Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, 15. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

die Ständeversammlung aus einem einzigen der vier gewählten Deputirten der Ritterschaft, und drei Stellvertretern für die Abgetretenen, sofern jene Stellvertreter eintreten, dann aus den drei Deputirten dreier Aemter, während der Deputirte des vierten Amtes weitere Theilnahme an der Versammlung zur Zeit abgelehnt hat, das fünfte Amt aber, so wie die Stadt Coburg durch ihre gewählten Deputirten, welche nicht einberufen wurden, nicht vertreten sind. In Coburg namentlich war der bisherige Landschaftssecretär Hofadvocat Sartorius von 36 Wahlmännern mit 32 Stimmen wieder gewählt worden; es ist aber ihm, so wie seinem Stellvertreter der Eintritt in die Ständeversammlung versagt worden, wogegen der dritte Mann in der Wahlreihe, der von 72 Stimmen nur 9 hatte (da ein jeder der 36 Wähler 2 Personen benennen muß, so ergeben sich 72 Stimmen) einberufen worden und auch wirklich eingetreten ist. Es ist dieß der Hofadvocat Ludwig Pertsch dahier. (Sächs. Bl. u. Fränk. Merk.)

Bekanntlich ist der von Lehe nach Ritzebüttel projectirte und in einem Theil des Landes Wursten begonnene Chausseebau durch eine Cabinetsverfügung ohne Angebung irgend eines Grundes plötzlich sistirt worden. Sicherm Vernehmen nach liegt der Grund darin, daß den Einwohnern des Landes Wursten, denen vorzüglich an genannter Anlage gelegen ist, wenn sie um die Fortsetzung derselben petitioniren sollten, ihr Wunsch nur unter der Bedingung erfüllt werden wird, wenn sie sich zur Wahl eines Deputirten zu der nächstens einzuberufenden vertagten Ständeversammlung verstehen würden. (Börsehalle.)

In einer geschlossenen Gesellschaft, die am zweiten Weihnachtstage zu Lehe versammelt war, wurde an der Abendtafel von einem Einwohner des Amts Bremerhaven die Gesundheit des Bürgermeisters Stüve ausgebracht, und mit vielem Beifall aufgenommen. Wegen dieses Toasts ist eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet und schon am nächsten Sonntage, den 29 Dec., der Clubpräsident mündlich vor den Amtmann zu Lehe, der selbst Mitglied der Gesellschaft ist, beschieden, und demselben eröffnet, daß er, der Amtmann, für die Folge Gesellschaften, in denen solche Gesundheiten ausgebracht würden, schließen würde. (Hamb. Corresp.)

So eben ist unser Landtag eröffnet worden. Die Stände wurden dazu in schönen Galawagen, goldbedreßte Lakaien zu Fuß voraus, abgeholt; dabei wurde die Trommel gerührt und die Wache trat ins Gewehr, Abends fand ein unermeßlich großer Fackelzug von den Schützen statt, und noch Vieles, was Aufsehen erregt hat. Aber die Männer des Vertrauens sind theils von unserer Regierung verschlagen worden, theils haben sie freiwillig verzichtet. (Hildburgh. Z.)

Preußen.

Die Beschwerden über Censurverhältnisse haben sich in der letzten Zeit mehrfach wiederholt; man spricht daher jetzt davon, daß alles Ernstes an eine völlige Umänderung unserer Censureinrichtungen gedacht werde. Es soll, wie schon zu Friedrichs des Großen Zeit stattfand, eine unter Umständen zulässige Personalexemption von der Censur im Antrage seyn. Auch würde der Grundsatz aufgestellt werden, daß alle facultätswissenschaftlichen Werke und Aufsätze nur durch Censoren aus der betreffenden Facultät censirt werden sollen. (Leipz. Bl.)

Rußland und Polen.

Die bedeutungsreiche Unternehmung der Russen gegen Khiwa ist bereits von der Allgemeinen Zeitung nach ihrer wahren Tendenz erkannt und gewürdigt worden; um so weniger bedarf es noch der Glossen, um dieß wichtigste und wahrscheinlich folgenreichste Moment der Tagsgeschichte zu beleuchten und richtig zu interpretiren. Schon vor länger als einem Jahre habe ich in der Allgemeinen Zeitung bemerkt, daß Rußland seine Mission in Beziehung auf den Orient gar gut erkenne und eine Unternehmung gegen das südliche Asien vorbereite, um der Weiterverbreitung der englisch-indischen Macht gegen Norden hin Schranken zu setzen; ich fügte bei, daß zu diesem Behufe der Weg nicht durch das befrenndeten Persien, sondern über Khiwa solle eingeschlagen werden. In der That waren auch bereits seit zwei Jahren die Vorbereitungen zu diesem Zuge eingeleitet, dessen Ausführung jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden mußte, da die inzwischen erfolgten Verwickelungen im westlichen Asien Rußlands ungetheilte Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Auch jetzt würde die Expedition noch unterblieben seyn, wenn nicht die, gegen alle Berechnung günstigen Erfolge der brittischen Waffen in Afghanistan, die Besetzung von Kabul und die bereits eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Khan von Khiwa eine Beschleunigung derselben nothwendig gemacht hätten. Das Perowsky'sche Corps, dem die Mission zu Theil geworden ist, dem Supremat Rußlands die Anerkennung der Sarten, Turkomanen, Usbeken und ihrer Erb-Mursen zu verschaffen, ist angeblich nur 20,000 Mann stark, eine freilich nicht gar beträchtliche Macht; wenn indessen in früheren Zeiten, wie bekannt, der Effectivstand der russischen Heere weit hinter den numerischen Angaben zurückblieb, so dürfte dießmal an jener Zahl sicherlich kein Mann fehlen. Auch kann ja den Weg, den ein Armeecorps gemacht hat, gelegentlich ein zweites zurücklegen. Der Grund, warum Rußland dießmal nicht bedeutendere Streitkräfte abgeschickt hat, ist ein doppelter: theils will es die Aufmerksamkeit Englands noch nicht zu rege machen, theils seine Südarmee nicht schwächen, um für alle möglichen Eventualitäten hinlänglich gerüstet zu seyn. Letztere ist nach und nach zu einer wahrhaft imposanten Macht angewachsen, da fast alle Truppen aus den mittlern Gouvernements des Reichs nach dem schwarzen Meere hin dirigirt sind; selbst in Polen ist nur eine kleine Besatzung zurückgeblieben, wie sie zur Besetzung der Hauptpunkte des Landes unumgänglich nöthig ist. Mit Einschluß der Festungen, die sich dermalen in einem vortrefflichen Zustande befinden und Plätze vom ersten Range genannt zu werden verdienen, dürften im ganzen Königreiche nicht 20,000 Mann stehen, was zugleich den besten Beweis liefert, wie wenig das Gouvernement in diesem Augenblick die Volksstimmung zu fürchten hat. Uebrigens will man hier noch nicht recht an die angeblichen Concessionen Rußlands glauben, da man die Dringlichkeit der Zeitumstände zur Bewilligung derselben nicht anerkennt, auch das Petersburger Kabinet schwerlich darein willigen kann, daß der Pontus etwas Anderes, als ein russisches Binnenmeer sey. Die Feinheit der russischen Diplomatie ist zu bekannt, um den Glauben an Ereignisse, die wie Fehler oder Uebereilungen aussehen, bei uns aufkommen zu lassen.

Türkei.

Die von Ihrem sonst sehr gut unterrichteten Londoner Correspondenten gegebene Nachricht, daß die zu London zusammengetretene Conferenz über die orientalische Frage bereits einen entscheidenden Beschluß des Inhalts gefaßt habe: "daß Mehemed Ali von ganz Syrien nur ein sehr kleiner Theil belassen werden solle," war insofern etwas voreilig, als, was Ihr Correspondent als Beschluß gemeldet, bis heute

die Ständeversammlung aus einem einzigen der vier gewählten Deputirten der Ritterschaft, und drei Stellvertretern für die Abgetretenen, sofern jene Stellvertreter eintreten, dann aus den drei Deputirten dreier Aemter, während der Deputirte des vierten Amtes weitere Theilnahme an der Versammlung zur Zeit abgelehnt hat, das fünfte Amt aber, so wie die Stadt Coburg durch ihre gewählten Deputirten, welche nicht einberufen wurden, nicht vertreten sind. In Coburg namentlich war der bisherige Landschaftssecretär Hofadvocat Sartorius von 36 Wahlmännern mit 32 Stimmen wieder gewählt worden; es ist aber ihm, so wie seinem Stellvertreter der Eintritt in die Ständeversammlung versagt worden, wogegen der dritte Mann in der Wahlreihe, der von 72 Stimmen nur 9 hatte (da ein jeder der 36 Wähler 2 Personen benennen muß, so ergeben sich 72 Stimmen) einberufen worden und auch wirklich eingetreten ist. Es ist dieß der Hofadvocat Ludwig Pertsch dahier. (Sächs. Bl. u. Fränk. Merk.)

Bekanntlich ist der von Lehe nach Ritzebüttel projectirte und in einem Theil des Landes Wursten begonnene Chausséebau durch eine Cabinetsverfügung ohne Angebung irgend eines Grundes plötzlich sistirt worden. Sicherm Vernehmen nach liegt der Grund darin, daß den Einwohnern des Landes Wursten, denen vorzüglich an genannter Anlage gelegen ist, wenn sie um die Fortsetzung derselben petitioniren sollten, ihr Wunsch nur unter der Bedingung erfüllt werden wird, wenn sie sich zur Wahl eines Deputirten zu der nächstens einzuberufenden vertagten Ständeversammlung verstehen würden. (Börsehalle.)

In einer geschlossenen Gesellschaft, die am zweiten Weihnachtstage zu Lehe versammelt war, wurde an der Abendtafel von einem Einwohner des Amts Bremerhaven die Gesundheit des Bürgermeisters Stüve ausgebracht, und mit vielem Beifall aufgenommen. Wegen dieses Toasts ist eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet und schon am nächsten Sonntage, den 29 Dec., der Clubpräsident mündlich vor den Amtmann zu Lehe, der selbst Mitglied der Gesellschaft ist, beschieden, und demselben eröffnet, daß er, der Amtmann, für die Folge Gesellschaften, in denen solche Gesundheiten ausgebracht würden, schließen würde. (Hamb. Corresp.)

So eben ist unser Landtag eröffnet worden. Die Stände wurden dazu in schönen Galawagen, goldbedreßte Lakaien zu Fuß voraus, abgeholt; dabei wurde die Trommel gerührt und die Wache trat ins Gewehr, Abends fand ein unermeßlich großer Fackelzug von den Schützen statt, und noch Vieles, was Aufsehen erregt hat. Aber die Männer des Vertrauens sind theils von unserer Regierung verschlagen worden, theils haben sie freiwillig verzichtet. (Hildburgh. Z.)

Preußen.

Die Beschwerden über Censurverhältnisse haben sich in der letzten Zeit mehrfach wiederholt; man spricht daher jetzt davon, daß alles Ernstes an eine völlige Umänderung unserer Censureinrichtungen gedacht werde. Es soll, wie schon zu Friedrichs des Großen Zeit stattfand, eine unter Umständen zulässige Personalexemption von der Censur im Antrage seyn. Auch würde der Grundsatz aufgestellt werden, daß alle facultätswissenschaftlichen Werke und Aufsätze nur durch Censoren aus der betreffenden Facultät censirt werden sollen. (Leipz. Bl.)

Rußland und Polen.

Die bedeutungsreiche Unternehmung der Russen gegen Khiwa ist bereits von der Allgemeinen Zeitung nach ihrer wahren Tendenz erkannt und gewürdigt worden; um so weniger bedarf es noch der Glossen, um dieß wichtigste und wahrscheinlich folgenreichste Moment der Tagsgeschichte zu beleuchten und richtig zu interpretiren. Schon vor länger als einem Jahre habe ich in der Allgemeinen Zeitung bemerkt, daß Rußland seine Mission in Beziehung auf den Orient gar gut erkenne und eine Unternehmung gegen das südliche Asien vorbereite, um der Weiterverbreitung der englisch-indischen Macht gegen Norden hin Schranken zu setzen; ich fügte bei, daß zu diesem Behufe der Weg nicht durch das befrenndeten Persien, sondern über Khiwa solle eingeschlagen werden. In der That waren auch bereits seit zwei Jahren die Vorbereitungen zu diesem Zuge eingeleitet, dessen Ausführung jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden mußte, da die inzwischen erfolgten Verwickelungen im westlichen Asien Rußlands ungetheilte Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Auch jetzt würde die Expedition noch unterblieben seyn, wenn nicht die, gegen alle Berechnung günstigen Erfolge der brittischen Waffen in Afghanistan, die Besetzung von Kabul und die bereits eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Khan von Khiwa eine Beschleunigung derselben nothwendig gemacht hätten. Das Perowsky'sche Corps, dem die Mission zu Theil geworden ist, dem Supremat Rußlands die Anerkennung der Sarten, Turkomanen, Usbeken und ihrer Erb-Mursen zu verschaffen, ist angeblich nur 20,000 Mann stark, eine freilich nicht gar beträchtliche Macht; wenn indessen in früheren Zeiten, wie bekannt, der Effectivstand der russischen Heere weit hinter den numerischen Angaben zurückblieb, so dürfte dießmal an jener Zahl sicherlich kein Mann fehlen. Auch kann ja den Weg, den ein Armeecorps gemacht hat, gelegentlich ein zweites zurücklegen. Der Grund, warum Rußland dießmal nicht bedeutendere Streitkräfte abgeschickt hat, ist ein doppelter: theils will es die Aufmerksamkeit Englands noch nicht zu rege machen, theils seine Südarmee nicht schwächen, um für alle möglichen Eventualitäten hinlänglich gerüstet zu seyn. Letztere ist nach und nach zu einer wahrhaft imposanten Macht angewachsen, da fast alle Truppen aus den mittlern Gouvernements des Reichs nach dem schwarzen Meere hin dirigirt sind; selbst in Polen ist nur eine kleine Besatzung zurückgeblieben, wie sie zur Besetzung der Hauptpunkte des Landes unumgänglich nöthig ist. Mit Einschluß der Festungen, die sich dermalen in einem vortrefflichen Zustande befinden und Plätze vom ersten Range genannt zu werden verdienen, dürften im ganzen Königreiche nicht 20,000 Mann stehen, was zugleich den besten Beweis liefert, wie wenig das Gouvernement in diesem Augenblick die Volksstimmung zu fürchten hat. Uebrigens will man hier noch nicht recht an die angeblichen Concessionen Rußlands glauben, da man die Dringlichkeit der Zeitumstände zur Bewilligung derselben nicht anerkennt, auch das Petersburger Kabinet schwerlich darein willigen kann, daß der Pontus etwas Anderes, als ein russisches Binnenmeer sey. Die Feinheit der russischen Diplomatie ist zu bekannt, um den Glauben an Ereignisse, die wie Fehler oder Uebereilungen aussehen, bei uns aufkommen zu lassen.

Türkei.

Die von Ihrem sonst sehr gut unterrichteten Londoner Correspondenten ♂ gegebene Nachricht, daß die zu London zusammengetretene Conferenz über die orientalische Frage bereits einen entscheidenden Beschluß des Inhalts gefaßt habe: „daß Mehemed Ali von ganz Syrien nur ein sehr kleiner Theil belassen werden solle,“ war insofern etwas voreilig, als, was Ihr Correspondent als Beschluß gemeldet, bis heute

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="0118"/>
die Ständeversammlung aus einem einzigen der vier gewählten Deputirten der Ritterschaft, und drei Stellvertretern für die Abgetretenen, sofern jene Stellvertreter eintreten, dann aus den drei Deputirten dreier Aemter, während der Deputirte des vierten Amtes weitere Theilnahme an der Versammlung zur Zeit abgelehnt hat, das fünfte Amt aber, so wie die Stadt Coburg durch ihre gewählten Deputirten, welche nicht einberufen wurden, nicht vertreten sind. In Coburg namentlich war der bisherige Landschaftssecretär Hofadvocat Sartorius von 36 Wahlmännern mit 32 Stimmen wieder gewählt worden; es ist aber ihm, so wie seinem Stellvertreter der Eintritt in die Ständeversammlung versagt worden, wogegen der dritte Mann in der Wahlreihe, der von 72 Stimmen nur 9 hatte (da ein jeder der 36 Wähler 2 Personen benennen muß, so ergeben sich 72 Stimmen) einberufen worden und auch wirklich eingetreten ist. Es ist dieß der Hofadvocat Ludwig Pertsch dahier. (<hi rendition="#g">Sächs</hi>. <hi rendition="#g">Bl</hi>. u. <hi rendition="#g">Fränk</hi>. <hi rendition="#g">Merk</hi>.)</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Hannover'schen,</hi> 1 Jan.</dateline>
          <p> Bekanntlich ist der von Lehe nach Ritzebüttel projectirte und in einem Theil des Landes Wursten begonnene Chausséebau durch eine Cabinetsverfügung ohne Angebung irgend eines Grundes plötzlich sistirt worden. Sicherm Vernehmen nach liegt der Grund darin, daß den Einwohnern des Landes Wursten, denen vorzüglich an genannter Anlage gelegen ist, wenn sie um die Fortsetzung derselben petitioniren sollten, ihr Wunsch nur unter der Bedingung erfüllt werden wird, wenn sie sich zur Wahl eines Deputirten zu der nächstens einzuberufenden vertagten Ständeversammlung verstehen würden. (<hi rendition="#g">Börsehalle</hi>.)</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Bremischen,</hi> 31 Dec.</dateline>
          <p> In einer geschlossenen Gesellschaft, die am zweiten Weihnachtstage zu Lehe versammelt war, wurde an der Abendtafel von einem Einwohner des Amts Bremerhaven die Gesundheit des Bürgermeisters Stüve ausgebracht, und mit vielem Beifall aufgenommen. Wegen dieses Toasts ist eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet und schon am nächsten Sonntage, den 29 Dec., der Clubpräsident mündlich vor den Amtmann zu Lehe, der selbst Mitglied der Gesellschaft ist, beschieden, und demselben eröffnet, daß er, der Amtmann, für die Folge Gesellschaften, in denen solche Gesundheiten ausgebracht würden, schließen würde. (<hi rendition="#g">Hamb</hi>. <hi rendition="#g">Corresp</hi>.)</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Coburg,</hi> 2 Jan.</dateline>
          <p> So eben ist unser Landtag eröffnet worden. Die Stände wurden dazu in schönen Galawagen, goldbedreßte Lakaien zu Fuß voraus, abgeholt; dabei wurde die Trommel gerührt und die Wache trat ins Gewehr, Abends fand ein unermeßlich großer Fackelzug von den Schützen statt, und noch Vieles, was Aufsehen erregt hat. Aber die Männer des Vertrauens sind theils von unserer Regierung verschlagen worden, theils haben sie freiwillig verzichtet. (<hi rendition="#g">Hildburgh</hi>. Z.)</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Preußen.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline> <hi rendition="#b">Berlin.</hi> </dateline>
          <p> Die Beschwerden über Censurverhältnisse haben sich in der letzten Zeit mehrfach wiederholt; man spricht daher jetzt davon, daß alles Ernstes an eine völlige Umänderung unserer Censureinrichtungen gedacht werde. Es soll, wie schon zu Friedrichs des Großen Zeit stattfand, eine unter Umständen zulässige Personalexemption von der Censur im Antrage seyn. Auch würde der Grundsatz aufgestellt werden, daß alle facultätswissenschaftlichen Werke und Aufsätze nur durch Censoren aus der betreffenden Facultät censirt werden sollen. (<hi rendition="#g">Leipz</hi>. <hi rendition="#g">Bl</hi>.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Rußland und Polen.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Von der polnischen Gränze,</hi> 6 Jan.</dateline>
          <p> Die bedeutungsreiche Unternehmung der Russen gegen Khiwa ist bereits von der Allgemeinen Zeitung nach ihrer wahren Tendenz erkannt und gewürdigt worden; um so weniger bedarf es noch der Glossen, um dieß wichtigste und wahrscheinlich folgenreichste Moment der Tagsgeschichte zu beleuchten und richtig zu interpretiren. Schon vor länger als einem Jahre habe ich in der Allgemeinen Zeitung bemerkt, daß Rußland seine Mission in Beziehung auf den Orient gar gut erkenne und eine Unternehmung gegen das südliche Asien vorbereite, um der Weiterverbreitung der englisch-indischen Macht gegen Norden hin Schranken zu setzen; ich fügte bei, daß zu diesem Behufe der Weg nicht durch das befrenndeten Persien, sondern über Khiwa solle eingeschlagen werden. In der That waren auch bereits seit zwei Jahren die Vorbereitungen zu diesem Zuge eingeleitet, dessen Ausführung jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden mußte, da die inzwischen erfolgten Verwickelungen im westlichen Asien Rußlands ungetheilte Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Auch jetzt würde die Expedition noch unterblieben seyn, wenn nicht die, gegen alle Berechnung günstigen Erfolge der brittischen Waffen in Afghanistan, die Besetzung von Kabul und die bereits eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Khan von Khiwa eine Beschleunigung derselben nothwendig gemacht hätten. Das Perowsky'sche Corps, dem die Mission zu Theil geworden ist, dem Supremat Rußlands die Anerkennung der Sarten, Turkomanen, Usbeken und ihrer Erb-Mursen zu verschaffen, ist angeblich nur 20,000 Mann stark, eine freilich nicht gar beträchtliche Macht; wenn indessen in früheren Zeiten, wie bekannt, der Effectivstand der russischen Heere weit hinter den numerischen Angaben zurückblieb, so dürfte dießmal an jener Zahl sicherlich kein Mann fehlen. Auch kann ja den Weg, den ein Armeecorps gemacht hat, gelegentlich ein zweites zurücklegen. Der Grund, warum Rußland dießmal nicht bedeutendere Streitkräfte abgeschickt hat, ist ein doppelter: theils will es die Aufmerksamkeit Englands noch nicht zu rege machen, theils seine Südarmee nicht schwächen, um für alle möglichen Eventualitäten hinlänglich gerüstet zu seyn. Letztere ist nach und nach zu einer wahrhaft imposanten Macht angewachsen, da fast alle Truppen aus den mittlern Gouvernements des Reichs nach dem schwarzen Meere hin dirigirt sind; selbst in Polen ist nur eine kleine Besatzung zurückgeblieben, wie sie zur Besetzung der Hauptpunkte des Landes unumgänglich nöthig ist. Mit Einschluß der Festungen, die sich dermalen in einem vortrefflichen Zustande befinden und Plätze vom ersten Range genannt zu werden verdienen, dürften im ganzen Königreiche nicht 20,000 Mann stehen, was zugleich den besten Beweis liefert, wie wenig das Gouvernement in diesem Augenblick die Volksstimmung zu fürchten hat. Uebrigens will man hier noch nicht recht an die angeblichen Concessionen Rußlands glauben, da man die Dringlichkeit der Zeitumstände zur Bewilligung derselben nicht anerkennt, auch das Petersburger Kabinet schwerlich darein willigen kann, daß der Pontus etwas Anderes, als ein russisches Binnenmeer sey. Die Feinheit der russischen Diplomatie ist zu bekannt, um den Glauben an Ereignisse, die wie Fehler oder Uebereilungen aussehen, bei uns aufkommen zu lassen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 9 Jan.</dateline>
          <p> Die von Ihrem sonst sehr gut unterrichteten Londoner Correspondenten &#x2642; gegebene Nachricht, daß die zu London zusammengetretene Conferenz über die orientalische Frage bereits einen entscheidenden Beschluß des Inhalts gefaßt habe: &#x201E;daß Mehemed Ali von ganz Syrien nur ein sehr kleiner Theil belassen werden solle,&#x201C; war insofern etwas voreilig, als, was Ihr Correspondent als Beschluß gemeldet, bis heute<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118/0006] die Ständeversammlung aus einem einzigen der vier gewählten Deputirten der Ritterschaft, und drei Stellvertretern für die Abgetretenen, sofern jene Stellvertreter eintreten, dann aus den drei Deputirten dreier Aemter, während der Deputirte des vierten Amtes weitere Theilnahme an der Versammlung zur Zeit abgelehnt hat, das fünfte Amt aber, so wie die Stadt Coburg durch ihre gewählten Deputirten, welche nicht einberufen wurden, nicht vertreten sind. In Coburg namentlich war der bisherige Landschaftssecretär Hofadvocat Sartorius von 36 Wahlmännern mit 32 Stimmen wieder gewählt worden; es ist aber ihm, so wie seinem Stellvertreter der Eintritt in die Ständeversammlung versagt worden, wogegen der dritte Mann in der Wahlreihe, der von 72 Stimmen nur 9 hatte (da ein jeder der 36 Wähler 2 Personen benennen muß, so ergeben sich 72 Stimmen) einberufen worden und auch wirklich eingetreten ist. Es ist dieß der Hofadvocat Ludwig Pertsch dahier. (Sächs. Bl. u. Fränk. Merk.) Aus dem Hannover'schen, 1 Jan. Bekanntlich ist der von Lehe nach Ritzebüttel projectirte und in einem Theil des Landes Wursten begonnene Chausséebau durch eine Cabinetsverfügung ohne Angebung irgend eines Grundes plötzlich sistirt worden. Sicherm Vernehmen nach liegt der Grund darin, daß den Einwohnern des Landes Wursten, denen vorzüglich an genannter Anlage gelegen ist, wenn sie um die Fortsetzung derselben petitioniren sollten, ihr Wunsch nur unter der Bedingung erfüllt werden wird, wenn sie sich zur Wahl eines Deputirten zu der nächstens einzuberufenden vertagten Ständeversammlung verstehen würden. (Börsehalle.) Aus dem Bremischen, 31 Dec. In einer geschlossenen Gesellschaft, die am zweiten Weihnachtstage zu Lehe versammelt war, wurde an der Abendtafel von einem Einwohner des Amts Bremerhaven die Gesundheit des Bürgermeisters Stüve ausgebracht, und mit vielem Beifall aufgenommen. Wegen dieses Toasts ist eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet und schon am nächsten Sonntage, den 29 Dec., der Clubpräsident mündlich vor den Amtmann zu Lehe, der selbst Mitglied der Gesellschaft ist, beschieden, und demselben eröffnet, daß er, der Amtmann, für die Folge Gesellschaften, in denen solche Gesundheiten ausgebracht würden, schließen würde. (Hamb. Corresp.) Coburg, 2 Jan. So eben ist unser Landtag eröffnet worden. Die Stände wurden dazu in schönen Galawagen, goldbedreßte Lakaien zu Fuß voraus, abgeholt; dabei wurde die Trommel gerührt und die Wache trat ins Gewehr, Abends fand ein unermeßlich großer Fackelzug von den Schützen statt, und noch Vieles, was Aufsehen erregt hat. Aber die Männer des Vertrauens sind theils von unserer Regierung verschlagen worden, theils haben sie freiwillig verzichtet. (Hildburgh. Z.) Preußen. Berlin. Die Beschwerden über Censurverhältnisse haben sich in der letzten Zeit mehrfach wiederholt; man spricht daher jetzt davon, daß alles Ernstes an eine völlige Umänderung unserer Censureinrichtungen gedacht werde. Es soll, wie schon zu Friedrichs des Großen Zeit stattfand, eine unter Umständen zulässige Personalexemption von der Censur im Antrage seyn. Auch würde der Grundsatz aufgestellt werden, daß alle facultätswissenschaftlichen Werke und Aufsätze nur durch Censoren aus der betreffenden Facultät censirt werden sollen. (Leipz. Bl.) Rußland und Polen. Von der polnischen Gränze, 6 Jan. Die bedeutungsreiche Unternehmung der Russen gegen Khiwa ist bereits von der Allgemeinen Zeitung nach ihrer wahren Tendenz erkannt und gewürdigt worden; um so weniger bedarf es noch der Glossen, um dieß wichtigste und wahrscheinlich folgenreichste Moment der Tagsgeschichte zu beleuchten und richtig zu interpretiren. Schon vor länger als einem Jahre habe ich in der Allgemeinen Zeitung bemerkt, daß Rußland seine Mission in Beziehung auf den Orient gar gut erkenne und eine Unternehmung gegen das südliche Asien vorbereite, um der Weiterverbreitung der englisch-indischen Macht gegen Norden hin Schranken zu setzen; ich fügte bei, daß zu diesem Behufe der Weg nicht durch das befrenndeten Persien, sondern über Khiwa solle eingeschlagen werden. In der That waren auch bereits seit zwei Jahren die Vorbereitungen zu diesem Zuge eingeleitet, dessen Ausführung jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden mußte, da die inzwischen erfolgten Verwickelungen im westlichen Asien Rußlands ungetheilte Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Auch jetzt würde die Expedition noch unterblieben seyn, wenn nicht die, gegen alle Berechnung günstigen Erfolge der brittischen Waffen in Afghanistan, die Besetzung von Kabul und die bereits eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Khan von Khiwa eine Beschleunigung derselben nothwendig gemacht hätten. Das Perowsky'sche Corps, dem die Mission zu Theil geworden ist, dem Supremat Rußlands die Anerkennung der Sarten, Turkomanen, Usbeken und ihrer Erb-Mursen zu verschaffen, ist angeblich nur 20,000 Mann stark, eine freilich nicht gar beträchtliche Macht; wenn indessen in früheren Zeiten, wie bekannt, der Effectivstand der russischen Heere weit hinter den numerischen Angaben zurückblieb, so dürfte dießmal an jener Zahl sicherlich kein Mann fehlen. Auch kann ja den Weg, den ein Armeecorps gemacht hat, gelegentlich ein zweites zurücklegen. Der Grund, warum Rußland dießmal nicht bedeutendere Streitkräfte abgeschickt hat, ist ein doppelter: theils will es die Aufmerksamkeit Englands noch nicht zu rege machen, theils seine Südarmee nicht schwächen, um für alle möglichen Eventualitäten hinlänglich gerüstet zu seyn. Letztere ist nach und nach zu einer wahrhaft imposanten Macht angewachsen, da fast alle Truppen aus den mittlern Gouvernements des Reichs nach dem schwarzen Meere hin dirigirt sind; selbst in Polen ist nur eine kleine Besatzung zurückgeblieben, wie sie zur Besetzung der Hauptpunkte des Landes unumgänglich nöthig ist. Mit Einschluß der Festungen, die sich dermalen in einem vortrefflichen Zustande befinden und Plätze vom ersten Range genannt zu werden verdienen, dürften im ganzen Königreiche nicht 20,000 Mann stehen, was zugleich den besten Beweis liefert, wie wenig das Gouvernement in diesem Augenblick die Volksstimmung zu fürchten hat. Uebrigens will man hier noch nicht recht an die angeblichen Concessionen Rußlands glauben, da man die Dringlichkeit der Zeitumstände zur Bewilligung derselben nicht anerkennt, auch das Petersburger Kabinet schwerlich darein willigen kann, daß der Pontus etwas Anderes, als ein russisches Binnenmeer sey. Die Feinheit der russischen Diplomatie ist zu bekannt, um den Glauben an Ereignisse, die wie Fehler oder Uebereilungen aussehen, bei uns aufkommen zu lassen. Türkei. Wien, 9 Jan. Die von Ihrem sonst sehr gut unterrichteten Londoner Correspondenten ♂ gegebene Nachricht, daß die zu London zusammengetretene Conferenz über die orientalische Frage bereits einen entscheidenden Beschluß des Inhalts gefaßt habe: „daß Mehemed Ali von ganz Syrien nur ein sehr kleiner Theil belassen werden solle,“ war insofern etwas voreilig, als, was Ihr Correspondent als Beschluß gemeldet, bis heute

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_015_18400115
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_015_18400115/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 15. Augsburg, 15. Januar 1840, S. 0118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_015_18400115/6>, abgerufen am 22.11.2024.