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Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

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Augsburgerallgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 38.
7 Februar 1840.

Spanien.

Die Mißbräuche, welche die revolutionäre Partei mit der Preßfreiheit treibt, haben endlich dahin geführt, daß auch die ministeriellen Blätter ihr zurückhaltendes Stillschweigen brechen, und ohne Schonung den Schleier von einer Unterhandlung ziehen, die freilich bereits nicht mehr die nächste Gegenwart berührt, deren Enthüllung aber ein helles Licht auf die Gesinnungen des Mannes wirft, in dessen Händen das Schicksal dieses unglücklichen Landes eine Zeit lang schwebte. Noch vor kurzem schrieb Hr. Mendizabal sich selbst eine lange Schutzrede, in der er sich als den einzigen spanischen Staatsmann darstellte, der, fremden Einflüssen unzugänglich, sein Vaterland mit eignen Kräften gerettet haben würde, wenn nicht seine großartigen Plane an den Intriguen der Afrancesados und der Höflinge gescheitert wären. Worin nun aber der wahre Plan des neuen Colbert bestand, erfahren wir aus einem in dem gestrigen "Correo Nacional" enthaltenen Aufsatze, der auf bisher geheim gehaltenen amtlichen Quellen beruht. Ich lasse jetzt diesen Aufsatz selbst reden: "Worin bestand dieser Plan? worin das Vertrauensvotum? In der Erlaubniß, in die bedeutendsten Häfen der Halbinsel, mit Einschluß derer des mittelländischen Meeres, englische Baumwollenzeuge, die jetzt verboten sind, gegen eine Auflage von 25 Procent ihres Werthes, einzuführen; von der englischen Regierung eine Anleihe von 100 Millionen Realen (1 Mill. Pf. St.) zu erhalten, und den Ertrag der erwähnten Auflage zur Bezahlung der Zinsen und zur Tilgung des Anlehens zu verwenden. Der Plan war so weit vorgeschritten, daß schon am 2 Nov. 1835 zwischen Hrn. Villiers, englischem Gesandten, und und dem Hrn. D. Juan Alvarez y Mendizabal, eine Uebereinkunft zu Stande kam, in welcher die angegebenen Grundlagen festgesetzt wurden. Dieses Document war eigentlich eine Art von Protokoll der ersten zwischen den Unterhändlern stattgehabten Conferenz, und umfaßte nicht nur das Anleihegeschäft, das in Folge der Einfuhr von Baumwollenzeugen erfolgen sollte, sondern auch die ersten Unterhandlungen zum Behuf eines neuen Handelsvertrags, welcher die Häfen der Halbinsel den englischen Waaren jederlei Art mit großen Vortheilen für den Handel Großbritanniens zu öffnen bestimmt war. Zugleich bestimmte der Vertrag, daß in allen Häfen, welche in Folge des Anlehens der Einfuhr von Waaren geöffnet worden wären, vermischte, aus Spaniern und Engländern zusammengesetzte Commissionen errichtet werden sollten, um die für die erwähnten Waaren zu entrichtenden Abgaben zu erheben, und ausschließlich theils für die Zinsen und Tilgung des Anlehens, theils für eine Entschädigung zu verwenden, die man den Fabricanten Cataloniens vorschlagen wollte, und auf welche bereits gewisse industrielle Personen dieser Provinz, die jetzt in Madrid wohnen, und die Hr. Mendizabal auf seine Seite gebracht hatte, eingehen zu wollen schienen. Diese Entschädigung sollte sich nach dem Verhältniß des Schadens richten, welchen den erwähnten Fabricanten die bedungene Einfuhr von Waaren, mit deren Preisen und Eigenschaften die erst entstehende inländische Industrie nicht wetteifern konnte, verursachen würde. War dieses Document, das nur das erste Glied einer Kette von nachfolgenden und entsprechenden Verträgen seyn sollte, unterzeichnet und nach London geschickt, so glaubte Mendizabal, die englische Regierung würde sogleich einen ersten Vorschuß auf Rechnung des Anlehens leisten, und es wurden sogar auf London Wechsel gezogen, die durch jenen Vorschuß gedeckt werden sollten. Allein zu übler Stunde und noch schlimmer für Hrn. Mendizabal, wenn gleich zum großen Glücke für die Nation, kam die eingeleitete Unterhandlung zu Ohren des Grafen v. Rayneval, französischen Botschafters, und zwar (wer sollte es glauben?) durch die Intriguen eines Hrn. Progressisten, welchen beide Theile, die in der Uebereinkunft erschienen, um die Wette mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen beehrten und fortwährend beehren, und der von der Sache solche Anzeichen und Beweise schwarz auf weiß lieferte, daß kein Zweifel übrig blieb. *)*) Hr. v. Rayneval fertigte in aller Eile einen Courier an seinen Hof ab; die kräftigsten Vorstellungen von Seite des französischen Cabinets gelangten zur rechten Zeit nach London, um die Ratification des Vertrags und die so zuversichtlich erwartete erste Rimesse von Fonds zu verhindern. Anstatt dieser Rimesse erhielt man in Madrid eine Depesche Lord Palmerstons an Hrn. Villiers, worin es hieß, daß, da, wenigstens dem französischen Cabinette, das Geheimniß der Unterhandlungen verrathen worden sey, sich Verwicklungen und diplomatische Schwierigkeiten dargeboten hätten, welche die Verwirklichung des Plans für jetzt unmöglich machten. Dieß ist der Hergang der Sache, und wenn Hr.

*) Die hier bezeichnete Person wurde, auf Empfehlung desselben englischen Diplomaten, gerade vor einem Jahre zu einer vertraulichen Mission verwandt, und legte während und nach derselben eben solche Proben von Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit ab, wie bei der im Text angeführten Unterhandlung.
Anmerk. des Corresp.
Augsburgerallgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 38.
7 Februar 1840.

Spanien.

Die Mißbräuche, welche die revolutionäre Partei mit der Preßfreiheit treibt, haben endlich dahin geführt, daß auch die ministeriellen Blätter ihr zurückhaltendes Stillschweigen brechen, und ohne Schonung den Schleier von einer Unterhandlung ziehen, die freilich bereits nicht mehr die nächste Gegenwart berührt, deren Enthüllung aber ein helles Licht auf die Gesinnungen des Mannes wirft, in dessen Händen das Schicksal dieses unglücklichen Landes eine Zeit lang schwebte. Noch vor kurzem schrieb Hr. Mendizabal sich selbst eine lange Schutzrede, in der er sich als den einzigen spanischen Staatsmann darstellte, der, fremden Einflüssen unzugänglich, sein Vaterland mit eignen Kräften gerettet haben würde, wenn nicht seine großartigen Plane an den Intriguen der Afrancesados und der Höflinge gescheitert wären. Worin nun aber der wahre Plan des neuen Colbert bestand, erfahren wir aus einem in dem gestrigen „Correo Nacional“ enthaltenen Aufsatze, der auf bisher geheim gehaltenen amtlichen Quellen beruht. Ich lasse jetzt diesen Aufsatz selbst reden: „Worin bestand dieser Plan? worin das Vertrauensvotum? In der Erlaubniß, in die bedeutendsten Häfen der Halbinsel, mit Einschluß derer des mittelländischen Meeres, englische Baumwollenzeuge, die jetzt verboten sind, gegen eine Auflage von 25 Procent ihres Werthes, einzuführen; von der englischen Regierung eine Anleihe von 100 Millionen Realen (1 Mill. Pf. St.) zu erhalten, und den Ertrag der erwähnten Auflage zur Bezahlung der Zinsen und zur Tilgung des Anlehens zu verwenden. Der Plan war so weit vorgeschritten, daß schon am 2 Nov. 1835 zwischen Hrn. Villiers, englischem Gesandten, und und dem Hrn. D. Juan Alvarez y Mendizabal, eine Uebereinkunft zu Stande kam, in welcher die angegebenen Grundlagen festgesetzt wurden. Dieses Document war eigentlich eine Art von Protokoll der ersten zwischen den Unterhändlern stattgehabten Conferenz, und umfaßte nicht nur das Anleihegeschäft, das in Folge der Einfuhr von Baumwollenzeugen erfolgen sollte, sondern auch die ersten Unterhandlungen zum Behuf eines neuen Handelsvertrags, welcher die Häfen der Halbinsel den englischen Waaren jederlei Art mit großen Vortheilen für den Handel Großbritanniens zu öffnen bestimmt war. Zugleich bestimmte der Vertrag, daß in allen Häfen, welche in Folge des Anlehens der Einfuhr von Waaren geöffnet worden wären, vermischte, aus Spaniern und Engländern zusammengesetzte Commissionen errichtet werden sollten, um die für die erwähnten Waaren zu entrichtenden Abgaben zu erheben, und ausschließlich theils für die Zinsen und Tilgung des Anlehens, theils für eine Entschädigung zu verwenden, die man den Fabricanten Cataloniens vorschlagen wollte, und auf welche bereits gewisse industrielle Personen dieser Provinz, die jetzt in Madrid wohnen, und die Hr. Mendizabal auf seine Seite gebracht hatte, eingehen zu wollen schienen. Diese Entschädigung sollte sich nach dem Verhältniß des Schadens richten, welchen den erwähnten Fabricanten die bedungene Einfuhr von Waaren, mit deren Preisen und Eigenschaften die erst entstehende inländische Industrie nicht wetteifern konnte, verursachen würde. War dieses Document, das nur das erste Glied einer Kette von nachfolgenden und entsprechenden Verträgen seyn sollte, unterzeichnet und nach London geschickt, so glaubte Mendizabal, die englische Regierung würde sogleich einen ersten Vorschuß auf Rechnung des Anlehens leisten, und es wurden sogar auf London Wechsel gezogen, die durch jenen Vorschuß gedeckt werden sollten. Allein zu übler Stunde und noch schlimmer für Hrn. Mendizabal, wenn gleich zum großen Glücke für die Nation, kam die eingeleitete Unterhandlung zu Ohren des Grafen v. Rayneval, französischen Botschafters, und zwar (wer sollte es glauben?) durch die Intriguen eines Hrn. Progressisten, welchen beide Theile, die in der Uebereinkunft erschienen, um die Wette mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen beehrten und fortwährend beehren, und der von der Sache solche Anzeichen und Beweise schwarz auf weiß lieferte, daß kein Zweifel übrig blieb. *)*) Hr. v. Rayneval fertigte in aller Eile einen Courier an seinen Hof ab; die kräftigsten Vorstellungen von Seite des französischen Cabinets gelangten zur rechten Zeit nach London, um die Ratification des Vertrags und die so zuversichtlich erwartete erste Rimesse von Fonds zu verhindern. Anstatt dieser Rimesse erhielt man in Madrid eine Depesche Lord Palmerstons an Hrn. Villiers, worin es hieß, daß, da, wenigstens dem französischen Cabinette, das Geheimniß der Unterhandlungen verrathen worden sey, sich Verwicklungen und diplomatische Schwierigkeiten dargeboten hätten, welche die Verwirklichung des Plans für jetzt unmöglich machten. Dieß ist der Hergang der Sache, und wenn Hr.

*) Die hier bezeichnete Person wurde, auf Empfehlung desselben englischen Diplomaten, gerade vor einem Jahre zu einer vertraulichen Mission verwandt, und legte während und nach derselben eben solche Proben von Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit ab, wie bei der im Text angeführten Unterhandlung.
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War dieses Document, das nur das erste Glied einer Kette von nachfolgenden und entsprechenden Verträgen seyn sollte, unterzeichnet und nach London geschickt, so glaubte Mendizabal, die englische Regierung würde sogleich einen ersten Vorschuß auf Rechnung des Anlehens leisten, und es wurden sogar auf London Wechsel gezogen, die durch jenen Vorschuß gedeckt werden sollten. Allein zu übler Stunde und noch schlimmer für Hrn. Mendizabal, wenn gleich zum großen Glücke für die Nation, kam die eingeleitete Unterhandlung zu Ohren des Grafen v. Rayneval, französischen Botschafters, und zwar (wer sollte es glauben?) durch die Intriguen eines Hrn. Progressisten, welchen beide Theile, die in der Uebereinkunft erschienen, um die Wette mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen beehrten und fortwährend beehren, und der von der Sache solche Anzeichen und Beweise schwarz auf weiß lieferte, daß kein Zweifel übrig blieb. <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Die hier bezeichnete Person wurde, auf Empfehlung desselben englischen Diplomaten, gerade vor einem Jahre zu einer vertraulichen Mission verwandt, und legte während und nach derselben eben solche Proben von Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit ab, wie bei der im Text angeführten Unterhandlung.<lb/><p>Anmerk. des Corresp.</p></note> Hr. v. Rayneval fertigte in aller Eile einen Courier an seinen Hof ab; die kräftigsten Vorstellungen von Seite des französischen Cabinets gelangten zur rechten Zeit nach London, um die Ratification des Vertrags und die so zuversichtlich erwartete erste Rimesse von Fonds zu verhindern. Anstatt dieser Rimesse erhielt man in Madrid eine Depesche Lord Palmerstons an Hrn. Villiers, worin es hieß, daß, da, wenigstens dem französischen Cabinette, das Geheimniß der Unterhandlungen verrathen worden sey, sich Verwicklungen und diplomatische Schwierigkeiten dargeboten hätten, welche die Verwirklichung des Plans für jetzt unmöglich machten. Dieß ist der Hergang der Sache, und wenn Hr.<lb/></p>
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[0297/0001] Augsburgerallgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Freitag Nr. 38. 7 Februar 1840. Spanien. _ Madrid, 24 Jan. Die Mißbräuche, welche die revolutionäre Partei mit der Preßfreiheit treibt, haben endlich dahin geführt, daß auch die ministeriellen Blätter ihr zurückhaltendes Stillschweigen brechen, und ohne Schonung den Schleier von einer Unterhandlung ziehen, die freilich bereits nicht mehr die nächste Gegenwart berührt, deren Enthüllung aber ein helles Licht auf die Gesinnungen des Mannes wirft, in dessen Händen das Schicksal dieses unglücklichen Landes eine Zeit lang schwebte. Noch vor kurzem schrieb Hr. Mendizabal sich selbst eine lange Schutzrede, in der er sich als den einzigen spanischen Staatsmann darstellte, der, fremden Einflüssen unzugänglich, sein Vaterland mit eignen Kräften gerettet haben würde, wenn nicht seine großartigen Plane an den Intriguen der Afrancesados und der Höflinge gescheitert wären. Worin nun aber der wahre Plan des neuen Colbert bestand, erfahren wir aus einem in dem gestrigen „Correo Nacional“ enthaltenen Aufsatze, der auf bisher geheim gehaltenen amtlichen Quellen beruht. Ich lasse jetzt diesen Aufsatz selbst reden: „Worin bestand dieser Plan? worin das Vertrauensvotum? In der Erlaubniß, in die bedeutendsten Häfen der Halbinsel, mit Einschluß derer des mittelländischen Meeres, englische Baumwollenzeuge, die jetzt verboten sind, gegen eine Auflage von 25 Procent ihres Werthes, einzuführen; von der englischen Regierung eine Anleihe von 100 Millionen Realen (1 Mill. Pf. St.) zu erhalten, und den Ertrag der erwähnten Auflage zur Bezahlung der Zinsen und zur Tilgung des Anlehens zu verwenden. Der Plan war so weit vorgeschritten, daß schon am 2 Nov. 1835 zwischen Hrn. Villiers, englischem Gesandten, und und dem Hrn. D. Juan Alvarez y Mendizabal, eine Uebereinkunft zu Stande kam, in welcher die angegebenen Grundlagen festgesetzt wurden. Dieses Document war eigentlich eine Art von Protokoll der ersten zwischen den Unterhändlern stattgehabten Conferenz, und umfaßte nicht nur das Anleihegeschäft, das in Folge der Einfuhr von Baumwollenzeugen erfolgen sollte, sondern auch die ersten Unterhandlungen zum Behuf eines neuen Handelsvertrags, welcher die Häfen der Halbinsel den englischen Waaren jederlei Art mit großen Vortheilen für den Handel Großbritanniens zu öffnen bestimmt war. Zugleich bestimmte der Vertrag, daß in allen Häfen, welche in Folge des Anlehens der Einfuhr von Waaren geöffnet worden wären, vermischte, aus Spaniern und Engländern zusammengesetzte Commissionen errichtet werden sollten, um die für die erwähnten Waaren zu entrichtenden Abgaben zu erheben, und ausschließlich theils für die Zinsen und Tilgung des Anlehens, theils für eine Entschädigung zu verwenden, die man den Fabricanten Cataloniens vorschlagen wollte, und auf welche bereits gewisse industrielle Personen dieser Provinz, die jetzt in Madrid wohnen, und die Hr. Mendizabal auf seine Seite gebracht hatte, eingehen zu wollen schienen. Diese Entschädigung sollte sich nach dem Verhältniß des Schadens richten, welchen den erwähnten Fabricanten die bedungene Einfuhr von Waaren, mit deren Preisen und Eigenschaften die erst entstehende inländische Industrie nicht wetteifern konnte, verursachen würde. War dieses Document, das nur das erste Glied einer Kette von nachfolgenden und entsprechenden Verträgen seyn sollte, unterzeichnet und nach London geschickt, so glaubte Mendizabal, die englische Regierung würde sogleich einen ersten Vorschuß auf Rechnung des Anlehens leisten, und es wurden sogar auf London Wechsel gezogen, die durch jenen Vorschuß gedeckt werden sollten. Allein zu übler Stunde und noch schlimmer für Hrn. Mendizabal, wenn gleich zum großen Glücke für die Nation, kam die eingeleitete Unterhandlung zu Ohren des Grafen v. Rayneval, französischen Botschafters, und zwar (wer sollte es glauben?) durch die Intriguen eines Hrn. Progressisten, welchen beide Theile, die in der Uebereinkunft erschienen, um die Wette mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen beehrten und fortwährend beehren, und der von der Sache solche Anzeichen und Beweise schwarz auf weiß lieferte, daß kein Zweifel übrig blieb. *) *) Hr. v. Rayneval fertigte in aller Eile einen Courier an seinen Hof ab; die kräftigsten Vorstellungen von Seite des französischen Cabinets gelangten zur rechten Zeit nach London, um die Ratification des Vertrags und die so zuversichtlich erwartete erste Rimesse von Fonds zu verhindern. Anstatt dieser Rimesse erhielt man in Madrid eine Depesche Lord Palmerstons an Hrn. Villiers, worin es hieß, daß, da, wenigstens dem französischen Cabinette, das Geheimniß der Unterhandlungen verrathen worden sey, sich Verwicklungen und diplomatische Schwierigkeiten dargeboten hätten, welche die Verwirklichung des Plans für jetzt unmöglich machten. Dieß ist der Hergang der Sache, und wenn Hr. *) Die hier bezeichnete Person wurde, auf Empfehlung desselben englischen Diplomaten, gerade vor einem Jahre zu einer vertraulichen Mission verwandt, und legte während und nach derselben eben solche Proben von Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit ab, wie bei der im Text angeführten Unterhandlung. Anmerk. des Corresp.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/1>, abgerufen am 28.03.2024.