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Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840.

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das so eben in Dänemark gesehen, wo der Tod des Monarchen plötzlich tausend Stimmen weckt, die den Ruf nach Reformen erheben, zu welchen es sie lange gedrängt hat. Eine solche Plötzlichkeit ist nie heilsam, wenn sie auch lauter Richtungen zum Guten nimmt. Die Nationen können sie so wenig ertragen, wie ein Ausgehungerter eine gute Mahlzeit. Deßhalb, hoffe ich, wird man wahre Vaterlandsliebe nicht darin verkennen, wenn wir auf Manches aufmerksam machen, was bei einem so bedeutsamen Zeitabschnitt, wie der jetzige, wie uns dünkt, recht ernsthaft ins Auge gefaßt werden sollte. Betrachten wir zuerst, wie der Staat von Seite seines Grundpfeilers, des Rechts, beschaffen ist. Preußen besitzt keine Einheit der Gesetzgebung: am Rhein gelten andere Gesetzbestimmungen, andere Rechtsformen als hier; wir bedürfen zweier Justizminister deßhalb. Niemand wird behaupten, daß ein solcher Zustand ein wünschenswerther sey, wodurch der Staatsbewohner für zwei Besitzungen, die er hat, oft eine ganz verschiedene Form des Handelns annehmen muß. Außer diesem großen Rechtsunterschied bestehen sehr verwickelte Abweichungen der Provincialrechte, und zwar in den wichtigsten Angelegenheiten. Ja, in den Provinzen selbst spalten sich die Einrichtungen wieder, und es tritt z. B. ein völlig verschiedenes Erbrecht ein, je nachdem Jemand, der in Breslau ein Haus und auf dem nächsten Dorf daselbst einen Landsitz hat, zufällig auf seiner Stadt- oder Landbesitzung, die kaum eine halbe Stunde auseinanderliegen, stirbt. Daß Zusammenschmelzungen solcher altbestehenden Rechte ihre großen Schwierigkeiten haben, wird Niemand läugnen; allein dürfen wir behaupten, daß ernste, durchgreifende Versuche dazu geschehen sind? Es waren früher dergleichen ernsthaft im Werke. Bereits im Jahr 1825 (falls wir nicht höchstens um ein Jahr irren) befand sich eine Commission von Rechtsgelehrten in Berlin beisammen, um ein neues praktisches Gesetzbuch für das ganze Land zu entwerfen. Eine Menge Materialien wurden einzeln bearbeitet, doch die Vereinbarung rückte sehr langsam vorwärts. Damals, erinnern wir uns, gab eine auswärtige Zeitung einen auf nur etliche Jahre hinausliegenden Termin an, innerhalb dessen die Arbeiten beendigt seyn würden. Diese Angabe fand man so entfernt, daß sie für einen Scherz gehalten und energisch widerlegt wurde, und - der Termin ist vielleicht schon zehn Jahre verflossen, und noch heute kein Resultat da. Was würde man sagen, wenn man jenen Zeitungsartikel mit der Widerlegung wieder auffrischte! - Niemand wird läugnen, daß gerade in den letzten Jahren die Justiz durch Beschleunigung und Vereinfachung der Proceßformen, durch das eingeführte mündliche Verfahren und Aehnliches große Verbesserungen erfahren hat; doch die Grundreform, eine Erneuerung der in den Jahren 1778-1780 durch den Großkanzler v. Carmer so zeitgemäß begonnenen, seit welcher nunmehr zwei Menschenalter mit einem für zehn Menschenalter ausreichenden Stoff von ungeheuren historischen Ereignissen und geistigen Umwälzungen verflossen sind, ist immer noch zu erwarten, und eine unübersehbare Zahl nachträglicher Verordnungen zur Abhülfe des Dringendsten hat den ganzen Wald unserer Gesetzgebung durch Nachwuchs eher verworrener als lichter gemacht. Wir wiederholen es, die Schwierigkeiten sind sehr groß, und es ist leichter tadeln als bessern. Doch sollte man nicht beginnen, weil das Ziel mühsam zu erreichen ist? Wir glauben, es sey ein Fehler, der bei unserer Regierungsweise öfters vorgekommen ist, unbehagliche Zustände lieber zurückzuschieben, für den Moment zu entfernen, als ihnen entschieden ein Ende zu machen. Offenbar hat sich in den letzten zwei Jahren das Bedürfniß zu einem scharf ausgeprägten Gesetz über die gemischten Ehen, über das Verhältniß der Geistlichen beider Confessionen zum Staat u. s. w. dringend herausgestellt. Eine Zeit lang sprachen alle Tagesblätter von der Discussion, von der nahen und nächsten Promulgation dieser Gesetze; doch das Resultat ist für jetzt in suspenso geblieben. So mag es denn unser Neujahrwunsch für die Verwalter der Justiz wie für die Verwalteten seyn, daß der langgestreute Same auf dem langvorbereiteten Acker baldigst zur Frucht reifen möge.

[71-72]
Preisfrage.

"Welches sind die Ursachen, warum so viel Gutes, was die Kinder in den Schulen gelernt haben, wieder verloren geht, sobald und nachdem sie die Schulen verlassen haben? Welche Mittel können gegen diesen Verlust nach dem Verlassen der Schulen angewendet werden durch die Kinder selbst, durch Eltern, Lehrer, Geistliche, Privatpersonen und Vereine, auch durch den Verein der deutschen Philologen und Schulmänner, und endlich durch den Staat, besonders in Hinsicht auf solche Kinder, welche nicht für den gelehrten Stand und damit zu dem Besuch einer Universität bestimmt sind?"

Bei der Beantwortung dieser Frage soll man erstens untersuchen, ob nicht vielleicht in dem Unterricht selbst der Keim des Verlustes liegt: theils weil viel von dem, was die Kinder in den Schulen lernen, wenn es auch den Namen eines guten Unterrichtes trägt, eigentlich nicht gut ist, und also vermöge seiner Beschaffenheit wieder verloren geht; und theils wenn es auch gut ist, nicht auf eine solche Weise gelehrt und gelernt werde, die es wahrscheinlich macht, daß es nicht wieder verloren gehe. Zweitens und hauptsächlich soll man aber die Mittel angeben, dem Verluste von dem, was wirklich gut ist und gut gelehrt und gelernt wurde, zuvorzukommen.

Für die beste Lösnng wird ein Preis von dreihundert Gulden rhein. Währung bestimmt. Die Antworten müssen bis
1 Januar 1841
eingeschickt und der Name des Verfassers auf einem versiegelten Zettel beigelegt seyn, welchem die nämliche Ueberschrift zu geben ist, wie dem Aufsatze.

Die zweite Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner bringt vermöge Beschlusses vom 1 October d. J. vorstehende Preisfrage eines ihrer Mitglieder mit der Bemerkung zur öffentlichen Kenntniß, daß der Gegenstand derselben zwar ihren Gesichtskreis nicht unmittelbar berühre, daß sie aber den edlen Absichten des menschenfreundlichen Preisstellers mit Vergnügen als Organ der Veröffentlichung diene. Eine Commission erfahrener Schulmänner ist zur Prüfung der erwarteten Preisschriften ernannt und wird das Resultat ihrer Arbeiten der 4ten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner vorlegen. Die Preisschriften werden durch Buchhändlergelegenheit an Hrn. Geheimen Hofrath Dr. Nüßlin in Mannheim eingesandt. Die zum Preis bestimmte Summe ist bei der Sparcasse dahier angelegt. - Mannheim, den 3 October 1839.

Das Bureau der deutschen Philologen und Schulmänner.

Hofrath Fr. Thiersch, als Stellvertreter des dießjährigen Präsidenten.

Dr. Kayser. - Karl Bisfinger, Lyceumslehrer.


[85]
Bekanntmachung.

In der am 11 d. M. gehaltenen General-Versammlung der Mitglieder der neuen Berliner-Hagel-Assecuranz-Gesellschaft ist den erschienenen Interessenten nachgewiesen worden, daß die Gesellschaft im abgelaufenen Jahre die bedeutende Summe von 311,853 Rthlr. 27 Sgr. 6 pf. an Schäden zu vergüten gehabt hat. Diese Vergütungen sind bis auf einige tausend Thaler, welche verschiedener Anstände


das so eben in Dänemark gesehen, wo der Tod des Monarchen plötzlich tausend Stimmen weckt, die den Ruf nach Reformen erheben, zu welchen es sie lange gedrängt hat. Eine solche Plötzlichkeit ist nie heilsam, wenn sie auch lauter Richtungen zum Guten nimmt. Die Nationen können sie so wenig ertragen, wie ein Ausgehungerter eine gute Mahlzeit. Deßhalb, hoffe ich, wird man wahre Vaterlandsliebe nicht darin verkennen, wenn wir auf Manches aufmerksam machen, was bei einem so bedeutsamen Zeitabschnitt, wie der jetzige, wie uns dünkt, recht ernsthaft ins Auge gefaßt werden sollte. Betrachten wir zuerst, wie der Staat von Seite seines Grundpfeilers, des Rechts, beschaffen ist. Preußen besitzt keine Einheit der Gesetzgebung: am Rhein gelten andere Gesetzbestimmungen, andere Rechtsformen als hier; wir bedürfen zweier Justizminister deßhalb. Niemand wird behaupten, daß ein solcher Zustand ein wünschenswerther sey, wodurch der Staatsbewohner für zwei Besitzungen, die er hat, oft eine ganz verschiedene Form des Handelns annehmen muß. Außer diesem großen Rechtsunterschied bestehen sehr verwickelte Abweichungen der Provincialrechte, und zwar in den wichtigsten Angelegenheiten. Ja, in den Provinzen selbst spalten sich die Einrichtungen wieder, und es tritt z. B. ein völlig verschiedenes Erbrecht ein, je nachdem Jemand, der in Breslau ein Haus und auf dem nächsten Dorf daselbst einen Landsitz hat, zufällig auf seiner Stadt- oder Landbesitzung, die kaum eine halbe Stunde auseinanderliegen, stirbt. Daß Zusammenschmelzungen solcher altbestehenden Rechte ihre großen Schwierigkeiten haben, wird Niemand läugnen; allein dürfen wir behaupten, daß ernste, durchgreifende Versuche dazu geschehen sind? Es waren früher dergleichen ernsthaft im Werke. Bereits im Jahr 1825 (falls wir nicht höchstens um ein Jahr irren) befand sich eine Commission von Rechtsgelehrten in Berlin beisammen, um ein neues praktisches Gesetzbuch für das ganze Land zu entwerfen. Eine Menge Materialien wurden einzeln bearbeitet, doch die Vereinbarung rückte sehr langsam vorwärts. Damals, erinnern wir uns, gab eine auswärtige Zeitung einen auf nur etliche Jahre hinausliegenden Termin an, innerhalb dessen die Arbeiten beendigt seyn würden. Diese Angabe fand man so entfernt, daß sie für einen Scherz gehalten und energisch widerlegt wurde, und – der Termin ist vielleicht schon zehn Jahre verflossen, und noch heute kein Resultat da. Was würde man sagen, wenn man jenen Zeitungsartikel mit der Widerlegung wieder auffrischte! – Niemand wird läugnen, daß gerade in den letzten Jahren die Justiz durch Beschleunigung und Vereinfachung der Proceßformen, durch das eingeführte mündliche Verfahren und Aehnliches große Verbesserungen erfahren hat; doch die Grundreform, eine Erneuerung der in den Jahren 1778-1780 durch den Großkanzler v. Carmer so zeitgemäß begonnenen, seit welcher nunmehr zwei Menschenalter mit einem für zehn Menschenalter ausreichenden Stoff von ungeheuren historischen Ereignissen und geistigen Umwälzungen verflossen sind, ist immer noch zu erwarten, und eine unübersehbare Zahl nachträglicher Verordnungen zur Abhülfe des Dringendsten hat den ganzen Wald unserer Gesetzgebung durch Nachwuchs eher verworrener als lichter gemacht. Wir wiederholen es, die Schwierigkeiten sind sehr groß, und es ist leichter tadeln als bessern. Doch sollte man nicht beginnen, weil das Ziel mühsam zu erreichen ist? Wir glauben, es sey ein Fehler, der bei unserer Regierungsweise öfters vorgekommen ist, unbehagliche Zustände lieber zurückzuschieben, für den Moment zu entfernen, als ihnen entschieden ein Ende zu machen. Offenbar hat sich in den letzten zwei Jahren das Bedürfniß zu einem scharf ausgeprägten Gesetz über die gemischten Ehen, über das Verhältniß der Geistlichen beider Confessionen zum Staat u. s. w. dringend herausgestellt. Eine Zeit lang sprachen alle Tagesblätter von der Discussion, von der nahen und nächsten Promulgation dieser Gesetze; doch das Resultat ist für jetzt in suspenso geblieben. So mag es denn unser Neujahrwunsch für die Verwalter der Justiz wie für die Verwalteten seyn, daß der langgestreute Same auf dem langvorbereiteten Acker baldigst zur Frucht reifen möge.

[71-72]
Preisfrage.

„Welches sind die Ursachen, warum so viel Gutes, was die Kinder in den Schulen gelernt haben, wieder verloren geht, sobald und nachdem sie die Schulen verlassen haben? Welche Mittel können gegen diesen Verlust nach dem Verlassen der Schulen angewendet werden durch die Kinder selbst, durch Eltern, Lehrer, Geistliche, Privatpersonen und Vereine, auch durch den Verein der deutschen Philologen und Schulmänner, und endlich durch den Staat, besonders in Hinsicht auf solche Kinder, welche nicht für den gelehrten Stand und damit zu dem Besuch einer Universität bestimmt sind?“

Bei der Beantwortung dieser Frage soll man erstens untersuchen, ob nicht vielleicht in dem Unterricht selbst der Keim des Verlustes liegt: theils weil viel von dem, was die Kinder in den Schulen lernen, wenn es auch den Namen eines guten Unterrichtes trägt, eigentlich nicht gut ist, und also vermöge seiner Beschaffenheit wieder verloren geht; und theils wenn es auch gut ist, nicht auf eine solche Weise gelehrt und gelernt werde, die es wahrscheinlich macht, daß es nicht wieder verloren gehe. Zweitens und hauptsächlich soll man aber die Mittel angeben, dem Verluste von dem, was wirklich gut ist und gut gelehrt und gelernt wurde, zuvorzukommen.

Für die beste Lösnng wird ein Preis von dreihundert Gulden rhein. Währung bestimmt. Die Antworten müssen bis
1 Januar 1841
eingeschickt und der Name des Verfassers auf einem versiegelten Zettel beigelegt seyn, welchem die nämliche Ueberschrift zu geben ist, wie dem Aufsatze.

Die zweite Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner bringt vermöge Beschlusses vom 1 October d. J. vorstehende Preisfrage eines ihrer Mitglieder mit der Bemerkung zur öffentlichen Kenntniß, daß der Gegenstand derselben zwar ihren Gesichtskreis nicht unmittelbar berühre, daß sie aber den edlen Absichten des menschenfreundlichen Preisstellers mit Vergnügen als Organ der Veröffentlichung diene. Eine Commission erfahrener Schulmänner ist zur Prüfung der erwarteten Preisschriften ernannt und wird das Resultat ihrer Arbeiten der 4ten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner vorlegen. Die Preisschriften werden durch Buchhändlergelegenheit an Hrn. Geheimen Hofrath Dr. Nüßlin in Mannheim eingesandt. Die zum Preis bestimmte Summe ist bei der Sparcasse dahier angelegt. – Mannheim, den 3 October 1839.

Das Bureau der deutschen Philologen und Schulmänner.

Hofrath Fr. Thiersch, als Stellvertreter des dießjährigen Präsidenten.

Dr. Kayser. – Karl Bisfinger, Lyceumslehrer.


[85]
Bekanntmachung.

In der am 11 d. M. gehaltenen General-Versammlung der Mitglieder der neuen Berliner-Hagel-Assecuranz-Gesellschaft ist den erschienenen Interessenten nachgewiesen worden, daß die Gesellschaft im abgelaufenen Jahre die bedeutende Summe von 311,853 Rthlr. 27 Sgr. 6 pf. an Schäden zu vergüten gehabt hat. Diese Vergütungen sind bis auf einige tausend Thaler, welche verschiedener Anstände

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[0102/0014] das so eben in Dänemark gesehen, wo der Tod des Monarchen plötzlich tausend Stimmen weckt, die den Ruf nach Reformen erheben, zu welchen es sie lange gedrängt hat. Eine solche Plötzlichkeit ist nie heilsam, wenn sie auch lauter Richtungen zum Guten nimmt. Die Nationen können sie so wenig ertragen, wie ein Ausgehungerter eine gute Mahlzeit. Deßhalb, hoffe ich, wird man wahre Vaterlandsliebe nicht darin verkennen, wenn wir auf Manches aufmerksam machen, was bei einem so bedeutsamen Zeitabschnitt, wie der jetzige, wie uns dünkt, recht ernsthaft ins Auge gefaßt werden sollte. Betrachten wir zuerst, wie der Staat von Seite seines Grundpfeilers, des Rechts, beschaffen ist. Preußen besitzt keine Einheit der Gesetzgebung: am Rhein gelten andere Gesetzbestimmungen, andere Rechtsformen als hier; wir bedürfen zweier Justizminister deßhalb. Niemand wird behaupten, daß ein solcher Zustand ein wünschenswerther sey, wodurch der Staatsbewohner für zwei Besitzungen, die er hat, oft eine ganz verschiedene Form des Handelns annehmen muß. Außer diesem großen Rechtsunterschied bestehen sehr verwickelte Abweichungen der Provincialrechte, und zwar in den wichtigsten Angelegenheiten. Ja, in den Provinzen selbst spalten sich die Einrichtungen wieder, und es tritt z. B. ein völlig verschiedenes Erbrecht ein, je nachdem Jemand, der in Breslau ein Haus und auf dem nächsten Dorf daselbst einen Landsitz hat, zufällig auf seiner Stadt- oder Landbesitzung, die kaum eine halbe Stunde auseinanderliegen, stirbt. Daß Zusammenschmelzungen solcher altbestehenden Rechte ihre großen Schwierigkeiten haben, wird Niemand läugnen; allein dürfen wir behaupten, daß ernste, durchgreifende Versuche dazu geschehen sind? Es waren früher dergleichen ernsthaft im Werke. Bereits im Jahr 1825 (falls wir nicht höchstens um ein Jahr irren) befand sich eine Commission von Rechtsgelehrten in Berlin beisammen, um ein neues praktisches Gesetzbuch für das ganze Land zu entwerfen. Eine Menge Materialien wurden einzeln bearbeitet, doch die Vereinbarung rückte sehr langsam vorwärts. Damals, erinnern wir uns, gab eine auswärtige Zeitung einen auf nur etliche Jahre hinausliegenden Termin an, innerhalb dessen die Arbeiten beendigt seyn würden. Diese Angabe fand man so entfernt, daß sie für einen Scherz gehalten und energisch widerlegt wurde, und – der Termin ist vielleicht schon zehn Jahre verflossen, und noch heute kein Resultat da. Was würde man sagen, wenn man jenen Zeitungsartikel mit der Widerlegung wieder auffrischte! – Niemand wird läugnen, daß gerade in den letzten Jahren die Justiz durch Beschleunigung und Vereinfachung der Proceßformen, durch das eingeführte mündliche Verfahren und Aehnliches große Verbesserungen erfahren hat; doch die Grundreform, eine Erneuerung der in den Jahren 1778-1780 durch den Großkanzler v. Carmer so zeitgemäß begonnenen, seit welcher nunmehr zwei Menschenalter mit einem für zehn Menschenalter ausreichenden Stoff von ungeheuren historischen Ereignissen und geistigen Umwälzungen verflossen sind, ist immer noch zu erwarten, und eine unübersehbare Zahl nachträglicher Verordnungen zur Abhülfe des Dringendsten hat den ganzen Wald unserer Gesetzgebung durch Nachwuchs eher verworrener als lichter gemacht. Wir wiederholen es, die Schwierigkeiten sind sehr groß, und es ist leichter tadeln als bessern. Doch sollte man nicht beginnen, weil das Ziel mühsam zu erreichen ist? Wir glauben, es sey ein Fehler, der bei unserer Regierungsweise öfters vorgekommen ist, unbehagliche Zustände lieber zurückzuschieben, für den Moment zu entfernen, als ihnen entschieden ein Ende zu machen. Offenbar hat sich in den letzten zwei Jahren das Bedürfniß zu einem scharf ausgeprägten Gesetz über die gemischten Ehen, über das Verhältniß der Geistlichen beider Confessionen zum Staat u. s. w. dringend herausgestellt. Eine Zeit lang sprachen alle Tagesblätter von der Discussion, von der nahen und nächsten Promulgation dieser Gesetze; doch das Resultat ist für jetzt in suspenso geblieben. So mag es denn unser Neujahrwunsch für die Verwalter der Justiz wie für die Verwalteten seyn, daß der langgestreute Same auf dem langvorbereiteten Acker baldigst zur Frucht reifen möge. [71-72] Preisfrage. „Welches sind die Ursachen, warum so viel Gutes, was die Kinder in den Schulen gelernt haben, wieder verloren geht, sobald und nachdem sie die Schulen verlassen haben? Welche Mittel können gegen diesen Verlust nach dem Verlassen der Schulen angewendet werden durch die Kinder selbst, durch Eltern, Lehrer, Geistliche, Privatpersonen und Vereine, auch durch den Verein der deutschen Philologen und Schulmänner, und endlich durch den Staat, besonders in Hinsicht auf solche Kinder, welche nicht für den gelehrten Stand und damit zu dem Besuch einer Universität bestimmt sind?“ Bei der Beantwortung dieser Frage soll man erstens untersuchen, ob nicht vielleicht in dem Unterricht selbst der Keim des Verlustes liegt: theils weil viel von dem, was die Kinder in den Schulen lernen, wenn es auch den Namen eines guten Unterrichtes trägt, eigentlich nicht gut ist, und also vermöge seiner Beschaffenheit wieder verloren geht; und theils wenn es auch gut ist, nicht auf eine solche Weise gelehrt und gelernt werde, die es wahrscheinlich macht, daß es nicht wieder verloren gehe. Zweitens und hauptsächlich soll man aber die Mittel angeben, dem Verluste von dem, was wirklich gut ist und gut gelehrt und gelernt wurde, zuvorzukommen. Für die beste Lösnng wird ein Preis von dreihundert Gulden rhein. Währung bestimmt. Die Antworten müssen bis 1 Januar 1841 eingeschickt und der Name des Verfassers auf einem versiegelten Zettel beigelegt seyn, welchem die nämliche Ueberschrift zu geben ist, wie dem Aufsatze. Die zweite Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner bringt vermöge Beschlusses vom 1 October d. J. vorstehende Preisfrage eines ihrer Mitglieder mit der Bemerkung zur öffentlichen Kenntniß, daß der Gegenstand derselben zwar ihren Gesichtskreis nicht unmittelbar berühre, daß sie aber den edlen Absichten des menschenfreundlichen Preisstellers mit Vergnügen als Organ der Veröffentlichung diene. Eine Commission erfahrener Schulmänner ist zur Prüfung der erwarteten Preisschriften ernannt und wird das Resultat ihrer Arbeiten der 4ten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner vorlegen. Die Preisschriften werden durch Buchhändlergelegenheit an Hrn. Geheimen Hofrath Dr. Nüßlin in Mannheim eingesandt. Die zum Preis bestimmte Summe ist bei der Sparcasse dahier angelegt. – Mannheim, den 3 October 1839. Das Bureau der deutschen Philologen und Schulmänner. Hofrath Fr. Thiersch, als Stellvertreter des dießjährigen Präsidenten. Dr. Kayser. – Karl Bisfinger, Lyceumslehrer. [85] Bekanntmachung. In der am 11 d. M. gehaltenen General-Versammlung der Mitglieder der neuen Berliner-Hagel-Assecuranz-Gesellschaft ist den erschienenen Interessenten nachgewiesen worden, daß die Gesellschaft im abgelaufenen Jahre die bedeutende Summe von 311,853 Rthlr. 27 Sgr. 6 pf. an Schäden zu vergüten gehabt hat. Diese Vergütungen sind bis auf einige tausend Thaler, welche verschiedener Anstände

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840, S. 0102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_013_18400113/14>, abgerufen am 04.05.2024.