch ein spitzes Strohdach sich erheben, das in der großen Todtenstadt ein einzelnes bewohntes Haus verkündet, alle übrigen sind dachlos und leer, gleich dem fast in der Mitte des Ganzen stehenden kleinen Lehmpalast, in welchem Ismael Pascha sein tragisches Ende fand, und wo die verrätherische Fackel, welche die darum hergehäuften Strohbündel aus Rachsucht anzündete, bestimmt war in grauser Folge eine ganze reiche Provinz mit mehr als der Hälfte ihrer Einwohner zu vernichten. Eine eigene Schickung ist es, daß der Schech, welcher die Verschwörung anzettelte und ausführte, mit seinem Sohne aller Strafe und Rache gänzlich entging. Er lebt noch unter den Arabern der Wüste, und Mehemed Ali hat nie etwas gethan um seiner habhaft zu werden, ja man versicherte mich, daß sein Sohn schon längst wieder zurückgekehrt sey und seit Jahren auf einer Insel nicht fern von Meroe lebe, wo ihn alle seine noch übrigen Anverwandten häufig besuchen, ohne daß die Regierung die mindeste Notiz davon genommen habe. Mehemed Ali, der ein besserer Politiker ist als der Defterdar war, mißbilligte überhaupt dessen Verfahren im höchsten Grade, und hat seitdem Alles gethan, was in seinen Kräften stand, um es vergessen zu machen. Der größte Theil der Schechs in dieser Gegend, von denen mehrere zu mir kamen, erhält Jahrgehalte von ihm ausgezahlt, und der Schech Bischir bezieht monatlich 500 Piaster vom Gouvernement, hier eine bedeutende Summe. Daß ich über Ismael Pascha's Katastrophe nichts weiter erwähne, wird mir hoffentlich Niemand verdenken, da die genauesten Details darüber von jedem seitdem hier Reisenden schon bis zum Ueberdruß wiederholt worden sind.</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Fr</hi>. v. <hi rendition="#g">Raumer über Italien</hi>.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 31 Jan.</dateline> <p> Die gestrige öffentliche Sitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften zur Säcularfeier der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, welche die insonders Berlin in diesem Jahr bevorstehenden Festlichkeiten eröffnet hat, füllte zum größten Theil ein beredter Vortrag Hrn. v. Raumers aus, betreffend dessen vorjährige italienische Reise. Hr. v. Raumer entwarf ein gedrängtes, lebendiges Bild von den öffentlichen Zuständen, von den einzelnen Staaten, von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322/0009]
verschlingt ihn. Das Pferd, entsetzt, wendet alle Kräfte an, um zu entfliehen, und da der im Bauch des Krokodils befindliche Arm seines todten Herrn, an welchem der Strick festgeknüpft war, diesen nicht loslassen konnte, und der Strick auch nicht zerriß, so zog das entsetzte Pferd an demselben das Krokodil selbst nicht nur aus dem Flusse heraus, sondern schleppte es auch über den Sand bis an die Thüre seines eigenen Stalles fort, wo es dann bald von der herbeikommenden Familie getödtet, und der entseelte Körper des Verunglückten noch in seinem Innern ganz intact gefunden wurde.“
Gegen Mittag kamen 100 Negerrecruten, als Ergänzungsmannschaften für den Krieg im Hedschas bestimmt, zu Schiffe hier an. Sie waren alle in weiße Leinwandhemden gekleidet, und wurden bis zum andern Morgen, um ihr Desertiren zu verhindern, in den Hof des Schlosses eingesperrt, wo sie bivouakirten. Ich besuchte sie des Nachts mit dem Doctor kurz nach ihrer Mahlzeit. Alle lagen in tiefem Schlaf, aber zugleich in so grotesken, wunderlichen Stellungen, wie ich sie nie von Europäern gesehen, wozu sie sämmtlich ihre Leinwandhemden über den Kopf gezogen hatten; denn nur diesen Theil ihres Körpers bedecken die Einwohner immer sorgfältig während des Schlafes. Die Sterblichkeit unter diesen, so robust und stark aussehenden, Leuten soll furchtbar seyn, und viele Tausende von ihnen haben schon im Hedschas ihr Grab gefunden, wo sie meistentheils, nicht durch die Waffen der Feinde, noch selbst am Klima, das obgleich ungesund doch von dem ihrigen nicht sehr verschieden ist, sondern – am Heimweh sterben.
Die alle Jahr regelmäßig vorgenommenen Sklavenjagden auf die wilden Neger im Innern, liefern diese Unglücklichen dem Gouvernement, eine Grausamkeit, die nicht zu entschuldigen, leider aber bei allen Völkern im Innern Afrika's so allgemein ist, und allen Gouverneuren dieser Provinzen, die zugleich ihren Privathandel mit den eingefangenen Sklaven treiben, sowie ihren eigenen Bedarf damit versorgen, soviel Vortheil bringt, daß es Mehemed Ali sehr schwer werden würde, sie abzuschaffen. *) *) – Je weiter man von hier aus vordringt, je mehr bemerkt man, wie nach und nach des Vicekönigs persönliche Autorität zu schwinden anfängt, und diese dagegen fast ganz auf seine Stellvertreter übergeht, die allein gefürchtet werden, und von denen auch allein etwas gehofft wird. In Karthum und im Kordofan sind des Vicekönigs Gouverneure mächtiger als er, und er muß, so lange sie diese Posten bekleiden, sehr behutsam mit ihnen umgehen, um sich vor ihrem Abfall zu sichern. Höchst bedauernswerth bleibt es daher auch in dieser Hinsicht, daß die furchtsame und unentschlossene Politik der europäischen Mächte nicht längst Mehemed Ali's Verhältnisse so geregelt hat, daß er von dort her nichts mehr zu befürchten brauchte, und von seiner Seite eben so wenig mehr zu befürchten stände. Könnte und müßte er dann seine ganze Kraft, die er jetzt, nur nach Europa blickend, versplittern muß, auf das Innere der zahlreichen Länder die ihm gehorchen, verwenden, so würde nicht nur der Sklavenhandel weit menschlicher modificirt, wo nicht gänzlich aufgehoben werden können, sondern auch die reichen Gegenden zwischen dem blauen und weißen Nil bald Aegypten an Fruchtbarkeit gleichkommen, wozu die Localität Alles darbietet, ja selbst der größte Theil der Wüste in blühende Fluren umgewandelt werden können, wie er es in ältesten Zeiten ohne Zweifel schon einmal war. So ziehen sich Ursach' und Wirkung heute wie eine Kette sichtlich über den ganzen Erdboden hin, und der arme Neger in den tropischen Einöden erfährt, so gut als wir, die nachtheiligen Einflüsse der Schwäche, welche in dem alternden Europa herrscht.
Mein Dragoman ward am Abend bedeutend krank an einem entzündlichen Fieber, was mich nöthigte, einige Tage hier zu verweilen, doch stellte ihn seine gute Constitution, unterstützt von einigen Aderlässen und Senfpflastern, bald wieder her. Während dieser Zeit langte ein Boot unter englischer Flagge hier an, auf dem sich Hr. Doctor Holroy befand, ein junger Mann, der seit einem Jahre diese Gegenden bereist, und jetzt aus Kordofan zurückkehrte. Er besuchte mich, und mit ihm verging mir die Zeit angenehmer, als ich hoffen durfte, in lehrreicher Unterhaltung. Obgleich ich mich nun selbst fast eben so unwohl fühlte als mein Dragoman, besonders aber an einer höchst peinigenden Abgespanntheit des ganzen Nervensystems litt, so benutzte ich doch meine Muße noch anderweitig, namentlich um Schendi einigemal zu besuchen. Es ist ein trauriger Anblick, den diese Stadt, welche einstens 50,000 Einwohner zählte, in ihrem jetzigen Zustande gewährt. Noch dehnen sich ihre zerstörten und längst verlassenen Häuser auf allen Seiten gegen die umliegenden Felder aus, welche ebenfalls größtentheils zur Wüste geworden sind. Nur hie und a sieht man noch ein spitzes Strohdach sich erheben, das in der großen Todtenstadt ein einzelnes bewohntes Haus verkündet, alle übrigen sind dachlos und leer, gleich dem fast in der Mitte des Ganzen stehenden kleinen Lehmpalast, in welchem Ismael Pascha sein tragisches Ende fand, und wo die verrätherische Fackel, welche die darum hergehäuften Strohbündel aus Rachsucht anzündete, bestimmt war in grauser Folge eine ganze reiche Provinz mit mehr als der Hälfte ihrer Einwohner zu vernichten. Eine eigene Schickung ist es, daß der Schech, welcher die Verschwörung anzettelte und ausführte, mit seinem Sohne aller Strafe und Rache gänzlich entging. Er lebt noch unter den Arabern der Wüste, und Mehemed Ali hat nie etwas gethan um seiner habhaft zu werden, ja man versicherte mich, daß sein Sohn schon längst wieder zurückgekehrt sey und seit Jahren auf einer Insel nicht fern von Meroe lebe, wo ihn alle seine noch übrigen Anverwandten häufig besuchen, ohne daß die Regierung die mindeste Notiz davon genommen habe. Mehemed Ali, der ein besserer Politiker ist als der Defterdar war, mißbilligte überhaupt dessen Verfahren im höchsten Grade, und hat seitdem Alles gethan, was in seinen Kräften stand, um es vergessen zu machen. Der größte Theil der Schechs in dieser Gegend, von denen mehrere zu mir kamen, erhält Jahrgehalte von ihm ausgezahlt, und der Schech Bischir bezieht monatlich 500 Piaster vom Gouvernement, hier eine bedeutende Summe. Daß ich über Ismael Pascha's Katastrophe nichts weiter erwähne, wird mir hoffentlich Niemand verdenken, da die genauesten Details darüber von jedem seitdem hier Reisenden schon bis zum Ueberdruß wiederholt worden sind.
Fr. v. Raumer über Italien.
Berlin, 31 Jan. Die gestrige öffentliche Sitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften zur Säcularfeier der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, welche die insonders Berlin in diesem Jahr bevorstehenden Festlichkeiten eröffnet hat, füllte zum größten Theil ein beredter Vortrag Hrn. v. Raumers aus, betreffend dessen vorjährige italienische Reise. Hr. v. Raumer entwarf ein gedrängtes, lebendiges Bild von den öffentlichen Zuständen, von den einzelnen Staaten, von
*) Den Zeitungen nach hat er sie jetzt verboten, ich zweifle aber an der Ausführung des Befehls durch die Untergebnen, und selbst an der Aufrichtigkeit desselben.
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