Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840.erschien eine feindliche Cavalleriemasse am Fuße des Löwengebirgs. Mustapha-ben-Ismael benachrichtigte den General Guehenneuc, worauf dieser gegen den Feind marschirte. Es entspann sich ein Reitergefecht, welches den Arabern gegen fünfzig Todte kostete. Die Araber zogen sich zurück, ohne daß unsere Infanterie zum Schuß kam. Wir hatten einen Todten und zwölf Verwundete. General Guehenneuc lobt sehr das Benehmen des Generals Mustapha und des Aga's El-Mezari. - General Galbois meldet mir, daß in der Provinz Constantine Alles ruhig sey. Der Scheik el-Arab hat den Khalifa Abd-El-Kaders in der Wüste geschlagen und ihm 25 Mann getödtet. Zu Dschidschelli zeigen sich die Kabylen weniger feindselig, als bisher. Zu Budschia haben die Mezzaia seit dem 7 Jan. nicht mehr auf unsere Blockhäuser geschossen. Obrist Dubaret de Lince geht heute nach Budschia ab, um das Obercommando dieses Platzes zu übernehmen." Paris, 2 Februar. Guizot in England, im Geist und Sinn der englischen Aristokratie gebildet, wird dem männlichen Theile des englischen politischen Publicums anstehen, aber dem eleganten haut monde höchst mißfallen. Er hat kein Vermögen, ist unverehelicht (Wittwer zweier Frauen), versteht nicht ein großes Haus zu machen, spielt nicht, hat keinen großen Ton, nichts von der vornehmen Welt, und möchte sich doch die Airs ihrer Superiorität geben. Aber er hat einen großen Namen bei Lord Lansdowne, ist gesetzt, gilt für einen Freund der politischen Schule der Madame de Stael und einen Bewunderer Englands. Sebastiani, sein Vorgänger, war vor Jahren ein schlauer Corse, aber ein hohler Kopf, was die Gedanken betrifft, besser für Intriguen gebildet als für Staatsgeschäfte. Die englische fashionable Welt wird die Gewichtigkeit Sebastiani's vermissen, die englische politische Welt den Ernst Guizots schätzen lernen. ** Paris, 2 Febr. Wenn Hr. Guizot nach London kommt, so geschieht es wegen der orientalischen Angelegenheiten. Europa würde sehr Unrecht haben, wenn es die Macht und den Einfluß Frankreichs nicht gehörig würdigen wollte. Wir wollen uns nicht brüsten, nicht an unsern alten Ruhm und die Stellung, die wir in früheren Zeiten eingenommen haben, erinnern; man darf sich aber nicht einbilden, daß Mäßigung Schwäche sey. Die französische Regierung hat sich seit 1830 eine doppelte Aufgabe gesetzt: die Ordnung und den Frieden. Sie hat die Ordnung im Innern festgestellt, die Leidenschaften bezähmt, welche Europa bedrohen konnten. Sie hat den Frieden durch treue Vollziehung der Tractate aufrecht erhalten. Diese beiden Dienste wurden im Angesicht aller Cabinette geleistet. Jetzt ist Frankreich pacificirt, und kann sich ruhig mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigen. Die Sachen sind so weit gekommen, daß die Kammern nicht einmal mehr eine förmlich ausgesprochene Opposition haben, und daß alle Gewalten sich in den Händen der Regierung concentriren. Man glaube nicht, daß wir hier das Lob des Ministeriums singen wollen; wir führen nur die Thatsachen so an, wie sie in die Augen springen. Aus dieser Lage geht hervor, daß Frankreich bei seinem gegenwärtigen Zustande, wann es nur immer will, haben kann: 1) alle Geldmittel, die ihm für die größte Entwickelung seiner Kraft nöthig seyn möchten; 2) alle Aushebungen, die bei dem ungeheuern System der Conscription in sechs Monaten zu Stande gebracht werden können; 3) eine Vergrößerung seiner Seemacht, wobei sich die französische Flagge mit jedem Geschwader messen könnte. Endlich würden bei dem ersten Aufruf, der im Namen des Vaterlandes erlassen würde, alle Meinungen sich ausgleichen, und zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, zur Vertheidigung der Interessen und der Ehre der Nation, sich vereinen. Fern sey von mir jede Art von Drohung oder Prahlerei; ich will nur den falschen Berichten begegnen, die man etwa über den Zustand und die Lage der Staatsgewalt in Frankreich ausstreuen möchte. Es ist ausgemacht, daß der Zustand des Friedens für ganz Europa und besonders für Frankreich von großem Nutzen ist; man darf aber nicht daraus schließen, daß das große Gewicht, welches wir in die Wagschale legen können, mißkannt werden dürfe. Was speciell die Unterhandlungen des Hrn. v. Brunnow zu London betrifft, so zweifle ich noch sehr daran, daß die Ausgleichung, von der die englischen Journale so viel sprechen, abgeschlossen sey; wenn sie abgeschlossen wäre, müßte offenbar Rußland Concessionen gemacht haben. Diese Concessionen müßten nun aber von der Art seyn, daß sie der Hoffnung entsprächen, welche alle dabei interessirten Parteien über die Modification des Tractats, welcher die Unabhängigkeit aller Flaggen im Bosporus verletzt, hegen konnten. Es wäre merkwürdig, wenn ein englischer Minister, wie die Journale behaupten, einwilligte, daß die Russen von Konstantinopel Besitz ergreifen; es wäre eben so merkwürdig, wenn ein englisches Geschwader mit Erlaubniß Rußlands in den Bosporus einliefe. Dieß hieße nicht so gehandelt, wie man zu den Zeiten Nelsons gehandelt hat. Es wäre noch merkwürdiger, wenn die osmanische Pforte, unter dem Vorwande sich beschützen zu lassen, den Russen erlaubte, die Sophienkirche zu besetzen und der brittischen Flagge vor den sieben Thürmen zu kreuzen. Das wäre ein seltsamer Schutz. Was müßte der Divan aus solchen Stipulationen schließen? Wie könnte Oesterreich, das kluge Oesterreich, die verbleichte Stellung annehmen, die ihm ein zwischen England und Rußland abgeschlossener Tractat bereiten würde? Das Wiener Cabinet hatte die Conferenzen in Wien gewünscht, und Alles sollte sich nun in London endigen? Das Uebergewicht fiele dann ausschließlich Rußland und England zu, und selbst Frankreich ist noch weniger dabei interessirt, dieß zu verhindern, als Oesterreich, zu dessen Aufgabe es immer gehörte, einen großen Einfluß in Konstantinopel zu wahren. Wovon handelt es sich denn? Die Eroberungen des Pascha's zu verhindern, den Eingriffen seines Ehrgeizes Einhalt zu thun. Und dazu will Rußland Konstantinopel und England Alexandrien besetzen! Geht man etwas tiefer in die Geschichte ein, so könnte man hier etwas Anderes, als einen bloßen der Pforte vortheilhaften Schutz finden. Darüber ließen sich in den Acten der auswärtigen Departements alte Entwürfe vorfinden. Dieß muß Oesterreich so gut wie die Pforte wissen. Es wäre ein wahres Unglück, wenn unsere Lage falsch von Europa verstanden würde. Die französische Regierung hat aus Einsicht und aus Pflicht ein friedliches System befolgt, sie hält die hitzigen Meinungen in Frankreich, die mächtiger sind als man glaubt, und die gährenden Leidenschaften im Zaume. So wie man sie aber bei den großen Interessen von Europa auf die Seite schieben und ihren Einfluß mißkennen wollte, so bliebe Frankreich nichts übrig, als auf sich selbst zurückzugehen und seine Elemente der Kraft zu entwickeln. Dabei darf sich Jedermann in Acht nehmen; denn die Gefahren drohen dann nicht uns allein. Oesterreich und Frankreich haben ein gemeinschaftliches Interesse bei dieser Unterhandlung, und es ließen sich große Resultate erwarten, wenn London sich dazu gesellte. Jedes andere System dient zur Verwirklichung der Plane Katharinens II, und es wäre traurig, Lord Palmerston zu einem solchen Werke die Hand bieten zu sehen. ** Paris, 3 Febr. Die vom Commerce gestern gegebene Nachricht, es sey von Rußland das Anerbieten an das englische Cabinet gemacht worden, Polen eine Art von besonderer Verfassung zu geben, um so die öffentliche Meinung in England erschien eine feindliche Cavalleriemasse am Fuße des Löwengebirgs. Mustapha-ben-Ismael benachrichtigte den General Guehenneuc, worauf dieser gegen den Feind marschirte. Es entspann sich ein Reitergefecht, welches den Arabern gegen fünfzig Todte kostete. Die Araber zogen sich zurück, ohne daß unsere Infanterie zum Schuß kam. Wir hatten einen Todten und zwölf Verwundete. General Guehenneuc lobt sehr das Benehmen des Generals Mustapha und des Aga's El-Mezari. – General Galbois meldet mir, daß in der Provinz Constantine Alles ruhig sey. Der Scheik el-Arab hat den Khalifa Abd-El-Kaders in der Wüste geschlagen und ihm 25 Mann getödtet. Zu Dschidschelli zeigen sich die Kabylen weniger feindselig, als bisher. Zu Budschia haben die Mezzaia seit dem 7 Jan. nicht mehr auf unsere Blockhäuser geschossen. Obrist Dubaret de Lincé geht heute nach Budschia ab, um das Obercommando dieses Platzes zu übernehmen.“ ✝ Paris, 2 Februar. Guizot in England, im Geist und Sinn der englischen Aristokratie gebildet, wird dem männlichen Theile des englischen politischen Publicums anstehen, aber dem eleganten haut monde höchst mißfallen. Er hat kein Vermögen, ist unverehelicht (Wittwer zweier Frauen), versteht nicht ein großes Haus zu machen, spielt nicht, hat keinen großen Ton, nichts von der vornehmen Welt, und möchte sich doch die Airs ihrer Superiorität geben. Aber er hat einen großen Namen bei Lord Lansdowne, ist gesetzt, gilt für einen Freund der politischen Schule der Madame de Staël und einen Bewunderer Englands. Sebastiani, sein Vorgänger, war vor Jahren ein schlauer Corse, aber ein hohler Kopf, was die Gedanken betrifft, besser für Intriguen gebildet als für Staatsgeschäfte. Die englische fashionable Welt wird die Gewichtigkeit Sebastiani's vermissen, die englische politische Welt den Ernst Guizots schätzen lernen. ** Paris, 2 Febr. Wenn Hr. Guizot nach London kommt, so geschieht es wegen der orientalischen Angelegenheiten. Europa würde sehr Unrecht haben, wenn es die Macht und den Einfluß Frankreichs nicht gehörig würdigen wollte. Wir wollen uns nicht brüsten, nicht an unsern alten Ruhm und die Stellung, die wir in früheren Zeiten eingenommen haben, erinnern; man darf sich aber nicht einbilden, daß Mäßigung Schwäche sey. Die französische Regierung hat sich seit 1830 eine doppelte Aufgabe gesetzt: die Ordnung und den Frieden. Sie hat die Ordnung im Innern festgestellt, die Leidenschaften bezähmt, welche Europa bedrohen konnten. Sie hat den Frieden durch treue Vollziehung der Tractate aufrecht erhalten. Diese beiden Dienste wurden im Angesicht aller Cabinette geleistet. Jetzt ist Frankreich pacificirt, und kann sich ruhig mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigen. Die Sachen sind so weit gekommen, daß die Kammern nicht einmal mehr eine förmlich ausgesprochene Opposition haben, und daß alle Gewalten sich in den Händen der Regierung concentriren. Man glaube nicht, daß wir hier das Lob des Ministeriums singen wollen; wir führen nur die Thatsachen so an, wie sie in die Augen springen. Aus dieser Lage geht hervor, daß Frankreich bei seinem gegenwärtigen Zustande, wann es nur immer will, haben kann: 1) alle Geldmittel, die ihm für die größte Entwickelung seiner Kraft nöthig seyn möchten; 2) alle Aushebungen, die bei dem ungeheuern System der Conscription in sechs Monaten zu Stande gebracht werden können; 3) eine Vergrößerung seiner Seemacht, wobei sich die französische Flagge mit jedem Geschwader messen könnte. Endlich würden bei dem ersten Aufruf, der im Namen des Vaterlandes erlassen würde, alle Meinungen sich ausgleichen, und zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, zur Vertheidigung der Interessen und der Ehre der Nation, sich vereinen. Fern sey von mir jede Art von Drohung oder Prahlerei; ich will nur den falschen Berichten begegnen, die man etwa über den Zustand und die Lage der Staatsgewalt in Frankreich ausstreuen möchte. Es ist ausgemacht, daß der Zustand des Friedens für ganz Europa und besonders für Frankreich von großem Nutzen ist; man darf aber nicht daraus schließen, daß das große Gewicht, welches wir in die Wagschale legen können, mißkannt werden dürfe. Was speciell die Unterhandlungen des Hrn. v. Brunnow zu London betrifft, so zweifle ich noch sehr daran, daß die Ausgleichung, von der die englischen Journale so viel sprechen, abgeschlossen sey; wenn sie abgeschlossen wäre, müßte offenbar Rußland Concessionen gemacht haben. Diese Concessionen müßten nun aber von der Art seyn, daß sie der Hoffnung entsprächen, welche alle dabei interessirten Parteien über die Modification des Tractats, welcher die Unabhängigkeit aller Flaggen im Bosporus verletzt, hegen konnten. Es wäre merkwürdig, wenn ein englischer Minister, wie die Journale behaupten, einwilligte, daß die Russen von Konstantinopel Besitz ergreifen; es wäre eben so merkwürdig, wenn ein englisches Geschwader mit Erlaubniß Rußlands in den Bosporus einliefe. Dieß hieße nicht so gehandelt, wie man zu den Zeiten Nelsons gehandelt hat. Es wäre noch merkwürdiger, wenn die osmanische Pforte, unter dem Vorwande sich beschützen zu lassen, den Russen erlaubte, die Sophienkirche zu besetzen und der brittischen Flagge vor den sieben Thürmen zu kreuzen. Das wäre ein seltsamer Schutz. Was müßte der Divan aus solchen Stipulationen schließen? Wie könnte Oesterreich, das kluge Oesterreich, die verbleichte Stellung annehmen, die ihm ein zwischen England und Rußland abgeschlossener Tractat bereiten würde? Das Wiener Cabinet hatte die Conferenzen in Wien gewünscht, und Alles sollte sich nun in London endigen? Das Uebergewicht fiele dann ausschließlich Rußland und England zu, und selbst Frankreich ist noch weniger dabei interessirt, dieß zu verhindern, als Oesterreich, zu dessen Aufgabe es immer gehörte, einen großen Einfluß in Konstantinopel zu wahren. Wovon handelt es sich denn? Die Eroberungen des Pascha's zu verhindern, den Eingriffen seines Ehrgeizes Einhalt zu thun. Und dazu will Rußland Konstantinopel und England Alexandrien besetzen! Geht man etwas tiefer in die Geschichte ein, so könnte man hier etwas Anderes, als einen bloßen der Pforte vortheilhaften Schutz finden. Darüber ließen sich in den Acten der auswärtigen Departements alte Entwürfe vorfinden. Dieß muß Oesterreich so gut wie die Pforte wissen. Es wäre ein wahres Unglück, wenn unsere Lage falsch von Europa verstanden würde. Die französische Regierung hat aus Einsicht und aus Pflicht ein friedliches System befolgt, sie hält die hitzigen Meinungen in Frankreich, die mächtiger sind als man glaubt, und die gährenden Leidenschaften im Zaume. So wie man sie aber bei den großen Interessen von Europa auf die Seite schieben und ihren Einfluß mißkennen wollte, so bliebe Frankreich nichts übrig, als auf sich selbst zurückzugehen und seine Elemente der Kraft zu entwickeln. Dabei darf sich Jedermann in Acht nehmen; denn die Gefahren drohen dann nicht uns allein. Oesterreich und Frankreich haben ein gemeinschaftliches Interesse bei dieser Unterhandlung, und es ließen sich große Resultate erwarten, wenn London sich dazu gesellte. Jedes andere System dient zur Verwirklichung der Plane Katharinens II, und es wäre traurig, Lord Palmerston zu einem solchen Werke die Hand bieten zu sehen. ** Paris, 3 Febr. Die vom Commerce gestern gegebene Nachricht, es sey von Rußland das Anerbieten an das englische Cabinet gemacht worden, Polen eine Art von besonderer Verfassung zu geben, um so die öffentliche Meinung in England <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="0316"/> erschien eine feindliche Cavalleriemasse am Fuße des Löwengebirgs. Mustapha-ben-Ismael benachrichtigte den General Guehenneuc, worauf dieser gegen den Feind marschirte. Es entspann sich ein Reitergefecht, welches den Arabern gegen fünfzig Todte kostete. Die Araber zogen sich zurück, ohne daß unsere Infanterie zum Schuß kam. Wir hatten einen Todten und zwölf Verwundete. General Guehenneuc lobt sehr das Benehmen des Generals Mustapha und des Aga's El-Mezari. – General Galbois meldet mir, daß in der Provinz Constantine Alles ruhig sey. Der Scheik el-Arab hat den Khalifa Abd-El-Kaders in der Wüste geschlagen und ihm 25 Mann getödtet. Zu Dschidschelli zeigen sich die Kabylen weniger feindselig, als bisher. Zu Budschia haben die Mezzaia seit dem 7 Jan. nicht mehr auf unsere Blockhäuser geschossen. Obrist Dubaret de Lincé geht heute nach Budschia ab, um das Obercommando dieses Platzes zu übernehmen.“</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>✝</head> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 2 Februar.</dateline> <p> Guizot in England, im Geist und Sinn der englischen Aristokratie gebildet, wird dem männlichen Theile des englischen politischen Publicums anstehen, aber dem eleganten haut monde höchst mißfallen. Er hat kein Vermögen, ist unverehelicht (Wittwer zweier Frauen), versteht nicht ein großes Haus zu machen, spielt nicht, hat keinen großen Ton, nichts von der vornehmen Welt, und möchte sich doch die Airs ihrer Superiorität geben. Aber er hat einen großen Namen bei Lord Lansdowne, ist gesetzt, gilt für einen Freund der politischen Schule der Madame de Staël und einen Bewunderer Englands. Sebastiani, sein Vorgänger, war vor Jahren ein schlauer Corse, aber ein hohler Kopf, was die Gedanken betrifft, besser für Intriguen gebildet als für Staatsgeschäfte. Die englische fashionable Welt wird die Gewichtigkeit Sebastiani's vermissen, die englische politische Welt den Ernst Guizots schätzen lernen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>**</head> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 2 Febr.</dateline> <p> Wenn Hr. Guizot nach London kommt, so geschieht es wegen der orientalischen Angelegenheiten. Europa würde sehr Unrecht haben, wenn es die Macht und den Einfluß Frankreichs nicht gehörig würdigen wollte. Wir wollen uns nicht brüsten, nicht an unsern alten Ruhm und die Stellung, die wir in früheren Zeiten eingenommen haben, erinnern; man darf sich aber nicht einbilden, daß Mäßigung Schwäche sey. Die französische Regierung hat sich seit 1830 eine doppelte Aufgabe gesetzt: die Ordnung und den Frieden. Sie hat die Ordnung im Innern festgestellt, die Leidenschaften bezähmt, welche Europa bedrohen konnten. Sie hat den Frieden durch treue Vollziehung der Tractate aufrecht erhalten. Diese beiden Dienste wurden im Angesicht aller Cabinette geleistet. Jetzt ist Frankreich pacificirt, und kann sich ruhig mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigen. Die Sachen sind so weit gekommen, daß die Kammern nicht einmal mehr eine förmlich ausgesprochene Opposition haben, und daß alle Gewalten sich in den Händen der Regierung concentriren. Man glaube nicht, daß wir hier das Lob des Ministeriums singen wollen; wir führen nur die Thatsachen so an, wie sie in die Augen springen. Aus dieser Lage geht hervor, daß Frankreich bei seinem gegenwärtigen Zustande, wann es nur immer will, haben kann: 1) alle Geldmittel, die ihm für die größte Entwickelung seiner Kraft nöthig seyn möchten; 2) alle Aushebungen, die bei dem ungeheuern System der Conscription in sechs Monaten zu Stande gebracht werden können; 3) eine Vergrößerung seiner Seemacht, wobei sich die französische Flagge mit jedem Geschwader messen könnte. Endlich würden bei dem ersten Aufruf, der im Namen des Vaterlandes erlassen würde, alle Meinungen sich ausgleichen, und zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, zur Vertheidigung der Interessen und der Ehre der Nation, sich vereinen. Fern sey von mir jede Art von Drohung oder Prahlerei; ich will nur den falschen Berichten begegnen, die man etwa über den Zustand und die Lage der Staatsgewalt in Frankreich ausstreuen möchte. Es ist ausgemacht, daß der Zustand des Friedens für ganz Europa und besonders für Frankreich von großem Nutzen ist; man darf aber nicht daraus schließen, daß das große Gewicht, welches wir in die Wagschale legen können, mißkannt werden dürfe. Was speciell die Unterhandlungen des Hrn. v. Brunnow zu London betrifft, so zweifle ich noch sehr daran, daß die Ausgleichung, von der die englischen Journale so viel sprechen, abgeschlossen sey; wenn sie abgeschlossen wäre, müßte offenbar Rußland Concessionen gemacht haben. Diese Concessionen müßten nun aber von der Art seyn, daß sie der Hoffnung entsprächen, welche alle dabei interessirten Parteien über die Modification des Tractats, welcher die Unabhängigkeit aller Flaggen im Bosporus verletzt, hegen konnten. 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Das Uebergewicht fiele dann ausschließlich Rußland und England zu, und selbst Frankreich ist noch weniger dabei interessirt, dieß zu verhindern, als Oesterreich, zu dessen Aufgabe es immer gehörte, einen großen Einfluß in Konstantinopel zu wahren. Wovon handelt es sich denn? Die Eroberungen des Pascha's zu verhindern, den Eingriffen seines Ehrgeizes Einhalt zu thun. Und dazu will Rußland Konstantinopel und England Alexandrien besetzen! Geht man etwas tiefer in die Geschichte ein, so könnte man hier etwas Anderes, als einen bloßen der Pforte vortheilhaften Schutz finden. Darüber ließen sich in den Acten der auswärtigen Departements alte Entwürfe vorfinden. Dieß muß Oesterreich so gut wie die Pforte wissen. Es wäre ein wahres Unglück, wenn unsere Lage falsch von Europa verstanden würde. Die französische Regierung hat aus Einsicht und aus Pflicht ein friedliches System befolgt, sie hält die hitzigen Meinungen in Frankreich, die mächtiger sind als man glaubt, und die gährenden Leidenschaften im Zaume. So wie man sie aber bei den großen Interessen von Europa auf die Seite schieben und ihren Einfluß mißkennen wollte, so bliebe Frankreich nichts übrig, als auf sich selbst zurückzugehen und seine Elemente der Kraft zu entwickeln. Dabei darf sich Jedermann in Acht nehmen; denn die Gefahren drohen dann nicht uns allein. Oesterreich und Frankreich haben ein gemeinschaftliches Interesse bei dieser Unterhandlung, und es ließen sich große Resultate erwarten, wenn London sich dazu gesellte. 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erschien eine feindliche Cavalleriemasse am Fuße des Löwengebirgs. Mustapha-ben-Ismael benachrichtigte den General Guehenneuc, worauf dieser gegen den Feind marschirte. Es entspann sich ein Reitergefecht, welches den Arabern gegen fünfzig Todte kostete. Die Araber zogen sich zurück, ohne daß unsere Infanterie zum Schuß kam. Wir hatten einen Todten und zwölf Verwundete. General Guehenneuc lobt sehr das Benehmen des Generals Mustapha und des Aga's El-Mezari. – General Galbois meldet mir, daß in der Provinz Constantine Alles ruhig sey. Der Scheik el-Arab hat den Khalifa Abd-El-Kaders in der Wüste geschlagen und ihm 25 Mann getödtet. Zu Dschidschelli zeigen sich die Kabylen weniger feindselig, als bisher. Zu Budschia haben die Mezzaia seit dem 7 Jan. nicht mehr auf unsere Blockhäuser geschossen. Obrist Dubaret de Lincé geht heute nach Budschia ab, um das Obercommando dieses Platzes zu übernehmen.“
✝ Paris, 2 Februar. Guizot in England, im Geist und Sinn der englischen Aristokratie gebildet, wird dem männlichen Theile des englischen politischen Publicums anstehen, aber dem eleganten haut monde höchst mißfallen. Er hat kein Vermögen, ist unverehelicht (Wittwer zweier Frauen), versteht nicht ein großes Haus zu machen, spielt nicht, hat keinen großen Ton, nichts von der vornehmen Welt, und möchte sich doch die Airs ihrer Superiorität geben. Aber er hat einen großen Namen bei Lord Lansdowne, ist gesetzt, gilt für einen Freund der politischen Schule der Madame de Staël und einen Bewunderer Englands. Sebastiani, sein Vorgänger, war vor Jahren ein schlauer Corse, aber ein hohler Kopf, was die Gedanken betrifft, besser für Intriguen gebildet als für Staatsgeschäfte. Die englische fashionable Welt wird die Gewichtigkeit Sebastiani's vermissen, die englische politische Welt den Ernst Guizots schätzen lernen.
** Paris, 2 Febr. Wenn Hr. Guizot nach London kommt, so geschieht es wegen der orientalischen Angelegenheiten. Europa würde sehr Unrecht haben, wenn es die Macht und den Einfluß Frankreichs nicht gehörig würdigen wollte. Wir wollen uns nicht brüsten, nicht an unsern alten Ruhm und die Stellung, die wir in früheren Zeiten eingenommen haben, erinnern; man darf sich aber nicht einbilden, daß Mäßigung Schwäche sey. Die französische Regierung hat sich seit 1830 eine doppelte Aufgabe gesetzt: die Ordnung und den Frieden. Sie hat die Ordnung im Innern festgestellt, die Leidenschaften bezähmt, welche Europa bedrohen konnten. Sie hat den Frieden durch treue Vollziehung der Tractate aufrecht erhalten. Diese beiden Dienste wurden im Angesicht aller Cabinette geleistet. Jetzt ist Frankreich pacificirt, und kann sich ruhig mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigen. Die Sachen sind so weit gekommen, daß die Kammern nicht einmal mehr eine förmlich ausgesprochene Opposition haben, und daß alle Gewalten sich in den Händen der Regierung concentriren. Man glaube nicht, daß wir hier das Lob des Ministeriums singen wollen; wir führen nur die Thatsachen so an, wie sie in die Augen springen. Aus dieser Lage geht hervor, daß Frankreich bei seinem gegenwärtigen Zustande, wann es nur immer will, haben kann: 1) alle Geldmittel, die ihm für die größte Entwickelung seiner Kraft nöthig seyn möchten; 2) alle Aushebungen, die bei dem ungeheuern System der Conscription in sechs Monaten zu Stande gebracht werden können; 3) eine Vergrößerung seiner Seemacht, wobei sich die französische Flagge mit jedem Geschwader messen könnte. Endlich würden bei dem ersten Aufruf, der im Namen des Vaterlandes erlassen würde, alle Meinungen sich ausgleichen, und zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, zur Vertheidigung der Interessen und der Ehre der Nation, sich vereinen. Fern sey von mir jede Art von Drohung oder Prahlerei; ich will nur den falschen Berichten begegnen, die man etwa über den Zustand und die Lage der Staatsgewalt in Frankreich ausstreuen möchte. Es ist ausgemacht, daß der Zustand des Friedens für ganz Europa und besonders für Frankreich von großem Nutzen ist; man darf aber nicht daraus schließen, daß das große Gewicht, welches wir in die Wagschale legen können, mißkannt werden dürfe. Was speciell die Unterhandlungen des Hrn. v. Brunnow zu London betrifft, so zweifle ich noch sehr daran, daß die Ausgleichung, von der die englischen Journale so viel sprechen, abgeschlossen sey; wenn sie abgeschlossen wäre, müßte offenbar Rußland Concessionen gemacht haben. Diese Concessionen müßten nun aber von der Art seyn, daß sie der Hoffnung entsprächen, welche alle dabei interessirten Parteien über die Modification des Tractats, welcher die Unabhängigkeit aller Flaggen im Bosporus verletzt, hegen konnten. Es wäre merkwürdig, wenn ein englischer Minister, wie die Journale behaupten, einwilligte, daß die Russen von Konstantinopel Besitz ergreifen; es wäre eben so merkwürdig, wenn ein englisches Geschwader mit Erlaubniß Rußlands in den Bosporus einliefe. Dieß hieße nicht so gehandelt, wie man zu den Zeiten Nelsons gehandelt hat. Es wäre noch merkwürdiger, wenn die osmanische Pforte, unter dem Vorwande sich beschützen zu lassen, den Russen erlaubte, die Sophienkirche zu besetzen und der brittischen Flagge vor den sieben Thürmen zu kreuzen. Das wäre ein seltsamer Schutz. Was müßte der Divan aus solchen Stipulationen schließen? Wie könnte Oesterreich, das kluge Oesterreich, die verbleichte Stellung annehmen, die ihm ein zwischen England und Rußland abgeschlossener Tractat bereiten würde? Das Wiener Cabinet hatte die Conferenzen in Wien gewünscht, und Alles sollte sich nun in London endigen? Das Uebergewicht fiele dann ausschließlich Rußland und England zu, und selbst Frankreich ist noch weniger dabei interessirt, dieß zu verhindern, als Oesterreich, zu dessen Aufgabe es immer gehörte, einen großen Einfluß in Konstantinopel zu wahren. Wovon handelt es sich denn? Die Eroberungen des Pascha's zu verhindern, den Eingriffen seines Ehrgeizes Einhalt zu thun. Und dazu will Rußland Konstantinopel und England Alexandrien besetzen! Geht man etwas tiefer in die Geschichte ein, so könnte man hier etwas Anderes, als einen bloßen der Pforte vortheilhaften Schutz finden. Darüber ließen sich in den Acten der auswärtigen Departements alte Entwürfe vorfinden. Dieß muß Oesterreich so gut wie die Pforte wissen. Es wäre ein wahres Unglück, wenn unsere Lage falsch von Europa verstanden würde. Die französische Regierung hat aus Einsicht und aus Pflicht ein friedliches System befolgt, sie hält die hitzigen Meinungen in Frankreich, die mächtiger sind als man glaubt, und die gährenden Leidenschaften im Zaume. So wie man sie aber bei den großen Interessen von Europa auf die Seite schieben und ihren Einfluß mißkennen wollte, so bliebe Frankreich nichts übrig, als auf sich selbst zurückzugehen und seine Elemente der Kraft zu entwickeln. Dabei darf sich Jedermann in Acht nehmen; denn die Gefahren drohen dann nicht uns allein. Oesterreich und Frankreich haben ein gemeinschaftliches Interesse bei dieser Unterhandlung, und es ließen sich große Resultate erwarten, wenn London sich dazu gesellte. Jedes andere System dient zur Verwirklichung der Plane Katharinens II, und es wäre traurig, Lord Palmerston zu einem solchen Werke die Hand bieten zu sehen.
** Paris, 3 Febr. Die vom Commerce gestern gegebene Nachricht, es sey von Rußland das Anerbieten an das englische Cabinet gemacht worden, Polen eine Art von besonderer Verfassung zu geben, um so die öffentliche Meinung in England
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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