Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 41. Augsburg, 10. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sir R. Peel sprach als Staatsmann und fast in denselben Worten wie Hr. Thiers von den großen Interessen, die es für Frankreich und England zur Pflicht machen, verbündet zu bleiben. Er hat das englische Ministerium gewissermaßen verantwortlich gemacht für die Symptome der Unzufriedenheit, die deren Politik in Frankreich hervorgerufen. Eine bessere Kritik der zwischen Lord Palmerston und Hrn. v. Brunnow gespielten Intrigue ließ sich nicht geben, als in diesen leise andeutenden Worten liegt. Aber wird man auf Sir R. Peel hören, und dürfen wir glauben, daß es unter den Tories hellsehendere und dem französischen Bündniß treuere Männer gibt, als die Whigs?" Hinsichtlich der Ernennung Guizots bemerkt dieses Blatt: "Obgleich die politischen Meinungsverschiedenheiten, die uns von Hrn. Guizot trennen, so stark sind wie immer, so sollen Parteirücksichten uns doch nicht hindern, einer Mission aufrichtig Glück zu wünschen, die in dem Interesse des englisch-französischen Bündnisses liegt." - Der Constitutionnel äußert, Peel habe von Frankreich in sehr schicklichen Worten gesprochen, die einen erfreulichen Gegensatz bilden, nicht nur zu dem Tone der Torypresse, sondern auch zu den Handlungen Lord Palmerstons und der leidenschaftlichen Polemik der Whigorgane. - Das Debats sagt: "Solchen Gesinnungen, in solchen Worten ausgedrückt, stimmen wir mit Freuden bei. Möge die englische Presse den Geist derselben aufnehmen und jener Bitterkeit entsagen, die eine Störung der früheren Verhältnisse zwischen den beiden Ländern zu bezwecken schien. Zugleich können wir nicht umhin, die Hoffnung auszudrücken, Lord Palmerston werde durch seine übergroße Befangenheit (preoccupation excessive) sich nicht haben verhindern lassen, von Bemerkungen Nutzen zu ziehen, welche die ernsteste Beachtung verdienen." Der Temps spricht sich in ähnlichem Sinne aus.

*

Die Lage des Ministeriums in der Kammer ist nicht glänzend, und von den Gesetzen, an denen es am meisten hängt, werden nur wenige durchgehen. Als Hr. Bresson vorgestern die Erhöhung des Zolls auf Linnengarn vorschlug, ging Dufaure in den Bänken der Deputirten herum, zu erklären, daß das Cabinet seine Entlassung nehme, wenn der Vorschlag in Berathung genommen werde, und dieser Sturm wurde auch für den Augenblick gelegt, aber nur um sich in einigen Wochen wieder zu erheben. Das Gesetz über den Zuckertarif ist so gut als verworfen; es ist auch einer Nation viel zugemuthet, 40 Millionen Entschädigung zu bezahlen, um sich einer Industrie zu berauben und dafür ihren Zucker theurer zu bezahlen. Man hat die Verwirrung der Interessen in dieser Frage so weit kommen lassen, daß sich kein gutes Gesetz darüber machen läßt, aber ein unhaltbareres als das vorgeschlagene war nicht leicht zu erfinden. Dagegen scheint Hr. Passy in der Reduction der Renten einen größeren Erfolg zu haben, als er wünscht, denn wahrscheinlich wird die Kammer sie ihm nicht nur erlauben, wie er vorschlägt, sondern vorschreiben. In diesem Fall wird freilich die Pairskammer das Gesetz wahrscheinlich verwerfen, und bei der Sophisterei, welche die Börsenspieler in die ganze Rententheorie eingeführt haben, und die gegenwärtig ungemäßigter ist als je, wird sie sehr wohl daran thun. Die Lieblingstheorie des Tages darüber ist die Abschaffung des Amortissements und Herabsetzung des Zinses mit Erhöhung des nominalen Capitals, d. h. die Verewigung und unbeschränkte Vergrößerung der Schuld, bis der unvermeidliche Staatsbankerott nach einem Kriege ihr ein Ende machen würde. - Der Abbe Genoude, Eigenthümer der Gazette de France, ist aus Rom zurückgekommen, wohin er gegangen war, um vom Papst eine Bulle zu erhalten, welche ihm erlaubte, den Orden der Oratorier wieder zu errichten. Er hat keine Bulle erhalten, aber der Papst sagte ihm, daß der Orden bestehe, und ihm keine Wiedereinführung in Frankreich angenehm seyn würde. Genoude hat schon vor einiger Zeit ein Schloß gekauft, aus dem er den Sitz seines Klosters machen will. Die Oratorier sind ein weltlicher Orden, die Mitglieder nehmen die Gelübde nicht, und können wieder austreten und heirathen. Der gegenwärtige neukatholische Eifer hat schon mehrere Plane dieser Art hervorgerufen. So ist vor einigen Jahren im Süden ein Benedictinerkloster gestiftet worden, das nach der Sitte der Weltkinder Frankreich mit Prospectus überschwemmte, aber seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Ich zweifle, ob die Oratorier besser gedeihen werden, denn hier, wo die Feder regiert, und Gelehrte Minister und Gesandte werden, braucht die Gelehrsamkeit den Schutz der Klöster nicht mehr. - Es scheint, man hat in Sachsen die französischen Maaße und Gewichte eingeführt, aber man hätte wohl besser daran gethan, zuerst abzuwarten wie es hier damit geht. Wenn man die unglaubliche Unbequemlichkeit derselben im gemeinen Leben beobachtet hätte, so würde man ein rationelleres System vorgezogen haben. Die Combination hier ist so verkehrt, und die Störung, welche das Gesetz ins tägliche Leben bringt, der Art, daß es nothwendig eine Modification erleiden muß. Jedenfalls haben die übrigen deutschen Staaten sehr wohl daran gethan sich zu weigern, das französische System anzunehmen. - Die honneten Absichten von Hrn. Teste in der Regulirung des Stellenverkaufs der Notare etc., werden wahrscheinlich zu nichts führen, ihn eher nöthigen seine Entlassung zu geben. Der Grund ist, daß die Notare in den Provinzen einen größern Einfluß auf die Wahlen haben als irgend eine andere Classe, daher die Schwierigkeit, sie anzutasten. Das Uebel ist sehr groß, aber der Minister scheint die Reform nicht auf der rechten Seite angefangen zu haben: er will die Verkaufspreise durch die Gerichte bestimmen lassen, damit nicht unmäßige Preise, welche die Notare für ihre Stellen bezahlt hätten, sie zu Erpressungen gegen ihre Clienten trieben. Es wäre vielleicht am sichersten gewesen, die Tarife zu reduciren, und die Aufsicht der Gerichte auf die Notariatskosten von Acten und Processen zu schärfen.

Jupiter

Diesen Abend ist großes Festmahl bei Hof; 350 Personen sind geladen, die sich später zum Ball verfügen, wozu 4000 Einladungskarten ausgeschickt wurden. Auber wird beim Banket die Musik dirigiren. Bei dieser Gelegenheit wird wahrscheinlich schon heute Abend die Ernennung Guizots zum Grafen dem Publicum insinuirt werden. Herzog Descazes, als Großreferendär, hat sich dieser Angelegenheit halber schon gestern mit Guizot zum König verfügt; diese Standeserhöhung soll den neuen Gesandten mit Bresson und Pontois auf gleiche Stufe setzen. Die Doctrinäre jubeln und Thiers lächelt. Als Bouquet melde ich Ihnen heute das Gerücht, daß Schneider aus dem Ministerium treten, Soult Kriegsminister werden, übrigens die Präsidentur behalten soll. Der Herzog v. Broglie soll das Ministerium der äußern Angelegenheiten übernehmen; man erwartet denselben schon Montag in Paris.

*

Das hiesige Haus Etienne Gautier, welches früher schon die Geschäfte des Pascha's von Aegypten in Frankreich leitete, ihm Schiffe bauen, die jungen hierselbst studirenden Araber bilden ließ, hat aus Aegypten Nachrichten erhalten, nach welchen der Pascha durchaus nicht nachzugeben gesonnen wäre. Vielmehr herrschte in Kairo die größte Thätigkeit, eine Art Nationalgarde oder Landwehr ist gebildet, und wird ununterbrochen in den Waffen geübt. Die Anführer sind größtentheils fanatische Muselmänner, denen man den ausbrechenden

„Sir R. Peel sprach als Staatsmann und fast in denselben Worten wie Hr. Thiers von den großen Interessen, die es für Frankreich und England zur Pflicht machen, verbündet zu bleiben. Er hat das englische Ministerium gewissermaßen verantwortlich gemacht für die Symptome der Unzufriedenheit, die deren Politik in Frankreich hervorgerufen. Eine bessere Kritik der zwischen Lord Palmerston und Hrn. v. Brunnow gespielten Intrigue ließ sich nicht geben, als in diesen leise andeutenden Worten liegt. Aber wird man auf Sir R. Peel hören, und dürfen wir glauben, daß es unter den Tories hellsehendere und dem französischen Bündniß treuere Männer gibt, als die Whigs?“ Hinsichtlich der Ernennung Guizots bemerkt dieses Blatt: „Obgleich die politischen Meinungsverschiedenheiten, die uns von Hrn. Guizot trennen, so stark sind wie immer, so sollen Parteirücksichten uns doch nicht hindern, einer Mission aufrichtig Glück zu wünschen, die in dem Interesse des englisch-französischen Bündnisses liegt.“ – Der Constitutionnel äußert, Peel habe von Frankreich in sehr schicklichen Worten gesprochen, die einen erfreulichen Gegensatz bilden, nicht nur zu dem Tone der Torypresse, sondern auch zu den Handlungen Lord Palmerstons und der leidenschaftlichen Polemik der Whigorgane. – Das Débats sagt: „Solchen Gesinnungen, in solchen Worten ausgedrückt, stimmen wir mit Freuden bei. Möge die englische Presse den Geist derselben aufnehmen und jener Bitterkeit entsagen, die eine Störung der früheren Verhältnisse zwischen den beiden Ländern zu bezwecken schien. Zugleich können wir nicht umhin, die Hoffnung auszudrücken, Lord Palmerston werde durch seine übergroße Befangenheit (préoccupation excessive) sich nicht haben verhindern lassen, von Bemerkungen Nutzen zu ziehen, welche die ernsteste Beachtung verdienen.“ Der Temps spricht sich in ähnlichem Sinne aus.

*

Die Lage des Ministeriums in der Kammer ist nicht glänzend, und von den Gesetzen, an denen es am meisten hängt, werden nur wenige durchgehen. Als Hr. Bresson vorgestern die Erhöhung des Zolls auf Linnengarn vorschlug, ging Dufaure in den Bänken der Deputirten herum, zu erklären, daß das Cabinet seine Entlassung nehme, wenn der Vorschlag in Berathung genommen werde, und dieser Sturm wurde auch für den Augenblick gelegt, aber nur um sich in einigen Wochen wieder zu erheben. Das Gesetz über den Zuckertarif ist so gut als verworfen; es ist auch einer Nation viel zugemuthet, 40 Millionen Entschädigung zu bezahlen, um sich einer Industrie zu berauben und dafür ihren Zucker theurer zu bezahlen. Man hat die Verwirrung der Interessen in dieser Frage so weit kommen lassen, daß sich kein gutes Gesetz darüber machen läßt, aber ein unhaltbareres als das vorgeschlagene war nicht leicht zu erfinden. Dagegen scheint Hr. Passy in der Reduction der Renten einen größeren Erfolg zu haben, als er wünscht, denn wahrscheinlich wird die Kammer sie ihm nicht nur erlauben, wie er vorschlägt, sondern vorschreiben. In diesem Fall wird freilich die Pairskammer das Gesetz wahrscheinlich verwerfen, und bei der Sophisterei, welche die Börsenspieler in die ganze Rententheorie eingeführt haben, und die gegenwärtig ungemäßigter ist als je, wird sie sehr wohl daran thun. Die Lieblingstheorie des Tages darüber ist die Abschaffung des Amortissements und Herabsetzung des Zinses mit Erhöhung des nominalen Capitals, d. h. die Verewigung und unbeschränkte Vergrößerung der Schuld, bis der unvermeidliche Staatsbankerott nach einem Kriege ihr ein Ende machen würde. – Der Abbé Genoude, Eigenthümer der Gazette de France, ist aus Rom zurückgekommen, wohin er gegangen war, um vom Papst eine Bulle zu erhalten, welche ihm erlaubte, den Orden der Oratorier wieder zu errichten. Er hat keine Bulle erhalten, aber der Papst sagte ihm, daß der Orden bestehe, und ihm keine Wiedereinführung in Frankreich angenehm seyn würde. Genoude hat schon vor einiger Zeit ein Schloß gekauft, aus dem er den Sitz seines Klosters machen will. Die Oratorier sind ein weltlicher Orden, die Mitglieder nehmen die Gelübde nicht, und können wieder austreten und heirathen. Der gegenwärtige neukatholische Eifer hat schon mehrere Plane dieser Art hervorgerufen. So ist vor einigen Jahren im Süden ein Benedictinerkloster gestiftet worden, das nach der Sitte der Weltkinder Frankreich mit Prospectus überschwemmte, aber seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Ich zweifle, ob die Oratorier besser gedeihen werden, denn hier, wo die Feder regiert, und Gelehrte Minister und Gesandte werden, braucht die Gelehrsamkeit den Schutz der Klöster nicht mehr. – Es scheint, man hat in Sachsen die französischen Maaße und Gewichte eingeführt, aber man hätte wohl besser daran gethan, zuerst abzuwarten wie es hier damit geht. Wenn man die unglaubliche Unbequemlichkeit derselben im gemeinen Leben beobachtet hätte, so würde man ein rationelleres System vorgezogen haben. Die Combination hier ist so verkehrt, und die Störung, welche das Gesetz ins tägliche Leben bringt, der Art, daß es nothwendig eine Modification erleiden muß. Jedenfalls haben die übrigen deutschen Staaten sehr wohl daran gethan sich zu weigern, das französische System anzunehmen. – Die honneten Absichten von Hrn. Teste in der Regulirung des Stellenverkaufs der Notare etc., werden wahrscheinlich zu nichts führen, ihn eher nöthigen seine Entlassung zu geben. Der Grund ist, daß die Notare in den Provinzen einen größern Einfluß auf die Wahlen haben als irgend eine andere Classe, daher die Schwierigkeit, sie anzutasten. Das Uebel ist sehr groß, aber der Minister scheint die Reform nicht auf der rechten Seite angefangen zu haben: er will die Verkaufspreise durch die Gerichte bestimmen lassen, damit nicht unmäßige Preise, welche die Notare für ihre Stellen bezahlt hätten, sie zu Erpressungen gegen ihre Clienten trieben. Es wäre vielleicht am sichersten gewesen, die Tarife zu reduciren, und die Aufsicht der Gerichte auf die Notariatskosten von Acten und Processen zu schärfen.

Diesen Abend ist großes Festmahl bei Hof; 350 Personen sind geladen, die sich später zum Ball verfügen, wozu 4000 Einladungskarten ausgeschickt wurden. Auber wird beim Banket die Musik dirigiren. Bei dieser Gelegenheit wird wahrscheinlich schon heute Abend die Ernennung Guizots zum Grafen dem Publicum insinuirt werden. Herzog Descazes, als Großreferendär, hat sich dieser Angelegenheit halber schon gestern mit Guizot zum König verfügt; diese Standeserhöhung soll den neuen Gesandten mit Bresson und Pontois auf gleiche Stufe setzen. Die Doctrinäre jubeln und Thiers lächelt. Als Bouquet melde ich Ihnen heute das Gerücht, daß Schneider aus dem Ministerium treten, Soult Kriegsminister werden, übrigens die Präsidentur behalten soll. Der Herzog v. Broglie soll das Ministerium der äußern Angelegenheiten übernehmen; man erwartet denselben schon Montag in Paris.

*

Das hiesige Haus Etienne Gautier, welches früher schon die Geschäfte des Pascha's von Aegypten in Frankreich leitete, ihm Schiffe bauen, die jungen hierselbst studirenden Araber bilden ließ, hat aus Aegypten Nachrichten erhalten, nach welchen der Pascha durchaus nicht nachzugeben gesonnen wäre. Vielmehr herrschte in Kairo die größte Thätigkeit, eine Art Nationalgarde oder Landwehr ist gebildet, und wird ununterbrochen in den Waffen geübt. Die Anführer sind größtentheils fanatische Muselmänner, denen man den ausbrechenden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0002" n="0323"/>
&#x201E;Sir R. Peel sprach als Staatsmann und fast in denselben Worten wie Hr. Thiers von den großen Interessen, die es für Frankreich und England zur Pflicht machen, verbündet zu bleiben. Er hat das englische Ministerium gewissermaßen verantwortlich gemacht für die Symptome der Unzufriedenheit, die deren Politik in Frankreich hervorgerufen. Eine bessere Kritik der zwischen Lord Palmerston und Hrn. v. Brunnow gespielten Intrigue ließ sich nicht geben, als in diesen leise andeutenden Worten liegt. Aber wird man auf Sir R. Peel hören, und dürfen wir glauben, daß es unter den Tories hellsehendere und dem französischen Bündniß treuere Männer gibt, als die Whigs?&#x201C; Hinsichtlich der Ernennung Guizots bemerkt dieses Blatt: &#x201E;Obgleich die politischen Meinungsverschiedenheiten, die uns von Hrn. Guizot trennen, so stark sind wie immer, so sollen Parteirücksichten uns doch nicht hindern, einer Mission aufrichtig Glück zu wünschen, die in dem Interesse des englisch-französischen Bündnisses liegt.&#x201C; &#x2013; Der <hi rendition="#g">Constitutionnel</hi> äußert, Peel habe von Frankreich in sehr schicklichen Worten gesprochen, die einen erfreulichen Gegensatz bilden, nicht nur zu dem Tone der Torypresse, sondern auch zu den Handlungen Lord Palmerstons und der leidenschaftlichen Polemik der Whigorgane. &#x2013; Das <hi rendition="#g">Débats</hi> sagt: &#x201E;Solchen Gesinnungen, in solchen Worten ausgedrückt, stimmen wir mit Freuden bei. Möge die englische Presse den Geist derselben aufnehmen und jener Bitterkeit entsagen, die eine Störung der früheren Verhältnisse zwischen den beiden Ländern zu bezwecken schien. Zugleich können wir nicht umhin, die Hoffnung auszudrücken, Lord Palmerston werde durch seine übergroße Befangenheit (préoccupation excessive) sich nicht haben verhindern lassen, von Bemerkungen Nutzen zu ziehen, welche die ernsteste Beachtung verdienen.&#x201C; Der <hi rendition="#g">Temps</hi> spricht sich in ähnlichem Sinne aus.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>*</head>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 4 Febr.</dateline>
          <p> Die Lage des Ministeriums in der Kammer ist nicht glänzend, und von den Gesetzen, an denen es am meisten hängt, werden nur wenige durchgehen. Als Hr. Bresson vorgestern die Erhöhung des Zolls auf Linnengarn vorschlug, ging Dufaure in den Bänken der Deputirten herum, zu erklären, daß das Cabinet seine Entlassung nehme, wenn der Vorschlag in Berathung genommen werde, und dieser Sturm wurde auch für den Augenblick gelegt, aber nur um sich in einigen Wochen wieder zu erheben. Das Gesetz über den Zuckertarif ist so gut als verworfen; es ist auch einer Nation viel zugemuthet, 40 Millionen Entschädigung zu bezahlen, um sich einer Industrie zu berauben und dafür ihren Zucker theurer zu bezahlen. Man hat die Verwirrung der Interessen in dieser Frage so weit kommen lassen, daß sich kein gutes Gesetz darüber machen läßt, aber ein unhaltbareres als das vorgeschlagene war nicht leicht zu erfinden. Dagegen scheint Hr. Passy in der Reduction der Renten einen größeren Erfolg zu haben, als er wünscht, denn wahrscheinlich wird die Kammer sie ihm nicht nur erlauben, wie er vorschlägt, sondern vorschreiben. In diesem Fall wird freilich die Pairskammer das Gesetz wahrscheinlich verwerfen, und bei der Sophisterei, welche die Börsenspieler in die ganze Rententheorie eingeführt haben, und die gegenwärtig ungemäßigter ist als je, wird sie sehr wohl daran thun. Die Lieblingstheorie des Tages darüber ist die Abschaffung des Amortissements und Herabsetzung des Zinses mit Erhöhung des nominalen Capitals, d. h. die Verewigung und unbeschränkte Vergrößerung der Schuld, bis der unvermeidliche Staatsbankerott nach einem Kriege ihr ein Ende machen würde. &#x2013; Der Abbé Genoude, Eigenthümer der Gazette de France, ist aus Rom zurückgekommen, wohin er gegangen war, um vom Papst eine Bulle zu erhalten, welche ihm erlaubte, den Orden der Oratorier wieder zu errichten. Er hat keine Bulle erhalten, aber der Papst sagte ihm, daß der Orden bestehe, und ihm keine Wiedereinführung in Frankreich angenehm seyn würde. Genoude hat schon vor einiger Zeit ein Schloß gekauft, aus dem er den Sitz seines Klosters machen will. Die Oratorier sind ein weltlicher Orden, die Mitglieder nehmen die Gelübde nicht, und können wieder austreten und heirathen. Der gegenwärtige neukatholische Eifer hat schon mehrere Plane dieser Art hervorgerufen. So ist vor einigen Jahren im Süden ein Benedictinerkloster gestiftet worden, das nach der Sitte der Weltkinder Frankreich mit Prospectus überschwemmte, aber seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Ich zweifle, ob die Oratorier besser gedeihen werden, denn hier, wo die Feder regiert, und Gelehrte Minister und Gesandte werden, braucht die Gelehrsamkeit den Schutz der Klöster nicht mehr. &#x2013; Es scheint, man hat in Sachsen die französischen Maaße und Gewichte eingeführt, aber man hätte wohl besser daran gethan, zuerst abzuwarten wie es hier damit geht. Wenn man die unglaubliche Unbequemlichkeit derselben im gemeinen Leben beobachtet hätte, so würde man ein rationelleres System vorgezogen haben. Die Combination hier ist so verkehrt, und die Störung, welche das Gesetz ins tägliche Leben bringt, der Art, daß es nothwendig eine Modification erleiden muß. Jedenfalls haben die übrigen deutschen Staaten sehr wohl daran gethan sich zu weigern, das französische System anzunehmen. &#x2013; Die honneten Absichten von Hrn. Teste in der Regulirung des Stellenverkaufs der Notare etc., werden wahrscheinlich zu nichts führen, ihn eher nöthigen seine Entlassung zu geben. Der Grund ist, daß die Notare in den Provinzen einen größern Einfluß auf die Wahlen haben als irgend eine andere Classe, daher die Schwierigkeit, sie anzutasten. Das Uebel ist sehr groß, aber der Minister scheint die Reform nicht auf der rechten Seite angefangen zu haben: er will die Verkaufspreise durch die Gerichte bestimmen lassen, damit nicht unmäßige Preise, welche die Notare für ihre Stellen bezahlt hätten, sie zu Erpressungen gegen ihre Clienten trieben. Es wäre vielleicht am sichersten gewesen, die Tarife zu reduciren, und die Aufsicht der Gerichte auf die Notariatskosten von Acten und Processen zu schärfen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>&#x2643;</head>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 5 Febr.</dateline>
          <p> Diesen Abend ist großes Festmahl bei Hof; 350 Personen sind geladen, die sich später zum Ball verfügen, wozu 4000 Einladungskarten ausgeschickt wurden. Auber wird beim Banket die Musik dirigiren. Bei dieser Gelegenheit wird wahrscheinlich schon heute Abend die Ernennung Guizots zum Grafen dem Publicum insinuirt werden. Herzog Descazes, als Großreferendär, hat sich dieser Angelegenheit halber schon gestern mit Guizot zum König verfügt; diese Standeserhöhung soll den neuen Gesandten mit Bresson und Pontois auf gleiche Stufe setzen. Die Doctrinäre jubeln und Thiers lächelt. Als Bouquet melde ich Ihnen heute das Gerücht, daß Schneider aus dem Ministerium treten, Soult Kriegsminister werden, übrigens die Präsidentur behalten soll. Der Herzog v. Broglie soll das Ministerium der äußern Angelegenheiten übernehmen; man erwartet denselben schon Montag in Paris.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>*</head>
          <dateline><hi rendition="#b">Lyon,</hi> 4 Febr.</dateline>
          <p> Das hiesige Haus Etienne Gautier, welches früher schon die Geschäfte des Pascha's von Aegypten in Frankreich leitete, ihm Schiffe bauen, die jungen hierselbst studirenden Araber bilden ließ, hat aus Aegypten Nachrichten erhalten, nach welchen der Pascha durchaus nicht nachzugeben gesonnen wäre. Vielmehr herrschte in Kairo die größte Thätigkeit, eine Art Nationalgarde oder Landwehr ist gebildet, und wird ununterbrochen in den Waffen geübt. Die Anführer sind größtentheils fanatische Muselmänner, denen man den ausbrechenden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0323/0002] „Sir R. Peel sprach als Staatsmann und fast in denselben Worten wie Hr. Thiers von den großen Interessen, die es für Frankreich und England zur Pflicht machen, verbündet zu bleiben. Er hat das englische Ministerium gewissermaßen verantwortlich gemacht für die Symptome der Unzufriedenheit, die deren Politik in Frankreich hervorgerufen. Eine bessere Kritik der zwischen Lord Palmerston und Hrn. v. Brunnow gespielten Intrigue ließ sich nicht geben, als in diesen leise andeutenden Worten liegt. Aber wird man auf Sir R. Peel hören, und dürfen wir glauben, daß es unter den Tories hellsehendere und dem französischen Bündniß treuere Männer gibt, als die Whigs?“ Hinsichtlich der Ernennung Guizots bemerkt dieses Blatt: „Obgleich die politischen Meinungsverschiedenheiten, die uns von Hrn. Guizot trennen, so stark sind wie immer, so sollen Parteirücksichten uns doch nicht hindern, einer Mission aufrichtig Glück zu wünschen, die in dem Interesse des englisch-französischen Bündnisses liegt.“ – Der Constitutionnel äußert, Peel habe von Frankreich in sehr schicklichen Worten gesprochen, die einen erfreulichen Gegensatz bilden, nicht nur zu dem Tone der Torypresse, sondern auch zu den Handlungen Lord Palmerstons und der leidenschaftlichen Polemik der Whigorgane. – Das Débats sagt: „Solchen Gesinnungen, in solchen Worten ausgedrückt, stimmen wir mit Freuden bei. Möge die englische Presse den Geist derselben aufnehmen und jener Bitterkeit entsagen, die eine Störung der früheren Verhältnisse zwischen den beiden Ländern zu bezwecken schien. Zugleich können wir nicht umhin, die Hoffnung auszudrücken, Lord Palmerston werde durch seine übergroße Befangenheit (préoccupation excessive) sich nicht haben verhindern lassen, von Bemerkungen Nutzen zu ziehen, welche die ernsteste Beachtung verdienen.“ Der Temps spricht sich in ähnlichem Sinne aus. * Paris, 4 Febr. Die Lage des Ministeriums in der Kammer ist nicht glänzend, und von den Gesetzen, an denen es am meisten hängt, werden nur wenige durchgehen. Als Hr. Bresson vorgestern die Erhöhung des Zolls auf Linnengarn vorschlug, ging Dufaure in den Bänken der Deputirten herum, zu erklären, daß das Cabinet seine Entlassung nehme, wenn der Vorschlag in Berathung genommen werde, und dieser Sturm wurde auch für den Augenblick gelegt, aber nur um sich in einigen Wochen wieder zu erheben. Das Gesetz über den Zuckertarif ist so gut als verworfen; es ist auch einer Nation viel zugemuthet, 40 Millionen Entschädigung zu bezahlen, um sich einer Industrie zu berauben und dafür ihren Zucker theurer zu bezahlen. Man hat die Verwirrung der Interessen in dieser Frage so weit kommen lassen, daß sich kein gutes Gesetz darüber machen läßt, aber ein unhaltbareres als das vorgeschlagene war nicht leicht zu erfinden. Dagegen scheint Hr. Passy in der Reduction der Renten einen größeren Erfolg zu haben, als er wünscht, denn wahrscheinlich wird die Kammer sie ihm nicht nur erlauben, wie er vorschlägt, sondern vorschreiben. In diesem Fall wird freilich die Pairskammer das Gesetz wahrscheinlich verwerfen, und bei der Sophisterei, welche die Börsenspieler in die ganze Rententheorie eingeführt haben, und die gegenwärtig ungemäßigter ist als je, wird sie sehr wohl daran thun. Die Lieblingstheorie des Tages darüber ist die Abschaffung des Amortissements und Herabsetzung des Zinses mit Erhöhung des nominalen Capitals, d. h. die Verewigung und unbeschränkte Vergrößerung der Schuld, bis der unvermeidliche Staatsbankerott nach einem Kriege ihr ein Ende machen würde. – Der Abbé Genoude, Eigenthümer der Gazette de France, ist aus Rom zurückgekommen, wohin er gegangen war, um vom Papst eine Bulle zu erhalten, welche ihm erlaubte, den Orden der Oratorier wieder zu errichten. Er hat keine Bulle erhalten, aber der Papst sagte ihm, daß der Orden bestehe, und ihm keine Wiedereinführung in Frankreich angenehm seyn würde. Genoude hat schon vor einiger Zeit ein Schloß gekauft, aus dem er den Sitz seines Klosters machen will. Die Oratorier sind ein weltlicher Orden, die Mitglieder nehmen die Gelübde nicht, und können wieder austreten und heirathen. Der gegenwärtige neukatholische Eifer hat schon mehrere Plane dieser Art hervorgerufen. So ist vor einigen Jahren im Süden ein Benedictinerkloster gestiftet worden, das nach der Sitte der Weltkinder Frankreich mit Prospectus überschwemmte, aber seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Ich zweifle, ob die Oratorier besser gedeihen werden, denn hier, wo die Feder regiert, und Gelehrte Minister und Gesandte werden, braucht die Gelehrsamkeit den Schutz der Klöster nicht mehr. – Es scheint, man hat in Sachsen die französischen Maaße und Gewichte eingeführt, aber man hätte wohl besser daran gethan, zuerst abzuwarten wie es hier damit geht. Wenn man die unglaubliche Unbequemlichkeit derselben im gemeinen Leben beobachtet hätte, so würde man ein rationelleres System vorgezogen haben. Die Combination hier ist so verkehrt, und die Störung, welche das Gesetz ins tägliche Leben bringt, der Art, daß es nothwendig eine Modification erleiden muß. Jedenfalls haben die übrigen deutschen Staaten sehr wohl daran gethan sich zu weigern, das französische System anzunehmen. – Die honneten Absichten von Hrn. Teste in der Regulirung des Stellenverkaufs der Notare etc., werden wahrscheinlich zu nichts führen, ihn eher nöthigen seine Entlassung zu geben. Der Grund ist, daß die Notare in den Provinzen einen größern Einfluß auf die Wahlen haben als irgend eine andere Classe, daher die Schwierigkeit, sie anzutasten. Das Uebel ist sehr groß, aber der Minister scheint die Reform nicht auf der rechten Seite angefangen zu haben: er will die Verkaufspreise durch die Gerichte bestimmen lassen, damit nicht unmäßige Preise, welche die Notare für ihre Stellen bezahlt hätten, sie zu Erpressungen gegen ihre Clienten trieben. Es wäre vielleicht am sichersten gewesen, die Tarife zu reduciren, und die Aufsicht der Gerichte auf die Notariatskosten von Acten und Processen zu schärfen. ♃ Paris, 5 Febr. Diesen Abend ist großes Festmahl bei Hof; 350 Personen sind geladen, die sich später zum Ball verfügen, wozu 4000 Einladungskarten ausgeschickt wurden. Auber wird beim Banket die Musik dirigiren. Bei dieser Gelegenheit wird wahrscheinlich schon heute Abend die Ernennung Guizots zum Grafen dem Publicum insinuirt werden. Herzog Descazes, als Großreferendär, hat sich dieser Angelegenheit halber schon gestern mit Guizot zum König verfügt; diese Standeserhöhung soll den neuen Gesandten mit Bresson und Pontois auf gleiche Stufe setzen. Die Doctrinäre jubeln und Thiers lächelt. Als Bouquet melde ich Ihnen heute das Gerücht, daß Schneider aus dem Ministerium treten, Soult Kriegsminister werden, übrigens die Präsidentur behalten soll. Der Herzog v. Broglie soll das Ministerium der äußern Angelegenheiten übernehmen; man erwartet denselben schon Montag in Paris. * Lyon, 4 Febr. Das hiesige Haus Etienne Gautier, welches früher schon die Geschäfte des Pascha's von Aegypten in Frankreich leitete, ihm Schiffe bauen, die jungen hierselbst studirenden Araber bilden ließ, hat aus Aegypten Nachrichten erhalten, nach welchen der Pascha durchaus nicht nachzugeben gesonnen wäre. Vielmehr herrschte in Kairo die größte Thätigkeit, eine Art Nationalgarde oder Landwehr ist gebildet, und wird ununterbrochen in den Waffen geübt. Die Anführer sind größtentheils fanatische Muselmänner, denen man den ausbrechenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_041_18400210
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_041_18400210/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 41. Augsburg, 10. Februar 1840, S. 0323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_041_18400210/2>, abgerufen am 03.12.2024.