Allgemeine Zeitung. Nr. 16. Augsburg, 16. Januar 1840.gewaltsame Sieg über das schwächere Geschlecht zur Befriedigung sinnlicher Lust von verdorbenen Menschen als eine Probe ihrer Kraft und Ueberlegenheit angeführt wird. Die Plebs glaubte ihre Majestät beleidigt, und jedes Mittel gut, um sie zu rächen; von ihr geführt schlug die frevelnde Art das hohe Kreuz von der heiligen Zinne, und die Masse jauchzte vernunftlosen Beifall zu, wie wenn das Haupt des ärgsten Verräthers gefallen wäre; eine reiche Büchersammlung ward in der Seine ersäuft: es schien, das Volk sey von dem Dämon des Khalifen besessen, und wolle jedes geschriebene Wort, außer dem Koran der Revolution, der Vernichtung überliefern. Zuletzt kam noch die Nationalgarde, von Rechtswegen die Hüterin oder Wiederbringerin der Ordnung, und machte die Posse gleichfalls mit, zog das Chorhemd, legte die geweihten Insignien an, und trug unter dem Hohngelächter des Pöbels die stupide Vermummung auf Dach und Gesims umher, als wäre der Beweis noch zu führen gewesen, daß der Mensch durch nichts so platt und nichtig erscheint, als durch schlechten und noch dazu gemeinen Witz. Die Mauern der Kathedrale selbst hätten sie vielleicht abgebrochen, wenn es möglich gewesen wäre, aber noch schauen die Thürme des alten Doms aus der finstern nebligen Cite, wie aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor, begegnen auf allen Punkten von weiter Aussicht dem Blicke so gut, als der Triumphbogen und die Kuppel des Pantheon, und sieht man diese drei Denkmale zu gleicher Zeit von der Helle des Mittags übergossen, so fragt man sich, ob nicht die Sinnbilder der Freiheit, des Ruhms und der Religion von dem geheimnißvoll waltenden Genius der Nation mit Absicht hier, wie in einem Dreieck, vereinigt seyen. Indem das Volk das Haus des Priesters zerstörte, aber den Tempel fast unversehrt lassen mußte, gab es ohne Wissen die symbolische Andeutung, daß wohl das unnöthige Nebenwerk der Dinge, nicht aber ihr Wesen selbst zerfällt, und daß, um aus der Geschichte nur Eines zu erwähnen, die Fabel, die in der antiken Götterlehre an der Wahrheit Seite wie eine blühende Tochter an der Hand ihrer Mutter ging, wohl verwelken konnte, aber die Idee und der innere Sinn jener Mythen, Abkömmlinge uralter göttlicher Ueberlieferung, noch heute so frisch, wie vor Jahrtausenden, bestehen. Aeußerlich gewann die Kirche durch jene Unthat, indem sie in Folge derselben der verfinsternden Nachbarschaft der umgebenden Gebäude entzogen, und jetzt freier, sichtbarer dasteht, als zuvor. Auch in der Politik ward jenes Ereigniß wichtig: von ihm schreibt sich der Sturz der Partei Lafitte her, die bei dieser Gelegenheit der Anarchie nur so schlaffe Gegenwehr geleistet, und die Blume des Juste-Milieu ist, um idyllisch zu reden, eigentlich auf den Trümmern eines erzbischöflichen Palastes gewachsen. Dessen gedachte man auch, scheint es, hohen Ortes dankbar. Bilder, Verzierungen, Gewänder wanderten nicht selten nach Notre-Dame aus den Sälen des Palais-Royal und der Tuilerien; der eigensinnige Prälat bezähmte gleichfalls manchmal seinen politischen Groll so weit, daß er dergleichen Aufmerksamkeiten durch einen Besuch bei seinem königlichen Gegner erwiederte, sobald sich nur die Vorsehung die Mühe gab ihn hiezu durch das Schauspiel einer wunderbaren Errettung oder einen andern Wink aufzufordern, und hie und da mochten wohl beide bei ihrem Abschiede von einander leise zu sich selber sagen: Die Beerdigung in einer Gruft der Kathedrale wurde, wie sich's erwarten ließ, zu einer prachtvollen Feier. Die Gegenwart der meisten Bischöfe des Erzsprengels, die Anwesenheit so vieler Geistlichen der Hauptstadt, die anmuthigere Reihe der weiblichen Orden, die düstere und massenhafte Beleuchtung der schwarz behängten Kirche, die hohe Musik der Klaggesänge, vermählt mit dem gewaltigen Chorus aller Glocken, die Gedrängtheit des zugeströmten Volkes, die Entfaltung des katholischen Ritus in seinem ganzen Pomp, und alle poetischen oder geschichtlichen Erinnerungen, die diese Kirche in dem Geist erzeugt - diese Masse von Eindrücken mußte das Gemüth tief ergreifen, mächtig erheben und ihm einen Reichthum von nachhaltigen Gefühlen mittheilen. Die Aussichten des Zollvereins. Die Art, wie auswärtige Blätter in neuerer Zeit sich mit dem Zollverein beschäftigen, ist ein hinreichender Beweis, daß er allmählich eine Wichtigkeit gewonnen hat, welche man noch vor wenigen Jahren nicht erwartet hätte. Französische Blätter sprechen mit ihrem gewöhnlichen Leichtsinn davon, und meinen, die Trennung desselben, welche sie ihrer Regierung zur Aufgabe machen, wäre eine sich von selbst verstehende Sache, wenn diese nur ernstlich wolle. Nur das Journal des Debats untersucht die Sache etwas gründlicher, faßt sie in ihrem wahren Gesichtspunkt auf, und räth zu einem Vertrage mit dem Zollverein, der jedoch so schnell noch nicht zu Stande kommen möchte, da wir nicht wissen, was Frankreich ihm bieten könnte, als seine Fabricate, deren Zulassung zu erschweren, um die innere Industrie zu heben, der Zweck des Zollvereins war und ist. Die finsterste Miene macht England, dessen Baumwollenwaaren durch das Emporkommen der deutschen Fabriken so gut wie ganz ausgeschlossen sind, und welches gewiß gern offen dagegen gewirkt hätte, wenn nicht das kluge Benehmen, welches im ganzen Verfolge der Angelegenheit eingehalten wurde, jede Gelegenheit vermieden hätte, bei der fremde Mächte irgend zu einer Einsprache sich berechtigt hätten halten können - ein Umstand, welchen auch das Journal des Debats ausdrücklich hervorhebt. England war somit auf schlimme Wünsche und geheime Machinationen beschränkt, und zeigte seine Abneigung bloß dadurch, daß es dem Herzog von Cumberland die Fortsetzung seiner Appanage als Prinz von Großbritannien nur unter der Bedingung gewährte, daß Hannover nicht in den deutschen Zollverein trete. In England sind indeß die Stimmen über den Zollverband getheilt, und die Sache in den Parteistreit über die Kornbill verflochten worden, indem die Manufacturisten meinen, wenn man nur deutsches Korn in England einführen lasse, so würde Deutschland auch den englischen Fabricaten den Zutritt gestatten. Ob für solche Concessionen nicht bereits die Zeit vorüber ist, wollen wir dahingestellt seyn lassen, um so mehr, da England unser Korn nur holt, wenn es dessen bedarf, und dieß auch in der letzten Zeit gethan hat, trotz seiner Korngesetze, die nur sehr indirect unsern Producenten, am meisten aber dem englischen Publicum und den Kornhändlern schaden, da sie stets Ursache großer Schwankungen im Preise seyn werden. Wie dem indeß seyn mag, gegenwärtig ist keine Aussicht vorhanden, daß mit England oder mit Frankreich *)*) von deutscher Seite ein Vertrag geschlossen werde, denn die Ansichten und Interessen stehen sich noch zu schroff gegenüber, und ehe diese *) Ein Anerbieten Frankreichs, deutsches Vieh gegen billigen Zoll zuzulassen, dürfte in kurzem erfolgen; allein dieß ist keine freiwillige Concession, sondern eine Concession der Noth, indem Frankreich Zufuhr an Vieh, wie England gewöhnlich Zufuhr an Korn bedarf. Eine solche Concession wäre vor 15 Jahren vom Süden Deutschlands mit Dank angenommen worden, jetzt weiß man wohl, daß, wenn sie gemacht wird, sie keinen Dank und Gegendienst mehr verdient.
gewaltsame Sieg über das schwächere Geschlecht zur Befriedigung sinnlicher Lust von verdorbenen Menschen als eine Probe ihrer Kraft und Ueberlegenheit angeführt wird. Die Plebs glaubte ihre Majestät beleidigt, und jedes Mittel gut, um sie zu rächen; von ihr geführt schlug die frevelnde Art das hohe Kreuz von der heiligen Zinne, und die Masse jauchzte vernunftlosen Beifall zu, wie wenn das Haupt des ärgsten Verräthers gefallen wäre; eine reiche Büchersammlung ward in der Seine ersäuft: es schien, das Volk sey von dem Dämon des Khalifen besessen, und wolle jedes geschriebene Wort, außer dem Koran der Revolution, der Vernichtung überliefern. Zuletzt kam noch die Nationalgarde, von Rechtswegen die Hüterin oder Wiederbringerin der Ordnung, und machte die Posse gleichfalls mit, zog das Chorhemd, legte die geweihten Insignien an, und trug unter dem Hohngelächter des Pöbels die stupide Vermummung auf Dach und Gesims umher, als wäre der Beweis noch zu führen gewesen, daß der Mensch durch nichts so platt und nichtig erscheint, als durch schlechten und noch dazu gemeinen Witz. Die Mauern der Kathedrale selbst hätten sie vielleicht abgebrochen, wenn es möglich gewesen wäre, aber noch schauen die Thürme des alten Doms aus der finstern nebligen Cité, wie aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor, begegnen auf allen Punkten von weiter Aussicht dem Blicke so gut, als der Triumphbogen und die Kuppel des Pantheon, und sieht man diese drei Denkmale zu gleicher Zeit von der Helle des Mittags übergossen, so fragt man sich, ob nicht die Sinnbilder der Freiheit, des Ruhms und der Religion von dem geheimnißvoll waltenden Genius der Nation mit Absicht hier, wie in einem Dreieck, vereinigt seyen. Indem das Volk das Haus des Priesters zerstörte, aber den Tempel fast unversehrt lassen mußte, gab es ohne Wissen die symbolische Andeutung, daß wohl das unnöthige Nebenwerk der Dinge, nicht aber ihr Wesen selbst zerfällt, und daß, um aus der Geschichte nur Eines zu erwähnen, die Fabel, die in der antiken Götterlehre an der Wahrheit Seite wie eine blühende Tochter an der Hand ihrer Mutter ging, wohl verwelken konnte, aber die Idee und der innere Sinn jener Mythen, Abkömmlinge uralter göttlicher Ueberlieferung, noch heute so frisch, wie vor Jahrtausenden, bestehen. Aeußerlich gewann die Kirche durch jene Unthat, indem sie in Folge derselben der verfinsternden Nachbarschaft der umgebenden Gebäude entzogen, und jetzt freier, sichtbarer dasteht, als zuvor. Auch in der Politik ward jenes Ereigniß wichtig: von ihm schreibt sich der Sturz der Partei Lafitte her, die bei dieser Gelegenheit der Anarchie nur so schlaffe Gegenwehr geleistet, und die Blume des Juste-Milieu ist, um idyllisch zu reden, eigentlich auf den Trümmern eines erzbischöflichen Palastes gewachsen. Dessen gedachte man auch, scheint es, hohen Ortes dankbar. Bilder, Verzierungen, Gewänder wanderten nicht selten nach Notre-Dame aus den Sälen des Palais-Royal und der Tuilerien; der eigensinnige Prälat bezähmte gleichfalls manchmal seinen politischen Groll so weit, daß er dergleichen Aufmerksamkeiten durch einen Besuch bei seinem königlichen Gegner erwiederte, sobald sich nur die Vorsehung die Mühe gab ihn hiezu durch das Schauspiel einer wunderbaren Errettung oder einen andern Wink aufzufordern, und hie und da mochten wohl beide bei ihrem Abschiede von einander leise zu sich selber sagen: Die Beerdigung in einer Gruft der Kathedrale wurde, wie sich's erwarten ließ, zu einer prachtvollen Feier. Die Gegenwart der meisten Bischöfe des Erzsprengels, die Anwesenheit so vieler Geistlichen der Hauptstadt, die anmuthigere Reihe der weiblichen Orden, die düstere und massenhafte Beleuchtung der schwarz behängten Kirche, die hohe Musik der Klaggesänge, vermählt mit dem gewaltigen Chorus aller Glocken, die Gedrängtheit des zugeströmten Volkes, die Entfaltung des katholischen Ritus in seinem ganzen Pomp, und alle poetischen oder geschichtlichen Erinnerungen, die diese Kirche in dem Geist erzeugt – diese Masse von Eindrücken mußte das Gemüth tief ergreifen, mächtig erheben und ihm einen Reichthum von nachhaltigen Gefühlen mittheilen. Die Aussichten des Zollvereins. Die Art, wie auswärtige Blätter in neuerer Zeit sich mit dem Zollverein beschäftigen, ist ein hinreichender Beweis, daß er allmählich eine Wichtigkeit gewonnen hat, welche man noch vor wenigen Jahren nicht erwartet hätte. Französische Blätter sprechen mit ihrem gewöhnlichen Leichtsinn davon, und meinen, die Trennung desselben, welche sie ihrer Regierung zur Aufgabe machen, wäre eine sich von selbst verstehende Sache, wenn diese nur ernstlich wolle. Nur das Journal des Débats untersucht die Sache etwas gründlicher, faßt sie in ihrem wahren Gesichtspunkt auf, und räth zu einem Vertrage mit dem Zollverein, der jedoch so schnell noch nicht zu Stande kommen möchte, da wir nicht wissen, was Frankreich ihm bieten könnte, als seine Fabricate, deren Zulassung zu erschweren, um die innere Industrie zu heben, der Zweck des Zollvereins war und ist. Die finsterste Miene macht England, dessen Baumwollenwaaren durch das Emporkommen der deutschen Fabriken so gut wie ganz ausgeschlossen sind, und welches gewiß gern offen dagegen gewirkt hätte, wenn nicht das kluge Benehmen, welches im ganzen Verfolge der Angelegenheit eingehalten wurde, jede Gelegenheit vermieden hätte, bei der fremde Mächte irgend zu einer Einsprache sich berechtigt hätten halten können – ein Umstand, welchen auch das Journal des Débats ausdrücklich hervorhebt. England war somit auf schlimme Wünsche und geheime Machinationen beschränkt, und zeigte seine Abneigung bloß dadurch, daß es dem Herzog von Cumberland die Fortsetzung seiner Appanage als Prinz von Großbritannien nur unter der Bedingung gewährte, daß Hannover nicht in den deutschen Zollverein trete. In England sind indeß die Stimmen über den Zollverband getheilt, und die Sache in den Parteistreit über die Kornbill verflochten worden, indem die Manufacturisten meinen, wenn man nur deutsches Korn in England einführen lasse, so würde Deutschland auch den englischen Fabricaten den Zutritt gestatten. Ob für solche Concessionen nicht bereits die Zeit vorüber ist, wollen wir dahingestellt seyn lassen, um so mehr, da England unser Korn nur holt, wenn es dessen bedarf, und dieß auch in der letzten Zeit gethan hat, trotz seiner Korngesetze, die nur sehr indirect unsern Producenten, am meisten aber dem englischen Publicum und den Kornhändlern schaden, da sie stets Ursache großer Schwankungen im Preise seyn werden. Wie dem indeß seyn mag, gegenwärtig ist keine Aussicht vorhanden, daß mit England oder mit Frankreich *)*) von deutscher Seite ein Vertrag geschlossen werde, denn die Ansichten und Interessen stehen sich noch zu schroff gegenüber, und ehe diese *) Ein Anerbieten Frankreichs, deutsches Vieh gegen billigen Zoll zuzulassen, dürfte in kurzem erfolgen; allein dieß ist keine freiwillige Concession, sondern eine Concession der Noth, indem Frankreich Zufuhr an Vieh, wie England gewöhnlich Zufuhr an Korn bedarf. Eine solche Concession wäre vor 15 Jahren vom Süden Deutschlands mit Dank angenommen worden, jetzt weiß man wohl, daß, wenn sie gemacht wird, sie keinen Dank und Gegendienst mehr verdient.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="0123"/> gewaltsame Sieg über das schwächere Geschlecht zur Befriedigung sinnlicher Lust von verdorbenen Menschen als eine Probe ihrer Kraft und Ueberlegenheit angeführt wird. Die Plebs glaubte ihre Majestät beleidigt, und jedes Mittel gut, um sie zu rächen; von ihr geführt schlug die frevelnde Art das hohe Kreuz von der heiligen Zinne, und die Masse jauchzte vernunftlosen Beifall zu, wie wenn das Haupt des ärgsten Verräthers gefallen wäre; eine reiche Büchersammlung ward in der Seine ersäuft: es schien, das Volk sey von dem Dämon des Khalifen besessen, und wolle jedes geschriebene Wort, außer dem Koran der Revolution, der Vernichtung überliefern. Zuletzt kam noch die Nationalgarde, von Rechtswegen die Hüterin oder Wiederbringerin der Ordnung, und machte die Posse gleichfalls mit, zog das Chorhemd, legte die geweihten Insignien an, und trug unter dem Hohngelächter des Pöbels die stupide Vermummung auf Dach und Gesims umher, als wäre der Beweis noch zu führen gewesen, daß der Mensch durch nichts so platt und nichtig erscheint, als durch schlechten und noch dazu gemeinen Witz. Die Mauern der Kathedrale selbst hätten sie vielleicht abgebrochen, wenn es möglich gewesen wäre, aber noch schauen die Thürme des alten Doms aus der finstern nebligen Cité, wie aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor, begegnen auf allen Punkten von weiter Aussicht dem Blicke so gut, als der Triumphbogen und die Kuppel des Pantheon, und sieht man diese drei Denkmale zu gleicher Zeit von der Helle des Mittags übergossen, so fragt man sich, ob nicht die Sinnbilder der Freiheit, des Ruhms und der Religion von dem geheimnißvoll waltenden Genius der Nation mit Absicht hier, wie in einem Dreieck, vereinigt seyen. Indem das Volk das Haus des Priesters zerstörte, aber den Tempel fast unversehrt lassen mußte, gab es ohne Wissen die symbolische Andeutung, daß wohl das unnöthige Nebenwerk der Dinge, nicht aber ihr Wesen selbst zerfällt, und daß, um aus der Geschichte nur Eines zu erwähnen, die Fabel, die in der antiken Götterlehre an der Wahrheit Seite wie eine blühende Tochter an der Hand ihrer Mutter ging, wohl verwelken konnte, aber die Idee und der innere Sinn jener Mythen, Abkömmlinge uralter göttlicher Ueberlieferung, noch heute so frisch, wie vor Jahrtausenden, bestehen. Aeußerlich gewann die Kirche durch jene Unthat, indem sie in Folge derselben der verfinsternden Nachbarschaft der umgebenden Gebäude entzogen, und jetzt freier, sichtbarer dasteht, als zuvor. Auch in der Politik ward jenes Ereigniß wichtig: von ihm schreibt sich der Sturz der Partei Lafitte her, die bei dieser Gelegenheit der Anarchie nur so schlaffe Gegenwehr geleistet, und die Blume des Juste-Milieu ist, um idyllisch zu reden, eigentlich auf den Trümmern eines erzbischöflichen Palastes gewachsen. Dessen gedachte man auch, scheint es, hohen Ortes dankbar. Bilder, Verzierungen, Gewänder wanderten nicht selten nach Notre-Dame aus den Sälen des Palais-Royal und der Tuilerien; der eigensinnige Prälat bezähmte gleichfalls manchmal seinen politischen Groll so weit, daß er dergleichen Aufmerksamkeiten durch einen Besuch bei seinem königlichen Gegner erwiederte, sobald sich nur die Vorsehung die Mühe gab ihn hiezu durch das Schauspiel einer wunderbaren Errettung oder einen andern Wink aufzufordern, und hie und da mochten wohl beide bei ihrem Abschiede von einander leise zu sich selber sagen:<lb/> Von Zeit zu Zeit seh' ich den Alten gern,<lb/> Und hüte mich, mit ihm zu brechen.</p><lb/> <p>Die Beerdigung in einer Gruft der Kathedrale wurde, wie sich's erwarten ließ, zu einer prachtvollen Feier. Die Gegenwart der meisten Bischöfe des Erzsprengels, die Anwesenheit so vieler Geistlichen der Hauptstadt, die anmuthigere Reihe der weiblichen Orden, die düstere und massenhafte Beleuchtung der schwarz behängten Kirche, die hohe Musik der Klaggesänge, vermählt mit dem gewaltigen Chorus aller Glocken, die Gedrängtheit des zugeströmten Volkes, die Entfaltung des katholischen Ritus in seinem ganzen Pomp, und alle poetischen oder geschichtlichen Erinnerungen, die diese Kirche in dem Geist erzeugt – diese Masse von Eindrücken mußte das Gemüth tief ergreifen, mächtig erheben und ihm einen Reichthum von nachhaltigen Gefühlen mittheilen.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Aussichten des Zollvereins</hi>.</hi> </head><lb/> <p>Die Art, wie auswärtige Blätter in neuerer Zeit sich mit dem Zollverein beschäftigen, ist ein hinreichender Beweis, daß er allmählich eine Wichtigkeit gewonnen hat, welche man noch vor wenigen Jahren nicht erwartet hätte. Französische Blätter sprechen mit ihrem gewöhnlichen Leichtsinn davon, und meinen, die Trennung desselben, welche sie ihrer Regierung zur Aufgabe machen, wäre eine sich von selbst verstehende Sache, wenn diese nur ernstlich wolle. Nur das Journal des Débats untersucht die Sache etwas gründlicher, faßt sie in ihrem wahren Gesichtspunkt auf, und räth zu einem Vertrage mit dem Zollverein, der jedoch so schnell noch nicht zu Stande kommen möchte, da wir nicht wissen, was Frankreich ihm bieten könnte, als seine Fabricate, deren Zulassung zu erschweren, um die innere Industrie zu heben, der Zweck des Zollvereins war und ist. Die finsterste Miene macht England, dessen Baumwollenwaaren durch das Emporkommen der deutschen Fabriken so gut wie ganz ausgeschlossen sind, und welches gewiß gern offen dagegen gewirkt hätte, wenn nicht das kluge Benehmen, welches im ganzen Verfolge der Angelegenheit eingehalten wurde, jede Gelegenheit vermieden hätte, bei der fremde Mächte irgend zu einer Einsprache sich berechtigt hätten halten können – ein Umstand, welchen auch das Journal des Débats ausdrücklich hervorhebt. England war somit auf schlimme Wünsche und geheime Machinationen beschränkt, und zeigte seine Abneigung bloß dadurch, daß es dem Herzog von Cumberland die Fortsetzung seiner Appanage als Prinz von Großbritannien nur unter der Bedingung gewährte, daß Hannover nicht in den deutschen Zollverein trete. In England sind indeß die Stimmen über den Zollverband getheilt, und die Sache in den Parteistreit über die Kornbill verflochten worden, indem die Manufacturisten meinen, wenn man nur deutsches Korn in England einführen lasse, so würde Deutschland auch den englischen Fabricaten den Zutritt gestatten. Ob für solche Concessionen nicht bereits die Zeit vorüber ist, wollen wir dahingestellt seyn lassen, um so mehr, da England unser Korn nur holt, wenn es dessen bedarf, und dieß auch in der letzten Zeit gethan hat, trotz seiner Korngesetze, die nur sehr indirect unsern Producenten, am meisten aber dem englischen Publicum und den Kornhändlern schaden, da sie stets Ursache großer Schwankungen im Preise seyn werden. Wie dem indeß seyn mag, gegenwärtig ist keine Aussicht vorhanden, daß mit England oder mit Frankreich <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Ein Anerbieten Frankreichs, deutsches Vieh gegen billigen Zoll zuzulassen, dürfte in kurzem erfolgen; allein dieß ist keine freiwillige Concession, sondern eine Concession der Noth, indem Frankreich Zufuhr an Vieh, wie England gewöhnlich Zufuhr an Korn bedarf. Eine solche Concession wäre vor 15 Jahren vom Süden Deutschlands mit Dank angenommen worden, jetzt weiß man wohl, daß, wenn sie gemacht wird, sie keinen Dank und Gegendienst mehr verdient.</note> von deutscher Seite ein Vertrag geschlossen werde, denn die Ansichten und Interessen stehen sich noch zu schroff gegenüber, und ehe diese<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0123/0011]
gewaltsame Sieg über das schwächere Geschlecht zur Befriedigung sinnlicher Lust von verdorbenen Menschen als eine Probe ihrer Kraft und Ueberlegenheit angeführt wird. Die Plebs glaubte ihre Majestät beleidigt, und jedes Mittel gut, um sie zu rächen; von ihr geführt schlug die frevelnde Art das hohe Kreuz von der heiligen Zinne, und die Masse jauchzte vernunftlosen Beifall zu, wie wenn das Haupt des ärgsten Verräthers gefallen wäre; eine reiche Büchersammlung ward in der Seine ersäuft: es schien, das Volk sey von dem Dämon des Khalifen besessen, und wolle jedes geschriebene Wort, außer dem Koran der Revolution, der Vernichtung überliefern. Zuletzt kam noch die Nationalgarde, von Rechtswegen die Hüterin oder Wiederbringerin der Ordnung, und machte die Posse gleichfalls mit, zog das Chorhemd, legte die geweihten Insignien an, und trug unter dem Hohngelächter des Pöbels die stupide Vermummung auf Dach und Gesims umher, als wäre der Beweis noch zu führen gewesen, daß der Mensch durch nichts so platt und nichtig erscheint, als durch schlechten und noch dazu gemeinen Witz. Die Mauern der Kathedrale selbst hätten sie vielleicht abgebrochen, wenn es möglich gewesen wäre, aber noch schauen die Thürme des alten Doms aus der finstern nebligen Cité, wie aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor, begegnen auf allen Punkten von weiter Aussicht dem Blicke so gut, als der Triumphbogen und die Kuppel des Pantheon, und sieht man diese drei Denkmale zu gleicher Zeit von der Helle des Mittags übergossen, so fragt man sich, ob nicht die Sinnbilder der Freiheit, des Ruhms und der Religion von dem geheimnißvoll waltenden Genius der Nation mit Absicht hier, wie in einem Dreieck, vereinigt seyen. Indem das Volk das Haus des Priesters zerstörte, aber den Tempel fast unversehrt lassen mußte, gab es ohne Wissen die symbolische Andeutung, daß wohl das unnöthige Nebenwerk der Dinge, nicht aber ihr Wesen selbst zerfällt, und daß, um aus der Geschichte nur Eines zu erwähnen, die Fabel, die in der antiken Götterlehre an der Wahrheit Seite wie eine blühende Tochter an der Hand ihrer Mutter ging, wohl verwelken konnte, aber die Idee und der innere Sinn jener Mythen, Abkömmlinge uralter göttlicher Ueberlieferung, noch heute so frisch, wie vor Jahrtausenden, bestehen. Aeußerlich gewann die Kirche durch jene Unthat, indem sie in Folge derselben der verfinsternden Nachbarschaft der umgebenden Gebäude entzogen, und jetzt freier, sichtbarer dasteht, als zuvor. Auch in der Politik ward jenes Ereigniß wichtig: von ihm schreibt sich der Sturz der Partei Lafitte her, die bei dieser Gelegenheit der Anarchie nur so schlaffe Gegenwehr geleistet, und die Blume des Juste-Milieu ist, um idyllisch zu reden, eigentlich auf den Trümmern eines erzbischöflichen Palastes gewachsen. Dessen gedachte man auch, scheint es, hohen Ortes dankbar. Bilder, Verzierungen, Gewänder wanderten nicht selten nach Notre-Dame aus den Sälen des Palais-Royal und der Tuilerien; der eigensinnige Prälat bezähmte gleichfalls manchmal seinen politischen Groll so weit, daß er dergleichen Aufmerksamkeiten durch einen Besuch bei seinem königlichen Gegner erwiederte, sobald sich nur die Vorsehung die Mühe gab ihn hiezu durch das Schauspiel einer wunderbaren Errettung oder einen andern Wink aufzufordern, und hie und da mochten wohl beide bei ihrem Abschiede von einander leise zu sich selber sagen:
Von Zeit zu Zeit seh' ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Die Beerdigung in einer Gruft der Kathedrale wurde, wie sich's erwarten ließ, zu einer prachtvollen Feier. Die Gegenwart der meisten Bischöfe des Erzsprengels, die Anwesenheit so vieler Geistlichen der Hauptstadt, die anmuthigere Reihe der weiblichen Orden, die düstere und massenhafte Beleuchtung der schwarz behängten Kirche, die hohe Musik der Klaggesänge, vermählt mit dem gewaltigen Chorus aller Glocken, die Gedrängtheit des zugeströmten Volkes, die Entfaltung des katholischen Ritus in seinem ganzen Pomp, und alle poetischen oder geschichtlichen Erinnerungen, die diese Kirche in dem Geist erzeugt – diese Masse von Eindrücken mußte das Gemüth tief ergreifen, mächtig erheben und ihm einen Reichthum von nachhaltigen Gefühlen mittheilen.
Die Aussichten des Zollvereins.
Die Art, wie auswärtige Blätter in neuerer Zeit sich mit dem Zollverein beschäftigen, ist ein hinreichender Beweis, daß er allmählich eine Wichtigkeit gewonnen hat, welche man noch vor wenigen Jahren nicht erwartet hätte. Französische Blätter sprechen mit ihrem gewöhnlichen Leichtsinn davon, und meinen, die Trennung desselben, welche sie ihrer Regierung zur Aufgabe machen, wäre eine sich von selbst verstehende Sache, wenn diese nur ernstlich wolle. Nur das Journal des Débats untersucht die Sache etwas gründlicher, faßt sie in ihrem wahren Gesichtspunkt auf, und räth zu einem Vertrage mit dem Zollverein, der jedoch so schnell noch nicht zu Stande kommen möchte, da wir nicht wissen, was Frankreich ihm bieten könnte, als seine Fabricate, deren Zulassung zu erschweren, um die innere Industrie zu heben, der Zweck des Zollvereins war und ist. Die finsterste Miene macht England, dessen Baumwollenwaaren durch das Emporkommen der deutschen Fabriken so gut wie ganz ausgeschlossen sind, und welches gewiß gern offen dagegen gewirkt hätte, wenn nicht das kluge Benehmen, welches im ganzen Verfolge der Angelegenheit eingehalten wurde, jede Gelegenheit vermieden hätte, bei der fremde Mächte irgend zu einer Einsprache sich berechtigt hätten halten können – ein Umstand, welchen auch das Journal des Débats ausdrücklich hervorhebt. England war somit auf schlimme Wünsche und geheime Machinationen beschränkt, und zeigte seine Abneigung bloß dadurch, daß es dem Herzog von Cumberland die Fortsetzung seiner Appanage als Prinz von Großbritannien nur unter der Bedingung gewährte, daß Hannover nicht in den deutschen Zollverein trete. In England sind indeß die Stimmen über den Zollverband getheilt, und die Sache in den Parteistreit über die Kornbill verflochten worden, indem die Manufacturisten meinen, wenn man nur deutsches Korn in England einführen lasse, so würde Deutschland auch den englischen Fabricaten den Zutritt gestatten. Ob für solche Concessionen nicht bereits die Zeit vorüber ist, wollen wir dahingestellt seyn lassen, um so mehr, da England unser Korn nur holt, wenn es dessen bedarf, und dieß auch in der letzten Zeit gethan hat, trotz seiner Korngesetze, die nur sehr indirect unsern Producenten, am meisten aber dem englischen Publicum und den Kornhändlern schaden, da sie stets Ursache großer Schwankungen im Preise seyn werden. Wie dem indeß seyn mag, gegenwärtig ist keine Aussicht vorhanden, daß mit England oder mit Frankreich *) *) von deutscher Seite ein Vertrag geschlossen werde, denn die Ansichten und Interessen stehen sich noch zu schroff gegenüber, und ehe diese
*) Ein Anerbieten Frankreichs, deutsches Vieh gegen billigen Zoll zuzulassen, dürfte in kurzem erfolgen; allein dieß ist keine freiwillige Concession, sondern eine Concession der Noth, indem Frankreich Zufuhr an Vieh, wie England gewöhnlich Zufuhr an Korn bedarf. Eine solche Concession wäre vor 15 Jahren vom Süden Deutschlands mit Dank angenommen worden, jetzt weiß man wohl, daß, wenn sie gemacht wird, sie keinen Dank und Gegendienst mehr verdient.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |