Allgemeine Zeitung. Nr. 33. Augsburg, 2. Februar 1840.
Aegypten. Alexandria, 6 Jan. Der türkische Gesandte, Kiamil Pascha, ist gestern wieder von Kairo zurückgekehrt, und wird entweder heute oder spätestens morgen mit dem türkischen Dampfschiffe wieder nach Konstantinopel abreisen. Er soll mit seinem Aufenthalt in Kairo nicht sehr zufrieden seyn, da ihm dort nicht der Empfang ward, den er, nach seiner Aufnahme in Alexandria zu urtheilen, daselbst erwarten durfte. Daß der mitgebrachte Hattischerif nicht dem Volke publicirt wird, und daß er überhaupt gar keine Anwendung in den Ländern Mehemed Ali's findet, versteht sich von selbst und ist ganz überflüssig auseinander zu setzen. Warum aber ein solcher Hattischerif, der darauf berechnet seyn soll, alles Bestehende umzuwandeln, vom Sultan dem Pascha von Aegypten gesandt ward, in dessen Ländern er auch nicht einen Kawas einsetzen und keine zehn Paras Steuern zu erheben vermag, ist ziemlich unbegreiflich. Es gehört dieß zu den tausend und ein orientalischen Widersprüchen. In den letzten Tagen des Aufenthalts Kiamils äußerte sich der Pascha sehr ironisch über diesen Hattischerif. "Da also jetzt, sagte er zu Kiamil, alle Verationen, unrechtmäßige Abgaben, überhaupt alle Ungerechtigkeiten gänzlich in der Türkei aufhören sollen, und jeder nur von seinem Gehalt zu leben hat, so sage mir doch, wie viel Gehalt hat Chosrew Pascha?" "Sechshundert Beutel (30,000 fl.)" monatlich war die Antwort. "Wie viele Leute hat er wohl in seinem Sold?" - "Zwischen 5 und 600." - "Wenn er 600 Leute besoldet, so kann man für Konstantinopel annehmen, daß er im Durchschnitt jedem einen Beutel monatlich zahlt, das macht gerade 600 Beutel; wo nimmt er nun aber das Geld zu seinem eigenen Leben her?" Hierauf stockte die Antwort und der Pascha fing laut an zu lachen. Es wird mit diesem Hattischerif gehen, wie mit dem vielgepriesenen Handelstractat, dessen Unausführbarkeit man bei nur einiger Kenntniß des Orients sogleich einsehen mußte. - Das kürzlich von Kapudan Pascha Mehemed Ali gegebene Fest auf dem türkischen Admiralschiff Mahmudieh war rein militärischer Art. Es waren sämmtliche Commandanten der türkischen sowohl als ägyptischen Flotte gegenwärtig, die an verschiedenen Tafeln auf europäische Art speisten. Mehemed Ali war sehr aufgeräumt und führte die Conversation, die, wie es bei den vornehmen Türken gewöhnlich der Fall ist, nur in Metaphern und Parabeln bestand, deren Pointen sich hauptsächlich gegen die gegenwärtige Politik richteten.
Aegypten. Alexandria, 6 Jan. Der türkische Gesandte, Kiamil Pascha, ist gestern wieder von Kairo zurückgekehrt, und wird entweder heute oder spätestens morgen mit dem türkischen Dampfschiffe wieder nach Konstantinopel abreisen. Er soll mit seinem Aufenthalt in Kairo nicht sehr zufrieden seyn, da ihm dort nicht der Empfang ward, den er, nach seiner Aufnahme in Alexandria zu urtheilen, daselbst erwarten durfte. Daß der mitgebrachte Hattischerif nicht dem Volke publicirt wird, und daß er überhaupt gar keine Anwendung in den Ländern Mehemed Ali's findet, versteht sich von selbst und ist ganz überflüssig auseinander zu setzen. Warum aber ein solcher Hattischerif, der darauf berechnet seyn soll, alles Bestehende umzuwandeln, vom Sultan dem Pascha von Aegypten gesandt ward, in dessen Ländern er auch nicht einen Kawas einsetzen und keine zehn Paras Steuern zu erheben vermag, ist ziemlich unbegreiflich. Es gehört dieß zu den tausend und ein orientalischen Widersprüchen. In den letzten Tagen des Aufenthalts Kiamils äußerte sich der Pascha sehr ironisch über diesen Hattischerif. „Da also jetzt, sagte er zu Kiamil, alle Verationen, unrechtmäßige Abgaben, überhaupt alle Ungerechtigkeiten gänzlich in der Türkei aufhören sollen, und jeder nur von seinem Gehalt zu leben hat, so sage mir doch, wie viel Gehalt hat Chosrew Pascha?“ „Sechshundert Beutel (30,000 fl.)“ monatlich war die Antwort. „Wie viele Leute hat er wohl in seinem Sold?“ – „Zwischen 5 und 600.“ – „Wenn er 600 Leute besoldet, so kann man für Konstantinopel annehmen, daß er im Durchschnitt jedem einen Beutel monatlich zahlt, das macht gerade 600 Beutel; wo nimmt er nun aber das Geld zu seinem eigenen Leben her?“ Hierauf stockte die Antwort und der Pascha fing laut an zu lachen. Es wird mit diesem Hattischerif gehen, wie mit dem vielgepriesenen Handelstractat, dessen Unausführbarkeit man bei nur einiger Kenntniß des Orients sogleich einsehen mußte. – Das kürzlich von Kapudan Pascha Mehemed Ali gegebene Fest auf dem türkischen Admiralschiff Mahmudieh war rein militärischer Art. Es waren sämmtliche Commandanten der türkischen sowohl als ägyptischen Flotte gegenwärtig, die an verschiedenen Tafeln auf europäische Art speisten. Mehemed Ali war sehr aufgeräumt und führte die Conversation, die, wie es bei den vornehmen Türken gewöhnlich der Fall ist, nur in Metaphern und Parabeln bestand, deren Pointen sich hauptsächlich gegen die gegenwärtige Politik richteten. <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0008" n="0264"/><lb/> Es wird fortwährend Klage geführt, daß die Localbehörden nichts thun, dem Uebel zu steuern, und bemerkt, daß der levantinische Handel unter diesen Verhältnissen leidet, weil Personen und Waaren einer viel längern Quarantäne unterzogen werden, und letztere durch die Räucherungen vielfach beschädigt werden. Der Gesundheitszustand in der Moldau und Wallachei, den Quarantänen daselbst und auf den Schiffen in den Donauhäfen, wird bisher immer noch als nicht gefährdet angegeben.</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Aegypten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Alexandria,</hi> 6 Jan.</dateline> <p> Der türkische Gesandte, Kiamil Pascha, ist gestern wieder von Kairo zurückgekehrt, und wird entweder heute oder spätestens morgen mit dem türkischen Dampfschiffe wieder nach Konstantinopel abreisen. Er soll mit seinem Aufenthalt in Kairo nicht sehr zufrieden seyn, da ihm dort nicht der Empfang ward, den er, nach seiner Aufnahme in Alexandria zu urtheilen, daselbst erwarten durfte. Daß der mitgebrachte Hattischerif nicht dem Volke publicirt wird, und daß er überhaupt gar keine Anwendung in den Ländern Mehemed Ali's findet, versteht sich von selbst und ist ganz überflüssig auseinander zu setzen. Warum aber ein solcher Hattischerif, der darauf berechnet seyn soll, alles Bestehende umzuwandeln, vom Sultan dem Pascha von Aegypten gesandt ward, in dessen Ländern er auch nicht einen Kawas einsetzen und keine zehn Paras Steuern zu erheben vermag, ist ziemlich unbegreiflich. Es gehört dieß zu den tausend und ein orientalischen Widersprüchen. In den letzten Tagen des Aufenthalts Kiamils äußerte sich der Pascha sehr ironisch über diesen Hattischerif. „Da also jetzt, sagte er zu Kiamil, alle Verationen, unrechtmäßige Abgaben, überhaupt alle Ungerechtigkeiten gänzlich in der Türkei aufhören sollen, und jeder nur von seinem Gehalt zu leben hat, so sage mir doch, wie viel Gehalt hat Chosrew Pascha?“ „Sechshundert Beutel (30,000 fl.)“ monatlich war die Antwort. „Wie viele Leute hat er wohl in seinem Sold?“ – „Zwischen 5 und 600.“ – „Wenn er 600 Leute besoldet, so kann man für Konstantinopel annehmen, daß er im Durchschnitt jedem einen Beutel monatlich zahlt, das macht gerade 600 Beutel; wo nimmt er nun aber das Geld zu seinem eigenen Leben her?“ Hierauf stockte die Antwort und der Pascha fing laut an zu lachen. Es wird mit diesem Hattischerif gehen, wie mit dem vielgepriesenen Handelstractat, dessen Unausführbarkeit man bei nur einiger Kenntniß des Orients sogleich einsehen mußte. – Das kürzlich von Kapudan Pascha Mehemed Ali gegebene Fest auf dem türkischen Admiralschiff Mahmudieh war rein militärischer Art. Es waren sämmtliche Commandanten der türkischen sowohl als ägyptischen Flotte gegenwärtig, die an verschiedenen Tafeln auf europäische Art speisten. Mehemed Ali war sehr aufgeräumt und führte die Conversation, die, wie es bei den vornehmen Türken gewöhnlich der Fall ist, nur in Metaphern und Parabeln bestand, deren Pointen sich hauptsächlich gegen die gegenwärtige Politik richteten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264/0008]
Es wird fortwährend Klage geführt, daß die Localbehörden nichts thun, dem Uebel zu steuern, und bemerkt, daß der levantinische Handel unter diesen Verhältnissen leidet, weil Personen und Waaren einer viel längern Quarantäne unterzogen werden, und letztere durch die Räucherungen vielfach beschädigt werden. Der Gesundheitszustand in der Moldau und Wallachei, den Quarantänen daselbst und auf den Schiffen in den Donauhäfen, wird bisher immer noch als nicht gefährdet angegeben.
Aegypten.
_Alexandria, 6 Jan. Der türkische Gesandte, Kiamil Pascha, ist gestern wieder von Kairo zurückgekehrt, und wird entweder heute oder spätestens morgen mit dem türkischen Dampfschiffe wieder nach Konstantinopel abreisen. Er soll mit seinem Aufenthalt in Kairo nicht sehr zufrieden seyn, da ihm dort nicht der Empfang ward, den er, nach seiner Aufnahme in Alexandria zu urtheilen, daselbst erwarten durfte. Daß der mitgebrachte Hattischerif nicht dem Volke publicirt wird, und daß er überhaupt gar keine Anwendung in den Ländern Mehemed Ali's findet, versteht sich von selbst und ist ganz überflüssig auseinander zu setzen. Warum aber ein solcher Hattischerif, der darauf berechnet seyn soll, alles Bestehende umzuwandeln, vom Sultan dem Pascha von Aegypten gesandt ward, in dessen Ländern er auch nicht einen Kawas einsetzen und keine zehn Paras Steuern zu erheben vermag, ist ziemlich unbegreiflich. Es gehört dieß zu den tausend und ein orientalischen Widersprüchen. In den letzten Tagen des Aufenthalts Kiamils äußerte sich der Pascha sehr ironisch über diesen Hattischerif. „Da also jetzt, sagte er zu Kiamil, alle Verationen, unrechtmäßige Abgaben, überhaupt alle Ungerechtigkeiten gänzlich in der Türkei aufhören sollen, und jeder nur von seinem Gehalt zu leben hat, so sage mir doch, wie viel Gehalt hat Chosrew Pascha?“ „Sechshundert Beutel (30,000 fl.)“ monatlich war die Antwort. „Wie viele Leute hat er wohl in seinem Sold?“ – „Zwischen 5 und 600.“ – „Wenn er 600 Leute besoldet, so kann man für Konstantinopel annehmen, daß er im Durchschnitt jedem einen Beutel monatlich zahlt, das macht gerade 600 Beutel; wo nimmt er nun aber das Geld zu seinem eigenen Leben her?“ Hierauf stockte die Antwort und der Pascha fing laut an zu lachen. Es wird mit diesem Hattischerif gehen, wie mit dem vielgepriesenen Handelstractat, dessen Unausführbarkeit man bei nur einiger Kenntniß des Orients sogleich einsehen mußte. – Das kürzlich von Kapudan Pascha Mehemed Ali gegebene Fest auf dem türkischen Admiralschiff Mahmudieh war rein militärischer Art. Es waren sämmtliche Commandanten der türkischen sowohl als ägyptischen Flotte gegenwärtig, die an verschiedenen Tafeln auf europäische Art speisten. Mehemed Ali war sehr aufgeräumt und führte die Conversation, die, wie es bei den vornehmen Türken gewöhnlich der Fall ist, nur in Metaphern und Parabeln bestand, deren Pointen sich hauptsächlich gegen die gegenwärtige Politik richteten.
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