Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 14. Augsburg, 14. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite


Don Carlos schwiegen dazu, und dieß war bezeichnender, als alle Worte. Wenn ich übrigens diese Vorfälle beklage, dieses Benehmen tadle, will ich durchaus nicht die Gesinnungen des unglücklichen Fürsten verdächtigen. Die Umstände waren stärker, als er. Er wurde von den Einen verführt, von den Andern hintergangen, so daß er das Gute für das Schlimme, das Schlimme für das Gute hielt. Aber dieß alles ist nicht seine Schuld. Man darf ihn mit gutem Gewissen freisprechen, aber nur auf Kosten seiner Sache. (Beifall.) Die baskischen Provinzen waren des Krieges satt, und man darf sich gar nicht wundern, daß sie bei der Anarchie, welche am Hof und in der Armee des Prätendenten herrschte, ihre Interessen lieber noch der Regierung der Königin anvertrauen wollten. Jene Provinzen wünschten und forderten den Frieden; dieß führte den Ruin des Don Carlos herbei, nicht die Convention von Bergara. Der Triumph des Don Carlos wäre nur durch einen Vergleich möglich gewesen. Wie hätte aber ein Vergleich geschehen können zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen einer gut bewaffneten und equipirten Armee von 100,000 Mann und einer undisciplinirten Bande von einigen tausend Mann ohne Waffen und ohne Brod, zwischen einem ganzen Königreich und vier kleinen Provinzen, zwischen einer von den meisten Staaten anerkannten Regierung und einer Regierung, die Niemand anerkannt hat? Kein Vergleich, sondern nur eine Unterwerfung der letztern war möglich, und dieß ist auch geschehen, dieß war unvermeidlich. Was Cabrera anbetrifft, so wurde die Bedeutung dieses Bandenführers sehr übertrieben. Er konnte nichts Entscheidendes ausführen, als er nur mit einer schwachen Armee zu thun hatte und die baskischen Provinzen noch im Aufstand waren, er wird es noch viel weniger jetzt können, wo ihm die zahlreiche und abgehärtete Armee Espartero's gegenüber steht. Der Widerstand Cabrera's ist bloß eine Verlängerung der Leiden Spaniens und die letzte Anstrengung einer hoffnungslos verlorenen Sache. (Beistimmung). Ich sollte hier meine Rede endigen, denn wenn der Triumph des Don Carlos unmöglich war, so scheint jedes weitere Wort überflüssig. Doch setzen wir einmal den Fall, Don Carlos hätte gesiegt. Kein verderblicheres Ereigniß hätte Spanien treffen können, und der erste Grund ist, weil der Triumph jedenfalls nur von kurzer Dauer gewesen wäre und eine neue Revolution, mit neuem Unglück im Gefolge, herbeigeführt hätte. Daß diese Revolution dem Triumph der Carlisten gefolgt wäre, ist gewiß, denn die Thronbesteigung des Don Carlos hätten Reactionen und blutige Hinrichtungen begleitet. Selbst wenn Don Carlos Milde hätte üben wollen, hätte er der Wuth seiner Partei nicht gebieten können. Eine Reaction aber ruft stets eine Reaction im entgegengesetzten Sinne hervor, besonders in Spanien. Ein zweiter wichtigerer Grund ist folgender. Don Carlos steht als Oberhaupt der absolutistischen Partei da; dieß gibt Jedermann zu. Er hat deßhalb einige Anhänger und viele Gegner. Diese Partei wird in Spanien nie mehr festen Fuß fassen. Man wird vielleicht wieder sagen, Spanien sey ein Land für sich, es verstehe nichts von den modernen Theorien, es sey das Spanien des 15ten Jahrhunderts. Glauben Sie dergleichen Reden nicht; es gibt keine unrichtigere Behauptung. In Spanien wie überall, ja mehr noch als irgendwo, fühlt man die Nothwendigkeit des Fortschritts, denn in keinem Land sind die Fortschritte nothwendiger." Der Redner suchte aus der neueren Geschichte Spaniens nachzuweisen, daß die Wünsche für freisinnige Institutionen in die Nation tief eingedrungen. Er führte das Beispiel der Junta von Cadiz an, welche während des Unabhängigkeitskriegs gegen Napoleon sich organisirte, aber damals nicht den Absolutismus, sondern eine mehr als liberale Constitution proclamirte. Hr. v. Fezensac endigte seine Rede mit den Worten "Don Carlos hat kein Recht auf den Thron von Spanien, sein Triumph ist unmöglich, und wenn er möglich wäre, würde er Spanien nur Verderben bringen."

Wir brauchen die Discussion über den Entwurf der Adresse in der Pairskammer in den Sitzungen der zwei letzten Tage nicht bis ins Einzelne zu verfolgen, um auf ihre Blößen, ihre schwachen Seiten aufmerksam zu machen. Denn das Einzelne läßt sich hier nur zu leicht auf gewisse allgemeine Gründe zurückführen, welche in der mangelhaften Beschaffenheit, in der mißlichen Stellung der Pairskammer, als constitutioneller Staatsgewalt, zu suchen sind. Auf der einen Seite fehlt der Pairie, bei ihrer jetzigen Constitution, immer noch der feste Grund und Boden, auf welchen sie mit Sicherheit fußen müßte, um sich allmählich und durch eigene Kraft zu der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erheben, welche sie an der Seite des Thrones und der Deputirtenkammer gegenüber zu einer Macht machen müßten, wie sie die constitutionelle Monarchie braucht; auf der andern fehlen ihr die Elemente zu einem wirklich parlamentarischen Leben, wodurch sie als gesetzgebender Körper und als berathende Versammlung thätiger in die Politik des Tages eingreifen, und in entscheidenden Momenten ein entscheidendes Wort mitsprechen könnte. Wir wollen das erstere, die mangelhafte Constitution der Pairskammer als Staatsgewalt für jetzt ganz bei Seite lassen, und, aufgefordert durch die gestrigen und vorgestrigen Verhandlungen über die Adresse, uns bloß an das erstere halten, das parlamentarische Leben der Pairskammer. Soll dieses parlamentarische Leben überhaupt fruchtbringend, erfreulich seyn, so gehören dazu vor Allem zwei höchst wesentliche Elemente, welche wieder unter sich in beständiger Wechselwirkung in der genauesten Beziehung stehen: eine bestimmte und auf moralischen Grundlagen beruhende Organisation der Parteien und eine kräftige Opposition, welche, stark durch das Bewußtseyn ihrer Zwecke, mit Consequenz ein sicheres Ziel verfolge. Beide fehlen der Pairskammer. Eine eigentlich parlamentarische Parteiung existirt in ihr gar nicht, weil die chaotische Zerrissenheit ihrer Elemente ihre Bildung, ihre Entwickelung noch nicht zugelassen hat, und eben deßhalb bleibt auch die Opposition in ihr steril, ohne Kraft und ohne Wirkung; sie verhallt fast nutzlos in der Kammer selbst, und findet noch weit weniger außerhalb derselben, im Lande und bei der Nation, ein ergiebiges Echo. Denn jede parlamentarische Opposition muß, wenn sie Erfolg haben soll, von Parteien ausgehen, sich auf Parteien stützen, welche wiederum im Lande selbst ihren Rückenhalt haben, und durch die Vertretung seiner Interessen, seiner Bestrebungen, gleichviel in welcher Richtung, gehoben und gehalten werden. Weil nun aber solche Parteien in der Pairskammer nicht vorhanden, und, unter den bestehenden Verhältnissen, kaum möglich sind, so behält alle Opposition in ihr einen höchst individuellen Charakter, d. h. sie geht von Individuen aus, und bleibt in ihren Wirkungen fast nur auf sie beschränkt. In dieser Hinsicht lassen sich in ihr wenigstens gewisse Nuancen unterscheiden, welche auch bei den Verhandlungen der zwei letzten Tage wieder ziemlich hervorgetreten sind. Es ist entweder die Opposition des Talents, welches mehr aus Mißmuth über eine falsche Stellung auf einem unfruchtbaren und undankbaren Terrain, als aus höherem politischen Bedürfnisse und mit bestimmten Zwecken opponirt; oder die Opposition des jüngeren aufstrebenden Geschlechts, welches sich auf keine andere Weise geltend machen kann und auf die politische Erhebung der Pairie die Hoffnungen seiner Zukunft setzt; oder endlich die Opposition der Legitimisten, welche sich für verpflichtet halten,


Don Carlos schwiegen dazu, und dieß war bezeichnender, als alle Worte. Wenn ich übrigens diese Vorfälle beklage, dieses Benehmen tadle, will ich durchaus nicht die Gesinnungen des unglücklichen Fürsten verdächtigen. Die Umstände waren stärker, als er. Er wurde von den Einen verführt, von den Andern hintergangen, so daß er das Gute für das Schlimme, das Schlimme für das Gute hielt. Aber dieß alles ist nicht seine Schuld. Man darf ihn mit gutem Gewissen freisprechen, aber nur auf Kosten seiner Sache. (Beifall.) Die baskischen Provinzen waren des Krieges satt, und man darf sich gar nicht wundern, daß sie bei der Anarchie, welche am Hof und in der Armee des Prätendenten herrschte, ihre Interessen lieber noch der Regierung der Königin anvertrauen wollten. Jene Provinzen wünschten und forderten den Frieden; dieß führte den Ruin des Don Carlos herbei, nicht die Convention von Bergara. Der Triumph des Don Carlos wäre nur durch einen Vergleich möglich gewesen. Wie hätte aber ein Vergleich geschehen können zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen einer gut bewaffneten und equipirten Armee von 100,000 Mann und einer undisciplinirten Bande von einigen tausend Mann ohne Waffen und ohne Brod, zwischen einem ganzen Königreich und vier kleinen Provinzen, zwischen einer von den meisten Staaten anerkannten Regierung und einer Regierung, die Niemand anerkannt hat? Kein Vergleich, sondern nur eine Unterwerfung der letztern war möglich, und dieß ist auch geschehen, dieß war unvermeidlich. Was Cabrera anbetrifft, so wurde die Bedeutung dieses Bandenführers sehr übertrieben. Er konnte nichts Entscheidendes ausführen, als er nur mit einer schwachen Armee zu thun hatte und die baskischen Provinzen noch im Aufstand waren, er wird es noch viel weniger jetzt können, wo ihm die zahlreiche und abgehärtete Armee Espartero's gegenüber steht. Der Widerstand Cabrera's ist bloß eine Verlängerung der Leiden Spaniens und die letzte Anstrengung einer hoffnungslos verlorenen Sache. (Beistimmung). Ich sollte hier meine Rede endigen, denn wenn der Triumph des Don Carlos unmöglich war, so scheint jedes weitere Wort überflüssig. Doch setzen wir einmal den Fall, Don Carlos hätte gesiegt. Kein verderblicheres Ereigniß hätte Spanien treffen können, und der erste Grund ist, weil der Triumph jedenfalls nur von kurzer Dauer gewesen wäre und eine neue Revolution, mit neuem Unglück im Gefolge, herbeigeführt hätte. Daß diese Revolution dem Triumph der Carlisten gefolgt wäre, ist gewiß, denn die Thronbesteigung des Don Carlos hätten Reactionen und blutige Hinrichtungen begleitet. Selbst wenn Don Carlos Milde hätte üben wollen, hätte er der Wuth seiner Partei nicht gebieten können. Eine Reaction aber ruft stets eine Reaction im entgegengesetzten Sinne hervor, besonders in Spanien. Ein zweiter wichtigerer Grund ist folgender. Don Carlos steht als Oberhaupt der absolutistischen Partei da; dieß gibt Jedermann zu. Er hat deßhalb einige Anhänger und viele Gegner. Diese Partei wird in Spanien nie mehr festen Fuß fassen. Man wird vielleicht wieder sagen, Spanien sey ein Land für sich, es verstehe nichts von den modernen Theorien, es sey das Spanien des 15ten Jahrhunderts. Glauben Sie dergleichen Reden nicht; es gibt keine unrichtigere Behauptung. In Spanien wie überall, ja mehr noch als irgendwo, fühlt man die Nothwendigkeit des Fortschritts, denn in keinem Land sind die Fortschritte nothwendiger.“ Der Redner suchte aus der neueren Geschichte Spaniens nachzuweisen, daß die Wünsche für freisinnige Institutionen in die Nation tief eingedrungen. Er führte das Beispiel der Junta von Cadiz an, welche während des Unabhängigkeitskriegs gegen Napoleon sich organisirte, aber damals nicht den Absolutismus, sondern eine mehr als liberale Constitution proclamirte. Hr. v. Fezensac endigte seine Rede mit den Worten „Don Carlos hat kein Recht auf den Thron von Spanien, sein Triumph ist unmöglich, und wenn er möglich wäre, würde er Spanien nur Verderben bringen.“

Wir brauchen die Discussion über den Entwurf der Adresse in der Pairskammer in den Sitzungen der zwei letzten Tage nicht bis ins Einzelne zu verfolgen, um auf ihre Blößen, ihre schwachen Seiten aufmerksam zu machen. Denn das Einzelne läßt sich hier nur zu leicht auf gewisse allgemeine Gründe zurückführen, welche in der mangelhaften Beschaffenheit, in der mißlichen Stellung der Pairskammer, als constitutioneller Staatsgewalt, zu suchen sind. Auf der einen Seite fehlt der Pairie, bei ihrer jetzigen Constitution, immer noch der feste Grund und Boden, auf welchen sie mit Sicherheit fußen müßte, um sich allmählich und durch eigene Kraft zu der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erheben, welche sie an der Seite des Thrones und der Deputirtenkammer gegenüber zu einer Macht machen müßten, wie sie die constitutionelle Monarchie braucht; auf der andern fehlen ihr die Elemente zu einem wirklich parlamentarischen Leben, wodurch sie als gesetzgebender Körper und als berathende Versammlung thätiger in die Politik des Tages eingreifen, und in entscheidenden Momenten ein entscheidendes Wort mitsprechen könnte. Wir wollen das erstere, die mangelhafte Constitution der Pairskammer als Staatsgewalt für jetzt ganz bei Seite lassen, und, aufgefordert durch die gestrigen und vorgestrigen Verhandlungen über die Adresse, uns bloß an das erstere halten, das parlamentarische Leben der Pairskammer. Soll dieses parlamentarische Leben überhaupt fruchtbringend, erfreulich seyn, so gehören dazu vor Allem zwei höchst wesentliche Elemente, welche wieder unter sich in beständiger Wechselwirkung in der genauesten Beziehung stehen: eine bestimmte und auf moralischen Grundlagen beruhende Organisation der Parteien und eine kräftige Opposition, welche, stark durch das Bewußtseyn ihrer Zwecke, mit Consequenz ein sicheres Ziel verfolge. Beide fehlen der Pairskammer. Eine eigentlich parlamentarische Parteiung existirt in ihr gar nicht, weil die chaotische Zerrissenheit ihrer Elemente ihre Bildung, ihre Entwickelung noch nicht zugelassen hat, und eben deßhalb bleibt auch die Opposition in ihr steril, ohne Kraft und ohne Wirkung; sie verhallt fast nutzlos in der Kammer selbst, und findet noch weit weniger außerhalb derselben, im Lande und bei der Nation, ein ergiebiges Echo. Denn jede parlamentarische Opposition muß, wenn sie Erfolg haben soll, von Parteien ausgehen, sich auf Parteien stützen, welche wiederum im Lande selbst ihren Rückenhalt haben, und durch die Vertretung seiner Interessen, seiner Bestrebungen, gleichviel in welcher Richtung, gehoben und gehalten werden. Weil nun aber solche Parteien in der Pairskammer nicht vorhanden, und, unter den bestehenden Verhältnissen, kaum möglich sind, so behält alle Opposition in ihr einen höchst individuellen Charakter, d. h. sie geht von Individuen aus, und bleibt in ihren Wirkungen fast nur auf sie beschränkt. In dieser Hinsicht lassen sich in ihr wenigstens gewisse Nuancen unterscheiden, welche auch bei den Verhandlungen der zwei letzten Tage wieder ziemlich hervorgetreten sind. Es ist entweder die Opposition des Talents, welches mehr aus Mißmuth über eine falsche Stellung auf einem unfruchtbaren und undankbaren Terrain, als aus höherem politischen Bedürfnisse und mit bestimmten Zwecken opponirt; oder die Opposition des jüngeren aufstrebenden Geschlechts, welches sich auf keine andere Weise geltend machen kann und auf die politische Erhebung der Pairie die Hoffnungen seiner Zukunft setzt; oder endlich die Opposition der Legitimisten, welche sich für verpflichtet halten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="0107"/><lb/>
Don Carlos schwiegen dazu, und dieß war bezeichnender, als alle Worte. Wenn ich übrigens diese Vorfälle beklage, dieses Benehmen tadle, will ich durchaus nicht die Gesinnungen des unglücklichen Fürsten verdächtigen. Die Umstände waren stärker, als er. Er wurde von den Einen verführt, von den Andern hintergangen, so daß er das Gute für das Schlimme, das Schlimme für das Gute hielt. Aber dieß alles ist nicht seine Schuld. Man darf ihn mit gutem Gewissen freisprechen, aber nur auf Kosten seiner Sache. (Beifall.) Die baskischen Provinzen waren des Krieges satt, und man darf sich gar nicht wundern, daß sie bei der Anarchie, welche am Hof und in der Armee des Prätendenten herrschte, ihre Interessen lieber noch der Regierung der Königin anvertrauen wollten. Jene Provinzen wünschten und forderten den Frieden; dieß führte den Ruin des Don Carlos herbei, nicht die Convention von Bergara. Der Triumph des Don Carlos wäre nur durch einen Vergleich möglich gewesen. Wie hätte aber ein Vergleich geschehen können zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen einer gut bewaffneten und equipirten Armee von 100,000 Mann und einer undisciplinirten Bande von einigen tausend Mann ohne Waffen und ohne Brod, zwischen einem ganzen Königreich und vier kleinen Provinzen, zwischen einer von den meisten Staaten anerkannten Regierung und einer Regierung, die Niemand anerkannt hat? Kein Vergleich, sondern nur eine Unterwerfung der letztern war möglich, und dieß ist auch geschehen, dieß war unvermeidlich. Was Cabrera anbetrifft, so wurde die Bedeutung dieses Bandenführers sehr übertrieben. Er konnte nichts Entscheidendes ausführen, als er nur mit einer schwachen Armee zu thun hatte und die baskischen Provinzen noch im Aufstand waren, er wird es noch viel weniger jetzt können, wo ihm die zahlreiche und abgehärtete Armee Espartero's gegenüber steht. Der Widerstand Cabrera's ist bloß eine Verlängerung der Leiden Spaniens und die letzte Anstrengung einer hoffnungslos verlorenen Sache. (Beistimmung). Ich sollte hier meine Rede endigen, denn wenn der Triumph des Don Carlos unmöglich war, so scheint jedes weitere Wort überflüssig. Doch setzen wir einmal den Fall, Don Carlos hätte gesiegt. Kein verderblicheres Ereigniß hätte Spanien treffen können, und der erste Grund ist, weil der Triumph jedenfalls nur von kurzer Dauer gewesen wäre und eine neue Revolution, mit neuem Unglück im Gefolge, herbeigeführt hätte. Daß diese Revolution dem Triumph der Carlisten gefolgt wäre, ist gewiß, denn die Thronbesteigung des Don Carlos hätten Reactionen und blutige Hinrichtungen begleitet. Selbst wenn Don Carlos Milde hätte üben wollen, hätte er der Wuth seiner Partei nicht gebieten können. Eine Reaction aber ruft stets eine Reaction im entgegengesetzten Sinne hervor, besonders in Spanien. Ein zweiter wichtigerer Grund ist folgender. Don Carlos steht als Oberhaupt der absolutistischen Partei da; dieß gibt Jedermann zu. Er hat deßhalb einige Anhänger und viele Gegner. Diese Partei wird in Spanien nie mehr festen Fuß fassen. Man wird vielleicht wieder sagen, Spanien sey ein Land für sich, es verstehe nichts von den modernen Theorien, es sey das Spanien des 15ten Jahrhunderts. Glauben Sie dergleichen Reden nicht; es gibt keine unrichtigere Behauptung. In Spanien wie überall, ja mehr noch als irgendwo, fühlt man die Nothwendigkeit des Fortschritts, denn in keinem Land sind die Fortschritte nothwendiger.&#x201C; Der Redner suchte aus der neueren Geschichte Spaniens nachzuweisen, daß die Wünsche für freisinnige Institutionen in die Nation tief eingedrungen. Er führte das Beispiel der Junta von Cadiz an, welche während des Unabhängigkeitskriegs gegen Napoleon sich organisirte, aber damals nicht den Absolutismus, sondern eine mehr als liberale Constitution proclamirte. Hr. v. Fezensac endigte seine Rede mit den Worten &#x201E;Don Carlos hat kein Recht auf den Thron von Spanien, sein Triumph ist unmöglich, und wenn er möglich wäre, würde er Spanien nur Verderben bringen.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>&#x2217;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 8 Jan.</dateline>
          <p> Wir brauchen die Discussion über den Entwurf der Adresse in der Pairskammer in den Sitzungen der zwei letzten Tage nicht bis ins Einzelne zu verfolgen, um auf ihre Blößen, ihre schwachen Seiten aufmerksam zu machen. Denn das Einzelne läßt sich hier nur zu leicht auf gewisse allgemeine Gründe zurückführen, welche in der mangelhaften Beschaffenheit, in der mißlichen Stellung der Pairskammer, als constitutioneller Staatsgewalt, zu suchen sind. Auf der einen Seite fehlt der Pairie, bei ihrer jetzigen Constitution, immer noch der feste Grund und Boden, auf welchen sie mit Sicherheit fußen müßte, um sich allmählich und durch eigene Kraft zu der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erheben, welche sie an der Seite des Thrones und der Deputirtenkammer gegenüber zu einer Macht machen müßten, wie sie die constitutionelle Monarchie braucht; auf der andern fehlen ihr die Elemente zu einem wirklich parlamentarischen Leben, wodurch sie als gesetzgebender Körper und als berathende Versammlung thätiger in die Politik des Tages eingreifen, und in entscheidenden Momenten ein entscheidendes Wort mitsprechen könnte. Wir wollen das erstere, die mangelhafte Constitution der Pairskammer als Staatsgewalt für jetzt ganz bei Seite lassen, und, aufgefordert durch die gestrigen und vorgestrigen Verhandlungen über die Adresse, uns bloß an das erstere halten, das parlamentarische Leben der Pairskammer. Soll dieses parlamentarische Leben überhaupt fruchtbringend, erfreulich seyn, so gehören dazu vor Allem zwei höchst wesentliche Elemente, welche wieder unter sich in beständiger Wechselwirkung in der genauesten Beziehung stehen: eine bestimmte und auf moralischen Grundlagen beruhende Organisation der Parteien und eine kräftige Opposition, welche, stark durch das Bewußtseyn ihrer Zwecke, mit Consequenz ein sicheres Ziel verfolge. Beide fehlen der Pairskammer. Eine eigentlich parlamentarische Parteiung existirt in ihr gar nicht, weil die chaotische Zerrissenheit ihrer Elemente ihre Bildung, ihre Entwickelung noch nicht zugelassen hat, und eben deßhalb bleibt auch die Opposition in ihr steril, ohne Kraft und ohne Wirkung; sie verhallt fast nutzlos in der Kammer selbst, und findet noch weit weniger außerhalb derselben, im Lande und bei der Nation, ein ergiebiges Echo. Denn jede parlamentarische Opposition muß, wenn sie Erfolg haben soll, von Parteien ausgehen, sich auf Parteien stützen, welche wiederum im Lande selbst ihren Rückenhalt haben, und durch die Vertretung seiner Interessen, seiner Bestrebungen, gleichviel in welcher Richtung, gehoben und gehalten werden. Weil nun aber solche Parteien in der Pairskammer nicht vorhanden, und, unter den bestehenden Verhältnissen, kaum möglich sind, so behält alle Opposition in ihr einen höchst individuellen Charakter, d. h. sie geht von Individuen aus, und bleibt in ihren Wirkungen fast nur auf sie beschränkt. In dieser Hinsicht lassen sich in ihr wenigstens gewisse Nuancen unterscheiden, welche auch bei den Verhandlungen der zwei letzten Tage wieder ziemlich hervorgetreten sind. Es ist entweder die Opposition des Talents, welches mehr aus Mißmuth über eine falsche Stellung auf einem unfruchtbaren und undankbaren Terrain, als aus höherem politischen Bedürfnisse und mit bestimmten Zwecken opponirt; oder die Opposition des jüngeren aufstrebenden Geschlechts, welches sich auf keine andere Weise geltend machen kann und auf die politische Erhebung der Pairie die Hoffnungen seiner Zukunft setzt; oder endlich die Opposition der Legitimisten, welche sich für verpflichtet halten,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107/0003] Don Carlos schwiegen dazu, und dieß war bezeichnender, als alle Worte. Wenn ich übrigens diese Vorfälle beklage, dieses Benehmen tadle, will ich durchaus nicht die Gesinnungen des unglücklichen Fürsten verdächtigen. Die Umstände waren stärker, als er. Er wurde von den Einen verführt, von den Andern hintergangen, so daß er das Gute für das Schlimme, das Schlimme für das Gute hielt. Aber dieß alles ist nicht seine Schuld. Man darf ihn mit gutem Gewissen freisprechen, aber nur auf Kosten seiner Sache. (Beifall.) Die baskischen Provinzen waren des Krieges satt, und man darf sich gar nicht wundern, daß sie bei der Anarchie, welche am Hof und in der Armee des Prätendenten herrschte, ihre Interessen lieber noch der Regierung der Königin anvertrauen wollten. Jene Provinzen wünschten und forderten den Frieden; dieß führte den Ruin des Don Carlos herbei, nicht die Convention von Bergara. Der Triumph des Don Carlos wäre nur durch einen Vergleich möglich gewesen. Wie hätte aber ein Vergleich geschehen können zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen einer gut bewaffneten und equipirten Armee von 100,000 Mann und einer undisciplinirten Bande von einigen tausend Mann ohne Waffen und ohne Brod, zwischen einem ganzen Königreich und vier kleinen Provinzen, zwischen einer von den meisten Staaten anerkannten Regierung und einer Regierung, die Niemand anerkannt hat? Kein Vergleich, sondern nur eine Unterwerfung der letztern war möglich, und dieß ist auch geschehen, dieß war unvermeidlich. Was Cabrera anbetrifft, so wurde die Bedeutung dieses Bandenführers sehr übertrieben. Er konnte nichts Entscheidendes ausführen, als er nur mit einer schwachen Armee zu thun hatte und die baskischen Provinzen noch im Aufstand waren, er wird es noch viel weniger jetzt können, wo ihm die zahlreiche und abgehärtete Armee Espartero's gegenüber steht. Der Widerstand Cabrera's ist bloß eine Verlängerung der Leiden Spaniens und die letzte Anstrengung einer hoffnungslos verlorenen Sache. (Beistimmung). Ich sollte hier meine Rede endigen, denn wenn der Triumph des Don Carlos unmöglich war, so scheint jedes weitere Wort überflüssig. Doch setzen wir einmal den Fall, Don Carlos hätte gesiegt. Kein verderblicheres Ereigniß hätte Spanien treffen können, und der erste Grund ist, weil der Triumph jedenfalls nur von kurzer Dauer gewesen wäre und eine neue Revolution, mit neuem Unglück im Gefolge, herbeigeführt hätte. Daß diese Revolution dem Triumph der Carlisten gefolgt wäre, ist gewiß, denn die Thronbesteigung des Don Carlos hätten Reactionen und blutige Hinrichtungen begleitet. Selbst wenn Don Carlos Milde hätte üben wollen, hätte er der Wuth seiner Partei nicht gebieten können. Eine Reaction aber ruft stets eine Reaction im entgegengesetzten Sinne hervor, besonders in Spanien. Ein zweiter wichtigerer Grund ist folgender. Don Carlos steht als Oberhaupt der absolutistischen Partei da; dieß gibt Jedermann zu. Er hat deßhalb einige Anhänger und viele Gegner. Diese Partei wird in Spanien nie mehr festen Fuß fassen. Man wird vielleicht wieder sagen, Spanien sey ein Land für sich, es verstehe nichts von den modernen Theorien, es sey das Spanien des 15ten Jahrhunderts. Glauben Sie dergleichen Reden nicht; es gibt keine unrichtigere Behauptung. In Spanien wie überall, ja mehr noch als irgendwo, fühlt man die Nothwendigkeit des Fortschritts, denn in keinem Land sind die Fortschritte nothwendiger.“ Der Redner suchte aus der neueren Geschichte Spaniens nachzuweisen, daß die Wünsche für freisinnige Institutionen in die Nation tief eingedrungen. Er führte das Beispiel der Junta von Cadiz an, welche während des Unabhängigkeitskriegs gegen Napoleon sich organisirte, aber damals nicht den Absolutismus, sondern eine mehr als liberale Constitution proclamirte. Hr. v. Fezensac endigte seine Rede mit den Worten „Don Carlos hat kein Recht auf den Thron von Spanien, sein Triumph ist unmöglich, und wenn er möglich wäre, würde er Spanien nur Verderben bringen.“ ∗ Paris, 8 Jan. Wir brauchen die Discussion über den Entwurf der Adresse in der Pairskammer in den Sitzungen der zwei letzten Tage nicht bis ins Einzelne zu verfolgen, um auf ihre Blößen, ihre schwachen Seiten aufmerksam zu machen. Denn das Einzelne läßt sich hier nur zu leicht auf gewisse allgemeine Gründe zurückführen, welche in der mangelhaften Beschaffenheit, in der mißlichen Stellung der Pairskammer, als constitutioneller Staatsgewalt, zu suchen sind. Auf der einen Seite fehlt der Pairie, bei ihrer jetzigen Constitution, immer noch der feste Grund und Boden, auf welchen sie mit Sicherheit fußen müßte, um sich allmählich und durch eigene Kraft zu der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erheben, welche sie an der Seite des Thrones und der Deputirtenkammer gegenüber zu einer Macht machen müßten, wie sie die constitutionelle Monarchie braucht; auf der andern fehlen ihr die Elemente zu einem wirklich parlamentarischen Leben, wodurch sie als gesetzgebender Körper und als berathende Versammlung thätiger in die Politik des Tages eingreifen, und in entscheidenden Momenten ein entscheidendes Wort mitsprechen könnte. Wir wollen das erstere, die mangelhafte Constitution der Pairskammer als Staatsgewalt für jetzt ganz bei Seite lassen, und, aufgefordert durch die gestrigen und vorgestrigen Verhandlungen über die Adresse, uns bloß an das erstere halten, das parlamentarische Leben der Pairskammer. Soll dieses parlamentarische Leben überhaupt fruchtbringend, erfreulich seyn, so gehören dazu vor Allem zwei höchst wesentliche Elemente, welche wieder unter sich in beständiger Wechselwirkung in der genauesten Beziehung stehen: eine bestimmte und auf moralischen Grundlagen beruhende Organisation der Parteien und eine kräftige Opposition, welche, stark durch das Bewußtseyn ihrer Zwecke, mit Consequenz ein sicheres Ziel verfolge. Beide fehlen der Pairskammer. Eine eigentlich parlamentarische Parteiung existirt in ihr gar nicht, weil die chaotische Zerrissenheit ihrer Elemente ihre Bildung, ihre Entwickelung noch nicht zugelassen hat, und eben deßhalb bleibt auch die Opposition in ihr steril, ohne Kraft und ohne Wirkung; sie verhallt fast nutzlos in der Kammer selbst, und findet noch weit weniger außerhalb derselben, im Lande und bei der Nation, ein ergiebiges Echo. Denn jede parlamentarische Opposition muß, wenn sie Erfolg haben soll, von Parteien ausgehen, sich auf Parteien stützen, welche wiederum im Lande selbst ihren Rückenhalt haben, und durch die Vertretung seiner Interessen, seiner Bestrebungen, gleichviel in welcher Richtung, gehoben und gehalten werden. Weil nun aber solche Parteien in der Pairskammer nicht vorhanden, und, unter den bestehenden Verhältnissen, kaum möglich sind, so behält alle Opposition in ihr einen höchst individuellen Charakter, d. h. sie geht von Individuen aus, und bleibt in ihren Wirkungen fast nur auf sie beschränkt. In dieser Hinsicht lassen sich in ihr wenigstens gewisse Nuancen unterscheiden, welche auch bei den Verhandlungen der zwei letzten Tage wieder ziemlich hervorgetreten sind. Es ist entweder die Opposition des Talents, welches mehr aus Mißmuth über eine falsche Stellung auf einem unfruchtbaren und undankbaren Terrain, als aus höherem politischen Bedürfnisse und mit bestimmten Zwecken opponirt; oder die Opposition des jüngeren aufstrebenden Geschlechts, welches sich auf keine andere Weise geltend machen kann und auf die politische Erhebung der Pairie die Hoffnungen seiner Zukunft setzt; oder endlich die Opposition der Legitimisten, welche sich für verpflichtet halten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_014_18400114
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_014_18400114/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 14. Augsburg, 14. Januar 1840, S. 0107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_014_18400114/3>, abgerufen am 21.11.2024.