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Allgemeine Zeitung. Nr. 22. Augsburg, 22. Januar 1840.

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gezwungen werden. 4) Protestantische Pfarrer seyen über den frequenten Besuch ihrer Bethäuser von Katholiken für die Folge nicht verantwortlich zu machen. 5) den Katholiken soll es gestattet seyn, die Lehranstalten der Protestanten zu besuchen, und für den Unterricht und die Erziehung sollen protestantische Lehrer und Erzieher angenommen werden können. -- Wie bekannt, erlangen die Beschlüsse der beiden Tafeln erst dann Gesetzeskraft, wenn die Sanction des Monarchen erfolgt ist. Ueber die Verhandlungen der Ausschußcommission wegen der Recrutenstellung verlautet, daß sie bis zum 24 d. M. ausgesetzt bleiben, dann aber wieder beginnen werden. -- Im Rückblick auf die Religionsverhandlungen verdient wohl noch die den Ständen gemachte freimüthige Erklärung der Magnaten erwähnt zu werden, daß sie es lieber gesehen hätten, wenn die Vorschriften und Formen des Gesetzes von 1790 circa sacra auch für die Zukunft wären beibehalten worden. Um der Aufrechthaltung des guten Einverständnisses willen hätten sie jedoch den Wünschen der andern Tafel (in den oben bemerkten Punkten) sich gefügt.

Türkei.

Die neuesten Mittheilungen des Siebenbürger-Wochenblatts, über die Pestverbreitung diesseits des Balkans, sind einem Correspondenzberichte vom 12 Dec. entnommen. Nach demselben ist im Dorfe Simila die Pest zwar nicht mehr verspürt worden, hat aber seit ihrem Ausbruche bis 30 Nov. 140 Personen, theils Christen, theils Türken hinweggerafft. Ueber den Gesundheitszustand von Sfetoi mangeln die Berichte, aber von Turtukani weiß man, daß am 1 Dec. noch 3 Personen, nämlich 2 Kinder des Hadschi Wlad und ein gewisser Kostia Monostaja der Seuche erlagen. In Silistria sind bis 2 Dec. 3 Türken und eine Frauensperson gestorben. Uebrigens herrscht in den beiden Fürstenthümern Moldau und Wallachei und in ihren Quarantainen, dann auch auf den Schiffen der Häfen von Gallacz und Braila ein vollkommen befriedigender Gesundheitszustand.

Der Fürst von Serbien hat seine Investitur erhalten. Die Cerimonie der Säbelumgürtung gewann ein erhöhtes Interesse durch die jugendliche Frische der zwei Hauptpersonen. Der Sultan, der kaum das Jünglingsalter angetreten, und der noch jüngere, überaus hübsche serbische Fürst standen einander so kindlich, so anmuthig gegenüber, als wären sie von einem Künstler ausersehen worden, um ein Modell für ein recht anziehendes Genre-Gemälde zu geben. Der Fürst Michael wird nun nächstens mit der ihm hieher gefolgten Deputation nach Serbien zurückkehren, um die Regierung anzutreten. Er hat auf Alle, die ihn hier näher kennen zu lernen Gelegenheit gefunden, den besten Eindruck gemacht, und wird hoffentlich menschlicher und vernünftiger als sein Vater regieren. -- In der Politik ist hier Alles ruhig; alle Blicke sind nach London gerichtet. Die Pforte hat unlängst Communicationen aus Petersburg erhalten, die sie in die Lage setzen, zu erkennen, welche Absichten das russische Cabinet eigentlich hatte, als es sich entschloß, auf Eröffnung von Conferenzen in London anzutragen; sie ist seitdem weit mehr beruhigt. Man hatte sie unaufhörlich vor Rußland gewarnt und glauben gemacht, daß Alles, was von dieser Macht ausgehe, ihr zum Verderben gereiche. Die Insinuationen verfehlten ihren Zweck nicht und die Pforte sah mit ängstlichen, mißtrauischen Blicken auf Rußland. Die oben erwähnten Communicationen scheinen sie aber aufgeklärt, und die Besorgnisse beschwichtigt zu haben, welche die Minister der Pforte noch über russischen Egoismus nähren mochten. Hr. v. Butenieff soll wenigstens mehr denn je sich über die aufrichtige Sprache zufrieden bewiesen haben, die Reschid Pascha jetzt führt. Hr. v. Pontois hingegen ist sehr unzufrieden mit Reschid Pascha, der zwar aus der französischen Schule hervorgegangen ist, aber mit der Offentlichkeit, die in Frankreich herrscht, sich nicht ganz befreunden kann und sehr empfindlich über die Art ist, womit er und seine Regierung von der unabhängigen Presse behandelt werden. Er boudirt deßhalb den französischen Repräsentanten, den dergleichen Bouderien wohl wenig berühren und der sich nichts vergeben will. So ist zwischen Hrn. Pontois und Reschid Pascha eine Kälte eingetreten, die durch die Aussagen des Dolmetschers Avedik gegen Admiral Lalande nur vermehrt wird. Hr. v. Pontois, welcher jene Aussagen für die giftigsten Verleumdungen hält, dürfte sich zu Schritten veranlaßt sehen, welche die Pforte in große Verlegenheit bringen, dem unvorsichtigen Dolmetsch aber eine derbe Züchtigung bereiten könnten, denn der französische Botschafter ist nicht gesonnen, eine solche Insulte ruhig entgegen zu nehmen; er dringt auf die strengste Untersuchung und eclatanteste Genugthuung. Sehr geschickt war es von Reschid Pascha nicht, eine solche Sache aufzurühren und zu den vielen Verlegenheiten, in denen die Pforte sich befindet, noch eine neue und zwar sehr verdrießliche ihr auf den Hals zu ziehen.

gezwungen werden. 4) Protestantische Pfarrer seyen über den frequenten Besuch ihrer Bethäuser von Katholiken für die Folge nicht verantwortlich zu machen. 5) den Katholiken soll es gestattet seyn, die Lehranstalten der Protestanten zu besuchen, und für den Unterricht und die Erziehung sollen protestantische Lehrer und Erzieher angenommen werden können. — Wie bekannt, erlangen die Beschlüsse der beiden Tafeln erst dann Gesetzeskraft, wenn die Sanction des Monarchen erfolgt ist. Ueber die Verhandlungen der Ausschußcommission wegen der Recrutenstellung verlautet, daß sie bis zum 24 d. M. ausgesetzt bleiben, dann aber wieder beginnen werden. — Im Rückblick auf die Religionsverhandlungen verdient wohl noch die den Ständen gemachte freimüthige Erklärung der Magnaten erwähnt zu werden, daß sie es lieber gesehen hätten, wenn die Vorschriften und Formen des Gesetzes von 1790 circa sacra auch für die Zukunft wären beibehalten worden. Um der Aufrechthaltung des guten Einverständnisses willen hätten sie jedoch den Wünschen der andern Tafel (in den oben bemerkten Punkten) sich gefügt.

Türkei.

Die neuesten Mittheilungen des Siebenbürger-Wochenblatts, über die Pestverbreitung diesseits des Balkans, sind einem Correspondenzberichte vom 12 Dec. entnommen. Nach demselben ist im Dorfe Simila die Pest zwar nicht mehr verspürt worden, hat aber seit ihrem Ausbruche bis 30 Nov. 140 Personen, theils Christen, theils Türken hinweggerafft. Ueber den Gesundheitszustand von Sfetoi mangeln die Berichte, aber von Turtukani weiß man, daß am 1 Dec. noch 3 Personen, nämlich 2 Kinder des Hadschi Wlad und ein gewisser Kostia Monostaja der Seuche erlagen. In Silistria sind bis 2 Dec. 3 Türken und eine Frauensperson gestorben. Uebrigens herrscht in den beiden Fürstenthümern Moldau und Wallachei und in ihren Quarantainen, dann auch auf den Schiffen der Häfen von Gallacz und Braila ein vollkommen befriedigender Gesundheitszustand.

Der Fürst von Serbien hat seine Investitur erhalten. Die Cerimonie der Säbelumgürtung gewann ein erhöhtes Interesse durch die jugendliche Frische der zwei Hauptpersonen. Der Sultan, der kaum das Jünglingsalter angetreten, und der noch jüngere, überaus hübsche serbische Fürst standen einander so kindlich, so anmuthig gegenüber, als wären sie von einem Künstler ausersehen worden, um ein Modell für ein recht anziehendes Genre-Gemälde zu geben. Der Fürst Michael wird nun nächstens mit der ihm hieher gefolgten Deputation nach Serbien zurückkehren, um die Regierung anzutreten. Er hat auf Alle, die ihn hier näher kennen zu lernen Gelegenheit gefunden, den besten Eindruck gemacht, und wird hoffentlich menschlicher und vernünftiger als sein Vater regieren. — In der Politik ist hier Alles ruhig; alle Blicke sind nach London gerichtet. Die Pforte hat unlängst Communicationen aus Petersburg erhalten, die sie in die Lage setzen, zu erkennen, welche Absichten das russische Cabinet eigentlich hatte, als es sich entschloß, auf Eröffnung von Conferenzen in London anzutragen; sie ist seitdem weit mehr beruhigt. Man hatte sie unaufhörlich vor Rußland gewarnt und glauben gemacht, daß Alles, was von dieser Macht ausgehe, ihr zum Verderben gereiche. Die Insinuationen verfehlten ihren Zweck nicht und die Pforte sah mit ängstlichen, mißtrauischen Blicken auf Rußland. Die oben erwähnten Communicationen scheinen sie aber aufgeklärt, und die Besorgnisse beschwichtigt zu haben, welche die Minister der Pforte noch über russischen Egoismus nähren mochten. Hr. v. Butenieff soll wenigstens mehr denn je sich über die aufrichtige Sprache zufrieden bewiesen haben, die Reschid Pascha jetzt führt. Hr. v. Pontois hingegen ist sehr unzufrieden mit Reschid Pascha, der zwar aus der französischen Schule hervorgegangen ist, aber mit der Offentlichkeit, die in Frankreich herrscht, sich nicht ganz befreunden kann und sehr empfindlich über die Art ist, womit er und seine Regierung von der unabhängigen Presse behandelt werden. Er boudirt deßhalb den französischen Repräsentanten, den dergleichen Bouderien wohl wenig berühren und der sich nichts vergeben will. So ist zwischen Hrn. Pontois und Reschid Pascha eine Kälte eingetreten, die durch die Aussagen des Dolmetschers Avedik gegen Admiral Lalande nur vermehrt wird. Hr. v. Pontois, welcher jene Aussagen für die giftigsten Verleumdungen hält, dürfte sich zu Schritten veranlaßt sehen, welche die Pforte in große Verlegenheit bringen, dem unvorsichtigen Dolmetsch aber eine derbe Züchtigung bereiten könnten, denn der französische Botschafter ist nicht gesonnen, eine solche Insulte ruhig entgegen zu nehmen; er dringt auf die strengste Untersuchung und eclatanteste Genugthuung. Sehr geschickt war es von Reschid Pascha nicht, eine solche Sache aufzurühren und zu den vielen Verlegenheiten, in denen die Pforte sich befindet, noch eine neue und zwar sehr verdrießliche ihr auf den Hals zu ziehen.

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[0176/0008] gezwungen werden. 4) Protestantische Pfarrer seyen über den frequenten Besuch ihrer Bethäuser von Katholiken für die Folge nicht verantwortlich zu machen. 5) den Katholiken soll es gestattet seyn, die Lehranstalten der Protestanten zu besuchen, und für den Unterricht und die Erziehung sollen protestantische Lehrer und Erzieher angenommen werden können. — Wie bekannt, erlangen die Beschlüsse der beiden Tafeln erst dann Gesetzeskraft, wenn die Sanction des Monarchen erfolgt ist. Ueber die Verhandlungen der Ausschußcommission wegen der Recrutenstellung verlautet, daß sie bis zum 24 d. M. ausgesetzt bleiben, dann aber wieder beginnen werden. — Im Rückblick auf die Religionsverhandlungen verdient wohl noch die den Ständen gemachte freimüthige Erklärung der Magnaten erwähnt zu werden, daß sie es lieber gesehen hätten, wenn die Vorschriften und Formen des Gesetzes von 1790 circa sacra auch für die Zukunft wären beibehalten worden. Um der Aufrechthaltung des guten Einverständnisses willen hätten sie jedoch den Wünschen der andern Tafel (in den oben bemerkten Punkten) sich gefügt. Türkei. Die neuesten Mittheilungen des Siebenbürger-Wochenblatts, über die Pestverbreitung diesseits des Balkans, sind einem Correspondenzberichte vom 12 Dec. entnommen. Nach demselben ist im Dorfe Simila die Pest zwar nicht mehr verspürt worden, hat aber seit ihrem Ausbruche bis 30 Nov. 140 Personen, theils Christen, theils Türken hinweggerafft. Ueber den Gesundheitszustand von Sfetoi mangeln die Berichte, aber von Turtukani weiß man, daß am 1 Dec. noch 3 Personen, nämlich 2 Kinder des Hadschi Wlad und ein gewisser Kostia Monostaja der Seuche erlagen. In Silistria sind bis 2 Dec. 3 Türken und eine Frauensperson gestorben. Uebrigens herrscht in den beiden Fürstenthümern Moldau und Wallachei und in ihren Quarantainen, dann auch auf den Schiffen der Häfen von Gallacz und Braila ein vollkommen befriedigender Gesundheitszustand. _ Konstantinopel, 31 Dec. Der Fürst von Serbien hat seine Investitur erhalten. Die Cerimonie der Säbelumgürtung gewann ein erhöhtes Interesse durch die jugendliche Frische der zwei Hauptpersonen. Der Sultan, der kaum das Jünglingsalter angetreten, und der noch jüngere, überaus hübsche serbische Fürst standen einander so kindlich, so anmuthig gegenüber, als wären sie von einem Künstler ausersehen worden, um ein Modell für ein recht anziehendes Genre-Gemälde zu geben. Der Fürst Michael wird nun nächstens mit der ihm hieher gefolgten Deputation nach Serbien zurückkehren, um die Regierung anzutreten. Er hat auf Alle, die ihn hier näher kennen zu lernen Gelegenheit gefunden, den besten Eindruck gemacht, und wird hoffentlich menschlicher und vernünftiger als sein Vater regieren. — In der Politik ist hier Alles ruhig; alle Blicke sind nach London gerichtet. Die Pforte hat unlängst Communicationen aus Petersburg erhalten, die sie in die Lage setzen, zu erkennen, welche Absichten das russische Cabinet eigentlich hatte, als es sich entschloß, auf Eröffnung von Conferenzen in London anzutragen; sie ist seitdem weit mehr beruhigt. Man hatte sie unaufhörlich vor Rußland gewarnt und glauben gemacht, daß Alles, was von dieser Macht ausgehe, ihr zum Verderben gereiche. Die Insinuationen verfehlten ihren Zweck nicht und die Pforte sah mit ängstlichen, mißtrauischen Blicken auf Rußland. Die oben erwähnten Communicationen scheinen sie aber aufgeklärt, und die Besorgnisse beschwichtigt zu haben, welche die Minister der Pforte noch über russischen Egoismus nähren mochten. Hr. v. Butenieff soll wenigstens mehr denn je sich über die aufrichtige Sprache zufrieden bewiesen haben, die Reschid Pascha jetzt führt. Hr. v. Pontois hingegen ist sehr unzufrieden mit Reschid Pascha, der zwar aus der französischen Schule hervorgegangen ist, aber mit der Offentlichkeit, die in Frankreich herrscht, sich nicht ganz befreunden kann und sehr empfindlich über die Art ist, womit er und seine Regierung von der unabhängigen Presse behandelt werden. Er boudirt deßhalb den französischen Repräsentanten, den dergleichen Bouderien wohl wenig berühren und der sich nichts vergeben will. So ist zwischen Hrn. Pontois und Reschid Pascha eine Kälte eingetreten, die durch die Aussagen des Dolmetschers Avedik gegen Admiral Lalande nur vermehrt wird. Hr. v. Pontois, welcher jene Aussagen für die giftigsten Verleumdungen hält, dürfte sich zu Schritten veranlaßt sehen, welche die Pforte in große Verlegenheit bringen, dem unvorsichtigen Dolmetsch aber eine derbe Züchtigung bereiten könnten, denn der französische Botschafter ist nicht gesonnen, eine solche Insulte ruhig entgegen zu nehmen; er dringt auf die strengste Untersuchung und eclatanteste Genugthuung. Sehr geschickt war es von Reschid Pascha nicht, eine solche Sache aufzurühren und zu den vielen Verlegenheiten, in denen die Pforte sich befindet, noch eine neue und zwar sehr verdrießliche ihr auf den Hals zu ziehen.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 22. Augsburg, 22. Januar 1840, S. 0176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122/8>, abgerufen am 29.03.2024.