Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 22. Augsburg, 22. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Maj. empfangen. Der Präsident der Kammer, Hr. Sauzet, verlas die Adresse. Der König antwortete: "Ich habe mit lebhaftem Vergnügen die mir im Namen der Kammer gebrachte Adresse vernommen. Ich bin von den ergreifenden Erinnerungen, denen sie die Weihe gibt, und von den Gesinnungen, die sie ausdrückt, tief gerührt. Die Zusammenwirkung der Staatsgewalten für die Wohlfahrt, die Stärke und Würde Frankreichs war und wird immer das Ziel meiner Bestrebungen seyn. Dadurch offenbart sich sowohl nach innen als auch nach außen die wohlthätige Einwirkung der constitutionellen Monarchie, deren Aufrechthaltung wir Alle beschworen haben, und die allein die Größe und Wohlfahrt der Nation sichern kann. Ihr loyales und patriotisches Anschließen ist mir ein neues Unterpfand für den Beistand, den meine Regierung bei Ihnen für des Landes wahre Interessen finden, welche wohl von den Rechten und dem gesetzlichen Ansehen der Autorität unzertrennlich sind. Ich erwarte von Ihnen diese Gesinnungen, meine Herren, und danke Ihnen dafür von ganzem Herzen und voll Vertrauen auf die Zukunft des Vaterlands." Auf diese Rede folgte der Ruf: Es lebe der König! Eine Menge Mitglieder der Kammer hatten sich der großen Deputation angeschlossen.

Ein Journal sagt: "Man hat bemerkt, daß die Antwort des Königs auf die Adresse der Deputirtenkammer gelesen und nicht improrisirt war. Nach der Verlesung der Adresse und der Antwort Sr. Majestät unterhielt sich der König vertraulich mit mehreren Deputirten, unter andern mit dem ehrenwerthen Verfasser der Adresse, Hrn. Remusat."

Beschluß der Rede des Hrn. Thiers über den Orient.

"So lange es noch möglich ist, sich mit England zu verständigen, sollte man nicht darauf verzichten, man sollte ihm allein all sein Unrecht lassen, und nur suchen, daß Frankreich sich kein Unrecht gegen England vorzuwerfen habe. Leider ist letzteres nicht der Fall. Ich erkläre mit fester Ueberzeugung, daß nicht alles Unrecht allein auf Seite Englands ist, daß es beiderseits Mißverständnisse gab; ich glaube auch fest, daß es leicht wäre, die Schwierigkeiten durch Aufklärung einiger Theile der Frage zu heben, und dieß würde von großem Nutzen seyn. Die Gegner der brittischen Allianz stützen sich auf das, was sich vor vierzig Jahren zugetragen. Wie kommt es, sagten sie, daß man plötzlich verbündet in Grundsätzen und Interessen werden kann, nachdem man so lange sich bitter befeindet hat? Ich will hier nur einige Blicke auf die frühern Ereignisse werfen, um zu untersuchen, was die wahre Ursache des Hasses und Kampfes zwischen Frankreich und England war. Die französische Demokratie hat zur Zeit unsrer ersten Revolution bald mit einem blutbefleckten Comite, bald mit einem großen Mann, wie Napoleon, an ihrer Spitze, die Welt durch ihre Thaten mit Erstaunen erfüllt, sie aber zugleich in Schrecken gesetzt. Und wie es jedesmal geschieht, wenn die Freiheit Schrecken einflößt, so gab sie auch den Feinden der Freiheit eine ungeheure Macht. (Lebhafte Beistimmung.) Alle Aristokratien Europa's verbanden sich gegen sie, und natürlich war es die mächtigste, reichste und gewandteste dieser Aristokratien, welche den Kampf am längsten aushielt. Die englische Aristokratie hat auf Seite der erschrockenen Welt mit einem genialen Mann, Pitt, an ihrer Spitze, gegen die französische Demokratie und Napoleon gekämpft. Der Kampf war bitter. Es lag damals hinter dieser Principienfrage noch ein ungeheurer Widerspruch der Interessen. Frankreich hatte zu jener Zeit noch nicht darauf verzichtet, eine Colonial- und Seemacht ersten Ranges zu seyn, es hatte noch nicht verzichtet auf den schimmernden Traum fernliegender Besitzungen; es wollte Louisiana, St. Domingo wieder nehmen, und sogar in Syrien und Aegypten einen Eroberungsversuch machen, dessen erklärter Zweck war, die brittische Macht in Ostindien zu bedrohen. Unsre Macht auf dem Continent benützten wir, um mit allen Marinen Europa's, mit der von Dänemark, Holland und Spanien eine Coalition gegen England zu bilden. Wohl hatte also England damals Gründe zu einem erbitterten Krieg; glücklicherweise aber existirt heute kein Grund mehr dazu. Die gemäßigte Revolution ist es, die heute Frankreich wie England beherrscht. Man entgegnet zwar öfters, diese Allianz sey nur momentan, da die Tories wieder ans Ruder kommen können, und allerdings scheinen diese der Regierung öfters nahe. Erlauben Sie mir aber hier eine Bemerkung. Wann stehen die Tories dem Staatsruder nahe? So oft man von ihren berühmtesten Führern, von Peel, Wellington sagt, sie seyen gemäßigt, sie wollten fast, was die Whigs wollten. Die Tories können also zur Gewalt nur unter der Bedingung gelangen, daß sie die Politik der Whigs befolgen, daß sie thun, was die Whigs jetzt thun. (Beifall.) Deßwegen glaube ich, daß die Gewalt in England der gemäßigten Revolution, eben so fest und noch fester vielleicht, als in Frankreich gehört. Ein Principienkampf zwischen beiden Staaten ist unter solchen Umständen unmöglich; eben so unmöglich scheint glücklicherweise auch der Kampf um Interessen. Frankreich weiß jetzt, worin seine wahre Macht liegt, wo der wahre Weg zu seiner Größe ist. Gibt es Jemand in Frankreich, der noch ferne Besitzungen wünscht? Man wird mir Algier anführen. Algier, wohin wir ohne einen ehrgeizigen Beweggrund, bloß wegen der Seeräuberei gegangen, Algier entzweit uns. Die Colonisirung dieses Landes, welches vor unsern Thoren liegt, halte ich für ein ausführbares Unternehmen, wenn wir all' unsre Anstrengungen daran setzen, denn ohne Anstrengungen geschieht nichts Großes in der Welt. Trotz der Nähe Algiers erheben sich Stimmen gegen dasselbe. Vor vierzig Jahren sprach Niemand gegen unsinnige Versuche, wie die, welche Frankreich auf St. Domingo und Louisiana machte. Dieß beweist, daß der Geist in Frankreich sich geändert hat, daß Jedermann fühlt, unsre wahre Größe sey auf dem Continent. (Beifall.) Dieß entscheidet jene große Frage; es zeigt, daß wir mit den Engländern nicht nur durch Principien, sondern auch durch Interessen verbündet sind. England ist beständig auf seine Colonialgröße bedacht und mit Recht. Für England ist der gefährliche Rival jenes große Reich, welches, ohne Colonien, bloß in Folge der ungeheuren Ausdehnung seines Gebiets mit seinen Gränzen nahe an alle Colonien Englands stößt. Nicht wir stören Englands Schlummer, nicht wir beängstigen es. England hat einen mächtigen Bundesgenossen auf dem Continent nöthig; unsre Continentalgröße ist ihm nicht feindlich, sondern nützlich. Ich bin überzeugt, England wünschte jetzt, daß die Verträge von 1815, diese Verträge unsers Unglücks, die wir übrigens klug thaten zu achten, für uns günstiger gewesen seyn möchten, denn England bedarf jetzt unsrer Größe. (Bewegung.) Beide Völker vereinigt, sind nicht die Gebieter der Welt -- denn Niemand soll sich anmaßen, dieß zu seyn -- wohl aber mächtiger als Alles, was ihnen gegenüber steht. Wenn wir die ungeheure Marine Englands, unsre schönen und zahlreichen Armeen, unsre financiellen Kräfte vereinigen, so bilden wir eine Macht, welche, ohne der Welt Gesetze vorschreiben zu wollen, doch ihrer Freiheit, ihrer Würde, ihrer legitimen Interessen in allen Ländern des Erdballs Achtung verschaffen kann. Ich meinerseits möchte nicht leichthin auf eine solche Allianz verzichten. Ich werde immer daran festhalten, so lange unsre Interessen und unsre Ehre es nicht verbieten. -- Erlauben Sie mir nun, auf das Vergangene zurückkommend, Ihnen mit wenigen Worten zu zeigen daß es in den Spaltungen, die uns

Maj. empfangen. Der Präsident der Kammer, Hr. Sauzet, verlas die Adresse. Der König antwortete: “Ich habe mit lebhaftem Vergnügen die mir im Namen der Kammer gebrachte Adresse vernommen. Ich bin von den ergreifenden Erinnerungen, denen sie die Weihe gibt, und von den Gesinnungen, die sie ausdrückt, tief gerührt. Die Zusammenwirkung der Staatsgewalten für die Wohlfahrt, die Stärke und Würde Frankreichs war und wird immer das Ziel meiner Bestrebungen seyn. Dadurch offenbart sich sowohl nach innen als auch nach außen die wohlthätige Einwirkung der constitutionellen Monarchie, deren Aufrechthaltung wir Alle beschworen haben, und die allein die Größe und Wohlfahrt der Nation sichern kann. Ihr loyales und patriotisches Anschließen ist mir ein neues Unterpfand für den Beistand, den meine Regierung bei Ihnen für des Landes wahre Interessen finden, welche wohl von den Rechten und dem gesetzlichen Ansehen der Autorität unzertrennlich sind. Ich erwarte von Ihnen diese Gesinnungen, meine Herren, und danke Ihnen dafür von ganzem Herzen und voll Vertrauen auf die Zukunft des Vaterlands.“ Auf diese Rede folgte der Ruf: Es lebe der König! Eine Menge Mitglieder der Kammer hatten sich der großen Deputation angeschlossen.

Ein Journal sagt: “Man hat bemerkt, daß die Antwort des Königs auf die Adresse der Deputirtenkammer gelesen und nicht improrisirt war. Nach der Verlesung der Adresse und der Antwort Sr. Majestät unterhielt sich der König vertraulich mit mehreren Deputirten, unter andern mit dem ehrenwerthen Verfasser der Adresse, Hrn. Remusat.“

Beschluß der Rede des Hrn. Thiers über den Orient.

“So lange es noch möglich ist, sich mit England zu verständigen, sollte man nicht darauf verzichten, man sollte ihm allein all sein Unrecht lassen, und nur suchen, daß Frankreich sich kein Unrecht gegen England vorzuwerfen habe. Leider ist letzteres nicht der Fall. Ich erkläre mit fester Ueberzeugung, daß nicht alles Unrecht allein auf Seite Englands ist, daß es beiderseits Mißverständnisse gab; ich glaube auch fest, daß es leicht wäre, die Schwierigkeiten durch Aufklärung einiger Theile der Frage zu heben, und dieß würde von großem Nutzen seyn. Die Gegner der brittischen Allianz stützen sich auf das, was sich vor vierzig Jahren zugetragen. Wie kommt es, sagten sie, daß man plötzlich verbündet in Grundsätzen und Interessen werden kann, nachdem man so lange sich bitter befeindet hat? Ich will hier nur einige Blicke auf die frühern Ereignisse werfen, um zu untersuchen, was die wahre Ursache des Hasses und Kampfes zwischen Frankreich und England war. Die französische Demokratie hat zur Zeit unsrer ersten Revolution bald mit einem blutbefleckten Comité, bald mit einem großen Mann, wie Napoleon, an ihrer Spitze, die Welt durch ihre Thaten mit Erstaunen erfüllt, sie aber zugleich in Schrecken gesetzt. Und wie es jedesmal geschieht, wenn die Freiheit Schrecken einflößt, so gab sie auch den Feinden der Freiheit eine ungeheure Macht. (Lebhafte Beistimmung.) Alle Aristokratien Europa's verbanden sich gegen sie, und natürlich war es die mächtigste, reichste und gewandteste dieser Aristokratien, welche den Kampf am längsten aushielt. Die englische Aristokratie hat auf Seite der erschrockenen Welt mit einem genialen Mann, Pitt, an ihrer Spitze, gegen die französische Demokratie und Napoleon gekämpft. Der Kampf war bitter. Es lag damals hinter dieser Principienfrage noch ein ungeheurer Widerspruch der Interessen. Frankreich hatte zu jener Zeit noch nicht darauf verzichtet, eine Colonial- und Seemacht ersten Ranges zu seyn, es hatte noch nicht verzichtet auf den schimmernden Traum fernliegender Besitzungen; es wollte Louisiana, St. Domingo wieder nehmen, und sogar in Syrien und Aegypten einen Eroberungsversuch machen, dessen erklärter Zweck war, die brittische Macht in Ostindien zu bedrohen. Unsre Macht auf dem Continent benützten wir, um mit allen Marinen Europa's, mit der von Dänemark, Holland und Spanien eine Coalition gegen England zu bilden. Wohl hatte also England damals Gründe zu einem erbitterten Krieg; glücklicherweise aber existirt heute kein Grund mehr dazu. Die gemäßigte Revolution ist es, die heute Frankreich wie England beherrscht. Man entgegnet zwar öfters, diese Allianz sey nur momentan, da die Tories wieder ans Ruder kommen können, und allerdings scheinen diese der Regierung öfters nahe. Erlauben Sie mir aber hier eine Bemerkung. Wann stehen die Tories dem Staatsruder nahe? So oft man von ihren berühmtesten Führern, von Peel, Wellington sagt, sie seyen gemäßigt, sie wollten fast, was die Whigs wollten. Die Tories können also zur Gewalt nur unter der Bedingung gelangen, daß sie die Politik der Whigs befolgen, daß sie thun, was die Whigs jetzt thun. (Beifall.) Deßwegen glaube ich, daß die Gewalt in England der gemäßigten Revolution, eben so fest und noch fester vielleicht, als in Frankreich gehört. Ein Principienkampf zwischen beiden Staaten ist unter solchen Umständen unmöglich; eben so unmöglich scheint glücklicherweise auch der Kampf um Interessen. Frankreich weiß jetzt, worin seine wahre Macht liegt, wo der wahre Weg zu seiner Größe ist. Gibt es Jemand in Frankreich, der noch ferne Besitzungen wünscht? Man wird mir Algier anführen. Algier, wohin wir ohne einen ehrgeizigen Beweggrund, bloß wegen der Seeräuberei gegangen, Algier entzweit uns. Die Colonisirung dieses Landes, welches vor unsern Thoren liegt, halte ich für ein ausführbares Unternehmen, wenn wir all' unsre Anstrengungen daran setzen, denn ohne Anstrengungen geschieht nichts Großes in der Welt. Trotz der Nähe Algiers erheben sich Stimmen gegen dasselbe. Vor vierzig Jahren sprach Niemand gegen unsinnige Versuche, wie die, welche Frankreich auf St. Domingo und Louisiana machte. Dieß beweist, daß der Geist in Frankreich sich geändert hat, daß Jedermann fühlt, unsre wahre Größe sey auf dem Continent. (Beifall.) Dieß entscheidet jene große Frage; es zeigt, daß wir mit den Engländern nicht nur durch Principien, sondern auch durch Interessen verbündet sind. England ist beständig auf seine Colonialgröße bedacht und mit Recht. Für England ist der gefährliche Rival jenes große Reich, welches, ohne Colonien, bloß in Folge der ungeheuren Ausdehnung seines Gebiets mit seinen Gränzen nahe an alle Colonien Englands stößt. Nicht wir stören Englands Schlummer, nicht wir beängstigen es. England hat einen mächtigen Bundesgenossen auf dem Continent nöthig; unsre Continentalgröße ist ihm nicht feindlich, sondern nützlich. Ich bin überzeugt, England wünschte jetzt, daß die Verträge von 1815, diese Verträge unsers Unglücks, die wir übrigens klug thaten zu achten, für uns günstiger gewesen seyn möchten, denn England bedarf jetzt unsrer Größe. (Bewegung.) Beide Völker vereinigt, sind nicht die Gebieter der Welt — denn Niemand soll sich anmaßen, dieß zu seyn — wohl aber mächtiger als Alles, was ihnen gegenüber steht. Wenn wir die ungeheure Marine Englands, unsre schönen und zahlreichen Armeen, unsre financiellen Kräfte vereinigen, so bilden wir eine Macht, welche, ohne der Welt Gesetze vorschreiben zu wollen, doch ihrer Freiheit, ihrer Würde, ihrer legitimen Interessen in allen Ländern des Erdballs Achtung verschaffen kann. Ich meinerseits möchte nicht leichthin auf eine solche Allianz verzichten. Ich werde immer daran festhalten, so lange unsre Interessen und unsre Ehre es nicht verbieten. — Erlauben Sie mir nun, auf das Vergangene zurückkommend, Ihnen mit wenigen Worten zu zeigen daß es in den Spaltungen, die uns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0172"/>
Maj. empfangen. Der Präsident der Kammer, Hr. Sauzet, verlas die Adresse. Der <hi rendition="#g">König</hi> antwortete: &#x201C;Ich habe mit lebhaftem Vergnügen die mir im Namen der Kammer gebrachte Adresse vernommen. Ich bin von den ergreifenden Erinnerungen, denen sie die Weihe gibt, und von den Gesinnungen, die sie ausdrückt, tief gerührt. Die Zusammenwirkung der Staatsgewalten für die Wohlfahrt, die Stärke und Würde Frankreichs war und wird immer das Ziel meiner Bestrebungen seyn. Dadurch offenbart sich sowohl nach innen als auch nach außen die wohlthätige Einwirkung der constitutionellen Monarchie, deren Aufrechthaltung wir Alle beschworen haben, und die allein die Größe und Wohlfahrt der Nation sichern kann. Ihr loyales und patriotisches Anschließen ist mir ein neues Unterpfand für den Beistand, den meine Regierung bei Ihnen für des Landes wahre Interessen finden, welche wohl von den Rechten und dem gesetzlichen Ansehen der Autorität unzertrennlich sind. Ich erwarte von Ihnen diese Gesinnungen, meine Herren, und danke Ihnen dafür von ganzem Herzen und voll Vertrauen auf die Zukunft des Vaterlands.&#x201C; Auf diese Rede folgte der Ruf: Es lebe der König! Eine Menge Mitglieder der Kammer hatten sich der großen Deputation angeschlossen.</p><lb/>
          <p>Ein Journal sagt: &#x201C;Man hat bemerkt, daß die Antwort des Königs auf die Adresse der Deputirtenkammer <hi rendition="#g">gelesen</hi> und nicht improrisirt war. Nach der Verlesung der Adresse und der Antwort Sr. Majestät unterhielt sich der König vertraulich mit mehreren Deputirten, unter andern mit dem ehrenwerthen Verfasser der Adresse, Hrn. Remusat.&#x201C;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Beschluß der Rede des Hrn. Thiers über den Orient</hi>.</p><lb/>
          <p>&#x201C;So lange es noch möglich ist, sich mit England zu verständigen, sollte man nicht darauf verzichten, man sollte ihm allein all sein Unrecht lassen, und nur suchen, daß Frankreich sich kein Unrecht gegen England vorzuwerfen habe. Leider ist letzteres nicht der Fall. Ich erkläre mit fester Ueberzeugung, daß nicht alles Unrecht allein auf Seite Englands ist, daß es beiderseits Mißverständnisse gab; ich glaube auch fest, daß es leicht wäre, die Schwierigkeiten durch Aufklärung einiger Theile der Frage zu heben, und dieß würde von großem Nutzen seyn. Die Gegner der brittischen Allianz stützen sich auf das, was sich vor vierzig Jahren zugetragen. Wie kommt es, sagten sie, daß man plötzlich verbündet in Grundsätzen und Interessen werden kann, nachdem man so lange sich bitter befeindet hat? Ich will hier nur einige Blicke auf die frühern Ereignisse werfen, um zu untersuchen, was die wahre Ursache des Hasses und Kampfes zwischen Frankreich und England war. Die französische Demokratie hat zur Zeit unsrer ersten Revolution bald mit einem blutbefleckten Comité, bald mit einem großen Mann, wie Napoleon, an ihrer Spitze, die Welt durch ihre Thaten mit Erstaunen erfüllt, sie aber zugleich in Schrecken gesetzt. Und wie es jedesmal geschieht, wenn die Freiheit Schrecken einflößt, so gab sie auch den Feinden der Freiheit eine ungeheure Macht. (Lebhafte Beistimmung.) Alle Aristokratien Europa's verbanden sich gegen sie, und natürlich war es die mächtigste, reichste und gewandteste dieser Aristokratien, welche den Kampf am längsten aushielt. Die englische Aristokratie hat auf Seite der erschrockenen Welt mit einem genialen Mann, Pitt, an ihrer Spitze, gegen die französische Demokratie und Napoleon gekämpft. Der Kampf war bitter. Es lag damals hinter dieser Principienfrage noch ein ungeheurer Widerspruch der Interessen. Frankreich hatte zu jener Zeit noch nicht darauf verzichtet, eine Colonial- und Seemacht ersten Ranges zu seyn, es hatte noch nicht verzichtet auf den schimmernden Traum fernliegender Besitzungen; es wollte Louisiana, St. Domingo wieder nehmen, und sogar in Syrien und Aegypten einen Eroberungsversuch machen, dessen erklärter Zweck war, die brittische Macht in Ostindien zu bedrohen. Unsre Macht auf dem Continent benützten wir, um mit allen Marinen Europa's, mit der von Dänemark, Holland und Spanien eine Coalition gegen England zu bilden. Wohl hatte also England damals Gründe zu einem erbitterten Krieg; glücklicherweise aber existirt heute kein Grund mehr dazu. Die gemäßigte Revolution ist es, die heute Frankreich wie England beherrscht. Man entgegnet zwar öfters, diese Allianz sey nur momentan, da die Tories wieder ans Ruder kommen können, und allerdings scheinen diese der Regierung öfters nahe. Erlauben Sie mir aber hier eine Bemerkung. Wann stehen die Tories dem Staatsruder nahe? So oft man von ihren berühmtesten Führern, von Peel, Wellington sagt, sie seyen gemäßigt, sie wollten fast, was die Whigs wollten. Die Tories können also zur Gewalt nur unter der Bedingung gelangen, daß sie die Politik der Whigs befolgen, daß sie thun, was die Whigs jetzt thun. (Beifall.) Deßwegen glaube ich, daß die Gewalt in England der gemäßigten Revolution, eben so fest und noch fester vielleicht, als in Frankreich gehört. Ein Principienkampf zwischen beiden Staaten ist unter solchen Umständen unmöglich; eben so unmöglich scheint glücklicherweise auch der Kampf um Interessen. Frankreich weiß jetzt, worin seine wahre Macht liegt, wo der wahre Weg zu seiner Größe ist. Gibt es Jemand in Frankreich, der noch ferne Besitzungen wünscht? Man wird mir Algier anführen. Algier, wohin wir ohne einen ehrgeizigen Beweggrund, bloß wegen der Seeräuberei gegangen, Algier entzweit uns. Die Colonisirung dieses Landes, welches vor unsern Thoren liegt, halte ich für ein ausführbares Unternehmen, wenn wir all' unsre Anstrengungen daran setzen, denn ohne Anstrengungen geschieht nichts Großes in der Welt. Trotz der Nähe Algiers erheben sich Stimmen gegen dasselbe. Vor vierzig Jahren sprach Niemand gegen unsinnige Versuche, wie die, welche Frankreich auf St. Domingo und Louisiana machte. Dieß beweist, daß der Geist in Frankreich sich geändert hat, daß Jedermann fühlt, unsre wahre Größe sey auf dem Continent. (Beifall.) Dieß entscheidet jene große Frage; es zeigt, daß wir mit den Engländern nicht nur durch Principien, sondern auch durch Interessen verbündet sind. England ist beständig auf seine Colonialgröße bedacht und mit Recht. Für England ist der gefährliche Rival jenes große Reich, welches, ohne Colonien, bloß in Folge der ungeheuren Ausdehnung seines Gebiets mit seinen Gränzen nahe an alle Colonien Englands stößt. Nicht wir stören Englands Schlummer, nicht wir beängstigen es. England hat einen mächtigen Bundesgenossen auf dem Continent nöthig; unsre Continentalgröße ist ihm nicht feindlich, sondern nützlich. Ich bin überzeugt, England wünschte jetzt, daß die Verträge von 1815, diese Verträge unsers Unglücks, die wir übrigens klug thaten zu achten, für uns günstiger gewesen seyn möchten, denn England bedarf jetzt unsrer Größe. (Bewegung.) Beide Völker vereinigt, sind nicht die Gebieter der Welt &#x2014; denn Niemand soll sich anmaßen, dieß zu seyn &#x2014; wohl aber mächtiger als Alles, was ihnen gegenüber steht. Wenn wir die ungeheure Marine Englands, unsre schönen und zahlreichen Armeen, unsre financiellen Kräfte vereinigen, so bilden wir eine Macht, welche, ohne der Welt Gesetze vorschreiben zu wollen, doch ihrer Freiheit, ihrer Würde, ihrer legitimen Interessen in allen Ländern des Erdballs Achtung verschaffen kann. Ich meinerseits möchte nicht leichthin auf eine solche Allianz verzichten. Ich werde immer daran festhalten, so lange unsre Interessen und unsre Ehre es nicht verbieten. &#x2014; Erlauben Sie mir nun, auf das Vergangene zurückkommend, Ihnen mit wenigen Worten zu zeigen daß es in den Spaltungen, die uns<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0172/0004] Maj. empfangen. Der Präsident der Kammer, Hr. Sauzet, verlas die Adresse. Der König antwortete: “Ich habe mit lebhaftem Vergnügen die mir im Namen der Kammer gebrachte Adresse vernommen. Ich bin von den ergreifenden Erinnerungen, denen sie die Weihe gibt, und von den Gesinnungen, die sie ausdrückt, tief gerührt. Die Zusammenwirkung der Staatsgewalten für die Wohlfahrt, die Stärke und Würde Frankreichs war und wird immer das Ziel meiner Bestrebungen seyn. Dadurch offenbart sich sowohl nach innen als auch nach außen die wohlthätige Einwirkung der constitutionellen Monarchie, deren Aufrechthaltung wir Alle beschworen haben, und die allein die Größe und Wohlfahrt der Nation sichern kann. Ihr loyales und patriotisches Anschließen ist mir ein neues Unterpfand für den Beistand, den meine Regierung bei Ihnen für des Landes wahre Interessen finden, welche wohl von den Rechten und dem gesetzlichen Ansehen der Autorität unzertrennlich sind. Ich erwarte von Ihnen diese Gesinnungen, meine Herren, und danke Ihnen dafür von ganzem Herzen und voll Vertrauen auf die Zukunft des Vaterlands.“ Auf diese Rede folgte der Ruf: Es lebe der König! Eine Menge Mitglieder der Kammer hatten sich der großen Deputation angeschlossen. Ein Journal sagt: “Man hat bemerkt, daß die Antwort des Königs auf die Adresse der Deputirtenkammer gelesen und nicht improrisirt war. Nach der Verlesung der Adresse und der Antwort Sr. Majestät unterhielt sich der König vertraulich mit mehreren Deputirten, unter andern mit dem ehrenwerthen Verfasser der Adresse, Hrn. Remusat.“ Beschluß der Rede des Hrn. Thiers über den Orient. “So lange es noch möglich ist, sich mit England zu verständigen, sollte man nicht darauf verzichten, man sollte ihm allein all sein Unrecht lassen, und nur suchen, daß Frankreich sich kein Unrecht gegen England vorzuwerfen habe. Leider ist letzteres nicht der Fall. Ich erkläre mit fester Ueberzeugung, daß nicht alles Unrecht allein auf Seite Englands ist, daß es beiderseits Mißverständnisse gab; ich glaube auch fest, daß es leicht wäre, die Schwierigkeiten durch Aufklärung einiger Theile der Frage zu heben, und dieß würde von großem Nutzen seyn. Die Gegner der brittischen Allianz stützen sich auf das, was sich vor vierzig Jahren zugetragen. Wie kommt es, sagten sie, daß man plötzlich verbündet in Grundsätzen und Interessen werden kann, nachdem man so lange sich bitter befeindet hat? Ich will hier nur einige Blicke auf die frühern Ereignisse werfen, um zu untersuchen, was die wahre Ursache des Hasses und Kampfes zwischen Frankreich und England war. Die französische Demokratie hat zur Zeit unsrer ersten Revolution bald mit einem blutbefleckten Comité, bald mit einem großen Mann, wie Napoleon, an ihrer Spitze, die Welt durch ihre Thaten mit Erstaunen erfüllt, sie aber zugleich in Schrecken gesetzt. Und wie es jedesmal geschieht, wenn die Freiheit Schrecken einflößt, so gab sie auch den Feinden der Freiheit eine ungeheure Macht. (Lebhafte Beistimmung.) Alle Aristokratien Europa's verbanden sich gegen sie, und natürlich war es die mächtigste, reichste und gewandteste dieser Aristokratien, welche den Kampf am längsten aushielt. Die englische Aristokratie hat auf Seite der erschrockenen Welt mit einem genialen Mann, Pitt, an ihrer Spitze, gegen die französische Demokratie und Napoleon gekämpft. Der Kampf war bitter. Es lag damals hinter dieser Principienfrage noch ein ungeheurer Widerspruch der Interessen. Frankreich hatte zu jener Zeit noch nicht darauf verzichtet, eine Colonial- und Seemacht ersten Ranges zu seyn, es hatte noch nicht verzichtet auf den schimmernden Traum fernliegender Besitzungen; es wollte Louisiana, St. Domingo wieder nehmen, und sogar in Syrien und Aegypten einen Eroberungsversuch machen, dessen erklärter Zweck war, die brittische Macht in Ostindien zu bedrohen. Unsre Macht auf dem Continent benützten wir, um mit allen Marinen Europa's, mit der von Dänemark, Holland und Spanien eine Coalition gegen England zu bilden. Wohl hatte also England damals Gründe zu einem erbitterten Krieg; glücklicherweise aber existirt heute kein Grund mehr dazu. Die gemäßigte Revolution ist es, die heute Frankreich wie England beherrscht. Man entgegnet zwar öfters, diese Allianz sey nur momentan, da die Tories wieder ans Ruder kommen können, und allerdings scheinen diese der Regierung öfters nahe. Erlauben Sie mir aber hier eine Bemerkung. Wann stehen die Tories dem Staatsruder nahe? So oft man von ihren berühmtesten Führern, von Peel, Wellington sagt, sie seyen gemäßigt, sie wollten fast, was die Whigs wollten. Die Tories können also zur Gewalt nur unter der Bedingung gelangen, daß sie die Politik der Whigs befolgen, daß sie thun, was die Whigs jetzt thun. (Beifall.) Deßwegen glaube ich, daß die Gewalt in England der gemäßigten Revolution, eben so fest und noch fester vielleicht, als in Frankreich gehört. Ein Principienkampf zwischen beiden Staaten ist unter solchen Umständen unmöglich; eben so unmöglich scheint glücklicherweise auch der Kampf um Interessen. Frankreich weiß jetzt, worin seine wahre Macht liegt, wo der wahre Weg zu seiner Größe ist. Gibt es Jemand in Frankreich, der noch ferne Besitzungen wünscht? Man wird mir Algier anführen. Algier, wohin wir ohne einen ehrgeizigen Beweggrund, bloß wegen der Seeräuberei gegangen, Algier entzweit uns. Die Colonisirung dieses Landes, welches vor unsern Thoren liegt, halte ich für ein ausführbares Unternehmen, wenn wir all' unsre Anstrengungen daran setzen, denn ohne Anstrengungen geschieht nichts Großes in der Welt. Trotz der Nähe Algiers erheben sich Stimmen gegen dasselbe. Vor vierzig Jahren sprach Niemand gegen unsinnige Versuche, wie die, welche Frankreich auf St. Domingo und Louisiana machte. Dieß beweist, daß der Geist in Frankreich sich geändert hat, daß Jedermann fühlt, unsre wahre Größe sey auf dem Continent. (Beifall.) Dieß entscheidet jene große Frage; es zeigt, daß wir mit den Engländern nicht nur durch Principien, sondern auch durch Interessen verbündet sind. England ist beständig auf seine Colonialgröße bedacht und mit Recht. Für England ist der gefährliche Rival jenes große Reich, welches, ohne Colonien, bloß in Folge der ungeheuren Ausdehnung seines Gebiets mit seinen Gränzen nahe an alle Colonien Englands stößt. Nicht wir stören Englands Schlummer, nicht wir beängstigen es. England hat einen mächtigen Bundesgenossen auf dem Continent nöthig; unsre Continentalgröße ist ihm nicht feindlich, sondern nützlich. Ich bin überzeugt, England wünschte jetzt, daß die Verträge von 1815, diese Verträge unsers Unglücks, die wir übrigens klug thaten zu achten, für uns günstiger gewesen seyn möchten, denn England bedarf jetzt unsrer Größe. (Bewegung.) Beide Völker vereinigt, sind nicht die Gebieter der Welt — denn Niemand soll sich anmaßen, dieß zu seyn — wohl aber mächtiger als Alles, was ihnen gegenüber steht. Wenn wir die ungeheure Marine Englands, unsre schönen und zahlreichen Armeen, unsre financiellen Kräfte vereinigen, so bilden wir eine Macht, welche, ohne der Welt Gesetze vorschreiben zu wollen, doch ihrer Freiheit, ihrer Würde, ihrer legitimen Interessen in allen Ländern des Erdballs Achtung verschaffen kann. Ich meinerseits möchte nicht leichthin auf eine solche Allianz verzichten. Ich werde immer daran festhalten, so lange unsre Interessen und unsre Ehre es nicht verbieten. — Erlauben Sie mir nun, auf das Vergangene zurückkommend, Ihnen mit wenigen Worten zu zeigen daß es in den Spaltungen, die uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 22. Augsburg, 22. Januar 1840, S. 0172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122/4>, abgerufen am 15.10.2024.